TE Vwgh Beschluss 2020/9/9 Ro 2020/07/0008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §42
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der C AG in W, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer-Pammesberger, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Marxergasse 29/11, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. März 2020, Zl. LVwG-AV-1338/001-2019, betreffend wasserrechtliche Bewilligung und Einräumung eines Zwangsrechtes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Gemeinde W, vertreten durch die Stangl & Ferstl Rechtsanwaltspartnerschaft in 2700 Wiener Neustadt, Allerheiligengasse 10), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 2019 wurde der mitbeteiligten Partei - unter anderem - die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung sowie den Betrieb einer näher bezeichneten Kanalisationsanlage auf den im Eigentum der revisionswerbenden Partei stehenden Grundstücken Nr. 1663/6, 793/1, 733, 727/1, 684/1 und 515/1, alle KG W., erteilt und für den Bestand und Betrieb dieser Kanalisationsanlage auf den genannten Grundstücken eine Dienstbarkeit in einem näher beschriebenen Umfang zwangsweise eingeräumt.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig.

3        In der rechtlichen Beurteilung führte es aus, nach den Feststellungen habe die revisionswerbende Partei weder bis zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 25. März 2019, noch während dieser Verhandlung Einwendungen gegen das Vorhaben der mitbeteiligten Partei erhoben.

4        Unter Hinweis auf einschlägige Lehrmeinungen bezweifelte es allerdings, ob die Präklusionsfolgen des § 42 AVG auch gegenüber einer Partei eintreten könnten, der gegenüber Zwangsrechte begründet werden sollten. Unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermeinte es, „die Judikatur“ habe sich zu dieser Problematik nach Kenntnis des Verwaltungsgerichts bisher nicht explizit geäußert, gehe aber implizit ganz offensichtlich davon aus, dass die Präklusionsfolgen auch gegenüber dem von einem Zwangsrecht Betroffenen einträten, wenn dieser nicht rechtzeitig Einwendungen erhebe.

5        Das Verwaltungsgericht gelangte schließlich zu der Auffassung, die Wirkungen des § 42 AVG „griffen“ auch im Bewilligungsverfahren mit Einräumung von Zwangsrechten. Zum einen spreche der eindeutige Gesetzeswortlaut dafür und gebe es keinen hinreichenden Grund zur Annahme, dass in Bezug auf Zwangsrechte eine planwidrige überschießende Regelung vorläge, die nach einer teleologischen Reduktion verlange. Zum anderen stelle die Erstreckung der Rechtskraftwirkung eines Bescheides auch auf präkludierte Parteien in Wahrheit keinen Ausnahmefall dar. Insbesondere zeige die Judikatur des OGH, dass die zivilrechtlichen Folgen (Eigentumsbeschränkungen) verwaltungsbehördlicher Entscheidungen nicht notwendigerweise die Zustellung der Entscheidung an den von der Eigentumsbeschränkung Betroffenen voraussetzten. Das ändere freilich nichts daran, dass nicht bereits die wasserrechtliche Bewilligung selbst zur Inanspruchnahme fremden Grundes berechtige, sondern es einer ausdrücklichen Entscheidung der Behörde über die Zwangsrechtseinräumung bedürfe, wobei es sich dabei um eine rechtsgestaltende Entscheidung handle.

6        Zusammengefasst ergebe sich also, dass die revisionswerbende Partei mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen im Verfahren zur Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung samt Einräumung von Zwangsrechten ihre Parteistellung verloren habe und daher nicht berechtigt gewesen sei, den in Rede stehenden Bescheid insoweit anzufechten.

7        Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht das Fehlen einer ausdrücklichen Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichtshofes mit der vom Verwaltungsgericht dargestellten, in der Lehre kontrovers diskutierten Frage der Präklusion auch der von einem Zwangsrecht betroffenen Grundeigentümer ins Treffen. Dies rechtfertige die Einschätzung, dass insoweit im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege.

8        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

9        Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

14       Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat der Revisionswerber in einer ordentlichen Revision von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 24.11.2016, Ro 2014/07/0070, mwN).

15       Das Verwaltungsgericht hat die ordentliche Revision für zulässig erklärt, weil seiner Ansicht nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ob die Präklusionsfolgen des § 42 AVG auch gegenüber von einer Zwangsrechtseinräumung betroffenen Grundeigentümern eintreten könnten.

16       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision schließt sich die revisionswerbende Partei dieser Rechtsfrage zwar an, kommt auf diese in den Revisionsgründen jedoch nicht mehr zurück. Vielmehr führt sie darin im Wesentlichen aus, sie habe im gegenständlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren sehr wohl Einwendungen erhoben und sei daher aus diesem Grund nicht präkludiert. Sie bekämpft damit ausschließlich den festgestellten Sachverhalt des angefochtenen Beschlusses - jedoch nicht als grundsätzliche Rechtsfrage -, wonach sie gerade keine Einwendungen erhoben habe (VwGH 20.5.2015, Ro 2014/10/0086). Auch wendet sie sich nicht gegen die Lösung der vom Verwaltungsgericht als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage.

17       Da somit zu dieser Frage in den Revisionsgründen keine Ausführungen getroffen werden und in der Zulässigkeitsbegründung auch nicht gesondert dargetan wird, inwiefern die Lösung des Falls von einer anderen Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhänge, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen (vgl. dazu VwGH 27.9.2018, Ro 2017/10/0026, mwN).

18       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 9. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020070008.J00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten