TE Vfgh Erkenntnis 1995/11/27 B2681/94

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Veröffentlicht am 27.11.1995
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK Art6 Abs3 litd
EMRK Art7
DSt 1990 §16
StGB §31
StGB §40

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Mitwirkung an bedenklichen Geldtransaktionen von Devisenausländern

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Jänner 1987, Z D 100/85 u. a., wurde er für schuldig erkannt, in der Zeit von Oktober 1984 bis Februar 1985 an bedenklichen Geschäften mitgewirkt zu haben, bei denen größere Beträge in US $ unter Inkaufnahme deren deliktischer oder ungeklärter Herkunft von Devisenausländern in österreichische Schilling und auf anonyme Sparbücher ohne Festhalten bzw. unter Verschleierung des Namens, der Devisenausländereigenschaft und der Anschrift des Erlegers getauscht und erlegt bzw. temporär im Safe des Beschwerdeführers verwahrt wurden; der Beschwerdeführer habe dadurch den Tatbestand der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes und der Verletzung seiner Berufspflichten erfüllt.

1.2. Gegen diesen Bescheid, in dem auch über andere Disziplinarverfehlungen des Beschwerdeführers abgesprochen wurde, erhoben der Beschwerdeführer und der Kammeranwalt Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK).

1.3. Mit Erkennntis der OBDK vom 5. Oktober 1987, Z Bkd 74/87-11, wurde das angefochtene Erkenntnis in dem die Z D 100/85 betreffenden Punkt aufgehoben. Die OBDK begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Disziplinarrat kein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durchgeführt habe, da er sich im wesentlichen mit der Verlesung einer Aussage der einzigen Belastungszeugin begnügt habe, von deren Verstrickungen in diesen Fall man sich bloß nach der Aktenlage kein rechtes Bild machen könne.

1.4. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 31. März 1989, Z D 100/85 u.a., wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, im Oktober 1984 in Wien an Transaktionen von von ihm beratener Dritter mitgewirkt zu haben, bei welchen nach Abhebung von US $ ca. 10 Millionen in Dollarnoten von Fremdwährungskonten diese in von ihm hiezu angemieteten Banksafes mehrere Tage deponiert blieben, um danach sukzessive in Österreichische Schilling bei anderen Banken bzw. Bankfilialen gewechselt zu werden, wonach diese Schillingbeträge auf anonymen Sparbüchern und dergleichen angelegt wurden; dies obwohl er wegen der Höhe des transferierten Vermögens und der Besonderheiten der Vorgänge hiebei ernsthafte Bedenken gegen die Lauterkeit der Absicht dieser dritten Personen hegen und Bedenken wegen des Anscheins seiner Mitwirkung an unredlichen Handlungen der vorerwähnten Dritten haben mußte. Der Beschwerdeführer wurde wegen des Disziplinarvergehens der Verletzung der Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu einer Disziplinarstrafe der Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft auf die Dauer von einem Monat und zum Ersatz der anteiligen Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

1.5. Gegen dieses Erkenntnis wurde sowohl vom Beschwerdeführer als auch vom Kammeranwalt Berufung an die OBDK erhoben.

Mit Erkenntnis der OBDK vom 28. Jänner 1991 wurde beiden Berufungen nicht Folge gegeben und dem Beschwerdeführer auch die Tragung der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

1.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher mit näherer Begründung die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, namentlich im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Einhaltung der durch Art6 und 7 EMRK gewährleisteten Rechte, geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.7. Die OBDK als belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde nicht Folge zu geben.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Der Beschwerdeführer bringt gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor. Auch im Verfassungsgerichtshof sind solche aus der Sicht dieses Beschwerdefalles nicht entstanden.

Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.2. Zu den behaupteten Vollzugsfehlern:

2.2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein faires, dem Grundsatz nullum crimen nulla poena sine lege entsprechendes Verfahren verletzt.

2.2.2. Er bringt hiezu zunächst vor, daß die von ihm beantragten und zur Klärung der Situation unbedingt notwendigen Zeugen nicht gehört worden seien.

Nach Art6 Abs3 litd EMRK hat jeder Angeklagte das Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken.

Eine Verletzung dieses Konventionsrechtes liegt jedoch nicht vor:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid in ausführlicher Weise sorgfältig dargelegt, warum von einer neuerlichen Ladung der Zeugen P W, G W, Dr. G B und E S abgesehen werden konnte. Der Verfassungsgerichtshof vermag der Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die neuerliche Ladung der genannten Zeugen nicht wesentlich für ein faires Verfahren im Sinne des Art6 EMRK war, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegenzutreten. Diese Vorgangsweise der Behörde kann nach Auffassung des Gerichtshofes auch nicht als willkürliches Verhalten qualifiziert werden.

2.2.3. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, in seinem Recht auf die Einhaltung des Grundsatzes "nullum crimen nulla poena sine lege" verletzt zu sein.

Ein solcher Fall liegt jedoch schon voraussetzungsgemäß nicht vor. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift darauf, daß bereits während des Geltungszeitraumes des Disziplinarstatuts 1872 die §§31, 40 StGB bzw. deren Vorgängerbestimmung - §265 StPO - für die Strafbemessung herangezogen wurden (vgl. zB OBDK vom 17.6.1968, Z Bkd 52/67, abgedruckt im AnwBl 1970, 229). Einer solchen Rechtsauffassung kann jedenfalls nicht angelastet werden, gegen den vom Beschwerdeführer genannten Grundsatz zu verstoßen oder die Rechtslage ansonsten in Willkür indizierender Weise verkannt zu haben. Daß ein gesetzloses Vorgehen vorliege, behauptet selbst der Beschwerdeführer nicht. Mit dem Vorwurf, es sei eine höhere Strafe verhängt worden, als im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung verhängt werden hätte können, wird somit in Wahrheit nur eine unrichtige Anwendung des Gesetzes geltend gemacht, zu deren Prüfung der Verfassungsgerichtshof nicht zuständig ist.

2.2.4. Der Beschwerdeführer macht schließlich geltend, daß im Erkenntnis der belangten Behörde ein entsprechend konkretisierter Vorwurf der Verletzung von Berufspflichten bzw. des Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes fehle. Davon kann angesichts des Erkenntnisses, in dem mit sorgfältiger Begründung festgehalten wurde, daß ein Rechtsanwalt nur solche Aufträge übernehmen darf, die nicht geeignet sind, Ehre und Ansehen des Standes zu beeinträchtigen, schon vom Ansatz her nicht die Rede sein.

2.2.5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2.2.6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen (siehe zB VfSlg. 13419/1993 und 13606/1993).

2.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, fair trial

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B2681.1994

Dokumentnummer

JFT_10048873_94B02681_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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