TE Lvwg Erkenntnis 2020/10/29 LVwG-2020/37/1440-6

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Veröffentlicht am 29.10.2020
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Entscheidungsdatum

29.10.2020

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
50/01 Gewerbeordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

COVID-19-Maßnahmengesetz §2
COVID-19-Maßnahmengesetz §3
Vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 §1
Vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 §2
Vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 §3
GewO 1973 §189
GewO 1994 §94
GewO 1994 §111
GewO 1994 §150
VStG §45
VwGVG 2014 §50
VwGVG 2014 §52

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 28.05.2020, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Y), nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis samt dem Kostenspruch aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis vom 28.05.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y AA, geb am xx.xx.xxxx, Adresse 1, Z, zur Last gelegt, als Verantwortlicher (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der „BB GmbH“, welche Inhaberin der Betriebsstätte „Café/Bäckerei CC“ in Y, Platz LL, Adresse 2, sei, welche ua eine Betriebsstätte der Betriebsart des Gastgewerbes darstelle, am 11.04.2020 gegen 11:25 Uhr nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass die Betriebsstätte nicht betreten werde, da auf der Terrasse des/der „Café/Bäckerei CC“ Stühle und Tische für Kunden zur Konsumation vor Ort aufgestellt gewesen seien und an zumindest einen Kunden Kaffee ausgeschenkt worden sei, obwohl zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe gemäß § 3 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II
Nr 96/2020 in der Fassung (idF) BGBl II Nr 151/2020, untersagt gewesen sei. Die angeführte Betriebsstätte sei nicht unter die in § 3 Abs 2 der genannten Verordnung aufgezählten Ausnahmen gefallen; es sei nach § 3 Abs 6 der genannten Verordnung ausschließlich die Ausgabe und Abholung vorbestellter Speisen zulässig gewesen, sofern diese nicht vor Ort konsumiert würden und sichergestellt sei, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werde.

Dadurch hätte AA § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VwGVG) in Verbindung mit (iVm) § 3 Abs 2 iVm § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz BGBl I Nr 12/2020 in der geltenden Fassung (idgF) iVm § 3 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020, verletzt, weswegen über ihn gemäß § 3 Abs 2 erster Satz COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I Nr 12/2020 idgF, eine Geldstrafe in Höhe von Euro 600,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: sechs Stunden) verhängt wurde. Die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens hat die Bezirkshauptmannschaft Y mit Euro 60,00 bestimmt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat AA mit Schriftsatz vom 26.06.2020 Beschwerde erhoben und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; hilfsweise wird beantragt, die verhängte Geldstrafe herabzusetzen.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorgaben der zitierten Verordnung ausnahmslos eingehalten zu haben. „Coffee to go“ sei nur auf Vorbestellung ausgegeben worden und nicht mit der Möglichkeit, diesen vor Ort zu verzehren. Der Cafébereich sei klar erkennbar geschlossen gewesen und dies auch klar kommuniziert worden. Insbesondere wären Schilder an der Türe mit der Anweisung angebracht gewesen, dass der Cafébereich geschlossen sei, sich nur ein Kunde im Geschäftsbereich aufhalten dürfe, ein Mindestabstand von 2 Metern einzuhalten, einzeln einzutreten und Mund-Nasen-Schutz zu tragen sei. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien nachweislich durch Unterfertigung auf die soeben beschriebenen Maßnahmen und deren Einhaltung schriftlich hingewiesen worden.

Der Beschwerdeführer hebt hervor, dass im entscheidungswesentlichen Zeitraum keine Getränkekarten, Aschenbecher, Zuckermenagen oder Deko auf den Tischen aufgelegt gewesen wären. Dieser Bereich sei klar erkennbar geschlossen gewesen. Eine unerlaubte Nutzung durch nicht der Betriebsanlage zuordenbare Personen könne ihm [= dem Beschwerdeführer] nicht angelastet werden. Zudem seien alle Angestellten und Arbeiter/innen bis zum 15.06.2020 zur Kurzarbeit angemeldet worden. Es würde die ihn [= den Beschwerdeführer] treffende Sorgfaltspflicht zu weitgehend beanspruchen, eine(n) Mitarbeiter/Mitarbeiterin dafür anzustellen, zu kontrollieren, ob niemand den ohnehin geschlossenen Bereich mit den verbleibenden zwei Tischen und Stühlen nutzt.

Der Beschwerde war eine von mehreren Personen unterfertigte „Anweisung: Leitlinie Verhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkauf“ vom März 2020 und ein Lichtbild der ab dem 14.03.2020 vor der Türe der Filiale am Platz LL aufgestellten Tafel beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 08.07.2020, Zahl LVwG/SI-407/1-2020, hat die Bezirkshauptmannschaft Y den Gegenstandsakt zur Entscheidung über die Beschwerde des AA gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 28.05.2020, Zahl ***, vorgelegt.

Am 08.10.2020 hat die öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden. Der Beschwerdeführer hat dabei im Wesentlichen auf das bisherige schriftliche Vorbringen, insbesondere den Einspruch vom 12.05.2020 und die Beschwerde vom 26.06.2020, verwiesen. Ergänzend hat er festgehalten, dass er betreffend die gesetzlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie äußerst vorsichtig vorgegangen sei. Er habe sofort sichergestellt, dass die Betriebsstätte am Platz LL nur noch einzeln betreten habe werden dürfen. Den einzigen Vorwurf, den man allenfalls erheben könnte, sei, dass er verabsäumt habe, die Tische und Stühle vor der Betriebsstätte am Platz LL zu entfernen. Mildernd sei allerdings die damalige, für ihn äußerst belastende Situation zu berücksichtigen.

Beweis wurde aufgenommen durch die Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei, durch die Einvernahme der Zeuginnen DD und EE, durch die Einvernahme der Zeugen FF, und GG sowie durch Verlesung des behördlichen Aktes, Zl ***, und des Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Tirol,
Zl LVwG-2020/37/1440, jeweils samt Beilagen. Der Beschwerdeführer hat die Aufnahme weiterer Beweise nicht beantragt. Weitere Beweise wurden auch nicht aufgenommen.

II.      Sachverhalt:

1.       Allgemeine Feststellungen zum Beschwerdeführer:

AA, geboren am xx.xx.xxxx, ist selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der BB GmbH. Das monatliche Nettoeinkommen beträgt ca Euro 2.000,00. AA ist gegenüber einem Kind im Alter von 11 Jahren sorgepflichtig.

Die BB GmbH ist Inhaberin des Bäckereigewerbes gemäß § 94 Z 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994). Zudem verfügt sie über die Berechtigung zur Ausübung des Gastgewerbes mit den Berechtigungen nach § 189 Abs 1 Z 2, eingeschränkt auf kleine kalte und warme Speisen, Z 3 und 4 GewO 1973, weiters beschränkt auf die jeweiligen Ladenschlusszeiten in der Betriebsart Café.

AA ist gewerberechtlicher Geschäftsführer sowohl für das Bäckereigewerbe als auch das Gastgewerbe im umschriebenen Umfang.

Mit Bescheid vom 14.06.2004, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y festgestellt, dass der von AA im Erdgeschoss des Hauses Adresse 2 auf
Gst Nr **1, KG Y, beabsichtigte Gewerbebetrieb in der Betriebsart Café und die in diesem Zusammenhang vorgesehenen Baumaßnahmen die für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit aufweisen.

2.       Zum Tatvorwurf:

2.1.    Maßnahmen betreffend COVID-19:

Am 14.03.2020 hat AA in seiner Eigenschaft als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Bäckerei und des Gastgewerbebetriebes am Standort Platz LL, Y, eine gut sichtbare Tafel vor dem Eingang aufgestellt, die folgende Information enthielt:

„Bitten warten Sie, bis der Kunde vor Ihnen den Verkaufsraum wieder verlassen hat, bevor Sie eintreten! Café ist geschlossen, leider“.

Im Verkaufsraum wurde jener Bereich, der ausschließlich dem Cafébetrieb dient, durch einen „Raumteiler“ abgetrennt. Damit war klar ersichtlich, dass dieser Bereich nicht mehr genutzt werden darf.

Auf den Tischen im Verkaufsraum wurden Hinweise angebracht, dass diese ebenfalls nicht genutzt werden dürfen. Vor der Betriebsstätte waren bei Beginn des „Lockdown“ zwei Tische samt Stühlen aufgestellt. Diese waren über den Winter für die Raucher dort belassen worden. Ab Beginn des „Lockdown“ waren auf diesen Tischen keine Getränkekarten, Aschenbecher, Zuckermenagen etc aufgelegt.

Ab Beginn des „Lockdown“ wurde Kaffee nur noch auf Vorbestellung ausgegeben. Der jeweilige Kunde/die jeweilige Kundin musste daher den Kaffee telefonisch vorbestellen. Der Kaffee wurde zum vereinbarten Zeitpunkt vorbereitet und konnte dann abgeholt werden. Eine Konsumation in der Betriebsstätte selbst fand nicht statt.

Im März 2020 wurde für den Bäckereibetrieb und Cafébetrieb CC für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter folgende Weisung schriftlich erteilt:

Anweisung: Leitlinie Verhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkauf

Aufgrund von Covid-19 und den damit verbundenen, von der Regierung vorgegebenen, geltenden Vorschriften, sind folgende Schutzmaßnahmen ausnahmslos zwingend einzuhalten:

-    Kundinnen und Kunden dürfen den Verkaufsraum nur einzeln betreten. Der Cafébereich ist ausnahmslos geschlossen und darf nicht betreten werden.

-    Coffee to go darf nur auf Vorbestellung und keinesfalls zur Konsumation vor Ort ausgegeben werden.

-    Die noch verbliebenen Terrassenmöbel (zwei Tische, zwei Stühle) müssen bis zur Abholung so gelagert werden, dass für Kundinnen und Kunden ersichtlich ist, dass eine Nutzung nicht möglich ist und keine Bedienung erfolgt (Stühle sind angelehnt, es befinden sich keine Aschenbecher, keine Menagen o.Ä. am Tisch).

Diese Vorschriften basieren auf den zum jetzigen Zeitpunkt von der Regierung vorgegebenen Regelungen. Etwaige Änderungen sind vorbehalten und werden spätestens zum Zeitpunkt des Inkrafttretens kommuniziert.

Bei Unklarheiten und Fragen könnt ihr Euch jederzeit an mich wenden – DANKE!“

Dieses Schreiben weist den Betriebsstempel mit dem Zusatz „JJ“ auf. Auf diesem Schreiben sind die Unterschriften mehrerer Mitarbeiterinnen enthalten. Diesen Schriftsatz hat auch die Mitarbeiterin DD ? Kellnerin mit Inkasso ? unterfertigt.

2.2.    Zum Vorfall am 11.04.2020:

Die Tafel mit der Aufschrift „Bitte warten Sie, bis der Kunde vor Ihnen den Verkaufsraum wieder verlassen hat, bevor Sie eintreten! Café ist geschlossen, leider“ war auch am 11.04.2020 (Karfreitag) vor der Eingangstür der Betriebsstätte am Platz LL aufgestellt. An diesem Tag war DD ? Kellnerin mit Inkasso ? zum Dienst eingeteilt. Der Beschwerdeführer und dessen Ehefrau JJ waren an diesem Tag nicht in der Betriebsstätte anwesend.

Beim Aufsperren der Betriebsstätte hat DD darauf geachtet, dass die Stühle an den beiden vor der Betriebsstätte befindlichen Tischen angelehnt waren. Am 11.04.2020 suchten sehr viele Kunden und Kundinnen die Betriebsstätte auf. DD ? sie hatte allein Dienst ? hat während der Betriebszeit ? außer im Zusammenhang mit der durch die Bezirkshauptmannschaft Y gegen 11:30 Uhr durchgeführten Kontrolle ? den Verkaufsraum nicht verlassen.

GG, geboren am xx.xx.xxxx, wohnhaft Adresse 3, Y, ist Stammgast der Bäckerei/des Cafebetriebs „CC“ in Y, Platz LL. Am späten Vormittag des 11.04.2020 kam GG in die Betriebsstätte am Platz LL, Y. Vor seinem Besuch bestellte er telefonisch den Kaffee. Anschließend fuhr er mit seinem Rollstuhl zur Betriebsstätte und holte im Verkaufsraum den von ihm zuvor telefonisch bestellten Kaffee ab. Anschließend verließ er mit dem Kaffeebecher in der Hand die Betriebsstätte. Vor der Betriebsstätte stellte er den Kaffeebecher auf einem der beiden Tische ab.

Gegen 11.30 Uhr haben KK und FF, beide Bezirkshauptmannschaft Y, die Betriebsstätte der „BB GmbH“ am Platz LL kontrolliert. Zum Zeitpunkt der Kontrolle saßen an den Tischen vor der Betriebsstätte drei Personen. Eine dieser Personen ? es handelte sich um GG ? konsumierte einen Kaffee, den er aus einem Becher getrunken hat. Ob die beiden weiteren Personen, die am zweiten Tisch vor der Betriebsstätte Platz genommen hatten, etwas konsumierten, lässt sich nicht feststellen.

In weiterer Folge hat FF, die diensthabende Kellnerin darauf aufmerksam gemacht, dass ein Bedienen vor der Betriebsstätte nicht zum Bäckereibetrieb gehöre, sondern als derzeit nicht erlaubter Gastgewerbebetrieb zu qualifizieren sei.

Dass am 11.04.2020 tatsächlich ein Ausschank vor der Betriebsstätte stattgefunden hat, lässt sich nicht feststellen.

DD hat in weiterer Folge die vor der Betriebsstätte befindlichen Stühle ineinander gesteckt/aufeinandergestapelt und die Tische zusammengeschoben. Der Beschwerdeführer selbst hat deren Entfernung am nächsten Tag veranlasst.

III.     Beweiswürdigung:

Die Gewerbeberechtigungen der BB GmbH ergeben sich aus den im behördlichen Akt einliegenden Auszügen aus dem Gewerbeinformationssystem Austria. Der betriebsanlagenrechtliche Bescheid vom 14.06.2004, Zahl ***, ist ebenfalls Teil des behördlichen Aktes.

Zu den persönlichen Verhältnissen hat sich der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung geäußert.

Auf der Grundlage dieser Beweismittel trifft das Landesverwaltungsgericht Tirol die Feststellungen in Kapitel 1. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.

Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Rechtsmittel umfangreich jene Maßnahmen geschildert, die er betreffend die Betriebsstätte am Platz LL, Y, aufgrund der COVID-19-Pandemie ab Mitte März 2020 gesetzt hat. Insbesondere hat er hervorgehoben, dass der Cafébetrieb unverzüglich geschlossen wurde. Sein schriftliches Vorbringen hat der Beschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahme am 08.10.2020 nochmals ausführlich erläutert. Die an seine Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter ergangene Anweisung vom März 2020 hat der Beschwerdeführer bereits mit seinem Rechtsmittel vorgelegt. Auf einem der Lichtbilder, die die beiden Kontrollorgane der Bezirkshauptmannschaft Y am 11.04.2020 angefertigt haben, ist auch die vor der Betriebsstätte aufgestellte Tafel ersichtlich, auf der auf verschiedene Schutzmaßnahmen und insbesondere auf die Schließung des Cafébetriebes hingewiesen wird.

Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich eingeräumt, es allenfalls verabsäumt zu haben, die beiden Tische und die dazugehörigen Stühle vor der Betriebsstätte nicht entfernt zu haben. Er hat allerdings ergänzend darauf hingewiesen, dass während des Sommerbetriebes grundsätzlich 24 Tische vor der Betriebsstätte aufgestellt und die beiden Tische samt Stühlen wegen der Raucher auch im Winter nicht wegräumt worden wären. Zudem hat der Beschwerdeführer betont, dass auf den Tischen vor der Betriebsstätte während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes kein Ausschank stattgefunden hätte und auf diesen Tischen auch keine Getränkekarten etc aufgelegt gewesen wären.

DD hat im Wesentlichen die Aussagen des Beschwerdeführers bestätigt. Insbesondere hat auch sie festgehalten, dass während des verfahrensrelevanten Zeitraumes kein Cafébetrieb stattgefunden hätte und Kaffee nur auf telefonische Vorbestellung ausgegeben worden wäre.

Die Zeugin EE und auch der Zeuge GG haben übereinstimmend festgehalten, dass Kaffee während des verfahrensrelevanten Zeitraumes nur auf Vorbestellung ausgegeben worden wäre.

Auf der Grundlage dieser Beweismittel trifft das Landesverwaltungsgericht Tirol die Feststellungen in Kapitel 2.1. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.

DD hat bei ihrer Einvernahme am 08.10.2020 ausgesagt, dass sie am 11.04.2020 (Karfreitag) allein Dienst gehabt und an diesem Tag ein reger Andrang geherrscht hätte. Für das Landesverwaltungsgericht Tirol ist daher deren Aussage, den Verkaufsraum ? außer im Zuge der behördlichen Kontrolle ? nicht verlassen zu haben, glaubwürdig.

Der Zeuge GG hat äußerst glaubwürdig dargelegt, dass er an diesem Tag die Betriebsstätte aufgesucht hat, um den von ihm zuvor telefonisch bestellten Kaffee abzuholen. Er hat ausgesagt, vor der Betriebsstätte den zuvor im Verkaufsraum in Empfang genommenen Kaffeebecher nach dem Verlassen des Verkaufsraumes auf einem Tisch abgestellt zu haben. Er hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich festgehalten, jene Person im Rollstuhl zu sein, die auf dem im Zuge der behördlichen Kontrolle angefertigten Lichtbild erkennbar ist.

Auf den im Zuge der behördlichen Kontrolle angefertigten Lichtbildern sind an dem zweiten Tisch zwei weitere Personen erkennbar. Dass diese beiden Personen Getränke etc konsumieren, ist nicht ersichtlich und liegen auch sonst diesbezüglich keine Hinweise vor.

FF, Sachbearbeiter des Gewerbereferates der Bezirkshauptmannschaft Y, hat sich klar und nachvollziehbar zu der am 11.04.2020 durchgeführten Kontrolle geäußert und auch das Gespräch mit der diensthabenden Kellnerin DD geschildert. Eine Bedienung von Personen vor der Betriebsstätte hat die diensthabende Mitarbeiterin nicht eingeräumt.

Auf der Grundlage der Aussagen der DD, des GG und des FF, trifft das Landesverwaltungsgericht Tirol die Feststellungen in Kapitel 2.2 der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.

IV.      Rechtslage:

1.       Gewerbeordnung 1973:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 189 Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973), BGBl Nr 50/1974 ? außer Kraft getreten mit 01.07.1993 ? lautet samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Gastgewerbe

§ 189. (1) der Konzessionspflicht unterliegen

1.   die Beherbergung von Gästen;

2.   die Verabreichung von Speisen jeder Art und der Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen;

3.   der Ausschank von alkoholischen Getränken und der Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen;

4.   der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und der Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen;

(2) Unter Verabreichung (Abs. 1 Z. 2) und unter Ausschank (Abs. 1 Z. 3 und 4) ist jede Vorkehrung oder Tätigkeit zu verstehen, die darauf abgestellt ist, daß die Speisen oder Getränke an Ort und Stelle genossen werden.

(3) Gastgewerbetreibende, die zur Ausübung einer Konzession mit der Berechtigung gemäß Abs. 1 Z. 1 berechtigt sind, sind zur Verabreichung des Frühstücks und von kleinen Imbissen und zum Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Flaschenbier sowie von gebrannten geistigen Getränken als Beigabe zu diesen Getränken an ihre Gäste berechtigt.

(4) Gastgewerbetreibende, die zur Ausübung einer Konzession mit der Berechtigung gemäß Abs. 1 Z. 3 berechtigt sind, sind auch zum Ausschank von nichtalkoholischen kalten Getränken berechtigt.

(5) Gastgewerbetreibende, die zur Ausübung einer Konzession mit der Berechtigung gemäß Abs. 1 Z. 4 berechtigt sind, sind auch zum Ausschank von gebrannten geistigen Getränken als Beigabe zu nichtalkoholischen Getränken berechtigt.“

2.       Gewerbeordnung 1994:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194/1994 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 94/2017, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„1. Reglementierte Gewerbe

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

[…]

3. Bäcker (Handwerk)

[…]

26. Gastgewerbe

[…]“

„Gastgewerbe

§ 111. (1) Einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§ 94 Z 26) bedarf es für

1.   die Beherbergung von Gästen;

2.   die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Ausschank von Getränken.

[…]

(3) Unter Verabreichung und unter Ausschank ist jede Vorkehrung oder Tätigkeit zu verstehen, die darauf abgestellt ist, dass die Speisen oder Getränke an Ort und Stelle genossen werden.

[…]“

„Rechte einzelner reglementierter Gewerbe

§ 150. (1) Bäcker (§ 94 Z 3) sind auch berechtigt, Konditorbackwaren sowie Mehlspeisen
(zB Torten) herzustellen. Sie sind weiters berechtigt, in den dem Verkauf gewidmeten Räumen ihre Erzeugnisse ? auch garniert als Imbisse ? einschließlich der im ersten Satz genannten Produkte zu verabreichen und nichtalkoholische Getränke und Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen auszuschenken. Bei Ausübung der Verabreichungs- und Ausschankrechte muss der Charakter des Betriebes als Erzeugungsbetrieb gewahrt bleiben.

[…]“

3.       Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I Nr 12/2020 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 23/2020, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§ 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.

„Betreten von bestimmten Orten

§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung und der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1.   vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

[…]“

„Strafbestimmungen

§ 3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu Euro 3.600 zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu Euro 30.000 zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu Euro 3.600 zu bestrafen.

[…]“

4.       Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020, lauten wie folgt:

„§ 1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.

§ 2. § 1 gilt nicht für folgende Bereiche:

[…]

2.   Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerlichen Direktvermarktern

[…]

§ 3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

[…]

(6) Die Abholung vorbestellter Speisen ist zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und sichergestellt ist, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird.“

5.         Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 45 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 33/2013, lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.“

6.         Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Erkenntnisse

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…].“

„Kosten

§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

[…].

(8) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

[…].“

V.       Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 03.06.2020 zugestellt. Die gegen das Straferkenntnis vom 28.05.2020, Zl ***, erhobene Beschwerde ist am 26.06.2020 und folglich innerhalb der Beschwerdefrist und damit fristgerecht bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt.

2.       In der Sache:

2.1.    Zum „Günstigkeitsprinzip“:

§ 1 Abs 2 VStG sieht vor, dass sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dieses in der zitierten Bestimmung normierte „Günstigkeitsprinzip“ gilt allerdings nicht für „Zeitgesetze“. Dabei handelt es sich um Gesetze, die von Vornherein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten haben und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderte Unwerturteil des Normgebers basiert (vgl dazu etwa generell VwGH 22.07.2019, Ra 2019/02/0107).

Die VO BGBl II Nr 96/2020 ist gemäß § 13 Abs 2 Z 1 der COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020, mit Ablauf des 30.04.2020 außer Kraft getreten, da sich die Gesamtsituation betreffend die Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus im Bundesgebiet zu diesem Zeitpunkt wiederum deutlich verbessert hat. Der Ablauf der VO BGBl II Nr 96/2020 ist somit eindeutig auf eine Änderung der für die Anordnung (ua Betretungsverbot für Betriebsstätten des Gastgewerbes) relevanten Sachlage zurückzuführen und nicht auf eine nachträgliche andere Beurteilung der Gefährlichkeit des Virus. Im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt ? 11.04.2020 ? vorgeworfene Verhalten ist das Außerkrafttreten der VO BGBl II Nr 96/2020 mit Ablauf des 30.04.2020 unbeachtlich.

2.2.    Zur Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der BB GmbH. Für die von der BB GmbH ausgeübten Gewerbe ? Bäckerei und Gastgewerbe im näher beschriebenen Umfang ? ist der Beschwerdeführer zudem gewerberechtlicher Geschäftsführer.

Ergeht ein Strafbescheid gegen einen Beschuldigten infolge seiner Stellung gemäß § 9 VStG, so hat der Spruch diesen Umstand entsprechend zum Ausdruck zu bringen. Dabei ist anzugeben, ob die Bestrafung des Beschuldigten als statutarisches Vertretungsorgan im Sinn des (iSd) § 9 Abs 1 VStG oder als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs 2 VStG erfolgt [Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 9 Rz 32 mit weiteren Nachweisen (Stand 1.5.2017, rdb.at); Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 44a Rz 4 mit weiteren Nachweisen (Stand 1.5.2017, rdb.at)]. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber die bloße Bezeichnung des Beschuldigten als „Verantwortlicher“ unzureichend und entspricht nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG (so VwGH 25.02.1993, 92/18/0440; VwGH 19.05.1994, 94/17/0007; VwGH 25.02.2005, 2004/02/0368; VwGH 08.09.2011, 2011/03/0130).

Juristische Personen haben bei Ausübung eines Gewerbes einen gewerberechtlichen Geschäftsführer zu bestellen, der gegenüber der Behörde für die Einhaltung der „gewerberechtlichen Vorschriften“ ? nur für diese ? verantwortlich ist. Der Inhalt dieser „gewerberechtlichen Vorschriften“ bestimmt sich nach herrschender Meinung in den Grenzen des Kompetenztatbestandes des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG („Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“). Die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers schließt in deren sachlichen Anwendungsbereich die Verantwortlichkeit der statutarischen Vertretungsorgane im Sinn des § 9 VStG aus.

Die Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers besteht jedenfalls für die Einhaltung der Bestimmungen der GewO 1994 selbst, der sogenannten gewerberechtlichen Nebengesetze, aber auch für sachverwandte ? zum Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1
Z 8 ressortierende ? Regelungen.

Bei der auf § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten VO BGBl II Nr 96/2020 in der jeweiligen Fassung handelt es sich um keine gewerberechtliche Vorschrift. Die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daher aus seiner Funktion als statutarisches Vertretungsorgan der BB GmbH im Sinn des § 9 Abs 1 VStG. Unabhängig davon ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer für beide, von der BB GmbH ausgeübten Gewerbe als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungiert.

Die Bezirkshauptmannschaft Y hat im angefochtenen Straferkenntnis den Beschwerdeführer als Verantwortlichen (handelsrechtlichen Geschäftsführer) der „BB GmbH“ angeführt und ihn damit als nach außen vertretungsbefugtes Organ qualifiziert. Dies ergibt sich auch aus der Zitierung des § 9 Abs 1 VStG iVm mit den sonstigen verletzten Rechtsvorschriften. Zu einer näheren Spezifikation war die Bezirkshauptmannschaft Y (insbesondere aufgrund des Ausdrucks „handelsrechtlicher Geschäftsführer“) nicht verpflichtet.

2.3.    Abgrenzung Bäckerei- und Gastgewerbebetrieb:

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 150 Abs 1 GewO 1994 sind Bäcker auch berechtigt, in den „dem Verkauf gewidmeten Räumen“ ihre Erzeugnisse ? auch garniert als Imbisse ? einschließlich der im ersten Satz genannten Produkte zu verabreichen und nichtalkoholische Getränke und Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen auszuschenken. Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten bezieht sich auf den Bereich vor den Geschäftsräumlichkeiten. Es handelt sich dabei um den im Bescheid vom 14.06.2004,
Zl ***, erwähnten Gastgarten. Dieser Bereich ist daher eindeutig dem Cafébetrieb und nicht der Bäckerei zuzuordnen. Der Ausnahmetatbestand des § 2 Z 2 VO BGBl II
Nr 96/2020 ist daher nicht anzuwenden.

2.4.    Zur vorgeworfenen Verwaltungsübertretung:

Die Bezirkshauptmannschaft Y hat dem Beschwerdeführer als handelsrechtlichem Geschäftsführer der BB GmbH zur Last gelegt, dass am 11.04.2020 gegen 11.25 Uhr auf der Terrasse des/der „Café/Bäckerei CC“ Stühle und Tische für Kunden zur Konsumation vor Ort aufgestellt gewesen seien und an zumindest einen Kunden Kaffee ausgeschenkt worden sei. Dadurch habe er näher bezeichnete Bestimmungen der VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II
Nr 151/2020 verletzt. Insbesondere sei nach § 3 Abs 6 VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II
Nr 151/2020 ausschließlich die Ausgabe und Abholung vorbestellter Speisen zulässig gewesen, sofern diese nicht vor Ort konsumiert würden und sichergestellt sei, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens 1 m eingehalten werde.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hält dazu Folgendes fest:

Der Beschwerdeführer hat ? wie er selbst einräumt ? die vor der Betriebsstätte am Platz LL aufgestellten beiden Tische und Stühle mit Beginn des „Lockdown“ nicht wegräumen lassen. Dieser Umstand alleine rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass der Beschwerdeführer nicht dafür Sorge getragen hat, dass der an der Betriebsstätte am Platz LL, Y, neben dem Bäckereibetrieb angesiedelte Cafébetrieb nicht betreten wird. Auf der vor der Betriebsstätte aufgestellten Tafel wird auf die Schließung des Cafébetriebes ausdrücklich hingewiesen. Innerhalb der Betriebsstätte war jener Bereich, der dem Cafébetrieb dient, abgetrennt und durften die weiteren Tische im Verkaufsraum nicht benutzt werden. Zudem liegen keine Hinweise vor, dass auf den beiden Tischen vor der Betriebsstätte eine Bedienung von Kundinnen und Kunden stattgefunden hat. Kaffee wurde vielmehr ? im Einklang mit § 3 Abs 6 VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020 ? ausschließlich auf telefonische Vorbestellung abgegeben. Auch der auf einem der Fotos abgebildete Rollstuhlfahrer GG hat am 11.04.2020 seinen telefonisch vorbestellten Kaffee abgeholt und lediglich nach dem Verlassen der Betriebsstätte seinen Kaffeebecher an einem der Tische abgestellt.

Der Beschwerdeführer hat daher die Tische und Stühle vor der Betriebsstätte am Platz LL, Y, nicht aufgestellt lassen, um Kunden und Kundinnen eine Konsumation zu ermöglichen. Insbesondere hat eine Bedienung von Kundinnen und Kunden vor der Betriebsstätte nicht stattgefunden.

Der Beschwerdeführer hatte somit gemäß der VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020 seinen Cafébetrieb geschlossen. Den telefonisch vorbestellten Kaffee abzuholen war auch im verfahrensrelevanten Zeitraum gemäß § 3 Abs 6 VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020 erlaubt.

Der Beschwerdeführer hat somit die ihm im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht begangen.

3.       Ergebnis

Der Beschwerdeführer hatte entsprechend dem COVID-19-Maßnahmengesetz iVm der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020 auch am 11.04.2020 seinen Cafébetrieb geschlossen. Die Betriebstätigkeit am 11.04.2020 erfolgte ausschließlich im Rahmen des Bäckereibetriebes und war gemäß § 3 Z 2 der VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020, zulässig. Das Abholen von telefonisch vorbestellten Kaffeegetränken war durch § 3 Abs 6 der VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020 gedeckt.

Der Beschwerdeführer hat somit die ihm im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm den relevanten Bestimmungen der VO BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 130/2020 nicht begangen. Seiner Beschwerde war daher Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis samt Kostenspruch zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG sind für das gegenständliche Beschwerdeverfahren keine Kosten vorzuschreiben.

Dem gegenständlichen Erkenntnis liegt eine umfangreiche Beweiswürdigung zugrunde. Aus diesem Grund hat das Landesverwaltungsgericht Tirol von der sofortigen Verkündung des Erkenntnisses direkt nach der Verhandlung Abstand genommen (vgl VwGH 02.10.2020, Ra 2020/02/0182). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auf die mündliche Verkündung der Entscheidung verzichtet.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die rechtliche Beurteilung stützt sich auf den klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes und der VO BGBl II Nr 96/2020. Da die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, auch wenn zu den anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl VwGH 30.08.2019,
Ra 2019/17/0035). Dementsprechend erklärt das Landesverwaltungsgericht Tirol in Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses die ordentliche Revision für nicht zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Günstigkeitsprinzip;
statutarisches Vertretungsorgan;
handelsrechtlicher Geschäftsführer;
gewerberechtlicher Geschäftsführer;
Bäckereibetrieb;
Gastgewerbebetrieb;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.37.1440.6

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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