TE Vfgh Erkenntnis 1995/11/30 B1495/94

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Veröffentlicht am 30.11.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs3
EMRK Art11
EMRK Art11 Abs2
VersammlungsG §7
VersammlungsG §14 Abs1
VersammlungsG §19
VStG §24
VStG §51e
AVG §67d

Leitsatz

Keine Verletzung des Versammlungsrechts durch Bestrafung wegen Teilnahme an einer durch das VersammlungsG verbotenen Versammlung im Umkreis von weniger als 300 m vom Sitz des tagenden Nationalrates und mangels Entfernung vom Versammlungsort nach behördlicher Auflösung der Versammlung; kein die Versammlungsfreiheit verletzender Verfahrensfehler infolge Entfalls einer mündlichen Verhandlung

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Verhaftung der Beschwerdeführerin wendet, zurückgewiesen. Im übrigen wird sie abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Bundespolizeidirektion (BPD) Wien erkannte mit Bescheid vom 14. Jänner 1994 M A schuldig, dadurch Verwaltungsübertretungen 1) nach §7 Versammlungsgesetz 1953 (VersG) und 2) nach §14 Abs1 desselben Gesetzes begangen zu haben, daß sie

"am 26.5.1993 um 11.25 Uhr und vorher in Wien 1., Dr. Karl-Lueger-Ring vor dem Burgtheater auf der Hauptfahrbahn des Rings 1.) an einer Versammlung im Umkreis von weniger als 300 m vom Parlament während der Nationalrat tagte teilgenommen (und) 2.) sich geweigert (habe), die Versammlung zu verlassen, nachdem um 11.25 Uhr diese Versammlung von einem Behördenvertreter der Bundespolizeidirektion Wien für aufgelöst erklärt worden ist."

Über die Genannte wurden gemäß §19 VersG zu Pkt. 1) und

2) Geldstrafen von je 800 S (Ersatzfreiheitsstrafen von je 40 Stunden) verhängt.

b) Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Wien gab mit Bescheid vom 16. Mai 1994 der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis der BPD Wien mit der Maßgabe, daß die Tatumschreibung zu lauten hat:

"Sie (Frau M A) haben am 26.5.1993 in Wien 1., Dr.-Karl-Lueger-Ring vor dem Burgtheater auf der Hauptfahrbahn des Rings, 1) von 11.00 bis 11.25 Uhr an einer Versammlung im Umkreis von weniger als 300 m vom Sitz des Nationalrates (= Parlament) teilgenommen, während der Nationalrat tagte,

2) sich geweigert den Versammlungsort sogleich zu verlassen, nachdem um 11.25 Uhr diese Versammlung von einem Behördenvertreter der Bundespolizeidirektion Wien für aufgelöst erklärt worden ist."

2. Gegen diesen Bescheid des UVS Wien wendet sich die vorliegende, von M A erhobene, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Versammlungsfreiheit und auf persönliche Freiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Der UVS Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift; er begehrt, die Beschwerde abzuweisen bzw. - soweit sie die Verhaftung der Beschwerdeführerin zum Gegenstand hat - zurückzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.a) Die Beschwerdeführerin bekämpft den oben (I.1.b) erwähnten Bescheid des UVS Wien vom 16. Mai 1994, mit dem über sie Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden; sie beantragt die Aufhebung dieses Bescheides.

Insofern ist die Beschwerde, weil alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

b) In der Beschwerdeschrift wird auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit geltend gemacht und dies damit begründet, daß die Beschwerdeführerin im Zuge der Versammlungsauflösung verhaftet worden sei.

Die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin ist aber nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides.

In dieser Hinsicht war die Beschwerde zurückzuweisen.

2. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 9103/1981, 9303/1981, 9646/1983, 9783/1983, 10443/1985) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes 1953 (VersG), die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG und Art11 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten.

Auch eine Bestrafung wegen Übertretung des VersG greift in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit ein (vgl. VfSlg. 8685/1979, 9107/1981, 9603/1983).

3. Die in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des VersG lauten:

"§7

Während der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung oder ein Landtag versammelt ist, darf im Umkreis von 300 m von ihrem Sitze keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden."

"§13

(1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§16 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.

(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt."

"§14

(1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden."

"§19

Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 5.000 S zu ahnden."

4. Mit Pkt. 1 des angefochtenen Bescheides wurde die Beschwerdeführerin einer Verwaltungsübertretung nach §7 iVm §19 VersG schuldig erkannt.

a) Vorerst ist der Inhalt des oben im Wortlaut zitierten §7 VersG zu klären.

Mit der VersG-Novelle 1968, BGBl. 392, wurde die ursprünglich fünf Meilen (38 km) betragende sogenannte "Bannmeile" auf 300 m herabgesetzt. Die Erläuternden Bemerkungen zu der diese Novelle betreffenden Regierungsvorlage (874 BlgNR, 11. GP) führen hiezu aus:

"... Es besteht aber keinerlei praktisches Bedürfnis, Versammlungen unter freiem Himmel in einem so weiten Umkreis (sc. 38 km) vom Sitz eines gesetzgebenden Organs zu verbieten. Der dem §7 leg. cit. zugrunde liegenden ratio, daß die Sitzungen eines gesetzgebenden Organs durch eine Versammlung unter freiem Himmel nicht beeinträchtigt werden sollen, wird vollauf Genüge getan, wenn derartige Versammlungen in einem Umkreis von 500 m (diese Grenze wurde durch die vom Verfassungsausschuß beschlossenen Abänderungen - s. 995 BlgNR, 11. GP - auf 300 m reduziert) vom Sitz des jeweils in Betracht kommenden gesetzgebenden Organs verboten werden.

Um dieser Auffassung Rechnung zu tragen, müssen aber auch die Worte 'an dem Ort ihres Sitzes' eliminiert werden, da unter dem Begriff des Ortes im Hinblick auf §16 leg.cit. das Gebiet der Ortsgemeinde, in dem das gesetzgebende Organ versammelt ist, zu verstehen ist oder doch verstanden werden kann. Wenn die Worte 'an dem Ort ihres Sitzes' aufrechterhalten würden, würde daher die beabsichtigte Einschränkung der Verbotszone wenigstens teilweise illusorisch werden.

...

Eine völlige Auflassung der Verbotszone erscheint aus dem Grunde nicht tunlich, weil der ungestörte Verlauf der Sitzungen der gesetzgebenden Organe nur dann voll gewährleistet werden kann, wenn während der Dauer der Sitzung in der unmittelbaren Umgebung des Tagungsortes keine öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel stattfinden. Die durch §6 des Versammlungsgesetzes gebotene Möglichkeit, eine Versammlung, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, zu untersagen, reicht schon aus dem Grunde nicht aus, weil erfahrungsgemäß Versammlungen, gegen deren Abhaltung nach dem Inhalt der Anzeige keine begründeten Bedenken bestehen, innerhalb kürzester Zeit einen unfriedlichen Charakter annehmen können.

Findet eine solche Versammlung in der unmittelbaren Nähe eines gesetzgebenden Organs statt, dann erscheint es zweifelhaft, ob im Ernstfall Sicherheitsorgane in entsprechender Anzahl so zeitgerecht herbeigeführt werden können, um ein Eindringen von Demonstranten in das Sitzungslokal des gesetzgebenden Organs zu verhindern. ..."

Aus dem Wortlaut und dem (sich aus den soeben zitierten Erläuternden Bemerkungen ergebenden) Sinn des §7 VersG geht hervor, daß die darin erwähnten Versammlungen unmittelbar kraft Gesetzes verboten sind. Derartige Versammlungen sind absolut unstatthaft. §6 VersG über die bescheidmäßige Untersagung von Versammlungen kommt hier also nicht zum Tragen. Die Behörde hat - ohne daß sie weitere Überlegungen i.S. des §13 VersG (vgl. hiezu etwa VfSlg. 10955/1986, 11132/1986, 11421/1987, 11832/1988) anzustellen braucht - die Auflösung solcher Versammlungen zu verfügen und diese Verfügung auf maßhaltende Weise zu vollziehen.

Dieser Gesetzesinhalt steht in Einklang mit dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art11 Abs2 EMRK. Schon aus den in den oben zitierten Erläuternden Bemerkungen angeführten Gründen widerstreitet uneingeschränkt jede Versammlung unter freiem Himmel, die in unmittelbarer Nähe einer zusammengetretenen gesetzgebenden Körperschaft stattfindet, zumindest den Interessen der nationalen und öffentlichen Sicherheit und des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer.

b)aa) Unstrittig ist, daß die Beschwerdeführerin an der erwähnten, dem Versammlungsgesetz 1953 unterliegenden Versammlung teilgenommen hat.

Ungeachtet dessen erachtet sie ihre Bestrafung nach §7 iVm §19 VersG als gesetzwidrig.

Sie begründet dies damit, daß die Versammlung nicht im Umkreis von weniger als 300 m vom Sitz des Nationalrates stattgefunden habe. Zum einen habe die Behörde nicht ordnungsgemäß ermittelt, ob damals überhaupt eine Sitzung des Nationalrates stattgefunden hat. Zum anderen sei als "Sitz des Nationalrates" nicht das Parlamentsgebäude insgesamt, sondern der Sitzungssaal des Nationalrates gemeint. Die Luftlinie von der Mitte dieses Saales zum Versammlungsort habe aber mehr als 300 m betragen. Schließlich habe sich die Versammlung nicht gegen den Nationalrat, sondern gegen die Klimapolitik der Gemeinde Wien gewendet und habe deshalb nächst dem Rathaus stattgefunden.

bb) Dieses Vorbringen ist nicht zielführend:

Fest steht, daß der Nationalrat am 26. Mai 1993 ab 11.00 Uhr getagt hat.

Die Meinung der Beschwerdeführerin, die 300-Meter-Zone sei vom Mittelpunkt des Sitzungssaales des Nationalrates zu messen, ist verfehlt. Vielmehr ist - dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend - unter dem "Sitz" der gesetzgebenden Körperschaft das Gebäude, in dem diese tagt, zu verstehen. Die 300-Meter-Zone ist von der Außengrenze des Gebäudes zu messen.

Wie sich aus einem im vorgelegten Verwaltungsakt der BPD Wien befindlichen Plan (ONr. 18) ergibt, beträgt die Entfernung vom Versammlungsort zur diesem nächstgelegenen Ecke des Parlamentsgebäudes 288 m.

Der UVS hat daher zu Recht angenommen, daß die Beschwerdeführerin an einer Versammlung teilgenommen hat, obgleich diese unmittelbar durch Gesetz (§7 VersG) absolut verboten war (s. die vorstehende lita). Es ist deshalb unerheblich, welchen Zweck die Versammlung verfolgt hat.

Die Beschwerdeführerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden getroffen hat (§5 VStG).

Sie wurde sohin rechtsrichtig nach §7 iVm §19 VersG bestraft.

5.a) Über die Beschwerdeführerin wurde auch deswegen eine Verwaltungsstrafe verhängt, weil sie nach behördlicher Auflösung der Versammlung den Versammlungsort nicht verlassen habe (§14 Abs1 iVm §19 VersG).

Unstrittig ist, daß die Versammlung von einem Organ der BPD Wien aufgelöst wurde und daß sich die Beschwerdeführerin nicht vom Versammlungsort entfernt hat.

Die Beschwerdeführerin meint dennoch, daß ihre Bestrafung nach §14 Abs1 iVm §19 VersG (Text s.o. II.3) zu Unrecht erfolgt sei.

b) Sie begründet dies damit, daß die Voraussetzungen des §13 VersG für eine Auflösung der Versammlung nicht gegeben gewesen seien: Der Straßenbahnverkehr auf dem Ring sei überhaupt nicht, der Individualverkehr nur in geringem Maß beeinträchtigt gewesen. Diese Beeinträchtigung sei im Hinblick auf den umweltschützerischen Versammlungszweck hinzunehmen gewesen.

c) Die Beschwerdeführerin geht davon aus, ihre Bestrafung sei deshalb zu Unrecht erfolgt, weil die Auflösung der Versammlung nicht der Rechtslage entsprochen habe.

Diese Prämisse trifft nicht zu:

Wie oben (II.4.a) dargelegt wurde, hat die Behörde jede Versammlung, die entgegen dem §7 VersG innerhalb der 300-Meter-Zone veranstaltet wird, aufzulösen, ohne daß weitere Gründe für diese Verfügung hinzutreten müssen.

Die BPD Wien hat daher zu Recht die Auflösung der Versammlung verfügt, ohne daß der Versammlungszweck zu erörtern und zu untersuchen war, ob die Auflösung (auch) aus sonstigen Gründen, etwa aus Interessen des Straßenverkehrs, gerechtfertigt war.

Daraus folgt, daß auch die Bestrafung nach §14 Abs1 iVm §19 VersG dem Gesetz entspricht.

6.a) Die Beschwerdeführerin macht schließlich noch geltend, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit deshalb verletzt worden zu sein, weil dem UVS wesentliche Verfahrensmängel unterlaufen seien. Vor allem beanstandet sie, daß der UVS entgegen dem §67d AVG keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe.

b) Richtig ist, daß das eben erwähnte Grundrecht auch durch Verfahrensmängel verletzt werden kann; dies allerdings nur dann, wenn die Behörde bei Beachtung der Verfahrensnormen zu einem anderen Spruch hätte kommen können (vgl. VfSlg. 11832/1988; s. auch zB VfSlg. 1532/1947, 4816/1964, betreffend das Recht auf Freiheit der Vereinsbildung).

Solche Fehler sind dem UVS jedoch nicht anzulasten.

Er hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und das Parteiengehör gewahrt.

Die Beschwerdeführerin übersieht, daß §67d AVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht gilt (§24 VStG), sondern daß hier die Spezialvorschriften des §51e VStG idF vor der Novelle BGBl. 620/1995 anzuwenden waren.

Sie meint in der vorliegenden Beschwerde, der Entfall der mündlichen Verhandlung könnte aus folgenden Gründen für sie nachteilig gewesen sein:

"..... Gerade im gegenständlichen Fall ist es offensichtlich, daß die belangte Behörde bei Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sehr wohl zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Insbesondere wäre ein Vertreter der Parlamentsdirektion zu laden gewesen, der mitgeteilt hätte, ob überhaupt eine Sitzung des Nationalrates an diesem Tag stattgefunden hat und zu welchem Zeitpunkt.

Da den Anzeigen nicht zu entnehmen ist, in welchem Ausmaß der Verkehr gestört wurde, von der belangten Behörde jedoch behauptet wird, daß eine unzumutbare Verkehrsbehinderung eingetreten ist, wäre durch Einvernahme der Anzeigenleger und zuständigen Beamten festzustellen gewesen, in welchem Umfang nun tatsächlich eine Verkehrsbehinderung eingetreten ist.

Da der Sachverhalt aufgrund der vorliegenden Anzeigen in keiner Weise geklärt erschien um eine Abwägung der Interessen gemäß Art11 Abs2 MRK auch nur annähernd durchzuführen, wäre es unbedingt notwendig gewesen, im gegenständlichen Fall eine öffentlich-mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Es hätte sich in diesem Falle herausgestellt, daß eine Verletzung der Interessen des Art11 Abs2 gar nicht gegeben war und wäre deshalb der Berufung Folge gegeben worden.

....."

Diese Überlegungen beruhen durchwegs auf rechtlichen Prämissen, die mit den vorstehenden Ausführungen als verfehlt erkannt wurden.

Es liegt daher auch kein das wiederholt erwähnte Grundrecht verletzender Verfahrensfehler vor.

7. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin zu Recht aufgrund verfassungsrechtlich unbedenklicher Rechtsvorschriften bestraft wurde.

Es ist daher sowohl ausgeschlossen, daß sie in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht als auch, daß sie in einem Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

8. Der Antrag, die Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen:

Soweit die Verfassungsgerichtshofbeschwerde zurückgewiesen wurde, war eine Abtretung ausgeschlossen, weil eine solche nur im Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder eines Beschlusses, die Behandlung der Beschwerde abzulehnen, in Betracht kommt.

Aber auch insofern die Verfassungsgerichshofbeschwerde abgewiesen wurde, war eine Abtretung nicht möglich: Jeder in die Versammlungsfreiheit eingreifende Bescheid verletzt schon dann, wenn nur eine einfache Gesetzwidrigkeit vorliegt, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit. Da für diesen Fall die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gegeben ist, ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z1 B-VG ausgeschlossen (vgl. z.B. VfSlg. 12155/1989).

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Versammlungsrecht, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, Verhandlung mündliche, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1495.1994

Dokumentnummer

JFT_10048870_94B01495_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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