TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/1 97/04/0050

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Veröffentlicht am 01.07.1997
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1859 §25;
GewO 1973 §376 Z11 Abs2;
GewO 1994 §366 Abs1 Z2;
GewO 1994 §376 Abs2 Z11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Jänner 1997, Zl. UVS-04/G/33-00568/96, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der K & Co KG verantwortet zu haben, daß diese Gesellschaft beim Betrieb des Handelsgewerbes eine Betriebsanlage vom 5. April 1995 bis 23. September 1995 am Standort Wien, M-Straße 168, ohne die erforderliche Genehmigung für die Betriebsanlage betrieben habe, obwohl die Betriebsanlage geeignet gewesen sei, Nachbarn durch Lärm von Hubstaplern, Ladevorgängen, laufenden Motoren, durch Gerüche der Dieselmotoren der Hubstapler und durch Staub- und Abfallbelästigung infolge des Verwehens von Papierabfällen, Verpackungsresten, Styroporresten und Mineralfasern zu belästigen. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 verletzt, weshalb gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe von S 6.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt wurde. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, da im gegenständlichen Fall eine Genehmigung nach den bis zum Inkrafttreten der GewO 1973 (am 1. August 1974) geltenden Vorschriften (§ 25 GewO 1859) nicht vorliege, stelle sich die Frage, ob die Übergangsbestimmung des Abs. 2 des § 376 Z. 11 GewO 1973 anzuwenden sei, nach der die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes errichteten Betriebsanlagen, die nach den bisher geltenden Vorschriften nicht genehmigungspflichtig gewesen seien und nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes genehmigungspflichtig wären, keiner Genehmigung gemäß § 74 Abs. 2 bedürften. Nach einem Erhebungsbericht der MA 36 vom 16. April 1993 seien "folgende Umstände" festgestellt worden, die für eine Genehmigungspflicht der Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO sprächen:

"Die Betriebsanlage befindet sich auf den Liegenschaften M-Straße 168 und 170. Im Erdgeschoß des Wohnhauses sind ein großer und ein kleiner Verkaufsraum und ein Büro untergebracht, an der hinteren Liegenschaftsgrenze befindet sich ein einstöckiges Lagergebäude. Der unverbaute Bereich der Liegenschaften wird ebenso als Lagerfläche für Ziegeln, Sand und Schotter etc. verwendet.

Für die Lagertätigkeiten werden zwei mit Diesel betriebene Hubstapler verwendet.

Auf Grund der Lage in einem Wohngebiet können durch den Betrieb der Hubstapler Lärmbelästigungen der Nachbarn nicht ausgeschlossen werden. Ebenso ist durch die derzeitige Art der Lagerung großer Mengen von Sand und Schotter schon bei geringer Windgeschwindigkeit mit Belästigungen der Nachbarn durch Flugsand zu rechnen."

Nach § 25 GewO 1859 sei die Genehmigung der Betriebsanlage dann notwendig gewesen, wenn diese geeignet gewesen sei, u.a. die Nachbarschaft durch ungewöhnliche Geräusche zu gefährden oder zu belästigen. Unter dem Blickwinkel des normativen Gehaltes des § 25 GewO 1859 ergebe sich aber, daß die gegenständliche Betriebsanlage jedenfalls im Hinblick auf die dort stattfindende Lagerung von großen Mengen von Sand und Schotter im unverbauten Bereich der Liegenschaft (und die dadurch gegebene Eignung der Belästigung der in der Umgebung wohnenden Wohnbevölkerung durch Flugsand schon bei geringer Windgeschwindigkeit) auch nach diesen Vorschriften genehmigungsplfichtig gewesen wäre. Bei diesem Prüfergebnis sei es daher für die Bejahung der Genehmigungspflicht nicht mehr von Bedeutung, ob die Betriebsanlage wegen ihrer Betriebsweise noch zusätzlich geeignet sei, die Nachbarn durch Lärm zu belästigen. Da der Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt habe, die gegenständliche Betriebsanlage im Tatzeitraum betrieben zu haben und diesbezüglich auch kein Vorbringen für seine Entlastung erstattet habe, sei die Tat sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht verwirklicht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten aber keine Gegenschrift vor, beantragte jedoch, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der ihm zur Last gelegten Übertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - zusammengefaßt - vor, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse bei einem Bescheid, der davon ausgehe, daß eine gewerbliche Betriebsanlage nach § 25 GewO 1859 genehmigungspflichtig gewesen sei, entnommen werden, inwieweit die betreffenden Tatbestände vor dem 1. August 1974 erfüllt gewesen seien. Im gegenständlichen Fall habe die Behörde darüber keinerlei Erhebungen angestellt, auch nicht, ob und welche Nachbarn damals existiert hätten. Sie setze sich in ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides sogar in Widerspruch zu den Ergebnissen des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens, bei denen der Amtssachverständige festgehalten habe, daß die etwaigen Störgeräusche weder unzumutbar noch gesundheitsschädlich seien, daß etwaige Staubbelästigung von einer naheliegenden unbebauten Baustelle auch erfolgt seien und eine Geruchsbelästigung nur vorliegen könne, wenn Fahrzeuge schlecht gewartet seien.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung - die gemäß dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu ahnden ist -, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Diese Strafbestimmung erfaßt auch den Fall, daß eine vor dem Inkrafttreten der GewO 1973 errichtete Betriebsanlage, die nach der GewO 1859 genehmigungspflichtig war und nach der GewO 1973 (nunmehr: GewO 1994) genehmigungspflichtig ist, ohne Genehmigung betrieben wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1987, Zl. 85/04/0207).

Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerbeordnung 1973 (1. August 1974) errichteten Betriebsanlagen, die nach den bisher geltenden Vorschriften nicht genehmigungspflichtig waren und nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes genehmigungspflichtig wären, bedürfen im Grunde des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1994 keiner Genehmigung gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. Die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1994 setzt voraus, daß eine Anlage, die am 1. August 1974 errichtet war, vor diesem Tag nach den Bestimmungen der GewO 1859 nicht genehmigungspflichtig war, hingegen mit diesem Tag am Maßstab der damals in Kraft getretenen Bestimmungen der GewO 1973 (nunmehr GewO 1994) als genehmigungspflichtig zu qualifizieren gewesen wäre. Nur für solche Fälle schafft die in Rede stehende Übergangsbestimmung eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0259).

Nach § 25 GewO 1859 war die Genehmigung der Betriebsanlage bei allen Gewerben notwendig, welche mit besonderen für den Gewerbebetrieb angelegten Feuerstätten, Dampfmaschinen, sonstigen Motoren oder Wasserkraftwerken betrieben werden (erster Tatbestand: Gesichtspunkt der besonderen Sicherheitsgefährlichkeit) oder (zweiter Tatbestand) welche durch gesundheitsschädliche Einflüsse, durch die Sicherheit bedrohende Betriebsarten, durch üblen Geruch oder durch ungewöhnliches Geräusch die Nachbarschaft zu gefährden oder zu belästigen geeignet sind.

Danach kommt es im Anwendungsbereich des § 25 GewO 1859 (in Verbindung mit § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1994), darauf an, ob sich im jeweiligen Einzelfall der gesetzliche Tatbestand der "besonderen Sicherheitsgefährlichkeit" oder der der "Eignung" konkretisiert hatte. Einem Bescheid, der davon ausgeht, daß eine gewerbliche Betriebsanlage nach § 25 GewO 1859 genehmigungspflichtig gewesen sei, muß daher entnommen werden können, inwieweit die betreffenden Tatbestände vor dem 1. August 1974 erfüllt waren (vgl. zum Ganzen das

hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1987, Zl. 85/04/0210, und die dort zitierte Literatur).

Im vorliegenden Fall unterließ es die belangte Behörde, die demnach erforderlichen Erhebungen und Feststellungen zu treffen. Dem angefochtenen Bescheid sind - auch im Hinblick auf den wiedergegebenen Erhebungsbericht vom 16. April 1993 sowie weiters in Verbindung mit dem erstbehördlichen Straferkenntnis - keine Feststellungen darüber zu entnehmen, inwieweit IM ZEITLICHEN ANWENDUNGSBEREICH DER GEWERBEORDNUNG VON 1859 ein Sachverhalt vorgelegen gewesen sei, der nach einem der Tatbestände des § 25 GewO 1859 die dort vorgesehene Genehmigungspflicht begründet hätte.

Soweit sich die belangte Behörde aber darauf beruft, daß die gegenständliche Betriebsanlage jedenfalls im Hinblick auf die dort stattfindende Lagerung von großen Mengen von Sand und Schotter im unverbauten Bereich der Liegenschaft (und die dadurch gegebene Eignung der Belästigung der in der Umgebung wohnenden Wohnbevölkerung durch Flugsand schon bei geringer Windgeschwindigkeit) auch nach den Vorschriften des § 25 der Gewerbeordnung 1859 genehmigungspflichtig gewesen wäre, so verkennt sie, daß - ungeachtet fehlender zeitbezogener Feststellungen nach dem oben Gesagten - Flugsand (oder auch Staub) nicht zu den im § 25 der GewO 1859 bezeichneten Immissionen gehören, die - bei Belästigung der Nachbarschaft - eine Genehmigungspflicht hervorgerufen hätte.

Da derart die belangte Behörde die Rechtslage verkannte und eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040050.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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