TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/17 96/19/0623

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Veröffentlicht am 17.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
MeldeG 1991 §3;
MeldeG 1991 §4a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der 1979 geborenen SR, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. September 1995, Zl. 302.853/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. September 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführerin habe nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage den Antrag offensichtlich nicht vor der Einreise, mit der ihr derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Sie sei vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet bzw. aufhältig. Dies sei durch eine Anfrage beim Zentralmeldeamt bestätigt worden. Aus all diesen Umständen ergebe sich, daß die Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG anzuwenden und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen sei. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwögen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluß vom 28. November 1995, B 3246/95-3, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen

Bescheides am 14. September 1995 hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle

BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.

§ 6 AufG in dieser Fassung lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...."

Der Bestimmung des § 6 Abs. 1 AufG ist nicht zu entnehmen, der Fremde habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde. Das Vorliegen der Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG ist daher gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie nicht aufgrund ihrer Vermutung, die Regelung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht. Dabei trifft die Partei die Pflicht, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 321).

Dieser Mitwirkungspflicht kam die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht nach, weil sie es unterließ, die Antragsfrage nach ihrem Wohnsitz im Zeitpunkt der Antragstellung zu beantworten. Obwohl die erstinstanzliche Behörde bereits den Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG gebrauchte, unterließ es die Beschwerdeführerin, in ihrer Berufung konkrete Angaben über ihren Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung zu machen.

Diese Verletzung der Mitwirkungspflicht hätte die belangte Behörde berechtigt, das diesbezügliche Verhalten der Beschwerdeführerin in ihre Beweisüberlegungen einzubeziehen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. Oktober 1982, Zl. 82/11/0162, vom 29. November 1988, Zl. 88/11/0015, und vom 11. Juni 1991, Zl. 90/07/0166).

Die belangte Behörde beschränkte sich jedoch in ihrer Bescheidbegründung auf die Feststellung, daß sich die Beschwerdeführerin "nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage offensichtlich" vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten habe. Dies sei durch eine Anfrage beim Zentralmeldeamt bestätigt worden.

Hatte die Behörde erster Instanz ihren ebenfalls auf § 6 Abs. 2 AufG gestützten Bescheid damit begründet, der Beschwerdeführerin sei bisher kein österreichischer Sichtvermerk erteilt und ihr Erstantrag sei im Inland gestellt worden, so stützte sich die belangte Behörde erstmals auf die Feststellung, die Beschwerdeführerin sei an einer Wiener Adresse gemeldet, und folgerte daraus, daß sie sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten habe. Dieses Ermittlungsergebnis (nach Abfrage der Meldedaten) wurde der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren aber nicht vorgehalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt die Ansicht vertreten (vgl. u.a. hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 95/19/0473), daß der bloße Umstand einer aufrechten Meldung an einer inländischen Adresse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung Ermittlungen über den tatsächlichen Aufenthalt (der Beschwerdeführerin) nicht ersetzen kann. Soweit die belangte Behörde diesen Umstand ihrer Beweiswürdigung zugrundelegt, ist dieser - allein - nicht geeignet, das daraus gewonnene Ergebnis (des Inlandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin) zu tragen.

Soweit sich die belangte Behörde schließlich auf die eigenen Angaben der Beschwerdeführerin beruft, ist zu bemerken, daß diese - abgesehen von der Angabe der gesicherten Unterkunft in Österreich - während des Verfahrens keine eigenen Angaben erstattet hat, die der belangten Behörde den Schluß nahelegen könnten, sie habe sich "offensichtlich" bei Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten.

Indem die Beschwerdeführerin in der Beschwerde ausführt, sie habe eine "zukünftige" Wohnung im Bundesgebiet angeben müssen und es könne ihr durch die Angabe des beabsichtigten "zukünftigen" Wohnsitzes kein rechtlicher Nachteil erwachsen, und behauptet, die Behörde spreche selbst nur von einem Melden, nicht aber von einem Wohnen, zeigt die Beschwerdeführerin die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels in (gerade noch) tauglicher Weise auf. Aus dem Kontext der Beschwerde ist nämlich (gerade noch) die Behauptung zu entnehmen, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung (und auch später) im Ausland aufgehalten und beabsichtige, erst in Zukunft im Inland einen Wohnsitz zu begründen.

Bei Zutreffen dieses Vorbringens wäre aber davon auszugehen, daß die Bewilligungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG vorgelegen wären, da die Beschwerdeführerin dem ersten Satz dieser Bestimmung durch ihren Auslandsaufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung ebenso wie im Zeitpunkt der Bescheiderlassung entsprochen hätte.

Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Im Fall der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG gebührt dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz der Stempelgebühren, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte. Es war daher lediglich der Ersatz der Stempelgebühren für die Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof (zweifach) zuzusprechen. Neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes kann ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung und Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190623.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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