TE Vwgh Erkenntnis 1964/2/20 0493/63

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.1964
beobachten
merken

Index

Zollrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
35/04 Zolltarifgesetz Präferenzzollgesetz
39/04 Zollabkommen

Norm

B-VG Art9
NomenklaturKonv Zolltarifschema 1960 Art3 litb
NomenklaturKonv Zolltarifschema 1960 Art4
ZTG 1958 Anm1 lito Abschn16
ZTG 1958 Zolltarif ATV
ZTG 1958 §1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Kadecka, Dr. Klecatsky und Dr. Skorjanec als Richter, im Beisein des Schriftführers, Regierungskommissärs Öhler, über die Beschwerde der A Gesellschaft.m.b.H. in W, gegen den Zolltarifbescheid Nr. 1922/N des Bundesministeriums für Finanzen vom 18. Dezember 1962, Zl. 113.643-13/62, betreffend Tarifierung von „A - elektrische vollautomatisch betriebene Kegeleinrichtung - Dienstleistungsautomatik“, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Tarifbescheid stellte die belangte Behörde auf Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 1 des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129, fest, daß die als „A -elektrisch vollautomatisch betriebene Kegeleinrichtung - Dienstleistungsautomat“ bezeichnete Ware von der nachstehend beschriebenen Beschaffenheit, die nach den Angaben der Beschwerdeführerin in den USA hergestellt werde, als „anderer Teil“ bzw. “anderes Zubehör“ zu einem Gesellschaftsspiel nach der Tarifnummer 97.04 D 2 des Zolltarifs, BGBl. Nr. 74/1958, zum allgemeinen Zollsatz von 20 v. H. des Wertes zu verzollen sei. Der jeweils in Betracht kommende Zollsatz werde nur insoweit angewendet, als nicht ein autonom vorübergehend ermäßigter Zollsatz, der auf Antrag bei der Abfertigung gewährt werde, eine niedrigere Zollbelastung ergeben würde. Zur Begründung wurde angeführt, die tarifierte Ware bestehe nach den Angaben der Beschwerdeführerin aus folgenden, eine technische Einheit bildenden Teilen:

a) dem beweglichen Abräumer, der zugleich als Sperre beim Aufsetzen der Kegel diene,

b) dem Kugelfang (Lederkissen) mit Kontaktschalter,

c) der horizontal wirkenden Fördervorrichtung mit losem Förderband,

d) dem Kugelelevator,

e) der vertikal arbeitenden Kegelfördervorrichtung,

f) dem Verteiler mit Stopper,

g) der eigentlichen Setzvorrichtung mit 10 Kegelschuhen,

h) der 2 mit elektrischen Beleuchtungskörpern ausgerüsteten Anzeigevorrichtungen,

i) der elektrischen und elektronischen Ausrüstung und

k) zwei in die Maschine eingebauten, als Antriebsmaschinen dienenden Elektromotoren.

Mit dieser Anlage werde eine Art Kegelspiel, das als Tenpin Bowling oder kurz Bowling bezeichnet werde, betrieben, wobei die vollautomatische Arbeitsweise der Anlage folgendermaßen ablaufe:

Nachdem die zehn erforderlichen Kegel in Dreiecksform mit der Spitze zum Spieler mit Hilfe der Setzvorrichtung aufgestellt worden seien, werde diese, wie auch der Abräumer, hochgezogen. Nach dem ersten Wurf löse die Kegelkugel durch den Aufprall auf den Kugelfang den Kontaktschalter aus. Während die Kugel in den Kugelelevator rolle und von diesem in die Rücklaufrinne emporgehoben werde, senke sich der Abräumer, gleite nach hinten und schiebe dabei sämtliche Kegel auf das horizontale Förderband, das sie der Kegelfördervorrichtung zuführe. Diese hebe die Kegel zum Verteiler empor, der sie in die leeren Kegelschuhe der Setzvorrichtung gleiten lasse. Diese Vorrichtung stelle sodann die nach dem ersten Wurf stehengebliebene, vom Abräumer aber beseitigten Kegel genau auf die gleiche Stelle wieder auf. Auf einer Anzeigevorrichtung werde in Leuchtziffern das Ergebnis des Wurfes angezeigt. Sobald die Kegel wieder aufgesetzt seien, würden Setzvorrichtung und Abräumer nach oben in ihre Ausgangsstellungen zurückgleiten. Von einem Schaltpult aus könne dieser Aufstellrhythmus erforderlichenfalls auch geändert werden.

Die getroffene Entscheidung gehe von der Feststellung aus, daß die tarifierte Ware mit Rücksicht auf das Fehlen von Kegeln, Kugeln und der eigentlichen Kegelbahn weder ein komplettes Kegelspiel der Tarifnummer 97.04 C noch ein unvollständiges Kegelspiel darstelle, das gemäß Tarifanmerkung 4 zum Kapital 97 gleichfalls in die Tarifnummer 97.04 C einzureihen wäre; sie gründe sich ferner auf die Überlegung, daß die Ware ausschließlich für ein Kegelspiel bestimmt sei und daher im Sinne der Tarifanmerkung 5 zum Kapitel 97 in dieses Kapitel falle, wobei es unmaßgeblich sei, ob sie als Teil eines „automatischen Kegelspiels“ oder als Zubehör zu einem „Kegelspiel“ angesehen werde. Einer Einreihung in Kapitel 84 stehe auch die Tarifanmerkung 1 lit. o zum Abschnitt XVI des Zolltarifs entgegen Weiter sei erwogen worden, daß das Bowling-Kegelspiel, besonders dann, wenn es mit einer automatischen Einrichtung versehen sei, einem breiten Publikum zur Verfügung stehe und von diesem vorwiegend als Gesellschaftsspiel, und zwar nicht als Freiluftspiel, betrieben werde. Daß dieses Spiel auch sportmäßig ausgeübt werde, stehe einer Einreihung in Tarifnummer 97.04 nicht entgegen, weil im Wortlaut dieser Nummer auch Tischtennis namentlich genannt sei, das zweifellos wettbewerbsmäßig als Sport betrieben werden könne. Von der Tarifnummer 97.06, die vorwiegend Geräte für im Freien betriebene Spiele und Sportarten umfasse, seien die Waren der Tarifnummer 97.04 ausdrücklich ausgenommen. Auch das Nomenklaturkomitee des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens habe eine gleichartige Ware in Tarifnummer 97.04 eingereiht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe zu Unrecht die tarifierte Ware der Tarifnummer 97.04 D 2 des Zolltarifs unterstellt. Die Ware falle vielmehr unter die Waren des Kapitels 84 des Zolltarifs.

Das Kapitel 84 des Zolltarifs ist ein Kapitel des Abschnittes XVI des Zolltarifs. Nach der Tarifanmerkung 1 lit. o (BGBl. 1958, Seite 830) zum Abschnitt XVI, die nach § 1 Abs. 2 des Zolltarifgesetzes 1958 und Z. 1 der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften (BGBl. 1958, Seite 636) einen Bestandteil des Zolltarifgesetzes 1958 bildet, sind von dem Abschnitt XVI („Maschinen und Apparate, elektrotechnische Waren“) ausgenommen: „Maschinen, die den Charakter von Spielzeug, Spielen oder Sportgeräten haben (Kap. 97).“ Die belangte Behörde stellt in ihrer Gegenschrift ausdrücklich außer Streit, daß die tarifierte Ware nach ihrer Beschaffenheit und Funktionsweise eine Maschine ist. Sie vermeint indes nach ihrer Gegenschrift, daß die Tarifanmerkung 1 lit. o zum Abschnitt XVI von diesem Abschnitt „alle Maschinen, die den Charakter von Waren des Kapitels 97 aufweisen“ ausnehme. Mit dieser Auffassung setzt sich aber die belangte Behörde mit dem Wortlaut der eben zitierten Tarifanmerkung 1 lit. o zum Abschnitt XVI in Widerspruch, weil danach nicht alle „Maschinen, die den Charakter von Waren des Kapitels 97 aufweisen“, sondern eben nur „Maschinen, die den Charakter von Spielzeug, Spielen oder Sportgeräten haben“ und die daher unter das Kapitel 97 fallen, vom Abschnitt XVI ausgenommen sind. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides nahm die belangte Behörde selbst nicht an, daß die tarifierte Ware den Charakter von „Spielzeug, Spielen oder Sportgeräten“ habe. Wie bereits erwähnt, äußerte sie vielmehr in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich, daß die tarifierte Ware weder ein komplettes noch ein unvollständiges Kegelspiel sei. Demgemäß kam sie auch zu dem Ergebnis, daß die tarifierte Ware nur als „Teil bzw. Zubehör“ eines (Gesellschafts-) Spieles anzusprechen sei. Maschinen, die nur den Charakter eines Teiles oder Zubehörs von Spielen haben, sind aber nach der Tarifanmerkung 1 lit. o zum Abschnitt XVI von den Waren dieses Abschnittes nicht ausgenommen. Der angefochtene Bescheid leidet also infolge irriger Auslegung der Tarifanmerkung 1 lit. o zum Abschnitt XVI des Zolltarifs an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Daran vermag auch die in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellte Tatsache nichts zu ändern, daß das Nomenklaturkomitee des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens eine gleichartige Ware der Tarifnummer 97.04 unterstellt hat. Die belangte Behörde anerkennt in ihrer Gegenschrift ausdrücklich den selbstverständlichen Umstand, daß eine solche Entscheidung des bezeichneten Nomenklaturkomitees nicht als österreichische Rechtsnorm zu betrachten ist. Auch kann der im Erkenntnis vom 28. Februar 1962, Zl. 535/58, im Hinblick auf Art. 9 B-VG. geäußerte Auslegungsgrundsatz, daß innerstaatliche Rechtsnormen so ausgelegt werden müssen, daß sie mit den zwischenstaatlichen Verpflichtungen Österreichs nicht in Widerspruch geraten, hier schon deshalb nicht angewendet werden, weil der Verwaltungsgerichtshof diesen Grundsatz der völkerrechtskonformen Gesetzesauslegung ausdrücklich nur für jene Gesetzesbestimmungen als maßgebend erklärte, deren Wortlaut eine solche Auslegung nicht verbietet.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei auch darauf aufmerksam gemacht, daß sich der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 31. Oktober 1963, Zl. 56/63, vom 7. November 1963, Zl. 75/63, und vom 28. November 1963, Zl. 346/63, mit der zollrechtlichen Tarifierung von automatischen Kegelspielen zu befassen hatte. In den durch diese Erkenntnisse entschiedenen Beschwerdefällen handelte es sich aber - anders als im vorliegenden Beschwerdefall - zumindest um „unvollständige oder nicht fertige“ Gesellschaftsspiele (Tarifanmerkung 4 zum Kapitel 97 des Zolltarifs) und jedenfalls nicht nur um „Maschinen“; ganz abgesehen davon, daß der Verwaltungsgerichtshof sich in den bezeichneten Erkenntnissen mit der vorliegendenfalls maßgebenden Rechtsfrage überhaupt nicht zu befassen hatte, weil die Beschwerdeführer die Einreihung der Ware unter die Waren des Kapitels 94 des Zolltarifs nicht bestritten hatten (§ 41 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1952).

Der angefochtene Bescheid war daher schon wegen des festgestellten Rechtsirrtums der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, 20. Februar 1964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1964:1963000493.X00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten