Entscheidungsdatum
14.04.2020Norm
UG §63 Abs7Spruch
W129 2225014-1/8E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über den Antrag von XXXX , der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.03.2020, GZ: W129 2225014-1/4E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:
Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 10.04.2020 brachte die revisionswerbende Partei eine Revision gegen das im Spruch angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ein.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei Folgendes an:
"Entscheidend für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wird nicht mehr die formelle Vollstreckbarkeit des angefochtenen Bescheides, sondern werden die Folgen seiner Umsetzung in die Wirklichkeit (VwGH 9.1.97 A Wzl 96/17/170) sein, die nicht nur in der Form einer Vollstreckung im technischen Sinne möglich ist. Wenn der Beschwerdeführer durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides schlechter gestellt wäre als vorher, kommt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in Betracht. Es ist im vorliegenden Fall unumstritten, dass für den Revisionswerber durch den angefochtenen Bescheid Ausschluss vom Studium ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Die belangte Behörde schreibt auf Seite 26 des angefochtenen Bescheides "Da gemäß § 63 Abs 7 UG eine neuerliche Zulassung zu einem Studium an derselben Universität im drittfolgenden Semester nach dem Erlöschen der Zulassung nach § 68 Abs 1 Z 8 UG wieder zulässig ist, liegt überdies ein bloß zeitlich befristeter Ausschluss vor, der in Anbetracht der festgestellten Gefährdung (vgl. Spruchpunkt I.) keinesfalls überschießend bzw. unverhältnismäßig ist.". Diese Scheinbegründung ist zugleich eine grobe Untertreibung der mit dem Erlöschen einer Zulassung tatsächlich auf den Revisionswerber bei Abwägung aller Interessen zukommenden unverhältnismäßigen Nachteile. In Wirklichkeit sind nämlich die jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu beachten, um nach dem Erlöschen der Zulassung an einer Universität das bisherige Studium fortsetzen zu können. Der Studienzugang zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin an der Medizinischen Universität Wien wird gemäß den gesetzlichen Bestimmungen (§ 71c Universitätsgesetz 2002) über das qualitäts- und kapazitätsorientierte Aufnahmeverfahren "MedAT" geregelt. Die näheren Bestimmungen über das Aufnahmeverfahren und die Studienplatzvergabe werden für jedes Studienjahr in einer eigenen Verordnung des Rektorates der Medizinischen Universität Wien - also der belangten Behörde selbst - ("Verordnung über die Zulassungsbeschränkungen zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin"), festgelegt und im Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien veröffentlicht. Entgegen der Leichtigkeit, mit welcher die belangte Behörde im Zusammenhang mit einer neuerlichen Zulassung argumentiert, zeigt sich bei Abwägung der sonstigen öffentlichen Interessen und der Interessen des Revisionswerbers, dass ein Erlöschen seiner Zulassung zum Studium mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden wäre: Der Revisionswerber hat den Großteil seines Studiums bereits erfolgreich absolviert und müsste sich nach einer zeitlichen Sperre in einem neuerlichen Aufnahmeverfahren um einen Studienplatz kümmern, wobei gleichzeitig nicht gewiss wäre, ob er überhaupt einen solchen erhält. Im August 2019 wurde der Revisionswerber im 5. Jahr inskribiert. Das 6. Jahr wäre bereits das Klinisch-Praktische Jahr. Auch ein theoretisch möglicher Quereinstieg hilft dem Revisionswerber nicht weiter, da hierzu kaum Studienplätze vorhanden sind.
Auf der anderen Seite stehen zwingende öffentliche Interessen einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht (mehr) entgegen, zumal die Universitäten aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie sowieso "geschlossen" sind. Um zu einer Reduktion der weiteren Verbreitung einer SARS CoV-2 Infektion bestmöglich beitragen zu können, hat die belangte Behörde beschlossen, vorerst keine Lehrveranstaltungen mit physischer Präsenz abzuhalten. Der Unterricht wurde auf "home-learning" und "e-learning" umgestellt. Schon allein aus diesem Grund kann im Moment faktisch gar keine Gefährdung im Sinne des § 68 Abs 1 Z 8 UG bestehen, unabhängig davon wie die Begrifflichkeit ausgelegt wird.
Es liegen zwingende öffentliche Interessen nur dann vor, wenn eine unmittelbare Bedrohung der öffentlichen Ordnung abzuleiten ist. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Umständen, dass vom Revisionswerber keine solche Gefahr oder Bedrohung ausgehen kann, die ein zwingendes öffentliches Interesse begründen würden. Somit stehen zwingende öffentliche Interessen (auch keine sonstigen Interessen) der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen, da dem Revisionswerber Handlungen, die die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden könnten, nicht einmal möglich sind, selbst wenn er dies wollen würde, was nicht der Fall ist. Unter der gebotenen Abwägung der berührten Interessen würden die ins Kalkül zu ziehenden Nachteile des Revisionswerbers aus seinem Ausschluss vom Studium unverhältnismäßig schwerer wiegen als das Interesse an der Durchsetzung eines Ausschlusses. Somit hat der Revisionswerber einen Rechtsanspruch auf Bewilligung der aufschiebenden Wirkung (VfGH 15.2.68, 772/67).
Aus einem auch nur vorübergehenden Ausschluss vom Studium droht schon wegen der Gefahr des Studienzeitverlustes ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber. Dass der Antrag auf aufschiebende Wirkung berechtigt ist, ergibt sich daraus, dass der Studienausschluss dem Revisionswerber nicht nur einen unverhältnismäßigen, sondern auch nicht wieder gutzumachenden Nachteil bereiten würde. Der Revisionswerber müsste die endgültige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abwarten und würde dadurch noch mehr Studienzeit verlieren. Damit wäre selbst dann, wenn der Revisionswerber vor dem Verwaltungsgerichtshof Recht bekommt, der Rechtsschutz vereitelt, da die oben angeführten Nachteile nicht wieder gutzumachen wären, wodurch eben die Rechtsschutzfunktion der Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht gegeben wäre. Ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wäre die Effektivität des Rechtsschutzes beseitigt (VfSIg 11.196/86).
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist auch im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Wirksamkeitstheorie (VwGH 7.10.87, 87/5/45, VwGH 29.2.88, 88/7/5; Schwartz: "Das Provisorialverfahren auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor dem VwGH", AnwBl 1994/241, Fn 14; Walter/Mayer: B.verR9, Rz 988, Anm 144) im vorliegenden Fall möglich und zulässig. Im Falle des Obsiegens wäre der Revisionswerber mit umkehrbaren Folgen des einstweiligen Vollzuges konfrontiert. Die gesetzlich verlangte Interessenabwägung schlägt zugunsten des Revisionswerbers aus."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern es ist - wenn das in der Beschwerde (nunmehr: Revision) selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist - zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Im vorliegenden Fall folgte das Verwaltungsgericht den Ausführungen des Gutachters Dr. XXXX , wonach beim Revisionswerber ein megalomanes bzw. paranoid-wahnhaftes Zustandsbild mit deutlich vermindertem Kritik- und Urteilsvermögen vorliegt, und bejahte die Möglichkeit der dauerhaften und schwerwiegenden Gefährdung anderer Universitätsangehöriger im Rahmen des Studiums.
Ausgehend davon kommt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht, weil die Sicherheit anderer Universitätsangehöriger im Rahmen des Studiums in Bezug auf die erforderliche Zuverlässigkeit für das in Rede stehende Studium vom Standpunkt der öffentlichen Ordnung und Sicherheit besondere Bedeutung zukommt.
Zum Vorbringen des unverhältnismäßigen Nachteils für den Revisionswerber ist der Vollzug des Erkenntnisses noch kein Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG, sofern dadurch nicht der Rechtsschutz der Partei dauernd wesentlich beeinträchtigt ist. Zum einen besteht für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, in späteren Semestern die Zulassung auch ohne Absolvierung der Aufnahmeprüfung zu erlangen, zum anderen können auch etwaige Schwierigkeiten beim Wiedererlangen der Zulassung (zB "Quereinsteigertest") nicht dazu führen, dass eine Aufrechterhaltung der latenten Gefährdungssituation zu Lasten der geschützten Personengruppen (Universitätsangehörige bzw. Patienten) in Kauf zu nehmen ist.
Dass die Lehrveranstaltungen der Medizinischen Universität aufgrund der COVID-19-Pandemie derzeit (Mitte April 2020) auf elektronischem Weg abgewickelt werden, schließt nicht eine Lockerung dieser Maßnahme gegen Ende des Semesters aus. Dazu kommt, dass gerade im Fall des Revisionswerbers die im Jahr 2014 erfolgte Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher auf elektronische Handlungen gegen Universitätsangehörige zurückzuführen ist. Es ist daher trotz physischer Schließung der Universitätseinrichtungen nicht ausgeschlossen, dass der Revisionswerber auch auf elektronischem Weg erneut Universitätsangehörige mit gefährlichen Drohungen in Furcht und Unruhe versetzt.
Schon aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:W129.2225014.1.01Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020