TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/24 97/12/0182

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Veröffentlicht am 24.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dr. H in W, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in Salzburg, Fürstenallee 17/3, gegen den Bescheid des Bundeskanzlers vom 2. April 1997, Zl. 107.147/4-I/2/97, betreffend Zurückweisung eines Antrages im Zusammenhang mit der Vollanrechnung eines Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des damit vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von Folgendem aus:

Der Beschwerdeführer steht als Beamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine letzte Dienststelle vor Antritt eines dreijährigen Karenzurlaubes war das Bundeskanzleramt.

Mit Schreiben vom 29. April 1996 beantragte der Beschwerdeführer bei seiner Dienstbehörde die Gewährung eines Karenzurlaubes gemäß § 75 BDG 1979 für die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Vertretung der Europäischen Kommission und die Nachsicht der mit diesem Karenzurlaub verbundenen Folgen im Sinne des § 75 Abs. 2 BDG 1979.

Nach Gewährung dieses Karenzurlaubes mit Bescheid vom 15. Mai 1996 wurde nach Zustimmung des Bundesministers für Finanzen mit Bescheid vom 19. Juli 1996 ebenfalls antragsgemäß ausgesprochen, daß die Zeit dieses Karenzurlaubes des Beschwerdeführers für Rechte, die von der Dauer seines Dienstverhältnisses abhängen, zu berücksichtigen sind. Unter "Sonstiges" wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß er aber für den gesamten Zeitraum gemäß § 22 GG 1956 Pensionsbeiträge zu entrichten habe.

Mit Schreiben vom 26. November 1996 teilte der Beschwerdeführer unter Bezug auf den Bescheid vom 19. Juli 1996 mit, daß er für den gesamten Zeitraum seiner Karenzierung darauf verzichte, daß ihm die Zeit seines Karenzurlaubes für die Bemessung des Ruhegenusses angerechnet werde und er daher von der Entrichtung des Pensionsbeitrages absehe.

Über diesen Antrag entschied die belangte Behörde wie folgt:

"Gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, wird Ihr Verzicht vom 26. November 1996 auf Anrechnung des Ihnen für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis zum Ablauf des 31. Mai 1999 gewährten Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 1 und Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, für die Bemessung des Ruhegenusses wegen entschiedener Sache zurückgewiesen."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des bereits dargestellten Verfahrensablaufes im wesentlichen weiter ausgeführt, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 26. November 1996 sei dahingehend zu interpretieren, daß der Beschwerdeführer gemäß § 68 AVG eine Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides, nämlich die Nichtanrechenbarkeit der Karenzurlaubszeit für die Bemessung des Ruhegenusses, begehre. Eine Aufhebung dieses Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG sei aber im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil dem Beschwerdeführer durch den rechtskräftigen Bescheid Rechte (Pensionsanrechenbarkeit der Zeit des Karenzurlaubes) erwachsen seien, die durch eine Behebung wegfallen würden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer nunmehr nicht mehr an der Ruhegenußfähigkeit seiner Karenzurlaubszeit interessiert sei. Es handle sich daher nicht um eine bloße Verstärkung eines dem Dienstnehmer erwachsenen Rechtes (nach geltender Auslegung würde auch das eine Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG rechtfertigen), sondern um die ersatzlose Vernichtung eines - wenn auch vom Beschwerdeführer jetzt nicht mehr gewollten - Rechtes. § 68 Abs. 2 AVG sei aber auch dann nicht anwendbar, wenn die begünstigte Partei bereit sei, auf die aus dem rechtskräftigen Bescheid erwachsenen Rechte zu verzichten. Die Rechtskraft eines Bescheides unterliege grundsätzlich nicht der Parteiendisposition und es verstoße daher auch ein nach § 68 Abs. 2 AVG ergangener Bescheid dann gegen das Gesetz, wenn eine Partei, welche aus dem seinerzeitigen, in Rechtskraft erwachsenen Bescheid Rechte erworben habe, mit dessen Beseitigung einverstanden sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 9892/A).

Sei ein Bescheid unanfechtbar und unwiderrufbar geworden, so entfalte er die Wirkung, daß die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden könne. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Behörde in Anbetracht der entschiedenen Sache nicht berechtigt, neuerlich zu entscheiden. Ergehe in derselben Sache, die unanfechtbar und unwiderrufbar entschieden worden sei, trotzdem eine neue Entscheidung, so sei diese inhaltlich rechtswidrig und verletze das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter. Von der Entscheidung der Dienstbehörde sei der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 11. März 1997 nachweislich in Kenntnis gesetzt worden. In diesem Zusammenhang sei ihm die Möglichkeit gegeben worden, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Da innerhalb der gesetzten Frist bei der Dienstbehörde keine Stellungnahme eingelangt sei, gelte der dargestellte Sachverhalt als unbestritten; es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid ist unbestritten davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer auf die von ihm ursprünglich beantragte Nachsicht von den Folgen seines Karenzurlaubes hinsichtlich der von der Dauer seines Dienstverhältnisses abhängigen Rechte, die ihm gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 mit rechtskräftigem Bescheid eingeräumt worden ist, verzichten will, weil er für diese Zeiten nach § 22 GG 1956 einen monatlichen Pensionsbeitrag zu entrichten hat. Diese Rechtsfolge ist mit dem im Beschwerdefall erfolgten bescheidmäßigen Abspruch vom 19. Juli 1996 - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 kraft der Regelung des § 22 GG 1956 verbunden.

Wenn der Beschwerdeführer meint, sein Antrag vom 26. November 1996 wäre als Verzicht zu werten gewesen und es liege somit ein neuer Sachverhalt vor, so ist dem zu entgegnen, daß auf Grund der detaillierten Regelungen über die Folgen von Karenzurlauben (vgl. insb. § 75 BDG 1979) bei der gegebenen Sachlage eine freie Disposition des Beamten in dieser Frage ausgeschlossen ist. Die belangte Behörde ist daher zu Recht nach § 68 AVG vorgegangen. Voraussetzung für das vom Beschwerdeführer Angestrebte ist - wie die belangte Behörde zu Recht erkannt hat - damit die Abänderung oder Behebung eines rechtskräftigen Bescheides. Die belangte Behörde hat unter Angabe der Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1979, VwSlg. Nr. 9892/A - nur Rechtssatz) dargelegt, daß § 68 Abs. 2 AVG auch dann nicht anwendbar ist, wenn die begünstigte Partei bereit ist, auf die aus einem rechtskräftigen Bescheid erwachsenen Rechte zu verzichten. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Weiters besteht gemäß § 68 Abs. 7 AVG kein Recht auf die Ausübung des der Behörde zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes.

Ein anderer Aufhebungsgrund für den rechtskräftigen Bescheid als nach § 68 Abs. 2 AVG wird weder vom Beschwerdeführer geltend gemacht noch gibt es für das Vorliegen eines solchen anderen Grundes irgendwelche Anzeichen.

Der Beschwerdeführer meint vielmehr, es läge nicht dieselbe Sache vor; sein Schreiben vom 26. November 1996 enthalte ein vom Antrag vom 29. April 1996 unterschiedliches Begehren. Er habe nämlich einen neuen Antrag dahingehend gestellt, daß "die an sich gegebenen gesetzlichen Folgen eines Karenzurlaubes" nur beschränkt (- also nicht hinsichtlich der Ruhegenußfähigkeit -) eintreten sollten, was zumindest ab dem Einlangen des neuen Antrages wohl rechtlich zulässig sein müsse.

Diese Auffassung teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Wenn die belangte Behörde gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 entsprechend dem seinerzeitigen Antrag des Beschwerdeführers rechtskräftig ausgesprochen hat, daß die gemäß Abs. 2 der genannten gesetzlichen Bestimmung mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen für den bestimmten Zeitraum des gesamten Karenzurlaubes nicht eintreten, so steht auch einem neuerlichen sachlich oder zeitlich eingeschränkten Begehren die Rechtskraft der seinerzeitigen für den gesamten Zeitraum mangels einer relevanten Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage wirksamen Entscheidung entgegen.

Da bereits auf Grund des Beschwerdevorbringens erkennbar war, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren und ohne weitere Kosten für den Beschwerdeführer gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 35 VwGG abzuweisen.

Schlagworte

Zulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der Befugnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997120182.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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