Entscheidungsdatum
04.05.2020Index
L92006 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung SteiermarkNorm
MSG Stmk 2011 §4 Abs1 Z3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Clement über die Beschwerde der Frau A B, geb. am xx, N, D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 02.03.2020, GZ: BHDL-71625/2019-9,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde
F o l g e g e g e b e n
und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.03.2020 stellte die Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin von 01.07.2019 bis 31.12.2019 Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung im Ausmaß von insgesamt € 6.094,87 bezogen habe. Diese Leistungen habe sie zu Unrecht bezogen und habe sie diese daher binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß §§ 16 und 21 StMSG rückzuerstatten. Begründend führte die Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin und den beiden minderjährigen Kindern Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach dem StMSG in Form von Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährt worden sei und zwar monatlich ab 01.07.2019 in Höhe von € 1.204,26. Sie habe eine Änderung für die Leistungsberechnung nicht unverzüglich der Behörde gemeldet. Sie habe am 17.01.2020 einen Antrag auf Mindestsicherung gestellt. Im Laufe des Ermittlungsverfahrens hätte sie am 13.02.2020 über Ersuchen der Behörde einen Nachweis über rechtmäßigen Aufenthalt von C B vorgelegt und hätte sich dabei herausgestellt, dass dieser seit 06.07.2019 den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ nach § 47 Abs 2 NAG habe und somit zum Personenkreis zähle, welcher Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung habe. Aufgrund der Verletzung dieser Anzeigepflicht sei die Leistung in Höhe von € 6.094,87 zu Unrecht in Anspruch genommen worden.
Dagegen richtete sich die rechtzeitig eingebrachte und formal zulässige Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin zugesteht, dass sie von 01.07.2019 bis 31.12.2019 Mindestsicherung bezogen habe. Ihr Mann habe die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gehabt und später den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ bekommen. Er hätte von Anfang an den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ bekommen sollen, weil die Beschwerdeführerin die Staatsbürgerschaft habe, aber die Bezirkshauptmannschaft einen Fehler gemacht habe. Als sie einen neuen Antrag am 17.01.2020 gestellt habe, hätte man den Antrag abgelehnt und gesagt „ ..dass ich ihnen nicht gesagt habe, dass mein Mann den Aufenthaltstitel Familienangehöriger hat obwohl sie das gewusst haben weil es beim Aufenthaltstitel oben steht ob es rot weiß rot Karte ist oder Familienangehöriger“. Ihrer Meinung nach sei das Urteil nicht gerecht.
Diese Entscheidung kann gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Überdies konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegensteht. Eine Verhandlung wurde zudem von keiner der beiden Parteien beantragt.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark stellt aufgrund der Aktenlage folgenden Sachverhalt fest:
Am 27.05.2019 stellte die Beschwerdeführerin, österreichische Staatsangehörige, für sich einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung. Sie gab an Betreuungspflichten zu haben und führte die im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, nämlich die Kinder E B und F B neben ihrem Ehepartner C B, Staatsangehörigkeit Kosovo, an. Dem Antrag angeschlossen waren eine Lohn- und Gehaltsabrechnung der G GmbH für C B für März und April 2019, eine Jahresabrechnung der Energie Steiermark über den Strombezug, die E-Card der Antragstellerin, die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg, die Kopie eines Zulassungsscheines, sowie ein Mietvertrag samt Vorschreibung über Kosten über die N vom 14.03.2019. Weiters finden sich beim Antrag Auszüge des zentralen Melderegisters der im gemeinsamen Haushalt lebenden Familie B, wie im Antrag angeführt, sowie Kontoauszüge des gemeinsamen Kontos von A B und C B von Januar bis Mai 2019.
Mit Bescheid vom 29.05.2019 gewährte die belangte Behörde der Antragstellerin aufgrund ihres Antrages vom 27.05.2019 für die Wirtschaftsgemeinschaft, bestehend aus den Personen A B, F B, und E B vom 01.07.2019 bis 31.12.2019 Mindestsicherung in Höhe von € 1.204,26 monatlich sowie Sonderzahlungen für die Monate März, Juni, September und Dezember für die Minderjährigen. Die Behörde stellte fest, dass die Antragstellerin gemeinsam mit C B und den minderjährigen Kindern in einer Wohnung wohne. Die Wirtschaftsgemeinschaft habe derzeit kein Einkommen, welches bei der Bemessung von Leistungen der Mindestsicherung Berücksichtigung finde, weshalb Anspruch auf Mindestsicherung bestehe. Die Beschwerdeführerin ist mit C B seit 14.07.2004 verheiratet. Sie wohnen seit 2014 in D an derselben Adresse. Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsangehörige. Dem Ehegatten der Beschwerdeführerin wurde der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ vom Landesverwaltungsgericht Steiermark im März 2016 für 12 Monate erteilt.
Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen stützen sich im Wesentlichen auf den Akteninhalt der belangten Behörde, insbesondere auf den vollständig ausgefüllten Antrag vom 27.05.2019 der Beschwerdeführerin. Diese hat Lohnzettel ihres im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten beigelegt, sowie auch die wesentlichen weiteren erforderlichen Unterlagen laut Informationsblatt. Die österreichische Staatsangehörigkeit ergibt sich hinsichtlich der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Aus diesem ergibt sich auch, dass die Ehegatten seit 2014 in D, N wohnhaft sind. Aus der behördeninternen Auskunft vom 06.03.2020 von H I ergibt sich schlüssig, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 14.07.2004 mit ihrem Ehegatten C B verheiratet ist und auch bis 18.03.2018 der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ vorgelegen ist, nachdem auch mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 14.03.2016, GZ 26.18-5929/2014 der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ für 12 Monate erteilt worden ist.
Rechtliche Beurteilung:
Die hier wesentlichen Bestimmungen des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes lauten auszugsweise wie folgt:
„(1) Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben Personen, die
1. hilfebedürftig sind,
2. ihren Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Steiermark haben und
3. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.
(2) Zum Personenkreis nach Abs. 1 Z. 3 gehören jedenfalls:
1. österreichische Staatsbürgerinnen/Staatsbürger und deren Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) verfügen;
2. Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 bis 54a und 57 NAG verfügen;
3. Asylberechtigte gemäß § 3 Asylgesetz 2005;
4. subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Asylgesetz 2005;
5. Personen
a) mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“, denen dieser Aufenthaltstitel gemäß § 45 NAG erteilt wurde oder
b) deren vor dem 1. Jänner 2014 ausgestellter Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ oder „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ als solcher gemäß § 81 Abs. 29 NAG als „Daueraufenthalt – EU“ weiter gilt oder
c) deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV) weiter gilt;
6. Personen mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 49 Abs. 2 bis 4 NAG.
(3) Keinen Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben insbesondere:
1. EWR-Bürgerinnen/-Bürger und Schweizer Bürgerinnen/Bürger und deren Angehörige
a) in den ersten drei Monaten ihres jeweiligen Aufenthaltes im Inland, außer es handelt sich um Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer oder Selbständige;
b) über den Zeitraum gemäß lit. a hinaus, solange ihnen keine Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmer- oder Selbständigeneigenschaft zukommt und sie nicht zum dauernden Aufenthalt berechtigt sind;
2. Personen während ihres visumsfreien oder visumspflichtigen Aufenthaltes im Inland, soweit nicht Z 1 anwendbar ist;
3. Personen, die nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Asylgesetz 2005 haben;
4. Personen, die Leistungen nach dem Steiermärkischen Grundversorgungsgesetz geltend machen können.“
„(1) Bei der Bemessung von Leistungen der Mindestsicherung sind das Einkommen und das verwertbare Vermögen der Hilfe suchenden Person nach Maßgabe der folgenden Absätze zu berücksichtigen.
(2) Als Einkommen im Sinne dieses Gesetzes gelten alle der Hilfe suchenden Person zufließenden Einkünfte. Die Landesregierung hat nähere Bestimmungen durch Verordnung zu erlassen. Nicht als Einkommen gelten:
1. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich;
2. Kinderabsetzbeträge;
3. Pflegegeld und andere pflegebezogene Geldleistungen;
4. Einkünfte von Schülerinnen und Schülern aus Ferialbeschäftigung und Pflichtpraktika;
5. Förderungen nach dem Steiermärkischen Wohnunterstützungsgesetz;
6. Rentenleistungen nach dem Heimopferrentengesetz
(2a) Als Einkommen von nicht alleinstehenden minderjährigen Personen gelten vorbehaltlich des Abs. 3 alle zufließenden Einkünfte bis zur Höhe des abstrakten Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1 Z 3.
(3) Zum Einkommen zählt auch jener Teil des Einkommens der im gemeinsamen Haushalt mit der Hilfe suchenden Person lebenden – zum Adressatenkreis des § 4 Abs. 1 Z 3 zählenden – Personen, der den Mindeststandard gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 lit. a jeweils übersteigt. Das Nichtvorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft ist von den Hilfe suchenden Personen nachzuweisen.
(3a) Nicht zu einer Wirtschaftsgemeinschaft zählen jedenfalls Personen, die Betreuungsleistungen im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung gemäß § 21b BPGG durchführen, für die Dauer der Arbeitsperiode, in der sie in die Haushaltsgemeinschaft der zu betreuenden Personen aufgenommen werden sowie Personen, die sich in einer Frauenschutzeinrichtung nach dem Steiermärkischen Gewaltschutzeinrichtungsgesetz oder in einer stationären Therapie- oder Wohneinrichtung aufhalten.
(3b) Erbringt eine Hilfe suchende Person auf Kosten ihrer sonst bestehenden Verdienstmöglichkeiten gerade jene Pflegeleistungen, zu deren Abdeckung (zweckgebunden) das Pflegegeld oder eine andere pflegebezogene Geldleistung eines pflegebedürftigen Angehörigen (§ 123 ASVG) dient, gebührt ein Freibetrag in Höhe des Pflegegeldes der Stufe 3. Weist die Hilfe suchende Person nach, dass jene Teile des Pflegegeldes, die für den Zukauf pflegebezogener Leistungen oder Waren aufzuwenden waren und die gesetzlich ausdrücklich dem Verbrauch durch den Pflegebedürftigen gewidmet sind (Taschengeld), diesen Freibetrag übersteigen, ist der höhere Betrag nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
(4) Die Verwertung von Vermögen darf nicht verlangt werden, wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte. Dies ist insbesondere anzunehmen bei:
1. Gegenständen, die der Erwerbsausübung oder der Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse dienen;
2. Gegenständen, die als angemessener Hausrat anzusehen sind;
3. Kraftfahrzeugen, die berufsbedingt oder auf Grund besonderer Umstände (insbesondere Behinderung, unzureichende Infrastruktur) erforderlich sind;
4. Ersparnissen bis zu einem Freibetrag in Höhe des Fünffachen des jeweiligen Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1;
5. sonstigen Vermögenswerten, ausgenommen unbewegliches Vermögen, soweit sie den Freibetrag nach Z 4 nicht übersteigen und solange Leistungen gemäß § 10 nicht länger als sechs Monate bezogen werden.
(5) Von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen ist vorerst abzusehen, wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfes der Hilfe suchenden Person und der mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden, ihr gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten oder in Lebensgemeinschaft lebenden Personen dient. Werden Leistungen länger als sechs Monate bezogen, kann eine grundbücherliche Sicherstellung der Ersatzansprüche (§ 17) vorgenommen werden.
(6) Bei der Bemessung der Frist nach Abs. 4 Z 5 und Abs. 5 sind auch frühere Zeiten des Bezuges von Leistungen gemäß § 10 von jeweils ununterbrochen mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen, wenn sie nicht länger als zwei Jahre vor dem neuerlichen Bezugsbeginn liegen.“
„(1) Die Antragsteller sind verpflichtet, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Rahmen der ihr von der Behörde erteilten Aufträge mitzuwirken. Dabei sind die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen und die dafür erforderlichen Urkunden und Unterlagen beizubringen. Die Hilfe suchende Person hat sich auch den für die Entscheidungsfindung unerlässlichen Untersuchungen zu unterziehen.
(2) Bei der Ermittlung des Hilfebedarfs haben die Gemeinden mitzuwirken.
(3) Die Behörde hat über Anträge ohne unnötigen Aufschub längstens binnen
drei Monaten ab Einlangen des Antrages bei einer in § 13 Abs. 2 genannten Stelle durch schriftlichen Bescheid zu entscheiden.
(4) Bei Neubemessung von zuerkannten Leistungen auf Grund von Änderungen dieses Gesetzes, darauf gestützter Verordnungen oder auf Grund der Anpassung sonstiger regelmäßiger gesetzlicher Leistungen, die als Einkommen der Hilfe suchenden Person anzusehen sind (insbesondere Pension, Rente, Ruhe- oder Versorgungsgenuss), ist ein Bescheid nur zu erlassen, wenn es der Antragsteller innerhalb von zwei Monaten ab deren Neubemessung ausdrücklich verlangt.
(5) Leistungen sind ab dem Eintritt der Hilfsbedürftigkeit, frühestens jedoch ab Antragstellung zuzuerkennen.
(6) Die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz kann auch von Auflagen, Bedingungen und Befristungen abhängig gemacht werden.
(7) Die Leistungen der Mindestsicherung sind einzustellen, wenn eine Voraussetzung für die Gewährung wegfällt. Sie sind herabzusetzen, wenn sie aufgrund geänderter Umstände zu hoch bemessen sind.
(8) Im Verfahren über die Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung kann auf ein Rechtsmittel nicht wirksam verzichtet werden.
(9) Beschwerden gegen Bescheide, mit denen Leistungen der Mindestsicherung zuerkannt werden, haben keine aufschiebende Wirkung.“
„(1) Die Bezieherinnen/Bezieher der Mindestsicherung haben jede ihnen bekannte Änderung der für die Leistung maßgeblichen Umstände, insbesondere der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse und länger als zwei Wochen dauernde Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten oder sonstige Abwesenheiten, unverzüglich der Behörde anzuzeigen.
(2) Leistungen, die wegen Verletzung der Anzeigepflicht nach Abs. 1 oder wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen zu Unrecht in Anspruch genommen wurden, sind von den Leistungsbeziehern rückzuerstatten.
(3) Die Rückerstattung kann in angemessenen Teilbeträgen bewilligt werden, wenn sie auf andere Weise nicht möglich oder der rückerstattungspflichtigen Person nicht zumutbar ist.
(4) Die Rückerstattung kann gänzlich nachgesehen werden, wenn
1. durch sie der Erfolg der Mindestsicherung gefährdet wäre oder
2. sie zu besonderen Härten für die rückerstattungspflichtige Person führen würde oder
3. das Verfahren der Rückerstattung mit einem Aufwand verbunden wäre, der in keinem Verhältnis zu der zu Unrecht in Anspruch genommenen Leistung steht.
(5) Die Antragsteller sind anlässlich der Antragstellung nachweislich auf die Pflichten nach Abs. 1 und 2 hinzuweisen.
(6) Rückerstattungsansprüche unterliegen nicht der Verjährung.“
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und zählt daher gemäß § 4 Abs 2 Z 1 StMSG zum anspruchsberechtigten Personenkreis gemäß § 4 Abs 1 Z 3 StMSG. Im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin leben ihr Ehemann C B, kosovarischer Staatsbürger, sowie die zwei minderjährigen Kinder.
Die belangte Behörde ging bei Zuerkennung der Leistung mit Bescheid vom 29.05.2019 davon aus, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin C B über eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ verfügt und somit nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten gemäß § 4 StMSG zählt.
Es ist der Behörde beizupflichten, dass die „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ grundsätzlich Drittstaatsangehörigen (Personen, die weder EU-Bürgerinnen/EU-Bürger, noch sonstige EWR-Bürgerinnen/sonstige EWR Bürger, noch Schweizerinnen/Schweizer sind) einen befristeten Aufenthalt in Österreich, sowie eine Berechtigung zu einem beschränkten, teilweise auch zu einem unbeschränkten Zugang, zum Arbeitsmarkt in ganz Österreich ermöglicht. In diesem Fall würde er nicht zum Personenkreis gemäß § 4 Abs 2 StMSG zählen und daher nicht zum Adressatenkreis des § 4 Abs 1 Z 3 leg. cit. Der Behörde ist daher beizupflichten, dass die „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ nicht zu jenen Aufenthaltstiteln zählt, welche den Inhaber nach § 4 Abs 2 StMSG jedenfalls zu der Anspruchsvoraussetzung des § 4 Abs 1 Z 3 StMSG verhelfen.
Dazu ist jedoch weiter festzuhalten, dass Aufenthaltskarten – wie z.B. Familienangehöriger – nur deklaratorische Wirkung haben. Das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht ergibt sich nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung, sondern aus unmittelbar anwendbaren Unionsrecht (vgl VwGH 26.04.2016, Ra 2015/09/0137).
Die in § 4 Abs 2 StMSG angeführten Tatbestände sind demonstrativ, um im Hinblick auf die zu erwartende Dynamik des Fremdenrechtes für weitere Tatbestände offen zu sein (siehe Erläuterungen XVI.GP. EZ/OZ 148, S.3). Eine dauernde Aufenthaltsberechtigung ist somit nach der Systematik des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Tatbestände des § 4 Abs 2 StMSG beschränkt. Das Aufenthaltsrecht ist jedenfalls zu ermitteln. Es kommt jener Personengruppe zu, welche aufgrund einer Aufenthaltsverfestigung in Österreich bleiben darf, daher materiell-rechtlich über ein dauerndes Aufenthaltsrecht im Inland verfügt (VwGH 27.03.2019, Ro 2018/10/0040 mwN).
C B ist seit 2004 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Die Ehegatten sind seit 2014 in D an derselben Adresse polizeilich gemeldet. Sie haben 2 Kinder, C B ist unselbstständig erwerbstätig. C B war bereits bei Antragstellung der Beschwerdeführerin am 27.05.2019 zu einem dauernden Aufenthalt im Inland gemäß § 4 Abs 1 Z 3 StMSG berechtigt. Es wurde ihm bereits der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ vom Landesverwaltungsgericht Steiermark im März 2016 zuerkannt. Auch vom 15.03.2017 bis 15.03. 2018 hatte er freien Zugang zum Arbeitsmarkt und den Aufenthaltstitel Familienangehöriger.
Weshalb von 19.03.2018 bis 05.07.2019 für C B eine „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ ausgestellt worden ist, nachdem ein Verlängerungsantrag auf „Familienangehöriger“ gestellt worden war, ist offenbar auch der Behörde nicht klar, umso mehr hätte sie selbstständig das Aufenthaltsrecht ermitteln müssen und ihrer Entscheidung zugrunde legen müssen.
Bei der Berechnung des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 StMSG ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin als volljährige Person mit einer anderen volljährigen Person, nämlich ihrem Ehegatten, im gemeinsamen Haushalt lebt. Es wäre daher bei Berechnung des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 2 lit. a von 75% des Betrages nach Z 1 auszugehen. Dabei ist es unerheblich inwieweit diese volljährige Person Anspruch auf Mindestsicherung hat oder über Einkommen verfügt (vgl. Erläuterungen zur Stammfassung des StMSG, LGBl. Nr. 14/2011, XVI. GPStLT IA IZ 148/1 ab EZ 48).
Dass die Beschwerdeführerin alleinstehend ist und ihr daher der Mindeststandard gemäß § 10 Abs 1 Z 1 StMSG gebührt, kann dem Verfahrensakt nicht entnommen werden.
Ein „gemeinsamer Haushalt“ liegt vor, wenn das Zusammenleben von Personen zu einer deutlichen Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führt (vgl. VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020; RV 677 BlgNR, XXIV GP, 14). Wesentliches Element für das Vorliegen eines „gemeinsamen Haushaltes“ ist die gemeinsame Wirtschaftsführung. Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu einem Alleinstehenden ist deshalb gerechtfertigt, weil bei einer gemeinsamen Wirtschaftsführung regelmäßig von einem geringeren Aufwand zur Deckung des Lebensunterhaltes auszugehen ist und sich dadurch erzielende Synergieeffekte jeweils bedarfsmindernd auswirken, was im Mindestsatz gemäß § 10 Abs 1 Z 2 lit a seinen Niederschlag findet (vgl. dazu zum Tiroler MSG VwGH 27.01.2016, Ra 2015/10/0058).
Im vorliegenden Fall ist unstrittig davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebt und somit eine gemeinsame Wirtschaftsführung im konkreten Fall vorliegt. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin ist aufgrund seines Einkommens auch in der Lage zur gemeinsamen Wirtschaftsführung etwas beizutragen.
Gemäß § 6 Abs 1 StMSG sind bei der Bemessung von Leistungen der Mindestsicherung das Einkommen der hilfesuchenden Person nach Maßgabe der weiteren Absätze zu berücksichtigen. Gemäß § 6 Abs 3 leg.cit. zählt somit zum Einkommen auch jener Teil des Einkommens, der im gemeinsamen Haushalt mit der hilfesuchenden Person lebenden – zum Adressatenkreis des § 4 Abs 1 Z 3 zählenden – Personen, der den Mindeststandard gemäß § 10 Abs 1 Z 2 lit. a StMSG jeweils übersteigt.
Die Behörde hat es jedoch, wie bereits festgestellt, unterlassen, eine Überprüfung des Aufenthaltstitels und somit der Anspruchsberechtigung des im gemeinsamen Haushalt mit der österreichischen Antragstellerin lebenden Ehegatten C B vorzunehmen.
Es entspricht zwar den Tatsachen, dass für C B offenbar eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ von 19.03.2018 bis 05.07.2019 durch die Behörde ausgestellt worden ist und der Status „Familienangehöriger“ erst ab 06.07.2019 wiederum formal – nachdem bereits 2 Jahre der Titel „Familienangehöriger“ vorgelegen ist – zuerkannt wurde. Es ist jedoch nicht festzustellen, dass die Beschwerdeführerin Leistungen, die wegen Verletzung der Anzeigepflicht oder wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen zu Unrecht in Anspruch genommen hat. Im Hinblick auf die Verletzung einer Anzeigepflicht am 06.07.2019 kann Fahrlässigkeit beim Erkennen-Müssen der Beschwerdeführerin nicht zur Last gelegt werden. Einerseits ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführerin die rechtliche Unterscheidung zwischen einer „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ und dem Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“, welche eine Änderung der Leistung in der Mindestsicherung bewirken könnte nur aufgrund besonderer Fachkenntnisse möglich gewesen wäre. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dürfen hier wohl nicht überspannt werden, hatte doch C B bereits den Status Familienangehöriger vor Antragstellung auf Mindestsicherung. Aber auch bei Inhabern einer „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ ist im Hinblick auf § 4 Abs Z 3 StMSG zu prüfen, ob sie aufenthaltsverfestigt (vgl. § 9 BFA-VG) sind und daher materiell-rechtlich über ein dauerndes Aufenthaltsrecht verfügen. Mit Blick auf den jeweiligen Adressatenkreis der Leistung und die Kompliziertheit der Bemessung der Leistung ist hier die Verletzung der Meldung des wiederum erteilten Status „Familienangehöriger“ der Beschwerdeführerin nicht vorwerfbar (vgl dazu Walter Pfeil, Ersatz- und Regresspflichten im „sonstigen Sozialrecht“, in Michaela Windisch- Graetz, Haftungsrechtliche Probleme im Sozialrecht, nap Verlag 2012), hat doch die belangte Behörde selbst keine Prüfung des Aufenthaltsrechtes vorgenommen und ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb eine „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ statt antragsgemäß die Verlängerung „Familienangehöriger“ für kurze Zeit ausgestellt worden ist. Hätte die Behörde den Aufenthaltsstatus von C B von Amts wegen geprüft, hätte sie bei Berechnung der Mindestsicherung das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit der hilfesuchenden Person zum Einkommen gemäß § 6 Abs 3 StMSG zu zählen gehabt.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bedarfsorientierte Mindestsicherung, Überprüfung des Aufenthaltstitels, Ehegatte, Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus, Familienangehöriger, Verletzung der Anzeigepflicht, unwahre Angaben, bewusstes Verschweigen, zu Unrecht in Anspruch genommene Leistung, Fachkenntnisse, Sorgfaltspflicht, aufenthaltsverfestigt, dauerndes Aufenthaltsrecht, Adressatenkreis der Leistung, Bemessung der Leistung, Verletzung der MeldungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.41.10.689.2020Zuletzt aktualisiert am
15.02.2021