TE Vwgh Beschluss 2020/12/22 Ra 2020/04/0172

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §87 Abs1 Z3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der J A S P in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. Juli 2020, Zl. LVwG-2020/32/0784-7, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Februar 2020 wurde der Revisionswerberin gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart „Bar“ an einem näher bezeichneten Standort entzogen.

2        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        In seinen Feststellungen führte das Verwaltungsgericht fünfzehn gegen die Revisionswerberin gerichtete Strafverfügungen und zwei gegen sie gerichtete Straferkenntnisse aus dem Zeitraum 2017 bis 2019 an, die unterschiedliche Verwaltungsübertretungen am Vorgängerstandort sowie am aktuellen Standort betreffen.

4        In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, im Zusammenhang mit den wiederholten Überschreitungen der Betriebszeiten habe die Revisionswerberin aufgezeigt, dass sie in Hinblick auf die Einhaltung dieser gewerberechtlichen Vorschriften für die von ihr zuerst als gewerberechtliche Geschäftsführerin und in der Folge als Gewerbeinhaberin geführte Betriebsanlage am Vorgängerstandort auffallend sorglos gewesen sei. Auch wenn der Revisionswerberin zuzugestehen sei, dass mehrere der angelasteten Tathandlungen im Rahmen eines fortgesetzten Delikts zusammenzufassen gewesen wären, verbleibe im Ergebnis die Nichteinhaltung der Betriebszeiten an zumindest elf Tagen sowie Tatwiederholung nach bereits zuvor erfolgter verwaltungsstrafrechtlicher Ahndung. Im Hinblick auf die übrigen Verstöße der Revisionswerberin gegen gewerberechtliche Vorschriften sei hervorzuheben, dass sich diese sowohl auf den Vorgängerstandort als auch den aktuellen Standort beziehen würden. Insbesondere habe es die Revisionswerberin offensichtlich verabsäumt, sich bei der Betriebsaufnahme am aktuellen Standort zu vergewissern, dass sich die Betriebsanlage in einem konsensgemäßen Zustand befinde. Es könne in diesem Zusammenhang nicht angehen, dass die Revisionswerberin gleichsam nur auf Zuruf ihren gewerberechtlichen Verpflichtungen nachkomme. Die Verwaltungsübertretungen betreffend das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) hätten nach der Rechtsprechung in das Entziehungsverfahren einzufließen. Beim Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG hiezu nicht berechtigten Arbeitnehmern handle es sich um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm, deren Einhaltung zu den in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 genannten Schutzinteressen zähle. Aufgrund der Vielzahl der seit 2017 begangenen sowie der nach dem Standortwechsel begangenen Übertretungen lasse sich daher trotz des Umstandes, dass die letzte Übertretung nach der Gewerbeordnung bereits einige Monate zurückliege, die Prognose stellen, dass die Revisionswerberin nicht mehr als zuverlässig im Sinn des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 anzusehen sei.

5        3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die nach der mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 22. September 2020 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG erfolgten Abtretung erhobene außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        4.1. In ihrem für die Prüfung der Zulässigkeit gemäß § 28 Abs. 3 VwGG relevanten Vorbringen führt die Revision aus, die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, es lägen „schwerwiegende Verstöße“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 vor, sei insofern weder nachvollziehbar noch vertretbar, als es die der Revisionswerberin in den festgestellten Verwaltungsübertretungen vorgehaltene Verschuldensform der Fahrlässigkeit vollkommen unberücksichtigt lasse. Erst bei Vorliegen eines höheren Verschuldensgrades könne regelmäßig auf die Schwere der Rechtsverletzung und folglich auf das Nichtvorliegen der erforderlichen Zuverlässigkeit geschlossen werden. Ebenso habe das Verwaltungsgericht nur unzureichend berücksichtigt, dass sich die Revisionswerberin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bereits mehr als acht Monate wohlverhalten gehabt habe, und außer Acht gelassen, dass hinsichtlich der die Mehrzahl der angelasteten Verwaltungsübertretungen bildenden Überschreitungen der Betriebszeiten die am aktuellen Standort betriebene Betriebsanlage keinen dahingehenden Einschränkungen unterliege und folglich aus faktischen Gegebenheiten eine nochmalige derartige Übertretung ausgeschlossen sei.

10       4.2 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 genannte Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße“ nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch dann, wenn durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Verletzungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten ist. Entscheidend ist in einem solchen Fall, dass sich aus der Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (vgl. VwGH 14.10.2015, Ra 2015/04/0065, mwN). Die Schwere der Rechtsverletzung ist anhand der rechtskräftigen Entscheidungen zu beurteilen, mit denen Bestrafungen erfolgten. Schwere Verletzungen werden etwa dann angenommen, wenn Verstöße trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/04/0102, mwN).

11       4.3. Ausgehend von dieser Rechtslage und angesichts des festgestellten Sachverhalts - insbesondere betreffend die wiederholten Übertretungen der GewO 1994 sowie den Verstoß gegen das AuslBG - ist die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses getroffene Annahme der mangelnden Zuverlässigkeit der Revisionswerberin für die Ausübung des Gewerbes nachvollziehbar begründet. Die Revision zeigt demgegenüber in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht ansatzweise eine die Zulässigkeit rechtfertigende krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts auf.

12       4.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040172.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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