TE Lvwg Erkenntnis 2020/12/17 LVwG-AV-1455/001-2020

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Veröffentlicht am 17.12.2020
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Entscheidungsdatum

17.12.2020

Norm

KanalG NÖ 1977 §2
KanalG NÖ 1977 §3
KanalG NÖ 1977 §9
BAO §101 Abs1
BAO §212a Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Lindner als Einzelrichterin über die Beschwerden des A, der C sowie der D vom 11. Jänner 2019 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 5. Dezember 2018, soweit damit der Berufung des A gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. Juni 2017, Zl.°***, betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für die Liegenschaft *** in ***, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt wurde, zu Recht:

1.   Aufgrund der Beschwerde des A wird der angefochtene Bescheid gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) wie folgt abgeändert:
Die Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für die Liegenschaft in ***, ***, Grundstücksnummer: ***, KG ***, wird als Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung (411,05 m² x € 9,88 = € 4.061,17) und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung (266,14 m² x € 9,88 = € 2.629,46) im Betrag von € 1.431,71 festgesetzt.

und fasst den

B E S C H L U S S:

2.   Die Beschwerden der C und der D werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

3.   Gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Das verfahrensgegenständliche Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, mit der topografischen Adresse ***, ***, steht im grundbücherlichen Eigentum des A (1/4), der C (1/4) sowie der D (1/2).

Auf dem Grundstück befinden sich zwei an den öffentlichen Mischwasserkanal angeschlossene Wohnhäuser. Zwischen den Häusern liegt seit 1965 ein überdachter, unbeheizter Vorraum, von dem aus Zugänge in beide Häuser bestehen.

Beim straßenseitig gelegenen Haus 1, welches von A und C bewohnt wird, wurde ein Zubau errichtet sowie eine Aufstockung des Dachgeschoßes vorgenommen. Die Fertigstellung dieses mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 22. Juni 2006, Zl.°***, bewilligten Bauvorhabens wurde mit Fertigstellungsmeldung vom 30. Dezember 2013, bei der Baubehörde eingelangt am 8. Jänner 2014, angezeigt bzw. wurde vom bestellten Bauführer die bewilligungsgemäße Ausführung bescheinigt.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2017 legten die Beschwerdeführer eine von allen drei Liegenschaftseigentümern unterfertigte Veränderungsanzeige gemäß §°13°NÖ°Gemeindewasserleitungsgesetz bzw. § 13 NÖ Kanalgesetz vor.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. Juni 2017, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 2 Abs. 5 und § 3 Abs. 6 des NÖ Kanalgesetzes 1977 und der geltenden Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde *** aus Anlass der angezeigten Änderung der Berechnungsfläche eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe im Betrag von € 690,71 (zuzüglich Umsatzsteuer) vorgeschrieben. Dabei wurden als Berechnungsfläche vor der Änderung eine Fläche von 341,14 m² ermittelt, während als Berechnungsfläche nach der Änderung eine Fläche von 411,05 m² herangezogen wurde. Weiters wurde der Berechnung ein Einheitssatz von € 9,88 zugrunde gelegt.

In der Bescheidbegründung wurde folgende Berechnung dargestellt:

„I. Bestand n a c h der Änderung

 

Bebaute          Flächen- angeschl.          Fläche

Fläche          hälfte           Geschoße
Gebäude          
Wohnhaus          224,03  112,02  2+1                        336,05

Anteil der bebauten Fläche:                                              358,80

Anteil der unbebauten Fläche: 15% von 500,00 m²

(maximal von 500 m² = 75 m²)                                               75,00 

Berechnungsfläche nach der Änderung:                                411,05

II. Bestand v o r der Änderung

Bebaute          Flächen- angeschl.          Fläche

Fläche          hälfte           Geschoße
Gebäude          
Wohnhaus          191,14   95,57 1+1                        191,14

Anteil der bebauten Fläche:                                              191,14

Anteil der unbebauten Fläche: 15% von 500,00 m²

(maximal von 500 m² = 75 m²)                                               75,00 

Anteil der unbebauten Fläche: 15% von 500,00 m²

(maximal von 500 m² = 75 m²)                                               75,00 

Berechnungsfläche nach der Änderung:                                 341,41

Der Bescheid war an sämtliche Liegenschaftseigentümer und nunmehrigen Beschwerdeführer adressiert und enthielt einen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 101 Abs. 1 BAO.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2017 erhob A gegen diesen Abgabenbescheid fristgerecht das ordentliche Rechtsmittel der Berufung.

Beantragt wurde die Abänderung des Bescheides derart, dass „die beiden Wohngebäude wie bisher als selbständige Gebäude behandelt werden“.

Der Bürgermeister habe die Rechtslage unrichtig beurteilt, es handle sich um zwei selbständige Gebäude. Die gemeinsamen Außenmauern würden nicht den überwiegenden Anteil der Außen- oder Seitenwände bilden. Beide Gebäude könnten als selbständige Gebäude mit jeweils eigener Dachkonstruktion ohne den Vorraum für sich alleine baulich bestehen, eine gemeinsame Nutzung der beiden Wohngebäude finde nicht statt, da es sich um zwei selbständige Wohneinheiten handle, liege auch keine funktionelle Einheit vor. Es sei somit kein Kriterium erfüllt für die Annahme, dass es sich um ein einheitliches Bauwerk handle. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Abgabenbehörde nach über 30 Jahren ohne Änderung der Rechtslage oder der Judikatur plötzlich ihre Rechtsauffassung ändere. Schließlich seien sämtliche Bescheide der Abgabenbehörde seit 1984, in welchen die beiden Wohngebäude als zwei selbständige Gebäude beurteilt wurden, in Rechtskraft erwachsen und begründeten diesbezüglich eine entschiedene Sache, habe sich doch durch Zubau und Aufstockung der maßgebliche Sachverhalt sowie die Rechtslage nicht geändert. Außerdem fehle bei der Ermittlung der Berechnungsfläche die Fläche der Garage für welche 1984 fälschlicherweise eine Kanaleinmündungsabgabe vorgeschrieben worden sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 5. Dezember 2018 wurde diese Berufung des A abgewiesen und der angefochtene erstinstanzliche Bescheid vom 19. Juni 2017, Zl. ***, bestätigt.

Die Beurteilung als einheitliches Gebäude sei in der baulichen Gestaltung begründet, da beide Wohneinheiten an einen gemeinsamen Vorraum angrenzen und von diesem jeweils durch Türen zu betreten seien. Da bereits diese vorhandenen Öffnungen (Türen) einer allfälligen Betrachtung als getrennte Gebäude schaden würden, könne die Prüfung weiterer Argumente unterbleiben. Die Flächenangaben würden sich aus dem Bauakt ergeben.

Der Berufungsbescheid wurde an A und D adressiert und an beide nachweislich zugestellt.

In der gegen den Berufungsbescheid vom 5. Dezember 2018 mit Schreiben vom 11. Jänner 2019 eingebrachten Beschwerde des A, der C und der D wird die vorgeschriebene Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe der Höhe nach bekämpft. In weitwendigen Ausführungen wird im Wesentlichen das Berufungsvorbringen wiederholt.

Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides bzw. die Erlassung eines neuen Bescheides, „der die beiden Wohngebäude wie bisher als zwei selbständige Gebäude behandelt und die Berechnungsfläche richtigstellt“.

Beantragt wird zudem ausdrücklich – im Hinblick auf eine am 30. Juli 2018 beim Landesverwaltungsgericht zu einem früheren Beschwerdeverfahren durchgeführte Beschwerdeverhandlung – die Unterlassung einer weiteren öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerde wurde von der Stadtgemeinde *** unter Anschluss des bezughabenden Abgabenaktes dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorgelegten Aktenunterlagen sowie in die Vorakten des Landesverwaltungsgerichtes zu LVwG-AV-200/2018, LVwG-AV-202/2018 und LVwG-AV-203/2018, insbesondere in die Niederschrift der am 30. Juli 2018 beim Landesverwaltungsgericht durchgeführten Beschwerdeverhandlung.

2.   Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 6. (1) Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, §°891°ABGB.).

(2) Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, sind ebenfalls Gesamtschuldner; dies gilt insbesondere auch für die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) hinsichtlich jener Abgaben, für die diese Personenvereinigung (Personengemeinschaft) als solche abgabepflichtig ist.

§ 101. (1) Ist eine schriftliche Ausfertigung an mehrere Personen gerichtet, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden oder die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, und haben diese der Abgabenbehörde keinen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an eine dieser Personen die Zustellung an alle als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a)   nicht zulässig ist oder

b)   nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

§ 281. (1) Im Beschwerdeverfahren können nur einheitliche Entscheidungen (Beschwerdevorentscheidungen, Erkenntnisse und gemäß § 278 aufhebende Beschlüsse) getroffen werden. Sie wirken für und gegen die gleichen Personen wie der angefochtene Bescheid.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§°76°Abs.°1°lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.

2.2. NÖ Kanalgesetz 1977:

§ 1a Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

1. bebaute Fläche:

Die bebaute Fläche ist diejenige Grundrißfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird.

Unberücksichtigt bleiben:

-    bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen,

-    nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge,

-    nicht konstruktiv bedingte, nachträglich an bestehende Außenwände ab dem 1. Jänner 2009 angebrachte Wärmeschutzverkleidungen,

-    untergeordnete Bauteile.

7. Gebäudeteil:

ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.

9. Liegenschaften:

Grundstücke, die an eine öffentliche Kanalanlage anzuschließen bzw. bereits angeschlossen sind sowie solche Grundstücke, die an ein anzuschließendes oder angeschlossenes Grundstück unmittelbar angrenzen und dem gleichen Liegenschaftseigentümer gehören;

11. unbebaute Fläche:

Jene Grundflächen, die an eine bebaute Fläche unmittelbar angrenzen (höchstens jedoch bis zu einem Gesamtausmaß von 500 m2) und dem gleichen Liegenschaftseigentümer gehören.

§ 2 Kanaleinmündungsabgabe, Ergänzungsabgabe

(1) Für den möglichen Anschluß an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten.

(5) Bei einer späteren Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen (§ 3 Abs. 2) ist eine Ergänzungsabgabe zu der bereits entrichteten Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten, wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des §°3°Abs. 6, eine höhere Abgabe ergibt. Bei Liegenschaften, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an das öffentliche Kanalgesetz angeschlossen waren, gelten der Bestand beim Inkrafttreten dieses Gesetzes als ursprünglicher Bestand und als Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage jede Änderung, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ergänzungsabgabe begründet, wenn die Einmündungsabgabe bereits nach den Vorschriften dieses Gesetzes bemessen worden wäre.

§ 3

(1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).

(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

(3) Der Einheitssatz (Abs. 1) ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 6) festzusetzen; …

(6) Die Ergänzungsabgabe ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Abgaben nach dem bei Entstehung der Abgabenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen sind. Die Berechnungsfläche ist für den Bestand vor der Änderung und für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 zu ermitteln.

§ 9 Abgabepflichtiger

Die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr sind unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. …

§ 12 Entstehung der Abgabenschuld, Fälligkeit

(1) Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe (Sonderabgabe, Ergänzungsabgabe) entsteht

b) im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde …

§ 13 Veränderungsanzeige

(1) Treten nach Zustellung der Abgabenentscheidung derartige Veränderungen ein, daß die der seinerzeitigen Festsetzung der Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder der Fäkalienabfuhrgebühr zugrunde gelegten Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabepflichtige diese Veränderungen binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.   Rechtliche Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 5. Dezember 2018 bestätigt der Stadtrat der Stadtgemeinde *** aufgrund der Berufung des A die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe gemäß § 2 Abs.5 und § 3 Abs.6 NÖ Kanalgesetz 1977 aus Anlass der Fertigstellung eines baubewilligten Zu- und Umbaus.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde des A ist unbegründet.

Unzweifelhaft ist, dass infolge der durchgeführten Baumaßnahmen eine Veränderung der Berechnungsflächen bzw. infolge der Fertigstellungsanzeige ein Abgabenanspruch der Gemeinde auf eine Ergänzungsabgabe eingetreten ist.

Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Gesetzes, welches als Gegenstand einer Vorschreibung die „Liegenschaft“ vorsieht, kommt eine getrennte bescheidmäßige Abgabenvorschreibung für einzelne Gebäude (Gebäudeteile, Wohnungen, Eigentumsanteile, etc.) nicht in Betracht, sondern lediglich die bescheidmäßige Geltendmachung des Abgabenanpruches für die Liegenschaft gegenüber dem Eigentümer als Abgabenschuldner. Im gegenständlichen Fall umfasst die Liegenschaft (vgl. § 1a Z.9 NÖ Kanalgesetz 1977) das verfahrensgegenständliche Grundstück Nr. ***, KG ***.

Mehrere Eigentümer schulden die Abgabe gemeinsam und sind Gesamtschuldner (vgl. § 6 BAO), die mit einem einzigen Bescheid zur gemeinsamen Abgabenleistung heranzuziehen sind.

Fraglich ist daher im Wesentlichen, ob die mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. Juni 2017, Zl. ***, gegenüber den Beschwerdeführern vorgenommene Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe der Höhe nach rechtmäßig erfolgt ist.

Auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück befinden sich zwei an die öffentliche Wasserleitung angeschlossene Wohnhäuser. Zwischen den Häusern liegt ein überdachter Vorraum, von dem aus Zugänge in beide Häuser bestehen.

Während das tatsächliche Ausmaß der bebauten Flächen im Hinblick auf die vorhandenen Bestandspläne im gesamten Verfahren auch nicht in Zweifel gezogen wurde, kommt aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführer vielmehr der Rechtsfrage Bedeutung zu, ob die durch den „Vorraum“ zusammenhängenden Objekte ein einziges oder zwei bzw. allenfalls mehrere selbständige Gebäude darstellen.

Für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob es sich bei den beiden Baukörpern „Haus 1“ und „Haus 2“ im Hinblick auf die Flächenberechnung des §°3°Abs. 2°NÖ°Kanalgesetz°1977 um zwei selbständige Wohngebäude oder um ein einheitliches Wohngebäude handelt, ist sowohl anhand der baulichen Gestaltung, als auch anhand des funktionalen Zusammenhanges zu beurteilen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum NÖ Kanalgesetz (vgl. z.B. VwGH 86/17/0026, 2003/17/0224, 2011/17/0284) ist die bauliche Gestaltung dafür entscheidend, ob ein einheitliches Bauwerk oder zwei (oder mehrere) selbständige Gebäude vorliegen. Ein einheitliches Gebäude ist nach dieser Rechtsprechung jedenfalls dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile durch gemeinsame Wände verbunden sind, welche überdies Öffnungen aufweisen, wodurch eine funktionelle Einheit dieser Teile hergestellt wird.

Der zwischen den beiden Baukörpern gelegene Vorraum weist zu jedem der beiden Häuser eine gemeinsame Wand mit einem Durchgang (Zugang zum jeweiligen Haus) auf. Bei diesem Vorraum, dessen Wände gemeinsame Wände mit den beiden Wohnhäusern sind, handelt es sich dementsprechend schon aufgrund der baulichen Gestaltung nicht um ein selbständiges, von den beiden verbundenen Gebäuden trennbares oberirdisches Bauwerk. Zudem erfüllt der Vorraum eine Funktion als Zugang für beide Wohnobjekte und begründet damit – ähnlich einem Gang oder einem Stiegenhaus in einer Wohnhausanlage – eine funktionelle Einheit des einheitlichen Wohngebäudes. Jedenfalls ermöglichen die bestehenden Verbindungen eine einheitliche Nutzung, weshalb in der Beurteilung von einem Gebäude auszugehen ist (VwGH 2002/17/0037).

Die bebaute Fläche ist gemäß § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz 1977 diejenige Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird.

Die bebaute Fläche umfasst somit im gegenständlichen Fall (sowohl für den Bestand vor der Änderung als auch den Bestand nach der Änderung) die Fläche beider Wohnobjekte zuzüglich der Fläche des die beiden Trakte verbindenden Vorraumes. Der Bestand nach der Änderung ist gegenüber dem vorherigen Bestand um die bebaute Fläche des Zubaues beim Haus 1 vergrößert.

Die Zahl der anzuschließenden Geschoße des Wohngebäudes hat sich durch die Aufstockung beim Haus 1 auf 2 erhöht. Die Fläche der nicht angeschlossenen Garage zählt unverändert (sowohl bei Alt- als auch Neubestand) zur unbebauten Fläche. Der Anteil der unbebauten Fläche ist gegenüber dem Bestand vor der Änderung für die (gesamte) Liegenschaft unverändert geblieben.

Die Berechnungsfläche für den Bestand vor der Änderung ebenso wie für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977 zu ermitteln. Auf frühere Bescheide oder deren Inhalt kommt es in diesem Zusammenhang daher nicht an.

Daraus ergibt sich folgende Ermittlung der Berechnungsfläche:

„I. Bestand n a c h der Änderung

 

Bebaute          Flächen- angeschl.          Fläche

Fläche          hälfte           Geschoße
Gebäude          
Wohnhaus          224,03  112,02  2+1                        336,05

Anteil der bebauten Fläche:                                              358,80

Anteil der unbebauten Fläche: 15% von 500,00 m²

(maximal von 500 m² = 75 m²)                                               75,00 

Berechnungsfläche nach der Änderung:                                411,05

II. Bestand v o r der Änderung

Bebaute          Flächen- angeschl.          Fläche

Fläche          hälfte           Geschoße
Gebäude          
Wohnhaus          191,14   95,57 1+1                        191,14

Anteil der bebauten Fläche:                                              191,14

Anteil der unbebauten Fläche: 15% von 500,00 m²

(maximal von 500 m² = 75 m²)                                               75,00 

Berechnungsfläche nach der Änderung:                                 266,14

Die Ergänzungsabgabe ergibt sich dementsprechend aus dem Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung (411,05 m² x € 9,88 = € 4.061,17) und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung (266,14 m² x € 9,88 = € 2.629,46). Beide Abgaben nach dem bei Entstehung der Abgabenschuld geltenden Einheitssatz (€ 9,88) zu berechnen. Die Ergänzungsabgabe beträgt daher: € 4.061,17 - € 2.629,46 = € 1.431,71 (zuzüglich Umsatzsteuer).

Gemäß § 281 Abs. 1 BAO können im Beschwerdeverfahren nur einheitliche Entscheidungen getroffen werden, sie wirken für und gegen die gleichen Personen wie der angefochtene Bescheid.

Der an alle drei Beschwerdeführer adressierte erstinstanzliche Bescheid entfaltet zufolge des in der Bescheidausfertigung enthaltenen Hinweises auf die Zustellfiktion des § 101 BAO Wirkungen für alle drei Beschwerdeführer, weshalb auch die Abänderung dieses Abgabenbescheides (aufgrund zumindest einer zulässigen Beschwerde) für alle drei Adressaten dieses Abgabenbescheides wirkt.

Mangels einer Rechtsgrundlage, der Berufung gegen einen Abgabenbescheid die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, verletzt die Abweisung des diesbezüglichen Antrages durch die Berufungsbehörde keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Berufungswerbers bzw. nunmehrigen Beschwerdeführers.

3.2. Zu Spruchpunkt 2:

Die Beschwerdeführerin C hat gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid zur Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe keine Berufung erhoben und war nicht Adressatin des angefochtenen Bescheides, insofern fehlt es ihrer Beschwerde an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand.

Die Beschwerdeführerin D hat gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid zur Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe keine Berufung erhoben. Dementsprechend konnte sie durch die Bestätigung der von ihr nicht bekämpften Abgabenvorschreibung nicht mehr beschwert werden. Insofern somit bereits die Möglichkeit einer Verletzung in ihren Rechten durch den angefochtenen Bescheid ausgeschlossen ist, erweist sich ihre Beschwerde als unzulässig.

Dessen ungeachtet entfaltet der Spruchpunkt 1 dieser Entscheidung infolge Abänderung der an sämtliche Gesamtschuldner ergangenen Abgabenvorschreibung Wirkungen für alle drei Beschwerdeführer.

3.3. Zur beantragten Aussetzung der Einhebung:

Der im Rahmen der Beschwerde ausdrücklich an das Verwaltungsgericht gestellte Antrag auf Aussetzung der Einhebung (eines im Übrigen nicht bezeichneten und nicht bezifferten Abgabenbetrages) ist mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes (VwGH 2013/17/0184) unzulässig.

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auszusetzen. Über einen solchen Antrag hat zufolge des eindeutigen Gesetzeswortlautes stets die Abgabenbehörde (nicht etwa das Verwaltungsgericht) zu entscheiden, bei Vorliegen eines zweistufigen Instanzenzuges bei Gemeinden mangels abweichender gesetzlicher Regelung somit die Abgabenbehörde erster Instanz (vgl. dazu VwGH vom 18. Mai 2016, Zl. 2013/17/0184). Ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung stellt kein Rechtsmittel gegen einen Bescheid dar, sondern handelt es sich dabei um einen gesonderten Antrag, über den nicht die Beschwerdebehörde (und auch nicht das Verwaltungsgericht) zu entscheiden hat, sondern die Abgabenbehörde erster Instanz, der die Einhebung der den Gegenstand des Antrages bildenden Abgabe obliegt, also im gegenständlichen Fall der Bürgermeister der Stadtgemeinde ***.

Über diesen Antrag hätte auch im Beschwerdeverfahren die Abgabenbehörde zu entscheiden und ist der Beschwerdeführer gemäß § 50 BAO an die zuständige Abgabenbehörde, der die Einhebung der den Gegenstand des Antrages bildenden Abgabe obliegt, zu verweisen. Angesichts der gegenständlichen Beschwerdeentscheidung erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über diesen, ausdrücklich ans Landesverwaltungsgericht gerichteten Antrag.

3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133°Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

3.5. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Beschwerdeführern nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Schlagworte

Finanzrecht; Kanaleinmündungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Abgabenfestsetzung; Berechnungsfläche; bebaute Fläche; einheitliches Gebäude; Aussetzung der Einhebung;

Anmerkung

VwGH 07.01.2022, Ra 2021/13/0032-11, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1455.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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