TE Vfgh Erkenntnis 1995/10/2 WI-5/95

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Veröffentlicht am 02.10.1995
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art26 Abs1
B-VG Art95 Abs2
B-VG Art117 Abs2
B-VG Art141 Abs1 lita
Vlbg Landesverfassung Art13 Abs2
Vlbg GWG §5
Vlbg GWG §30 ff
Vlbg GWG §57

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Wahl in die Gemeindevertretung; materielle Derogation der Verfassungsbestimmung des Vlbg GWG betreffend das Wahlalter für Wahlen in die Gemeindevertretungen durch das spätere - das Wahlalter herabsetzende - Vlbg VerfassungsG über eine Änderung der Landesverfassung; keine bundesverfassungsgesetzliche Verpflichtung des Landesgesetzgebers zur Angleichung der Verfahrensbestimmungen über Stimmzettel und Kostentragung an die NRWO 1971; keine Bedenken gegen die Beschaffenheit und Bereitstellung der Stimmzettel nach dem Vlbg GWG

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 2. April 1995 fanden die von der Vorarlberger Landesregierung am 16. Jänner 1995 im LGBl. 1/1995 für alle Gemeinden des Landes ausgeschriebenen Wahlen in die Gemeindevertretung, darunter die Stadt Bludenz, statt.

1.1.2. Dieser Wahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §16 des Vorarlberger Gemeindewahlgesetzes - GWG, LGBl. 31/1979 (idF 12/1984), abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zugrunde:

-

Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) und Parteifreie

-

Dr. Othmar Kraft, Bludenzer Volkspartei und Parteifreie

-

Offene Bürgerliste BLUDENZ grünt

-

Die Freiheitlichen und unabhängige Bürger (F)

-

Bürgerforum Bludenz

1.1.3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Stadt Bludenz vom 5. April 1995 entfielen von den insgesamt 8.094 abgegebenen gültigen Stimmen - 228 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf

   SPÖ                            2.985 Stimmen (12 Mandate),

   ÖVP                            3.847 Stimmen (16 Mandate),

   Grüne                            476 Stimmen (2 Mandate),

   F                                474 Stimmen (2 Mandate) und

   Bürgerforum                      312 Stimmen (1 Mandat).

1.2.1. Mit seiner am 28. April 1995 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte das Bürgerforum Bludenz, "das Verfahren zur Wahl in die Gemeindevertretung der Stadt Bludenz vom 2. April 1995 zur Gänze für nichtig (zu) erklären und als rechtswidrig auf(zu)heben."

1.2.2. Die Landeswahlbehörde beim Amt der Vorarlberger Landesregierung legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

1.2.3. Das Amt der Vorarlberger Landesregierung wurde ersucht, zu den in der Anfechtungsschrift aufgeworfenen Fragen der Verfassungsmäßigkeit/Verfassungswidrigkeit der dieser angefochtenen Wahl zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschriften Stellung zu nehmen. Dazu legte die Vorarlberger Landesregierung eine schriftliche Äußerung vor.

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985, 13089/1992). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.

Nun sieht zwar §41 Abs1 GWG administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (d.s. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iSd §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11732/1988, 13089/1992).

2.1.3. Im vorliegenden Fall strebt das Bürgerforum Bludenz in seiner Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten einem Einspruchsverfahren vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr sonstige Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985, 13089/1992), d.i. bei Gemeindevertretungswahlen nach dem GWG die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Verlautbarung der "Namen der gewählten Mandatare und der Ersatzmänner ... durch Anschlag an der Amtstafel".

Diese Kundmachung fand hier am 5. April 1995 statt.

Die am 28. April 1995 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift (s. Pkt. 1.2.1.) wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1.1. Die anfechtende Wählergruppe macht zunächst geltend:

Mit dem Vorarlberger "Verfassungsgesetz über eine Änderung der Landesverfassung" LGBl. 35/1994 sei das in Art13 Abs2 Landesverfassung normierte Wahl- und Stimmrecht vom vollendeten

19. auf das vollendete 18. Lebensjahr herabgesetzt worden. In diesem Sinn seien zugleich auch (mit LGBl. 36/1994) das LandtagswahlG und (mit LGBl. 37/1994) das Landes-VolksabstimmungsG novelliert worden. Eine entsprechende Novellierung des GemeindewahlG sei aber unterblieben. Dennoch hätten die Wahlbehörden, und zwar ohne gesetzliche Grundlage, 18jährige zur Gemeindevertretungswahl der Stadt Bludenz als wahlberechtigt zugelassen. Darin werde eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erblickt.

2.2.1.2. Die Vorarlberger Landesregierung brachte dazu ua. wörtlich vor:

"Soweit die Verfassungsbestimmung des §5 GWG, LGBl. Nr. 31/1979, zu Z. 1 der L.V.-Novelle LGBl. Nr. 35/1994 in Widerspruch steht, wurde sie durch diese aufgehoben (materielle Derogation). Dies betrifft die Festlegung des Wahlalters. Das Eintrittsalter für das aktive Wahlrecht war daher bei jenen Personen gegeben, die vor dem 1. Jänner 1995 das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Die weiteren Inhalte des §5 GWG, die dem Art13 Landesverfassung nicht widersprechen, nämlich die österreichische Staatsbürgerschaft, der ordentliche Wohnsitz, der Nicht-Ausschluß vom Wahlrecht und die Beurteilung dieser Voraussetzungen nach dem Stichtag sowie die Konkretisierung des 'Wahlgebietes' (Art13 Abs2 Landesverfassung) in der 'betreffenden Gemeinde' (§5 GWG) gelten weiter.

Die Voraussetzungen für die Anwendung der Lex-posterior-Regel liegen vor. Beide Regelungen beziehen sich auf das aktive Wahlrecht zur Gemeindevertretung, somit auf denselben Gegenstand. Der Geltungsbereich des Art13 Abs2 Landesverfassung ist zwar insoweit umfassender wie jener des §5 GWG, als er sich auch auf andere Wahlen und auch auf Abstimmungen bezieht. Er regelt jedoch auch für Gemeindevertretungswahlen das aktive Wahlrecht abschließend und mit ausreichender Bestimmtheit. Sollte §5 GWG dennoch als lex specialis zu Art13 Abs2 Landesverfassung beurteilt werden, kann allein deswegen die Anwendbarkeit der Lex-posterior-Regel noch nicht ausgeschlossen werden. In einem solchen Fall wäre zu überprüfen, ob die beiden Normen auch so gedeutet werden können, daß die ältere spezielle Norm als Ausnahme von der jüngeren generellen Norm betrachtet werden kann, sodaß ihre Derogation durch die spätere generelle Norm gerade nicht anzunehmen ist (VfSlg. 12184). Dieser Fall liegt nicht vor. Schon aus der systematischen Stellung des Art13 Landesverfassung, der für alle Wahlen und Abstimmungen gilt, ist klar erkennbar, daß der Landesverfassungsgesetzgeber das Wahlrecht einheitlich regeln wollte. Anläßlich der Anpassung hat der Landesverfassungsgesetzgeber beim passiven Wahlrecht für die Gemeindevertretung ohne bundesverfassungsgesetzliche Verpflichtung Änderungen wegen der 'unbedingt wünschenswerten Einheitlichkeit des Systems' (Bericht zur RV, 61. Blg. im Jahre 1993 des XXV. Vorarlberger Landtages) vorgenommen. Es gibt keinen Hinweis dafür, daß der Landesverfassungsgesetzgeber bei Gemeindevertretungswahlen eine bundesverfassungswidrige Ausnahme beim Wahlalter aufrecht erhalten wollte.

Wie die Gegenüberstellung der Inhalte der beiden Regelungen gezeigt hat, ist der Art13 Abs2 erster Satz Landesverfassung so ausreichend bestimmt, daß er unmittelbar angewendet werden kann. Er garantiert den Landesbürgern unmittelbar das Wahl- und Stimmrecht. In einem einzigen Inhalt, nämlich bei der Konkretisierung des 'Wahlgebietes' durch die 'betreffende Gemeinde' bleibt er gegenüber dem §5 GWG zurück. Dazu ist jedoch festzuhalten, daß diese Konkretisierung, die nicht des Verfassungsranges bedarf und als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, schon im §20 GemeindeG erfolgt ist."

2.2.1.3. Art13 Abs2 des Gesetzes über die Verfassung des Landes Vorarlberg (Landesverfassung), neu kundgemacht (gemäß Art27 a (nunmehr Art38) Landesverfassung) mit Verordnung der Vorarlberger Landesregierung LGBl. 30/1984, hatte folgenden Wortlaut:

"Wahl- und stimmberechtigt ist, wer am Stichtag der Wahl oder Abstimmung Landesbürger ist, im Wahl- bzw. Abstimmungsgebiet seinen ordentlichen Wohnsitz hat, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen ist und das 19. Lebensjahr vollendet hat. Die Landesgesetzgebung kann bestimmen, daß das aktive und passive Wahlrecht für die Gemeindevertretung Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist."

Die in Art13 Abs2 Satz 1 leg.cit. enthaltenen Worte "und das 19. Lebensjahr vollendet hat" wurden in §5 GWG - d.i. eine Verfassungsbestimmung, welche die Wahlberechtigung zu den Gemeindevertretungen regelt - unverändert wiederholt. §5 GWG lautet:

"Wahlberechtigt ist jeder österreichische Staatsbürger, der in der betreffenden Gemeinde seinen ordentlichen Wohnsitz hat, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen ist und das 19. Lebensjahr vollendet hat..."

Mit dem im LGBl. 35/1994 kundgemachten "Verfassungsgesetz über eine Änderung der Landesverfassung" erhielt der Verfassungsartikel 13 Abs2 Satz 1 folgende Fassung:

"Wahl- und stimmberechtigt ist, wer am Stichtag der Wahl oder Abstimmung Landesbürger ist, im Wahl- bzw. Abstimmungsgebiet seinen ordentlichen Wohnsitz hat, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen ist und vor dem 1. Januar des Jahres der Wahl oder Abstimmung das 18. Lebensjahr vollendet hat."

Damit ergab sich gegenüber dem ursprünglichen Text des Art13 Abs2 Satz 1 Landesverfassung nur insofern eine Änderung, als die Worte "das 19. (Lebensjahr)" durch die Wortfolge "vor dem 1. Januar des Jahres der Wahl oder Abstimmung das 18. (Lebensjahr)" ersetzt wurden.

Der Vorarlberger Landesregierung ist beizupflichten, daß das spätere Verfassungsgesetz aus dem Jahr 1994 der dazu in kontradiktorischem Widerspruch stehenden Verfassungsbestimmung des §5 GWG - die zu Art13 Abs2 Landesverfassung in der ursprünglichen Fassung gleichrangig hinzugetreten war - im maßgebenden Umfang materiell derogiert hat, indem das Wahlalter für Wahlen (auch) in die Gemeindevertretungen entsprechend herabgesetzt wurde. Die Vorarlberger Landesregierung ist nämlich im Recht, wenn sie der Auffassung anhängt, daß §5 GWG in seinem hier interessierenden Teil nicht als spezielle Norm zu Art13 Abs2 Satz 1 Landesverfassung in der ursprünglichen Fassung angesehen werden kann, denn Art13 Abs2 leg.cit. erstreckte sich jedenfalls auch auf die Wahl zu den Gemeindevertretungen, wie sich aus dem zweiten Satz dieser Verfassungsstelle unzweifelhaft ergibt, und die Wahlalter-Vorschrift des §5 GWG erschöpfte sich in einer bloßen Wiederholung der schon in der Landesverfassung selbst getroffenen Regelung. Zwar kann der positivrechtlich Geltung besitzende Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" auf das Verhältnis einer späteren generellen zu einer früheren speziellen Norm nicht ohne weiteres angewendet werden (vgl. dazu VfSlg. 12184/1989), doch liegt ein diese Regel ausschließender Fall nach dem bereits Gesagten nicht vor.

2.2.2.1. Die anfechtende Wählergruppe wendet des weiteren ein, der Bürgermeister der Stadt Bludenz habe ihr für die Versendung von Stimmzetteln gesetzwidrig einen Kostenbeitrag "vorgeschrieben und unverhältnismäßig hoch ausgemessen". Nach §75 NRWO seien für die Nationalratswahl amtliche Stimmzettel zu verwenden, deren Herstellungskosten der Bund trage. Ein Kostenbeitrag für die Versendung amtlicher Stimmzettel sei in der NRWO nicht vorgesehen. Nach Art117 Abs2 B-VG seien die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts für Wahlen in den Gemeinderat nicht enger zu ziehen als in der Wahlordnung zum Landtag. Doch kenne das GWG im Gegensatz zum LandtagswahlG keine amtlichen Stimmzettel. Auch sehe es keine Regelung darüber vor, wer die Kosten der Herstellung oder Versendung von amtlichen oder nichtamtlichen Stimmzetteln tragen müsse; es sei daher zu schließen, daß anfallende Kosten die Gemeinde selber zur Gänze zu tragen habe (§57 GWG). Sei die Einführung eines amtlichen Stimmzettels für Gemeindevertretungswahlen zur Sicherung des geheimen Wahlrechts verfassungsrechtlich nicht geboten, so müsse der Landesgesetzgeber iSd Art7 Abs1, 26 Abs1, 117 Abs2 B-VG unter Berücksichtigung des §26 LandtagswahlG dafür sorgen, daß die Wahlchancen der Wählergruppen auch ohne amtliche Stimmzettel gleich bleiben.

2.2.2.2. Der anfechtenden Wählergruppe kann nicht beigetreten werden, wenn sie den Wahlbehörden rechtswidriges Verhalten im Verlauf des Wahlverfahrens zur Last legt. Gemäß Art117 Abs2 Satz 2 B-VG dürfen in der Wahlordnung die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts (für Wahlen in den Gemeinderat) "nicht enger gezogen" sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Nach Art95 Abs2 B-VG idF der Z6 des BVG BGBl. 470/1992 wieder dürfen die Landtagswahlordnungen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts nicht enger ziehen als die Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat: Der Nationalrat wird vom Bundesvolk aufgrund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechts der Männer und Frauen, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt (Art26 Abs1 B-VG; s. auch Art117 Abs2 Satz 1 B-VG). Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen (Art26 Abs1 letzter Satz B-VG). Vorschriften über die Beschaffenheit und Herstellung der Stimmzettel für die Wahlen zum Nationalrat, die für die Gemeindewahlordnungen maßgebend wären (Art117 Abs2 iVm Art95 Abs2 B-VG), enthält die Bundesverfassung aber nicht. Die Vorarlberger Landesregierung führt daher zutreffend aus, daß eine bundesverfassungsgesetzliche Verpflichtung des Landesgesetzgebers zur Angleichung der Verfahrensbestimmungen über Stimmzettel und Kostentragung an die Vorschriften der NRWO nicht bestehe, denn diese Vorschriften sind kraft Art26 Abs1 letzter Satz B-VG einfachgesetzlich zu erlassen; sie stehen also nicht im Rang eines Bundesverfassungsgesetzes, das Maßstab für entsprechende Regelungen in den Gemeindewahlordnungen wäre. Das Vorarlberger GWG sieht in seinem §31 leere Stimmzettel vor, die aus weichem, weißlichem Papier bestehen und 28 bis 31 cm lang und 20 bis 22 cm breit sein müssen. Gemäß §23 Abs1 GWG hat der Gemeinde- bzw. Sprengelwahlleiter der Wahlbehörde ua. einen entsprechenden Vorrat von leeren Stimmzetteln zu übergeben. Gemäß §20 Abs5 GWG ist dafür Sorge zu tragen, "daß in der Wahlzelle während der Wahlzeit stets genügend leere Stimmzettel aufliegen". Ferner sind die von der Gemeindewahlbehörde abgeschlossenen und veröffentlichten Parteilisten in der Wahlzelle an sichtbarer Stelle anzuschlagen (§20 Abs4 leg.cit.). Der Wahlberechtigte kann den ihm von der Wahlbehörde beigestellten (in der Zelle aufliegenden) leeren Stimmzettel (in der Wahlzelle) handschriftlich den Wahlvorschriften entsprechend bezeichnen und damit gültig abstimmen. Außerdem läßt es das Gesetz zu, daß der Wähler zur Stimmabgabe in die Wahlzelle mitgebrachte Stimmzettel verwendet, auf denen durch Druck, sonstige Vervielfältigung oder etwa Maschinschrift Angaben iSd §32 Abs1 lita bis d GWG enthalten sind. Daß diese bedruckten Stimmzettel den wahlwerbenden Gruppen von der Gemeinde kostenlos beizustellen seien, ist dem GWG nicht zu entnehmen, denn die Kosten der Herstellung dieser bedruckten (von den kandidierenden Gruppen im Zug der Wahlwerbung ausgegebenen) Stimmzettel zählen - anders als die Kosten der amtlich beigestellten leeren (unbedruckten) Stimmzettel, die in der Wahlzelle aufliegen müssen - nicht zu den Wahlkosten des §57 GWG, für die - sofern sie nicht bei der Landeswahlbehörde oder bei der Bezirkswahlbehörde entstehen und vom Land zu tragen sind - die Gemeinden aufzukommen haben.

Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen diese landesgesetzliche Regelung über die Beschaffenheit und Bereitstellung der Stimmzettel - soweit überhaupt für die behaupteten und gerügten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens von Bedeutung - keine verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal sie entgegen der Auffassung der anfechtenden Wählergruppe keine gesetzliche Beeinträchtigung der Chancen der wahlwerbenden Parteien bedeutet, mögen diesen Gruppierungen auch unterschiedlich hohe private Mittel zur Bestreitung der Kosten ihrer Wahlwerbung zur Verfügung stehen.

Die Einhaltung der hier wiedergegebenen landesgesetzlichen Vorschriften im Verlauf der angefochtenen Wahl wird von der Anfechtungswerberin aber an sich gar nicht bestritten. Wenn die anfechtende Wählergruppe in diesem Zusammenhang ein Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Bludenz vorlegt, worin die Unterstützung des "Amtes der Stadt Bludenz" beim Versand der nichtamtlichen (bedruckten) Stimmzettel mit dem Ziel einer Reduzierung der den wahlwerbenden Gruppen entstehenden Kosten vorgeschlagen und angeboten wird, so handelt es sich dabei um keine Maßnahme einer Wahlbehörde, die einer Nachprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit im Wahlanfechtungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof unterläge.

2.2.3. Zusammenfassend ergibt sich, daß dem Wahlverfahren die in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht anhaften, sodaß die Wahlanfechtung bereits aus dieser Erwägung als unbegründet abgewiesen werden mußte.

2.3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Derogation materielle, Wahlen, Wahlrecht aktives, Stimmzettel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:WI5.1995

Dokumentnummer

JFT_10048998_95W00I05_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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