TE Vwgh Erkenntnis 1985/11/25 85/02/0208

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Veröffentlicht am 25.11.1985
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Index

StVO
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §4 Abs2 Satz2
VStG §44a lita
VStG §44a Z1 implizit

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde des Dr. RI, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 1985, Zl. I/7-St-I-856, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es, „obwohl am 5. September 1984 gegen 08.30 Uhr sein Verhalten als Lenker des PKW’s mit dem behördlichen Kennzeichen nn insoferne mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist, als er zur vorgenannten Zeit bei seiner Fahrt mit dem vorgenannten Pkw in Bruck/L. auf der Hainburger Straße vor dem Haus Hainburgerstraße Nr. 10 die auf der Hainburger Straße in Richtung Höfleinerstraße fahrende Radfahrerin ...... niedergestoßen hat, wodurch diese am linken Arm verletzt worden ist, unterlassen, von diesem Verkehrsunfall mit Personenverletzung sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen“; dadurch habe er eine Übertretung nach § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 begangen. Die mit dem in der Schuldfrage bestätigten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 3. April 1985 verhängte Geldstrafe wurde von S 5.000,-- (5 Tage Ersatzarrest) auf S 3.000,-- (3 Tage Ersatzarrest) herabgesetzt und dem Beschwerdeführer die Entrichtung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von S 300,-- vorgeschrieben.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde zunächst damit, daß im Spruch des angefochtenen Bescheides Tatort und Tatzeit insofern nicht umschrieben werden, als dem Spruch nur Zeit und Ort des Unfalles, nicht aber auch Zeit und Ort der ihm zur Last gelegten Unterlassung entnommen werden könnten. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß in Ansehung der durch Unterlassung von Meldungen begangenen Übertretungen des § 4 StVO 1960 die Angabe von Zeit und Ort des Unfalles als entsprechende Angaben zur Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 genügt. Einer näheren Umschreibung der unterlassenen Handlung bedarf es nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1985, Zl. 84/02/0296).

2. Der Beschwerdeführer rügt ferner, die belangte Behörde sei zu ihrer Feststellung, die vom Beschwerdeführer zu Sturz gebrachte Radfahrerin habe diesem gegenüber geäußert, sie verspare Schmerzen im Arm, in aktenwidriger Weise gelangt, weil sie sich diesbezüglich nicht auf eine Übereinstimmung mit seinen Angaben als Beschuldigtem hatte berufen dürfen; er habe ausgesagt, die Radfahrerin hätte ihm gesagt, „sie spüre etwas am Arm“. Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde die gegenständliche Feststellung mangelfrei getroffen hat, da es in Ansehung der Erkennbarkeit von Verletzungen des Unfallgegners durch den Beschwerdeführer auf den genauen Wortlaut der Antwort der Radfahrerin nicht ankommt. Auch unter der Annahme, die gestürzte Radfahrerin hätte gesagt, sie „spüre etwas“ am Arm, waren dem Beschwerdeführer objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen, die eine Verletzung hatten wahrscheinlich erscheinen lassen. Eine Meldepflicht des Beschwerdeführers nach § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 hätte somit auch dann bestanden, wenn die belangte Behörde der Version des Beschwerdeführers gefolgt wäre.

3. Der Beschwerdeführer führt weiter aus, daß es ihm nicht als Verschulden hätte angerechnet werden dürfen, wenn er zur Annahme gelangt sei, die Radfahrerin sei nicht verletzt. Es seien keine äußeren Verletzungen der Radfahrerin erkennbar gewesen; sie habe - auch auf das Angebot des Beschwerdeführers, sie zum Arzt zu bringen - auf einer Weiterfahrt zu ihren Kindern bestanden. Auch damit kann der Beschwerdeführer seiner Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen: Bei einem zu Sturz gekommenen Radfahrer muß mit Verletzungen gerechnet werden (Verwaltungsgerichtshof vom 11. Mai 1984, Zl. 83/02/0515). Die Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 besteht auch bei „nicht nennenswerten“ Verletzungen (Verwaltungsgerichtshof vom 3. Oktober 1984, Zl. 84/03/0163). Für den Beschwerdeführer war - nach dem oben Gesagten - erkennbar, daß die Radfahrerin bei einem von ihm verursachten Verkehrsunfall mit hoher Wahrscheinlichkeit Verletzungen, wenn auch allenfalls nur geringen Grades, erlitten hat. Der Umstand, daß die Radfahrerin einer sofortigen ärztlichen Untersuchung nicht zugestimmt hat, sondern auf der Fortsetzung ihrer Fahrt bestand, konnte den Beschwerdeführer von seiner Meldepflicht nicht befreien; dies könnte allenfalls bei einer Verletzung der Hilfeleistungspflicht nach § 4 Abs. 2 erster Satz StVO 1960, die dem Beschwerdeführer aber gar nicht zur Last gelegt wurde, von Bedeutung sein. Dag schließlich die Radfahrerin in der Lage war, ihre Fahrt fortzusetzen, obwohl sie Unfallfolgen verspürte, vermag den Beschwerdeführer ebenfalls nicht zu entschuldigen.

4. Der Beschwerdeführer behauptet letztlich, in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt zu sein, da die belangte Behörde, ohne ihm dies vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis zu bringen, zum Unterschied von der Erstbehörde die Übertretung des § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 durch den Beschwerdeführer in der Schuldform der Fahrlässigkeit angenommen hat, während die Erstbehörde von einer vorsätzlichen Begehung ausgegangen war. Damit verkennt der Beschwerdefahrer, daß sich das Recht auf Gewährung des Parteiengehörs nur auf die sachverhaltsbezogenen Feststellungen der Behörde, nicht aber auch auf deren rechtliche Würdigung bezieht.

Der Beschwerde ist es nicht gelungen, eine Verletzung von Rechten des Beschwerdefahrers durch den angefochtenen Bescheid darzutun. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich der zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 dessen Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 25. November 1985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1985:1985020208.X00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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