TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 W128 2236008-1

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchOG §2
SchPflG 1985 §11 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs3
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §3

Spruch


W128 2236008-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde von 1. XXXX und 2. XXXX , Erziehungsberechtigte von 3. XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Salzburg vom 27.08.2020, Zl. SA300596/0003-BR/2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„1. Die Teilnahme des Kindes XXXX an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2020/21 wird gemäß § 11 Abs. 3 des Schulpflichtgesetzes (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idF BGBl. I Nr. 23/2020 untersagt.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die mj. Beschwerdeführerin nahm im Schuljahr 2019/2020 an häuslichem Unterricht nach dem Lehrplan der 1. Schulstufe der Volksschule teil.

Mit Schreiben vom 29.05.2020 gab die Erstbeschwerdeführerin der belangten Behörde unter Vorlage einer Anmeldebestätigung der Volksschule XXXX (in der Folge als Volksschule bezeichnet) bekannt, dass die Drittbeschwerdeführerin die Teilnahme am häuslichen Unterricht vorzeitig beendet habe.

Am 03.07.2020 beschloss die Schulkonferenz der Volksschule infolge erheblicher Defizite in Deutsch und Mathematik den Wechsel der Drittbeschwerdeführerin in die Vorschulstufe.

2. Am 05.06.2020 zeigten die Erst- und Zweitbeschwerdeführer die Teilnahme der Drittbeschwerdeführerin am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2020/21 (für die 1. Schulstufe Volksschule) an.

3. Mit bekämpften Bescheid wurde die Teilnahme der Drittbeschwerdeführerin am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2020/21 gemäß § 11 Abs 4 SchPflG untersagt und die Erfüllung der Schulpflicht an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule angeordnet. Weiters wurde angeordnet, die Beschwerdeführer haben der belangten Behörde bis zum 15.09.2020 eine Aufnahmebestätigung einer entsprechenden Schule vorzulegen. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde ausgeschlossen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund der vorliegenden Erfahrungen hinsichtlich der Teilnahme an häuslichem Unterricht der Schwester der Drittbeschwerdeführerin die belangte Behörde mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen müsse, dass die geforderte Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts mit jenem an einer im § 5 SchPflG genannten Schule nicht gegeben sei. Die Schwester der Drittbeschwerdeführerin habe zwei Schuljahre (2018/19 und 2019/20) keine öffentliche Schule besucht, obwohl der häusliche Unterricht untersagt gewesen sei. Auch spreche das Ergebnis der Feststellungsprüfung dafür, dass mit großer Wahrscheinlichkeit keine Gleichwertigkeit vorliege.

Die Drittbeschwerdeführerin sei anlässlich des Wechsels in die Volksschule zu Feststellungsprüfungen zugelassen worden und habe folgendes Ergebnis erzielt:

Religion: 1

Sachunterricht: 3

Deutsch: 5

Mathematik: 4

Musikerziehung: 2

Bildnerische Erziehung: 2

Werkerziehung: 2

Bewegung und Sport: 1

4. Dagegen richtete sich die Beschwerde vom 20.09.2020, welches die Beschwerdeführer durch ihre rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig eingebracht haben. Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, die Behörde habe den Bescheid rechtswidrig erlassen, da sie sich auf § 11 Abs. 4 SchPflG gestützt habe und die Drittbeschwerdeführerin jedoch das Schuljahr 2019/2020 an einer Regelschule abgeschlossen habe und nicht mit einer Externistenprüfung. Die Feststellungen der Behörde könnten ihre Entscheidung nicht tragen und sei der Verweis auf die Schwester der Drittbeschwerdeführerin, aufgrund individueller Entwicklungen jedes Kindes unzulässig. Zur Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung lasse die Entscheidung jegliche Abwägung vermissen.

5. Mit Schreiben vom 06.10.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6. Für den 04.11.2020 wurde eine Verhandlung anberaumt. Mit Schreiben vom 30.10.2020 teilte die rechtsfreundliche Vertreterin der Beschwerdeführer mit, dass diese an der Teilnahme an der Verhandlung verhindert seien. Unter einem wurde mitgeteilt, dass das Vollmachtsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet worden sei und Zustellungen künftig direkt an die Beschwerdeführer vorzunehmen seien.

7. Mit Schreiben vom 10.11.2020 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, binnen einer Woche zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Schwester der Drittbeschwerdeführerin vom 30.10.2020, W129 2236010-1/3E sowie zum Vorwurf der belangten Behörde, dass diese trotz Untersagung zwei Schuljahre keine öffentliche Schule besucht habe, Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführer äußerten sich dazu nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die schulpflichtige Drittbeschwerdeführerin nahm im Schuljahr 2019/2020 bis Ende Mai 2020 an häuslichem Unterricht nach dem Lehrplan der 1. Schulstufe der Volksschule teil. Danach besuchte sie die öffentliche Volksschule XXXX .

In der Folge wurde die Drittbeschwerdeführerin zu Feststellungsprüfungen zugelassen und hat in den einzelnen Unterrichtsgegenständen folgendes Ergebnis erzielt:

Religion: 1

Sachunterricht: 3

Deutsch: 5

Mathematik: 4

Musikerziehung: 2

Bildnerische Erziehung: 2

Werkerziehung: 2

Bewegung und Sport: 1

Die Schwester der Drittbeschwerdeführerin hat in den Schuljahren 2018/19 und 2019/20 keine öffentliche Schule besucht, obwohl die Teilnahme am häuslichen Unterricht untersagt gewesen war.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2020, W129 2236010-1/3E betreffend Untersagung der Teilnahme der Schwester der Drittbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2020/2021 wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass als Rechtsgrundlage für die Untersagung § 11 Abs 3 des Schulpflichtgesetzes, BGBl. Nr. 76/1985 idgF, heranzuziehen ist. Aus den Feststellungen ist zu entnehmen, dass die Schwester der Drittbeschwerdeführerin im Schuljahr 2017/18 die Externistenprüfung nicht bestanden hat, im Schuljahr 2018/19 nicht zum Schulbesuch an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule angemeldet wurde, sie im Schuljahr 2018/19 nicht zur Externistenprüfung angetreten ist und die Teilnahme am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2019/20 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2020, Zl. W129 2228354-1/2E, rechtskräftig untersagt wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Weiters wurde in den hg Akt W129 2236010-1 Einsicht genommen. Die Beschwerdeführer waren an der Teilnahme an der öffentlichen Verhandlung verhindert und erhielten die Gelegenheit sich zum von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt zu äußern. Eine entsprechende Äußerung langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein. Der aktenkundige Sachverhalt gilt daher als erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1. § 2 Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962, idgF lautet (auszugsweise):

„§ 2. Aufgabe der österreichischen Schule

(1) Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.

Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.“

Gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985, (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF, beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 SchPflG dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

§ 11 SchPflG lautet:

„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

(2a) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.“

3.2.2. Die Untersagung der Teilnahme am häuslichen Unterricht im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH 25.02.1971, 2062/70). Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch das Verwaltungsgericht, als dieses zu prüfen hat, ob die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG). Die Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch das Verwaltungsgericht erforderlich ist (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2015/05/0021, m.w.N.).

Das Gesetz räumt der Behörde die Befugnis ein, die Teilnahme an häuslichem Unterricht zu untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in § 11 Abs. 1 oder 2 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist.

Mit Wahrscheinlichkeit ist eine Tatsache als gegeben anzunehmen, wenn gewichtigere Gründe für ihr Vorhandensein sprechen als dagegen. Von großer Wahrscheinlichkeit kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Gründe, die dafürsprechen, gegenüber den andern, die dagegen anzuführen sind, weitaus überwiegen (vgl. VwGH 25.04.1974, 0016/74; vgl. darüber hinaus auch VwGH 25.02.1971, 2062/70).

3.2.3. Wie bereits der Wortlaut des § 11 Abs. 3 SchPflG deutlich macht, ist der einzige Grund, aus welchem die Schulbehörde die Anzeige der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht zur Kenntnis nehmen muss, sondern die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen kann, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorliegende Gleichwertigkeit des Unterrichts.

Aus dem angefochtenen Bescheid geht in ausreichend nachvollziehbarer Weise hervor, aus welchen Gründen die belangte Behörde der Ansicht ist, dass der gegenständliche Unterricht mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gleichwertig sein sollte. Sie stützt sich im angefochtenen Bescheid darauf, dass die Drittbeschwerdeführerin, unmittelbar nachdem der häusliche Unterricht vorzeitig beendet wurde, zu Feststellungsprüfungen angetreten ist. Hierbei wurde sie im Pflichtgegenstand „Deutsch“ mit „Nicht genügend“ beurteilt. Es ist daher in nachvollziehbarer Weise davon auszugehen, dass der häusliche Unterricht im Pflichtgegenstand „Deutsch“ nicht gleichwertig war, da eine entsprechende Überprüfung nach den schulrechtlichen Bestimmungen zum Ergebnis kam, dass die Drittbeschwerdeführerin in diesem Pflichtgegenstand die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in den wesentlichen Bereichen nicht einmal überwiegend erfüllt (siehe § 14 Leistungsbeurteilungsverordnung, BGBl. Nr. 371/1974, idgF).

Darüber hinaus ist der Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie aus der Feststellung, dass die Schwester der Drittbeschwerdeführerin in den Schuljahren 2018/19 und 2019/20 keine öffentliche Schule besucht hat, obwohl die Teilnahme am häuslichen Unterricht untersagt gewesen war, den Schluss zieht, dass der Unterricht nicht Gleichwertig ist, da die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer damit zeigen, mit den Aufgaben der österreichischen Schule nicht vertraut zu sein, da eine Schulpflichtverletzung über einen zwei Jahre dauernden Zeitraum nicht mit den Werten der österreichischen Schule vereinbar ist.

3.2.4. Auch wenn die Behörde im vorletzten Absatz der Bescheidbegründung im Endergebnis zutreffend auf die fehlende Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts schloss, so hat sie es verabsäumt, die Untersagung des häuslichen Unterrichts auf die richtige Rechtsgrundlage, nämlich auf § 11 Abs. 3 SchPflG, zu stützen.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die belangte Behörde die Untersagung des häuslichen Unterrichts sowohl im Spruch des verfahrensgegenständlichen Bescheides als auch in Teilen der Begründung auf § 11 Abs 4 SchPflG stützte.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsgerichte jedoch in der rechtlichen Beurteilung nicht an das Beschwerdevorbringen gebunden; sie dürfen auch Sachverhaltselemente, die bei der Prüfung auf Grund der Beschwerde im gerichtlichen Verfahren hervorgekommen sind, ihrer Entscheidung zu Grunde legen. Dabei überschreiten sie ihre Kognitionsbefugnis im Sinne des § 27 VwGVG nicht (VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032).

Auch in dem der Entscheidung vom 23.02.2018, Zl. Ro 2017/03/0025, zugrunde liegenden Verfahren erachtete es der Verwaltungsgerichtshof für zulässig, bei der Prüfung des Entzugs der Eigenschaft als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige auch solche Aspekte in die Beurteilung miteinzubeziehen, mit denen sich die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde nicht befasst hatte.

Dies muss umso mehr auch dann gelten, wenn die belangte Behörde – wie im angefochtenen Bescheid – diese Aspekte zumindest mitberücksichtigt hat.

Die Angelegenheit, die im hier zu beurteilenden Fall den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde bildete und somit Gegenstand des Verfahrens war, betrifft die Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht nach § 11 SchPflG.

Es überschreitet die Kognitionsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes daher nicht, wenn die Untersagung der weiteren Führung der Schule (nunmehr) primär auf die fehlende Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichtes gestützt wird (siehe hg. E vom 30.10.2020, W129 2236010-1/2E).

Somit war die Beschwerde im Endergebnis mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht nunmehr nach § 11 Abs 3 SchPflG erfolgt.

3.2.5. Die beschwerdeführende Partei stellte den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, da die belangte Behörde im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausschloss. Ein gesonderter Abspruch bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG erübrigt sich jedoch angesichts der erfolgten Sachentscheidung.

3.2.6. Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen (siehe VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Da die Beschwerdeführer ohne Vertagungsbitte dem Bundesverwaltungsgericht mitteilten, an der ausgeschriebenen Verhandlung nicht teilnehmen zu können und sie in der Folge trotz Aufforderung dem von der Behörde und im hg Erkenntnis W129 2236010-1/2E festgestellten Sachverhalt nicht entgegengetreten sind, musste das Verwaltungsgericht von der Richtigkeit dieses festgestellten Sachverhaltes ausgehen.

Eine mündliche Erörterung mit der belangten Behörde alleine erübrigte sich, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht geboten, zumal schulrechtliche Angelegenheiten weder von Art. 6 MRK noch von Art. 47 GRC erfasst sind (vgl. VfGH 10.3.2015, E 1993/2014).

3.3. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Feststellungsprüfung Gleichwertigkeit häuslicher Unterricht Maßgabe Mitwirkungspflicht öffentliche Schule Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W128.2236008.1.00

Im RIS seit

11.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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