TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/4 W248 2205132-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.08.2020
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Entscheidungsdatum

04.08.2020

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §13 Abs8
AVG §73 Abs1
AVG §74 Abs1
BStG 1971 §4 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art6 Abs1
Forstgesetz 1975 §17
Forstgesetz 1975 §18
IG-L §20 Abs1
IG-L §20 Abs2
IG-L §20 Abs3
UVP-G 2000 §1 Abs1
UVP-G 2000 §12
UVP-G 2000 §19 Abs1
UVP-G 2000 §19 Abs10
UVP-G 2000 §19 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs5
UVP-G 2000 §19 Abs6
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §2
UVP-G 2000 §23a
UVP-G 2000 §24 Abs1
UVP-G 2000 §24 Abs3
UVP-G 2000 §24 Abs4
UVP-G 2000 §24f Abs1
UVP-G 2000 §24f Abs1a
UVP-G 2000 §24f Abs2
UVP-G 2000 §24f Abs3
UVP-G 2000 §24f Abs5
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §46
UVP-G 2000 §6 Abs1
UVP-G 2000 §6 Abs2
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
WRG 1959 §10
WRG 1959 §102
WRG 1959 §103
WRG 1959 §104a
WRG 1959 §105
WRG 1959 §11
WRG 1959 §112
WRG 1959 §12
WRG 1959 §12a
WRG 1959 §13
WRG 1959 §21
WRG 1959 §30
WRG 1959 §32
WRG 1959 §38

Spruch

W248 2205132-1/163E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Matthias W. NEUBAUER und die Richterin Dr. Gabriele FISCHER-SZILAGYI als Beisitzerin sowie den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Beisitzer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 25.11.2019 bis 28.11.2019

A.       über die Beschwerden

1.       des XXXX (bP1),

2.       der XXXX (bP2),

3.       der XXXX (bP3),

4.       des XXXX (bP4),

5.       der XXXX (bP5),

6.       des XXXX (bP6),

7.       der XXXX (bP7),

8.       des XXXX (bP8),

9.       des XXXX (bP9),

10.      des XXXX (bP10),

11.      des XXXX (bP11),

12.      der XXXX (bP12, Sprecher: bP6),

13.      der XXXX (bP13, Sprecher: bP21),

14.      der XXXX (bP14, Sprecher: XXXX ),

15.      des XXXX (bP15),

16.      der XXXX (bP16),

17.      der XXXX (bP17),

18.      des XXXX (bP18),

19.      der XXXX (bP19),

20.      des XXXX (bP20),

21.      des XXXX (bP21),

22.      der XXXX (bP22),

23.      des XXXX (bP23),

24.      der XXXX (bP24),

25.      des XXXX (bP25),

26.      der XXXX (bP26),

27.      des XXXX (bP27),

28.      der XXXX (bP28),

29.      des XXXX (bP29),

30.      der XXXX (bP30)

31.      des XXXX (bP31)

32.      des XXXX (bP32),

die bP1 bis bP32 vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG

33.      der XXXX (bP33),

34.      der XXXX (bP34),

die bP33 und die bP34 vertreten durch die bP32, diese vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG

35.      des XXXX (bP35)

36.      der XXXX (bP36, Vertreter: XXXX )

37.      der XXXX (bP37, Sprecherin: XXXX )

gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie als UVP-Behörde vom 06.07.2018, GZ BMVIT-311.401/0013-IV/IVVS-ALG/2018, betreffend die Genehmigung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), Bestimmung des Straßenverlaufes gemäß Bundesstraßengesetz 1971 sowie Bewilligungen nach dem Forstgesetz 1975 und dem Wasserrechtsgesetz 1959 für das Vorhaben „S1 Wiener Außenring Schnellstraße, Abschnitt Knoten XXXX - Am Heidjöchl (Spange Seestadt Aspern)“ sowie

B.       über den Antrag

der XXXX (bP13) auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur Rechtsvertretung und zur Einholung von Gegengutachten

A)

I. beschlossen:

I.1. Der Antrag der XXXX (bP13) auf Gewährung von Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass

II.1. folgende Nebenbestimmungen geändert werden und zu lauten haben wie folgt:

Maßnahme (2.14) lautet:

„(2.14) Sollten Beschwerden wegen übermäßiger Lärmimmissionen einlangen, sind von der Sonderbauaufsicht, Fachbereich Lärm, geeignete Maßnahmen einzuleiten. Zum Beweis der Einhaltung der Grenzwerte sind in diesen Fällen anlassbezogene Messungen des Lärms gemäß der ÖNORM S 5004 „Messung von Schallimmissionen“ zu organisieren. Immissionen sind dabei, sofern gemäß § 11 Abs. 2 BStLärmIV zutreffend, mit einem Anpassungswert zu versehen. Unter Berücksichtigung der Einwirkzeit und Bezugszeiten sind die Baulärmindizes gemäß § 3 Abs. 2 BStLärmIV zu bilden und den Grenzwerten gegenüber § 10 Abs. 4 BStLärmIV gegenüberzustellen. Sollten sich dabei Überschreitungen ergeben, sind unverzüglich Maßnahmen zur Reduzierung unter die Grenzwerte zu setzen (beispielsweise Wahl der Standorte und Orientierung von Baustelleneinrichtungsflächen; Abschirmung von Baustelleneinrichtungsflächen mit Lärmschutzwänden oder temporären Erdwällen; Wahl von Transportwegen innerhalb der Bauflächen, Linienführung von Baupisten und Baustraßen; Alternativen zum Rammen und Schlagen: Bohren statt Rammen, Einpressen von Spundwänden, Bohrpfahlwände, Dämpfende Maßnahmen beim Rammen [Lärmschutzturm]; Einsatz von vorgefertigten Elementen; Verwendung von Fließbeton; Optimierung der Massenbilanz; Wahl des Standortes von lärmintensiven stationären Maschinen und Geräten innerhalb der Baubetriebsflächen; Auswahl von geeigneten, lärmarmen Maschinen und Geräten; Einschränkungen der Bauzeiten).“

Maßnahme (2.16) lautet:

„(2.16) Innerhalb des zweiten und fünften Jahres nach der Verkehrsfreigabe auf der S1 Spange Seestadt sowie alle weiteren fünf Jahre bis 20 Jahre nach Betriebsfreigabe sind in folgenden Abschnitten schalltechnische Überprüfungen der Emissionen vorzunehmen:

km 4+123 – km 3+166

km 2+304 – km 2+712

km 0+500 – km 2+000

Die Schallmessungen sind mit einem dem Stand der Technik entsprechenden Messverfahren durchzuführen. Damit ist nachzuweisen, dass die durch Messung bestimmten Emissionsschallpegel, für die jeweilige auf den Straßenabschnitten höchstzulässige Geschwindigkeit, die nach RVS 04.02.11 (2. Abänderung vom 31. März 2009) berechneten Werte nicht übersteigen. Bei Übersteigen ist eine detaillierte Übersicht zum Langzeitverhalten der konkret aufgebrachten Fahrbahndecke vorzulegen, um nachzuweisen, dass das logarithmische Mittel der Emissionen über die Fahrbahnlebensdauer kleiner oder gleich den Emissionsangaben der RVS 04.02.11 ist.“

Maßnahme (4.25) lautet:

„Bei baubedingten Überschreitungen eines PM10-Wertes von 300 ?g/m³ als gleitender 3-Stundenmittelwert sind durch die Umweltbaubegleitung unverzüglich über die angeordneten Maßnahmen hinaus weitere emissionsreduzierende Maßnahmen anzuordnen. Deren Umsetzung ist durch die Sonderbauaufsicht Luft zu überwachen. Bei weiterhin steigenden Konzentrationen sind die Maßnahmen von der Sonderbauaufsicht in diesem Bereich zu verschärfen oder es sind jene Baumaßnahmen, die die Überschreitung verursachen, einzustellen. Diese zusätzlichen Maßnahmen sind so lange aufrechtzuerhalten, bis die baubedingten Zusatzbelastungen wieder deutlich unter 300 ?g/m³ PM10 im 3-Stundenmittel abgesunken sind.

Zusätzlich ist der Tagesmittelwert zu erheben. Überschreiten die Tagesmittelwerte 100 ?g/m3 PM10, sind die Tagesmittelwerte benachbarter Stationen zu überprüfen. Kann die Baustelle als Quelle der hohen PM10 – Emissionen identifiziert werden, sind auf der Baustelle zusätzliche staubmindernde Maßnahmen zu ergreifen oder es sind jene Baumaßnahmen, die die Überschreitung verursachen, einzustellen.“

Maßnahme (6b.23) lautet:

„Die wasserrechtliche Bauaufsicht hat bei der Feststellung von Umständen, die eine Gefährdung des Schutzgutes Wasser durch Abfälle erwarten lassen, alle erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen, zu koordinieren und zu dokumentieren. Sollte ein Parameter zeigen, dass eine Gefährdung des Schutzgutes Wasser zu erwarten wäre, dann hat die WR-Bauaufsicht Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Parameter zu konkretisieren und nach Vorliegen der analytischen Teilergebnisse entsprechende Gegenmaßnahmen zur Sicherstellung eines gesetzeskonformen Parameters einzuleiten.“

II.2. folgende Auflagen neu in die Genehmigung aufgenommen werden:

Nach der Maßnahme (9.3) wird folgende Maßnahme eingefügt:

„(9.3a) Vor der endgültigen Festlegung der Standorte der Gewässerschutzanlagen ist durch die PW zu prüfen, ob die ggst. Standorte von Altlasten, Altstandorten oder Verdachtsflächen berührt werden. Dazu ist neben den Unterlagen des Umweltbundesamtes auch der Altlastenkataster der Stadt Wien heranzuziehen.“

Nach der Maßnahme (12.23) wird folgende Maßnahme eingefügt:

„A.IV.12a. Tiere und deren Lebensräume

(12a.1) Am Teichkomplex südwestlich XXXX ist ein Monitoring des Vorkommens der Zwergdommel mittels Revierkartierung bis mindestens 3 Jahre nach dem Zeitpunkt der Vollinbetriebnahme der Spange S1 vorzunehmen. Die im Projekt vorgesehenen Maßnahmen sind zu treffen. Darüber ist der Naturschutzbehörde jährlich Bericht zu legen.“

III. Im Übrigen werden die Beschwerden abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1        Verfahrensgang:

1.1      Behördliches und verwaltungsgerichtliches Verfahren:

1.1.1   Vorverfahren:

Mit Schreiben vom 12.07.2002 stellte die XXXX vertreten durch die XXXX , den Antrag auf Durchführung eines UVP-rechtlichen Vorverfahrens für das Bundesstraßenbauvorhaben „S1 Wiener Außenring Schnellstraße, Abschnitt Knoten XXXX - Am Heidjöchl (Spange Seestadt Aspern)“, legte die Grundzüge des Vorhabens dar und ein UVE-Konzept vor. Im Vorverfahren wurden nach Befassung der mitwirkenden Behörden und auch Dritter diverse Mängel des Vorhabens aufgezeigt und diese mit Schreiben vom 15.03.2013 der XXXX mitgeteilt.

1.1.2   Antrag der XXXX vom 01.10.2014:

Mit Schreiben vom 01.10.2014 stellte die XXXX im Vollmachtsnamen der XXXX (im Folgenden: Erstkonsenswerberin) beim Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT; nunmehr Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie [BMK]) den Antrag auf Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß UVP-G 2000 sowie auf Erlassung eines teilkonzentrierten Genehmigungsbescheides gemäß § 24 Abs. 1 UVP-G 2000 insbesondere i.V.m. § 24f Abs. 1 UVP-G 2000, § 4 Abs. 1 BStG 1971, § 17 ForstG 1975, § 94 Abs. 1 und 2 Luftfahrtgesetz 1957 und den anwendbaren Regelungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (insbesondere §§ 10, 32 und 38 WRG) für das Vorhaben „Neubau des Bundesstraßenabschnittes S1 Wiener Außenring Schnellstraße Knoten bei XXXX – Wien/ XXXX (am Heidjöchl, Höhe Johann Kutschera-Gasse) - Spange Seestadt Aspern km 0,0+00.000 – 4,4+95.990".

In den Einreichunterlagen wurde das Vorhaben beschrieben. Die Kriterien für die Festlegung des Untersuchungsrahmens wurden dargelegt, und eine raum- und umweltspezifische Beurteilung des Vorhabens wurde vorgenommen, wobei die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt nach Schutzgütern sowie die beabsichtigten Maßnahmen gegen nachteilige Auswirkungen beschrieben wurden. Die Erstkonsenswerberin legte eine allgemein verständliche Zusammenfassung (Einreichunterlagen, Einlage 1-1.1 „UVE – Allgemein verständliche Zusammenfassung“) vor.

1.1.3   Behördenverfahren und angefochtener Bescheid:

Von der Behörde wurde aufgrund des eingebrachten Antrags das Ermittlungsverfahren durchgeführt.

Zur fachlichen Beurteilung des Vorhabens wurden Sachverständige aus den aus Sicht der Behörde für die Beurteilung des Vorhabens relevanten Fachbereichen beigezogen. Außerdem wurde ein UVP-Koordinator bestellt.

Nach Befassung der Sachverständigen mit dem Genehmigungsantrag und den Projektunterlagen erteilte der BMVIT der Projektwerberin mit Schreiben vom 24.02.2015 einen Verbesserungsauftrag. Die in diesem Verbesserungsauftrag nachgeforderten Unterlagen wurden nach einer Fristverlängerung mit Schreiben vom 04.05.2015 vorgelegt. Ein weiterer Verbesserungsauftrag erfolgte am 28.10.2015, dem mit Schreiben vom 15.04.2016 entsprochen wurde. Mit diesem Schreiben legte die Erstkonsenswerberin ergänzende Projektunterlagen betreffend eine Adaptierung des Entwässerungssystems (insbesondere Ableitung der Winterwässer im Bereich des Knoten XXXX ) vor. Gleichzeitig wurden auch modifizierte Unterlagen betreffend die Verkehrsuntersuchung und darauf aufbauend betreffend die Fachbereiche Lärm, Luft und Erschütterungen vorgelegt. Die Pläne, Klarstellungen und Berichte betreffend die angrenzenden Projekte im Bereich der Anschlussstellen Seestadt Ost und Seestadt West wurden präzisiert.

Mit Schreiben vom 22.04.2016 erweiterte die Erstkonsenswerberin, vertreten durch die XXXX , im Auftrag der Stadt Wien ihren Antrag um weitere Vorhabensteile bei der Anschlussstelle Telephonweg (S1- km 1,9 + 48,000). Hinsichtlich dieser Vorhabensteile vertritt die Erstkonsenswerberin im Verfahren die Stadt Wien. Die Stadt Wien ist damit hinsichtlich dieser Vorhabensteile (Verlegung der XXXX zur Anbindung an die Anschlussstelle Telephonweg, Verlegung des nördlichen Astes des Telephonweges inklusive Radweg zur Anbindung an die Anschlussstelle Telephonweg, Verlegung des südlichen Astes des Telephonweges inklusive Radweg zur Anbindung an die Anschlussstelle Telephonweg, Verlegung der Röbbelinggasse zur Anbindung an den Telephonweg Süd) als Zweitkonsenswerberin dem Verfahren beigetreten.

Mit Schreiben vom 08.07.2016 legte die Erstkonsenswerberin das Einreichprojekt 2014 in aktualisierter Form mit Stand Juni 2016 vor.

Nach Befassung der Sachverständigen wurde die Erfüllung des zweiten Verbesserungsauftrages vom 28.10.2015 und damit die Vollständigkeit des Einreichprojektes bestätigt.

Am 14.07.2016 erfolgte die Kundmachung der öffentlichen Auflage des Genehmigungsantrages, weiterer Anträge sowie der gesamten für die Genehmigung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen einschließlich des Einreichprojekts. Die öffentliche Auflage fand vom 25.07.2016 bis 19.09.2016 statt.

Während der Auflagefrist wurden u.a. von Einzelpersonen, von einer Umweltorganisation (bP36) und von insgesamt 4 Bürgerinitiativen (bP12; bP13; bP14; bP37) und einer Personengruppe ( XXXX ) Stellungnahmen eingebracht. Da die Personengruppe XXXX sich nicht ordnungsgemäß als Bürgerinitiative konstituiert hatte, wurden ihre Einwendungen mit Bescheid vom 28.03.2017 als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2017 abgewiesen.

Mit den ordnungsgemäß eingebrachten Stellungnahmen und Einwendungen sowie mit der Stellungnahme der Personengruppe XXXX wurden die Sachverständigen befasst, die sich damit in den Stellungnahmenbänden und im Umweltverträglichkeitsgutachten auseinandergesetzt haben.

Mit Schreiben vom 13.04.2017 wurde der Erstkonsenswerberin ein weiterer Verbesserungsauftrag betreffend den Fachbereich Lärm erteilt. Entsprechende Unterlagen wurden von der Erstkonsenswerberin mit Schreiben vom 01.06.2017 vorgelegt.

Antragserweiterungen gemäß WRG 1959 erfolgten mit Eingaben vom 27.02.2017 und vom 01.06.2017.

Die belangte Behörde räumte der Erstkonsenswerberin mit Schreiben vom 20.02.2017 die Möglichkeit ein, die Grünbrücke Seestadt Ost zu modifizieren (zu verbreitern), da die in den Einreichunterlagen vorgesehene Breite nicht dem Stand der Technik entspreche und die rechtliche Möglichkeit zur Erteilung eines diesbezüglichen Verbesserungsauftrages nicht bestehe. Die Erstkonsenswerberin machte von der Möglichkeit, das Projekt in diesem Punkt zu modifizieren, vorerst keinen Gebrauch und legte mit Schreiben vom 09.03.2017 Unterlagen betreffend die Auswirkungen auf die betroffenen Fachbereiche vor. Mit Schreiben vom 01.06.2017 wurden überarbeitete Unterlagen zur Verbreiterung der Grünbrücke vorgelegt.

Am 10.10.2017 wurde die öffentliche Auflage des Umweltverträglichkeitsgutachtens und weiterer Unterlagen durch Edikt kundgemacht. Während der Auflagefrist langten Stellungnahmen unter anderem der bP36, des XXXX , des XXXX und der XXXX ein.

Am 23., 24., 27. bis 29.11. sowie am 12.12.2017 wurde vom BMVIT eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher die bis dahin vorliegenden Ermittlungsergebnisse erörtert wurden.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 06.07.2018, GZ BMVIT-311.401/0013-IV/IVVS-ALG/2018, genehmigte der BMVIT die Errichtung und den Betrieb des gegenständlichen Vorhabens nach Maßgabe der mit Bescheidvermerk versehenen Projektunterlagen sowie unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen gemäß UVP-G 2000 und materienrechtlichen Bestimmungen. Es erfolgte zudem die Bestimmung des Straßenverlaufs gemäß Bundesstraßengesetz 1971. Im Bescheid wurden auch die Rodungsbewilligung entsprechend dem Forstgesetz 1975 und die Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 erteilt.

1.1.4   Beschwerden

Gegen den angefochtenen Bescheid des BMVIT (im Folgenden: belangte Behörde) wurden Beschwerden der im Spruch angeführten beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden: bP) eingebracht:

1.1.4.1 „Musterbeschwerden“ mit Ergänzungen

Von der bP1, der bP2, der bP3, der bP4, der bP5, der bP6 (bP12), der bP7, der bP8, der bP9, der bP10, der bP11, der bP15, der bP16, der bP17, der bP18, der bP19, der bP20, der bP21, der bP22, der bP23, der bP24, der bP25, der bP26, der bP27, der bP28, der bP29, der bP30, der bP31, der bP32 und der bP35, die weitgehend gleichlautende Beschwerden erhoben, wurde Folgendes vorgebracht:

?        Das Projekt enthalte lediglich Planfälle bei (gemeinsamer) Verwirklichung der Vorhaben "Spange Seestadt Aspern", "Stadtstraße Aspern" und "S1 Lobau", nicht jedoch Planfälle, bei denen ein oder zwei der anderen Projekte wegfallen würde. Da im angefochtenen Bescheid keine Junktimierung mit den anderen genannten Vorhaben erfolgt sei, habe die belangte Behörde eine „Pauschalbewilligung“ erteilt und Umweltauswirkungen bewilligt, die im Behördenverfahren nicht geprüft worden seien.

?        Das Projekt „Spange Seestadt Aspern“ unterliege gemeinsam mit dem Vorhaben "Stadtstraße Aspern" funktionell der europäischen Fernverkehrsstrecke "TEN 25" (Prioritiy-Motorway axis Gdansk-Brno/Bratislava-Wien), weil es im Falle eines Unfalls oder Stauereignisses auf dieser Fernverkehrsstrecke eine Entlastungsfunktion wahrnehme. Aufgrund dieses Umstandes sei eine weit über die Genehmigungssituation des UVP-Verfahrens hinausgehende Betroffenheit der subjektiven Rechte der Nachbarn gegeben.

?        Im Behördenverfahren seien keine ausreichenden Angaben gemacht worden, mit welchen konkreten Lärmbelästigungen die einzelnen Nachbarn zu rechnen hätten. Insbesondere zur Nachtzeit und in der Erholungszeit seien unzumutbare Belastungen zu erwarten, die langfristig zu gesundheitlichen Schäden führen würden. Auch Wechselwirkungen von Lärm mit Luftschadstoffemissionen seien nicht ausreichend bewertet und humanmedizinisch dargestellt worden.

?        Der Freiraumschutz sei weder von der Erstkonsenswerberin noch von der Behörde hinreichend berücksichtigt worden und habe man es auch unterlassen, die Bestandslärmsituation mit Messungen zu ermitteln. Es werde der Antrag gestellt, die entsprechenden Ermittlungen, insb. für das betroffene Grundstück der jeweiligen bP, nachzuholen. In diesem Zusammenhang wird auch gerügt, dass die Behörde ihrer Manuduktionspflicht nur unzureichend nachgekommen sei. Außerdem habe die belangte Behörde die Unsicherheit bei der Ermittlung von Lärmimmissionen sowie der als Grundlage dafür heranzuziehenden Ermittlung der Verkehrsbelastung nicht ausreichend berücksichtigt.

?        Die bei der Beurteilung von Luftschadstoffimmissionen herangezogenen Emissionskarten würden die persönliche Betroffenheit der jeweiligen bP nicht ausreichend darstellen. Außerdem sei auch keine Bewertung der höchstgefährlichen Ultra-Feinstaub-Partikel PM1,0 und PM0,1 erfolgt, obwohl sich das Wohngebiet der jeweiligen bP im "Feinstaub-Sanierungsgebiet nach IG-L" befinde. Da die humanmedizinische Beurteilung sohin auf mangelhaften Daten basiere, seien gesundheitliche Risiken nicht abschätzbar. Auf die nicht ausreichend berücksichtigte Unsicherheit bei der Ermittlung von Luftschadstoff-immissionen, sowie der als Grundlage dafür heranzuziehenden Verkehrsbelastung werde hingewiesen.

?        Moniert werde zudem die unzureichende Bewertung der Wohlfahrtsfunktion des Waldes sowie die fehlende Vorsorge, dass mit dem Schutzgebiet "Wienerwald Nordost" eine Waldfläche entstehe, die die zukünftige Wohlfahrtsfunktion des Waldes vollumfänglich für die jeweilige bP als Bewohner leisten könne. Insbesondere die Erhaltung des Kleinklimas in Zeiten des Klimawandels und die Schadstoffminimierung entsprechend den Bestimmungen des Forstgesetzes im Zusammenhang mit dem IG-L seien nicht ausreichend beachtet worden.

?        Es sei zu befürchten, dass es während der Bauphase zu einer Ausbreitung von Giftstoffen aus vorhandenen Altstandorten über den Bodenaushub bzw. über das Grundwasser kommen werde. Diesbezüglich würden sich die vorliegenden Projektunterlagen durch eine außerordentliche Brisanz auszeichnen.

?        Es werde während der Bauphase zur Gefährdung von Menschen kommen, weil anzunehmen sei, dass die vorhandenen und nachgewiesenen Giftstoffe aus dem Erdreich freigesetzt und durch den Wind während der mehrjährigen Bauphase verfrachtet würden.

?        Im Rahmen der humanmedizinischen Beurteilung hätten keine Besuche vor Ort stattgefunden, wodurch keine seriöse Bewertung der Auswirkungen betreffend die jeweiligen bP festgestellt hätten werden können.

Von der bP6 wurde in eigener Sache, für die bP7, die bP8 und die bP9 sowie für die bP12 zudem vorgebracht:

?        Die Einhaltung der existierenden Grenzwerte hinsichtlich Ozon, insb. Feinstaub PM10 und PM2,5 gelte als nicht gesichert, weil bisherige Maßnahmen im Bereich des motorisierten Individualverkehrs nicht zielführend gewesen seien. Anhand des Dieselskandals habe sich gezeigt, dass bisherige NOx-Emissionen falsch berechnet worden seien und diese aufgrund mangelhafter Kontrollinstrumente weiterhin großen Unsicherheitsfaktoren unterliegen würden.

?        Aufgrund laufender Grenzwertüberschreitungen im Projektgebiet bei Ozon und sehr hohen Werten bei Stickstoffdioxid im Sommer, aber auch massiven Grenzwertüberschreitungen im Winter, würden Umweltmediziner befürchten, dass nachhaltige Gesundheitsschäden aufgrund ihrer kumulierenden Wirkung eintreten würden.

?        Das für die forstrechtliche Bewilligung der Rodungen erstellte Fachgutachten habe sich nicht in ausreichender Weise mit den Rahmenbedingungen hinsichtlich der Vermeidung von Hitzeinseln in den Wohngebieten auseinandergesetzt. Im Rahmen der Wiederaufforstungen seien nicht einmal ansatzweise der wissenschaftliche Stand und forsttechnische Maßnahmen definiert worden, um das Entstehen einer funktionierenden Waldfläche im Rahmen der Wiederaufforstung zu gewährleisten. Die Wohlfahrtsfunktion der beeinträchtigten Waldflächen müsse vollumfänglich entsprechend den Bestimmungen des Forstgesetzes zur Wirkung kommen, insbesondere die Erhaltung des Kleinklimas im Stadtgebiet sowie die Schadstoffminimierung, welche gemeinsam mit dem IG-L geregelt werde.

?        Betreffend das Schutzgut Boden wurde moniert, dass keine Ausgleichsmaßnahmen bzw. Auflagen erteilt worden seien, um die durch das Projekt eintretende Bodenversiegelung auszugleichen.

?        Betreffend Altlasten und das Schutzgut Grundwasser wurde ausgeführt, dass keine sorgfältige analytische Bewertung der Altstandorte „ XXXX “ und „ XXXX “ stattgefunden habe.

?        Das vorliegende Klima- und Energiekonzept sehe keine ausreichenden Klimaschutzmaßnahmen vor; so werde etwa nicht auf die Möglichkeit der Verlagerung des Verkehrs auf das im Verlauf der S1-Trasse bestehende Bahnnetz und die Anschlussbahn der XXXX Bedacht genommen. Weiters habe es die Erstkonsenswerberin unterlassen, in ihren Konzepten die „Außerbetriebssetzung“ des Autobahnprojekts darzustellen und die damit entstehenden Energieaufwände einzurechnen.

?        Aufgrund fehlender Klimaschutzmaßnahmen im Projekt würden zudem auch zukünftige Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP-G 2000 resultieren; so seien hinsichtlich der Schutzgüter Fauna, Flora, Funga die Wechselwirkungen von Kleinstlebewesen, Bodenorganismen und Bodenpilzen (arbuskuläre Mykorrhiza-Pilze) iVm der vorhandenen und durch das Projekt zerstörten Flora hinsichtlich deren Auswirkungen auf das Kleinklima, wie auch die Freisetzung von klimaschädlichen Gasen (durch Fällen von Bäumen, Entfernen von Pflanzenbewuchs und Bodenpilzen) nicht betrachtet worden. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand sei „der Einfachheit halber ignoriert“ worden.

?        Durch das Edikt vom 10.10.2017 seien möglicherweise betroffene Personen getäuscht und damit um die Möglichkeit gebracht worden, eine Stellungnahme im Verfahren abzugeben. In der Beschwerde wurde daher der bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem BMVIT gestellte Antrag auf nochmalige Auflage näher bezeichneter Projektunterlagen aufgrund behaupteter Mangelhaftigkeit des Edikts vom 10.10.2017 erneuert.

Die bP1 (diese auch für die bP2, die bP3, die bP4 und die bP5) wies darauf hin, dass das Projekt unvollständig eingereicht worden sei, da es aufgrund taktischer Überlegungen zu einer Einreichung ohne die Anschlussstelle „Aspern-Seestadt-Ost“ gekommen sei. Er stellte daher den Antrag, das Bundesstraßenvorhaben „S1 Spange Seestadt Aspern“ möge in seiner Gesamtheit (inkl. der Anschlussstelle „Aspern-Seestadt-Ost“) und von einer Behörde abgehandelt oder das (von der Wiener Landesregierung genehmigte) Projekt „Stadtstraße Aspern“ und „S1 Spange Seestadt Aspern“ als ein einheitliches Projekt behandelt werden.

Die bP10 und die bP11 brachten in ihren Beschwerden über die „Musterbeschwerde“ hinausgehend vor, dass die Häuser der Siedlung XXXX / XXXX / XXXX / XXXX / XXXX / XXXX sich auf einem zu früh bebauten Schüttgrund einer ehemaligen Schottergrube befinden würden und nahezu alle dieser Häuser Risse und Sprünge – verursacht durch nachträgliche Senkungen und Erdbewegungen – aufweisen würden. Da noch immer Senkungen stattfinden würden, würden zusätzliche Erschütterungen möglicherweise große Risiken für die Häuser und auch für die Bewohner der Siedlung darstellen.

Die bP35 wandte zusätzlich zur „Musterbeschwerde“ ein, dass es durch das Vorhaben u.a. zu verstärkter Pendlertätigkeit, massiven Zersiedlungen und Abwanderungen von Unternehmen sowie Arbeitskräften kommen würde und weiters wertvoller landwirtschaftlicher Boden in XXXX und XXXX verbaut würde. Die Spange werde noch mehr Verkehr anziehen und einen Korridor für eine zukünftige Transitroute eröffnen. Zudem würden gute Schnellstraßenverbindungen zu einem massiven Anstieg der Einbruchskriminalität führen.

Am Ende der Beschwerde der bP21, die sich ebenfalls der „Musterbeschwerde“ bediente, erteilte XXXX der bP21 die Vollmacht, ihre minderjährigen Kinder XXXX und XXXX in der Angelegenheit „Spange S1 Seestadt“ in allen Belangen zu vertreten. Eine Beschwerde wurde weder für XXXX noch für ihre minderjährigen Kinder XXXX und XXXX eingebracht.

1.1.4.2 Gemeinsame Beschwerde der bP12, der bP13 und der bP14:

In der von der bP12, der bP13 und der bP14, alle vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG, erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht:

Die Vorhabensplittung in das gegenständliche Projekt „Spange Seestadt Aspern“ und die „Stadtstraße Aspern“ würde den unionsrechtlichen Vorgaben der UVP-Richtlinie widersprechen. Die belangte Behörde habe dazu im angefochtenen Bescheid lediglich ausgeführt, dass sich dies aus kompetenzrechtlichen Gründen ergebe. Diese Begründung sei jedoch unzulässig, da die innerstaatlichen Bestimmungen, auf welche sich die belangte Behörde stütze, im Widerspruch zum Europarecht stünden und daher aufgrund des Anwendungsvorranges des Europarechtes nicht angewendet werden dürften. Außerdem habe die belangte Behörde diese Argumentation nicht einmal im zugrunde liegenden Behördenverfahren durchgehalten, da sie sehr wohl auch die Genehmigung für eine Landesstraße (dies betreffe den Bereich bei der Anschlussstelle Telephonweg) mit erteilt habe.

Die Genehmigung des mitten im laufenden Verfahren (am 20.04.2016) von der Stadt Wien beantragten Vorhabens sei unzulässig. Den Parteien sei nicht die Möglichkeit gegeben worden, ihre Rechte zu wahren. Wesentliche Verfahrensschritte der Öffentlichkeitsbeteiligung seien nicht wiederholt worden, obwohl dies rechtlich notwendig gewesen wäre. Zudem habe die belangte Behörde „offensichtlich die Frage der zulässigen Änderung eines Antrags mit der Frage der nicht zulässigen Hinzunahme eines gänzlich neuen Antragstellers verwechselt“.

Es seien unzulässige Antragserweiterungen erfolgt, ohne dass hiervon neu Betroffenen Parteienrechte eingeräumt worden seien. Es sei daher den Parteien nicht möglich gewesen, im Sinne eines fair trials beurteilen zu können, was nun tatsächlich (gerade) Verfahrensgegenstand sei. Das sich darauf beziehende Edikt vom 10.10.2017 sei aufgrund seines unklaren Wortlauts mangelhaft und habe (potenzielle neue) Parteien hinsichtlich ihrer Rechte und deren Wahrnehmung in die Irre geführt.

Die tatsächlichen Verkehrszahlen seien im Projekt – mangels Junktimierung mit der „Stadtstraße Aspern“, mangels richtiger Berücksichtigung der Verkehrserzeugung des Projekts „Hausfeldsiedlung“ sowie aufgrund nicht hinreichend aktueller bzw. nachvollziehbarer Einreichunterlagen infolge des langen Verfahrens und der Projektänderungen – nicht bzw. unrichtig dargestellt.

1.1.4.3 Beschwerden der bP36 und der bP37:

In den praktisch wortidenten, von der bP36 und der bP37 erhobenen Beschwerden wurden als formale/rechtliche Gründe eingewandt:

Das Edikt vom 10.10.2017 sei aufgrund irreführender Formulierung betreffend die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen und Erhebung von Einwendungen mangelhaft gewesen. Dieser Mangel sei nicht heilbar, da er die Konstituierung von Parteirechten verunmöglicht habe.

Das Projekt enthalte lediglich Planfälle bei (gemeinsamer) Verwirklichung der Vorhaben "Spange Seestadt Aspern", "Stadtstraße Aspern" und "S1 Lobau", nicht jedoch Planfälle, bei denen die "Stadtstraße Aspern" wegfallen würde und daher die „S1-Spange Seestadt“ allein errichtet werde. Durch die Art der erteilten Bewilligung könne es daher zu Umsetzungsschritten kommen, die nicht Gegenstand des UVP-Verfahrens waren.

Die Anschlussstelle „Seestadt Ost“ sei trotz vorliegendem engen räumlichen und sachlichen Zusammenhang zum verfahrensgegenständlichen Vorhaben nicht in diesem Verfahren, sondern bei der „Stadtstraße Aspern“ beantragt worden. Es sei jedoch nicht zulässig, „ein Projekt willkürlich zu filetieren und dann die Teile nach Gutdünken zuzuordnen“. Die hier gewählte Vorgangsweise, die Anschlussstelle „Seestadt Ost“ durch die Wiener Landesregierung UVP-rechtlich genehmigen zu lassen, sei nur dann zulässig, wenn die Anschlussstelle „Seestadt Ost“ für sich allein genommen UVP-pflichtig wäre; das sei jedoch nicht der Fall.

Die Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen durch die Behörde allein habe die Frist gemäß § 24b Abs. 2 UVP-G 2000 deutlich überschritten. Die Behörde hätte daher nach Ansicht der bP den Genehmigungsantrag zurückweisen müssen (Verweis auf §§ 84 f. ZPO; das darin zum Ausdruck kommende Prinzip sei aus systematischer Sicht auch in Verwaltungsverfahren anzuwenden), anstatt mehrere Verbesserungsaufträge zu erteilen. Nach der Judikatur des VwGH dienten nämlich Verbesserungsaufträge dazu, vorhandene, aber bisher nicht vorgelegte Unterlagen vorzulegen, nicht aber dazu, diese Unterlagen erst zeitraubend und nachträglich zu erstellen.

Dem Antrag vom 16.11.2017 auf Vertagung der Verhandlung sei von der Behörde nicht stattgegeben worden. Auch im angefochtenen Bescheid sei darüber nicht abgesprochen worden. Vielmehr seien die Parteien durch die teilweise parallele Führung des gegenständlichen Verfahrens mit dem Genehmigungsverfahren für das Vorhaben „Stadtstraße Aspern“ und durch den von der belangten Behörde erklärten Schluss des Ermittlungsverfahrens in ihrem Recht auf Parteiengehör und im Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden. Dies könne auch nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren saniert werden, da die Behörde durch die Möglichkeit, in der Beschwerdeinstanz noch einmal alles aus Sicht der bP Sachdienliche vorzubringen, nicht von ihrer Verpflichtung zur vollständigen Sachverhaltsermittlung entbunden werden könne. Der in der jüngeren VwGH-Judikatur zum Ausdruck kommende „Freibrief für die Behörde zu konsequenzlosen Verfahrensfehlern“ sei als hoch problematisch anzusehen.

Die Genehmigungsgrenzwerte des IG-L seien verfassungswidrig, weshalb angeregt werde, beim VfGH den Antrag auf Aufhebung der Bestimmung des § 20 IG-L zu stellen.

Entgegen § 6 Abs. 1 UVP-G 2000 sei gegenständlich eine Dokumentation von Maßnahmen zur Nachsorge in der UVE unterblieben. Dies sei deswegen problematisch, weil das gegenständliche Vorhaben – wie alle Infrastrukturprojekte – von begrenzter Lebensdauer sei. Außerdem beinhalte das gegenständliche Vorhaben als Besonderheit eine hohe Zahl an Altlasten bzw. Verdachtsflächen bzw. noch nicht erfassten Kontaminationsbereichen im Projektgebiet. Errichtungs- und Abtragungsarbeiten seien hinsichtlich ihrer Umweltbelastung nicht gleichartig oder symmetrisch, und es sei bekannt, dass „derartige Tunnelbauwerke“ zu Fehlplanungen und bautechnischen Mängeln zu tendieren scheinen. Außerdem würden Straßeninfrastrukturprojekte erfahrungsgemäß alle 20 bis 30 Jahre eine Generalsanierung erfordern, die vom Aufwand einem Neubau gleiche.

Entgegen den Ausführungen der Behörde im angefochtenen Bescheid seien die Einwendungen wegen Unvollständigkeit und Unrichtigkeit der Verhandlungsschrift rechtzeitig erfolgt und zudem von Relevanz, insb. betreffend die Aussagen des Sachverständigen für Verkehr zur verwendeten Verkehrsmodellierungssoftware. Es sei zwar subjektiv verständlich, dass die „projektwerberaffine, nicht unabhängige Behörde kein Interesse“ an weiteren Ermittlungen habe und es vorziehe, „diese wesentlichen Verhandlungsergebnisse nicht in die Verhandlungsschrift aufzunehmen“, doch beseitige dies nicht den von den bP gerügten Verfahrensmangel.

Die Entscheidungsfrist gemäß § 73 AVG von sechs Monaten sei von der Behörde nicht eingehalten worden. Dennoch habe die belangte Behörde – voreilig – Entscheidungsreife erklärt und das Ermittlungsverfahren auch auf Antrag nicht wiedereröffnet.

Der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige für Luftschadstoffe weise keine formelle Qualifikation für diesen Fachbereich auf, zumal er (nur) als Ziviltechniker für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft ausgewiesen sei.

Inhaltlich wandten die bP36 und die bP37 im Wesentlichen Folgendes ein:

Einzelne, näher bezeichnete Nebenbestimmungen des angefochtenen Bescheids bzw. die darin festgelegten Maßnahmen, insb. in den Bereichen Verkehr und Verkehrssicherheit, Lärm, Luftschadstoffe und Klima, Boden, Abfallwirtschaft und Altlasten sowie Oberflächengewässer und Grundwasser, seien nicht vollständig, nicht ausreichend und nicht hinreichend bestimmt. Auch würde ein PM1,0-Monitoring fehlen, das in einem anderen, näher bezeichneten Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht vorgeschrieben worden sei. Weiters seien bei Überschreitung der mit vereinfachten Methoden ermittelten HGW100- bzw. HHGW-Wasserstände die Bauarbeiten einzustellen, bis diese Wasserstände wieder unterschritten würden.

Trotz des Umstandes, dass sich die Ermittlung von Umweltauswirkungen in UVP-Verfahren, insb. in den Fachbereichen Verkehr, Lärm und Luftschadstoffe, im Wesentlichen auf den Einsatz von Computerprogrammen stütze, sei im gegenständlichen Verfahren kein Sachverständiger für Informatik beigezogen worden, weshalb der Behörde kein entsprechender Fachbeistand beigegeben gewesen sei. Daher sei insb. darauf Bedacht zu nehmen, dass bei der rechnerischen Ermittlung von Immissionen mithilfe dieser Programme nicht „algebraisch“, dh. genau, sondern „numerisch“ dh. durch Anwendung von Näherungsverfahren gerechnet werde. 

Betreffend den Fachbereich Verkehr wurde u.a. ausgeführt, dass die Abgrenzung des Untersuchungsraumes mit dem Hilfsmittel „Mengenänderungen +/- 20 %“, insb hinsichtlich des Fachbereichs Luft, nicht ausreichend sei. Das Verkehrsmodell umfasse einen viel größeren Bereich, weshalb die erforderliche Nachvollziehbarkeit nicht gegeben sei und werde daher die Offenlegung der Ergebnisse beantragt.

Verkehrsmodelle, welche für Prognosen eingesetzt würden, würden hinsichtlich ihrer Ergebnisse beträchtliche Unsicherheiten aufweisen. Die Berücksichtigung dieser Unsicherheiten sei bereits aufgrund des fehlenden Nachweises einer richtig rechnenden Modellierungssoftware unentbehrlich. Auch gebe es keinen Nachweis dafür, dass es sich bei dem Prognosewert um einen Erwartungswert handle. Hinsichtlich der diesbezüglichen (nach Ansicht der bP modifiziert protokollierten) Aussagen des Sachverständigen für Verkehr in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde werde auf die Stellungnahme der bP36 vom 16.01.2018 (Einwendungen gegen die Verhandlungsschrift der belangten Behörde wegen Unrichtigkeit und Unvollständigkeit) verwiesen, welche zum Beschwerdebestandteil erhoben werde. Des Weiteren hätte auch keine Reisezeitverteilung vorgelegt werden können, anhand derer man nachvollziehen hätte können, zu welchem Grad die Querschnittsbelastungen noch realistisch seien.

Im gegenständlichen Projekt sei kein adäquates Verkehrsmonitoring vorgesehen.

Beantragt wurden zudem aus Gründen der Nachvollziehbarkeit die Übermittlung der Quell-Ziel-Matrizen, der Einfüllpunkte und der dort unterstellten Verkehrsnachfragen sowie der Verkehrsuntersuchung für alle Planfälle des Einreichprojekts.

Auch betreffend den Fachbereich Lärm sei der Untersuchungszeitraum aufgrund der Nichtberücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten der Verkehrsuntersuchung nicht richtig abgegrenzt worden. Die lärmtechnische Untersuchung entspreche nicht den Anforderungen der BStLärmIV, welche im Übrigen keine Festlegungen über die Abgrenzung des Untersuchungsraumes enthalte; dieser sei daher im Einzelfall so festzulegen, dass die Anforderungen der Verordnung erfüllt würden.

Die lärmtechnische Untersuchung weise aber auch noch weitere Mängel auf, wie etwa die Verwendung zu hoher Grenzwerte, Ermittlung einer zu geringen Zahl an Immissionspunkten, unvollständige Erfassung des Gebäudestandes, unzureichende Berücksichtigung des Freiraumschutzes, mangelnde Bestimmung der Bestandslärmsituation durch Messungen; auch sei eine gesamthafte Betrachtung aller Lärmquellen sowie des zusammenhängenden Hochleistungsnetzes mit zeitlich naheliegender Errichtung vorzunehmen.

Der Antrag sei somit zur weiteren Bearbeitung an die Behörde zurückzuverweisen, in eventu werde die Bestellung eines neuen Sachverständigen für den Bereich Lärm beantragt.

Auch hinsichtlich des Bereichs Luftschadstoffe sei der Untersuchungsraum zu klein abgegrenzt worden. Zudem sei die gegenständlich angewandte Kombination von Genehmigungsgrenzwerten und Irrelevanzschwellen unzulässig, wobei konkret auch nicht die richtigen Irrelevanzschwellen angesetzt worden seien. Generell vertreten die bP die Ansicht, dass die Kombination von Genehmigungsgrenzwerten und Irrelevanzschwellen nicht zulässig sei.

Den mit der Version 3.3. angepassten Werten des HBEFA würden keine „real drive emissions“ zugrunde liegen.

Die Immissionsermittlung sei zudem aufgrund mangelnder Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten der Verkehrsuntersuchung sowie der Immissionsermittlung selbst mangelhaft; der Nachweis über die Einhaltung der von der EU-Luftqualitätsrichtlinie vorgegebenen Unsicherheitsbereiche sei unterblieben. Auch sei die im Bericht Luft und Klima herangezogene Meteorologie nicht nachvollziehbar.

Die Annahme eines fallenden Trends bei der Luftschadstoffimmissionsbelastung sei aufgrund der nicht ausreichenden Datenbasis sowie der ins Kalkül zu ziehenden zwischenzeitlichen meteorologischen Gunstlage (bei PM10 bzw. PM2,5) nicht ausreichend begründet. Die Immissionsuntersuchung zur Bauphase sei ebenfalls nicht mängelfrei.

Es werde daher der Fachbereich Luftschadstoffe zur Gänze angefochten und die Bestellung eines neuen Sachverständigen für Luftschadstoffe beantragt.

Aufgrund der beschriebenen Mängel der Luftschadstoff- bzw. Lärmimmissionsermittlungen würde sich auch die humanmedizinische Bewertung auf eine ungültige Basis gründen. Gebotene Einzelfallprüfungen seien nicht durchgeführt worden. Die mögliche Kombinationswirkung verschiedener Noxen sei nicht berücksichtigt, das Vorsorgeprinzip nicht beachtet worden. Einrichtungen, in welchen sich nicht gesunde Menschen aufhalten würden, seien gleichheitswidrig nicht beachtet worden.

Es werde daher die Beiziehung eines neuen Sachverständigen für Humanmedizin beantragt.

Die betreffend den Bereich Altlasten vorgeschriebenen Maßnahmen seien in Bezug auf den Monitoringzeitraum nicht ausreichend, um eine aufgrund der geringen Untergrunddurchlässigkeit verzögerte Freisetzung von Schadstoffen erkennen zu können.

Es werde die Vorschreibung erweiterter Erkundungen und die Erwirkung der Räumung der bekannten Deponien als Genehmigungsvoraussetzung beantragt.

Die Grünbrücke im Bereich der Anschlussstelle Seestadt Ost sei nicht so positioniert, dass eine optimale Biotopvernetzung gewährleistet sei. Im Hinblick auf die lärmsensiblen Vogelarten Zwergdommel (Ixobrychus minutus) und Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus) sei eine ex-post-Maßnahme nach Monitoring nicht ausreichend.

Es werde die Beiziehung eines neuen Sachverständigen für Naturschutz beantragt.

Dem Vorhaben sei auch ein treibhausgasemissionssteigender Effekt zuzumessen. Dies sei ua. durch die Nichtberücksichtigung der Unsicherheiten der Verkehrsuntersuchung sowie durch den unzulässigen relativen Vergleich mit dem Nullplanfall anstelle des Bestandes nicht richtig erfasst worden.

1.1.4.4 Beschwerdeanträge

Diejenigen bP, die sich der „Musterbeschwerde“ bedienten, beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid aufheben und mit einem Verbesserungsauftrag zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückverweisen. In eventu möge der angefochtene Bescheid aufgehoben und der Genehmigungsantrag abgewiesen werden. In eventu beantragten diese bP auch, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und den Genehmigungsantrag zurückzuweisen. Außerdem beantragten diese bP auch, die in den Beschwerden behaupteten Versäumnisse der belangten Behörde nachzuholen und die erforderlichen Ermittlungen insbesondere für das jeweils betroffene Grundstück der jeweiligen bP nachzuholen. Schließlich beinhaltet jede „Musterbeschwerde“ einen Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheines, damit die jeweilige bP ihre persönliche Betroffenheit aufgrund der behauptetermaßen vorliegenden schwerwiegenden Mängel und deren Auswirkungen darstellen könne.

Zusätzlich wurde von der bP1 (auch für ihre von ihr vertretenen Angehörigen) beantragt, das Bundesstraßenbauvorhaben "S1-Spange Seestadt Aspern" in seiner Gesamtheit und von einer Behörde abzuhandeln oder das Projekt „Stadtstraße Aspern“ (Aktenzahl: XXXX ) und „S1-Spange Seestadt Aspern" als ein einheitliches Projekt zu behandeln.

Die bP6 (auch für ihre Angehörigen und die bP12) beantragte zusätzlich zu den in der „Musterbeschwerde“ enthaltenen Anträgen, bestimmte näher bezeichnete Projektunterlagen noch einmal öffentlich aufzulegen, um allen möglicherweise Betroffenen die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen und zur Wahrnehmung ihrer Rechte zu geben.

Die bP12, die bP13 und die bP14 beantragten in ihrer gemeinsamen Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen und den angefochtenen Bescheid aufheben. In eventu wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid aufgrund der in der Beschwerde dargestellten Rechtswidrigkeiten aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Die bP36 und die bP37 beantragten, im Sinne der erforderlichen Nachvollziehbarkeit die Ergebnisse des Verkehrsmodells offenzulegen und die Quell-Ziel-Matrizen, die Einfüllpunkte und die dort unterstellten Verkehrsnachfragen der Verkehrsuntersuchung für alle Planfälle des Einreichprojekts zu übermitteln (zur Verfügung zu stellen). Außerdem beantragten die bP36 und die bP37 die Bestellung neuer Sachverständiger für die Fachbereiche Lärm, Luftschadstoffe und Humanmedizin sowie die Vorschreibung erweiterter Erkundungen und die Erwirkung der Räumung zumindestens der bekannten Deponien als Genehmigungsvoraussetzung. Da im nachgelagerten Naturschutzverfahren nicht gesichert sei, dass eine Überarbeitung und Begutachtung der schalltechnischen Einflüsse vorgenommen werden könne bzw. werde, wurde auch die Beiziehung eines neuen Sachverständigen für Naturschutz beantragt. Als Konsequenz ihres gesamten Beschwerdevorbringens beantragten die bP36 und die bP37, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid aufheben und die Sache samt Belehrung über erforderliche weitere Ermittlungen bzw. Verfahrensschritte zur neuerlichen Entscheidung in die 1. Instanz zurückverweisen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und den Genehmigungsantrag zurückweisen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und den Genehmigungsantrag abweisen und, sofern das Bundesverwaltungsgericht sich nicht in der Lage sehe, den Anträgen auf Zurückverweisung, Zurückweisung oder Abweisung unmittelbar stattzugeben, eine mündliche Verhandlung anberaumen.

1.1.4.5 Beschwerdevorlage, Beschwerdebeantwortungen

Der BMVIT (im Folgenden belangte Behörde) legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit Schreiben vom 05.09.2018 vor. Mit Schreiben vom 18.09.2018 übermittelte die belangte Behörde die Akten auf CD, äußerte sich mit Schreiben vom 25.10.2018 zu den einzelnen Beschwerdepunkten und legte bei dieser Gelegenheit auch eine (in anderem Zusammenhang erstellte) Stellungnahme des BMLFUW vom 05.05.2011 zum UVP-rechtlichen Vorhabensbegriff vor. Eine Beschwerdemitteilung durch die belangte Behörde erfolgte nicht.

Die Erstkonsenswerberin erstattete nach Beschwerdemitteilung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 11.09.2018 mit Schreiben vom 26.09.2018 eine Stellungnahme zu den erhobenen Beschwerden und beantragte die Zurück-, in eventu Abweisung sämtlicher Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

1.1.5   Wesentliche Schritte im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bis zur mündlichen Verhandlung:

Mit Beschluss vom 01.03.2019 wurden die Sachverständigen und die UVP-Koordinatorin bestellt.

Mit Schreiben vom 04.03.2019 legte die XXXX die Einreichunterlagen inklusive sämtlicher weiterführenden Unterlagen auf DVD vor.

Mit Schreiben vom 05.03.2019 wurde das Einreichprojekt inklusive sämtlicher zugehörigen Unterlagen auf DVD an die UVP-Koordinatorin übermittelt.

Mit Schreiben vom 06.03.2019 gaben die bP13 und die bP12 eine ergänzende Stellungnahme ab. Darin wurde wiederholt dargelegt, dass es sich bei der „Spange Seestadt Aspern“ und der „Stadtstraße Aspern“ um ein einheitliches Projekt handle, das als Schnellstraße zu klassifizieren sei und für das ein einheitliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müsse. Bei der getrennten Einreichung handle es sich um eine unzulässige „Vorhabenssplittung“.

Nach hg. Ersuchen um allfällige Stellungnahme äußerte sich die Erstkonsenswerberin mit Schreiben vom 22.03.2019 zur ergänzenden Stellungnahme der bP13 und der bP12.

Bis 29.04.2019 wurde ein Prüfbuchentwurf erstellt.

Am 12.05.2019 übermittelte die UVP-Koordinatorin die Rückmeldungen der Sachverständigen zur Vollständigkeit der Unterlagen.

Mit Schreiben vom 13.05.2019 wurde die Erstkonsenswerberin um Übermittlung ergänzender Unterlagen ersucht, die von den Sachverständigen angefordert worden waren.

Mit Schreiben vom 10.07.2019 legte die XXXX die angeforderten Unterlagen vor.

Mit Schreiben vom 14.08.2019 erstattete die bP12 (bP6) ein ergänzendes Vorbringen. Darin monierte sie zunächst, dass die im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung erstellten Gutachten in vielen Fachbereichen, v.a. im Hinblick auf die Schutzgüter „Bevölkerung und menschliche Gesundheit", „Flächenverbrauch" und „Biodiversität", nicht den Anforderungen des Europarechts, insbesondere der in Österreich „verspätet und mangelhaft“ umgesetzten Änderungsrichtlinie 2014/52/EU sowie den seit 2013 von der EU-Kommission veröffentlichten „Guidance on Integrating Climate Change and Biodiversity into Environmental Impact Assessment“ entsprechen würden, weshalb ein entsprechender Anpassungsbedarf in den Fachgutachten bestünde. Insbesondere hätte das Schutzgut Biodiversität aufgrund von Eingriffen in den gegenständlichen Schutzgebieten ( XXXX -Wald bzw. XXXX sowie XXXX ) im Zuge der Abhandlung von Artenschutzmaßnahmen und im Rahmen einer Invasionsbiologie-Analyse aufbereitet werden müssen. Betreffend den Fachbereich Luft wurde insbesondere ein für den Wirkfaktor Luftschadstoffe viel zu klein angenommener Untersuchungsraum eingewandt. Es seien auch jene Bereiche, in welchen es derzeit bei Feinstaub PM10 sowie dem Luftschadstoff NO2 regelmäßig zu Grenzwertüberschreitungen komme, einzubeziehen. Weiters werde die gegenständlich angewandte Kombination von Genehmigungsgrenzwerten und Irrelevanzschwellen für unzulässig erachtet; auch seien nicht die richtigen Irrelevanzschwellen angesetzt worden. Zu den Emissionsfaktoren wurde ausgeführt, dass den mit der Version 3.3. angepassten Werten des HBEFA keine „real drive emissions“ zugrunde liegen würden. Trotz erwiesener Gefährlichkeit von Ultra-Feinstaub-Partikeln, Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und weiterer Schwermetalle aus Kfz-Abgasen sei im gegenständlichen Verfahren keine fachlich fundierte Gefahrenabschätzung für diese Luftschadstoffe für Wohngebiete, betroffene Standortschutzwälder sowie Natura 2000-Schutzgebiete getroffen worden. Es werde daher der Antrag gestellt, eine konkrete messtechnische Erfassung entlang der Ausbreitungswege und die Darstellung von Ausbreitungskarten für ultrafeine Partikel sowie Präventivmaßnahmen wie zusätzliche Begleitgehölzstreifen und Baumreihen zur Abschirmung in Siedlungsbereichen und im Bereich von Schutzgebieten (Standortschutzwäldern nach IG-L) und für landwirtschaftlich genutzte Flächen vorzunehmen, wobei die messtechnischen Maßnahmen während Bau- und Betriebsphasen wirksam werden sollten. Betreffend den Fachbereich Klima wurde im Wesentlichen eingewandt, dass im zugehörigen Fachgutachten wesentliche Erkenntnisse der Klimawandelforschung ignoriert und auch passive Reduktionsmaßnahmen, wie Vermeidung von Rodungen oder Bodenversiegelung, nicht in Erwägung gezogen worden seien. So enthalte das Fachgutachten etwa keine Hitzekarten sowie keine Darstellung kleinklimatischer Effekte aufgrund von Waldrodungen. Es werde daher beantragt, dem Projektwerber den Auftrag zur Erstellung von Hitzekarten zu erteilen, welche den städtischen Wärmeindex für die entstehende Hitzeschneise während Bau- und Betriebsphasen darstellen, sowie den Fachgutachtern aufzutragen, Auflagenpunkte zu definieren, welche ausreichenden Wiederaufforstungsmaßnahmen und Baumersatzpflanzungen im Bereich der Hitzeschneise erfolgen müssten. Weiters werde vor dem Hintergrund, dass im geplanten Errichtungsgebiet ein Gefährdungspotential für „Wetterextreme" wie Starkwinde, Dürre, Starkregen und Hagel vorliege und eine Vernachlässigung dieser Naturkatastrophen dazu führe, dass wesentliche Vorsorgemaßnahmen, welche durch das UVP-G 2000 gefordert würden, nicht ergriffen werden könnten, der Antrag gestellt, den Sachverständigen den Auftrag zur Überprüfung ihrer Fachgutachten zu erteilen, um Naturkatastrophen in ihren Analysen hinsichtlich der Auswirkungen auf das Schutzgut „Menschliche Nutzungen und Gesundheit" iSd Wirkung von Hitzestress im Zusammenhang mit vorzeitigen Mortalitäten zu beurteilen. Betreffend den Fachbereich Wildökologie, Jagd und Wald wurden insb im Hinblick auf das Ausmaß der Rodungen durch Auflagen abgesicherte Schutzmaßnahmen während der Bau- und Betriebsphase sowie ein umfassendes Bodenschadstoff-, Niederschlags- und Luftschadstoffmonitoring (insb im Schutzgebiet SWW des XXXX -Waldes) gefordert und folgende Anträge gestellt:

?        Das Bundesverwaltungsgericht möge dem Projektwerber den Auftrag zur Ausarbeitung von konkreten Einsatzplänen auf Basis der bekannten Gefahrenkarte, insb für den gleichzeitigen Fall von Dürre und Waldbränden bei Funkenflug von der Baustelle bzw. in der späteren Betriebsphase, erteilen.

?        Das Bundesverwaltungsgericht möge dem Projektwerber den Auftrag zur Erstellung eines konkreten Luftschadstoff-Messkonzepts mit einem ausreichend dichten Messnetz entlang der Trasse erteilen, welches insbesondere die IG-L-Luftschadstoffe sowie die Ultra-Feinstaub-Partikel PM1,0 und PM0,1 umfassen solle.

?        Dem Projektwerber möge aufgetragen werden, einen Aufwuchs- und Bewässerungsplan auszuarbeiten, welcher sicherstelle, dass Jungbäume für die ersten Jahrzehnte des Aufwachsens keinen Dürreschaden erleiden und eine Überschirmung des Baumbewuchses von mehr als 3/10 nach 60 Jahren gewährleiste.

?        Zudem solle bei der Aufforstung jedenfalls der Stand der Technik und der Wissenschaft dahingehend abgebildet werden, dass technisch oder natürlich mykorrhizierte Baumarten zum Einsatz kommen, welche an Trockenstandortbedingungen angepasst seien (z.B. Baumhasel, Eichenarten, Hopfenbuche).

Zum Fachbereich Biodiversität, Naturschutz, Artenschutz und Invasionsbiologie wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen der geplanten Rodungsarbeiten, aber auch bei der Herstellung der Trasse, ganz erhebliche Wald-, Brach- und Ruderalflächen und damit auch alle auf diesen Flächen vorhandenen, ortsgebundenen, bedrohten Pilzarten zerstört würden. Durch das gegenständliche hochrangige Autobahnprojekt S1-Spange Seestadt Aspern, welches in funktionaler Verbindung mit dem Transeuropäischen Netzwerk TEN 25 stehe, würden zudem aufgrund von transkontinentalem Waren- und Personenverkehr zwangsläufig fremde, invasive Pflanzen-, Tier-, und Pilzarten sowie Mikroorganismen unabsichtlich eingeschleppt. Um der Einschleppung sowie Ausbreitung von Fremdorganismen vorzubeugen, müssten daher Sicherheitsmaßnahmen, welche auch schon außerhalb des Schutzgebietes wirksam würden, ergriffen werden. In dem Zusammenhang werde eine wesentliche Erweiterung der Auflagenpunkte betreffend Neophyten sowie deren Anordnung für die gesamte Betriebsdauer der S1-Spange und der angrenzenden Projekte gefordert. Weiters werde die Hinzuziehung von Sachverständigen beantragt, welche die bisher unberücksichtigte, drohende, nachteilige Beeinflussung der Biodiversität im Schutzgebiet XXXX -Wald sowie im XXXX durch Erhebungen von absehbaren Bedrohungsszenarien, Fachgutachten und Auflagenpunkte für Bau- und Betriebsphasen soweit ausschließen, dass unter dem Gesichtspunkt der Invasionsbiologie größtmögliche Artenschutzmaßnahmen gewährleistet sind. Darüber hinaus seien für die gesamte Betriebsphase regelmäßige Nachsorgemaßnahmen entlang der Trasse und im Bedrohungskorridor in Richtung des XXXX zu definieren und durchzuführen. Auch solle im Rahmen eines EU-rechtsgültigen Umweltverträglichkeitsverfahrens korrespondierend mit Bestimmungen der Biodiversitätskonvention und den Richtlinien der IUCN eine mykologische Erhebung, eine fachliche Bewertung sowie entsprechende Artenschutz- bzw. Ausgleichsmaßnahmen vorgeschrieben werden.

Hinsichtlich des Fachbereichs Landwirtschaft und Flächen (Flächenverbrauch) wurden folgende Anträge gestellt:

?        Das BVwG möge dem Projektwerber einen Verbesserungsauftrag für den Fachbereich Landwirtschaft (Ackerbau und Gartenbau) erteilen, welcher Auswirkungen des Klimawandels als absehbares Krisenszenario behandeln solle. Daraus resultierende Effekte im Projektgebiet mögen auf den Bereich Grundwassernutzung, Kulturführung und Schadstoffausbreitung übertragen und davon abgeleitet Ausgleichs- bzw. Präventivmaßnahmen definiert werden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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