TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 I417 1434445-3

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8 Abs2
FPG §46 Abs2
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §57
FPG §57 Abs1
StGB §105
StGB §83 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I417 1434445-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Zanier als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und durch die "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH" in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019, Zl. "XXXX", zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 07.04.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.09.2013, Zl. B3 434.445-1/2013/11E hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen wurde.

2. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte am 15.08.2014 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher wiederum im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.01.2015, Zl. I405 1434445-2/2E rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 13.10.2015 wurde gegen den Beschwerdeführer aufgrund seiner Straffälligkeit eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 3 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

4. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 13.10.2015 wurde dem Beschwerdeführer überdies aufgetragen, verpflichtend bis zum 01.07.2016 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Dieser Verpflichtung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

5. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 22.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß "§ 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG" binnen drei Tagen aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig in einer näher bezeichneten Bundesbetreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen.

6. Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 28.03.2019 das Rechtsmittel der Vorstellung.

7. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß "§ 57 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" aufgetragen, unverzüglich und bis zu seiner Ausreise durchgängig in einer näher bezeichneten Bundesbetreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt I). Darüber hinaus wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß "§ 13 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF" ausgeschlossen (Spruchpunkt II).

8. Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 20.12.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A) 1. Feststellungen

Der volljährige Beschwerdeführer gibt an, Staatsangehöriger von Algerien zu sein. Seine Identität steht nicht fest.

Er verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten sowie über keine familiären Anknüpfungspunkte. Er spricht Deutsch auf A2-Niveau und geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

Im Rahmen eines seitens der belangten Behörde angestrengten Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer teilte die algerische Botschaft in Wien dieser in einem Schreiben vom 18.10.2018 mit, dass die seitens des Beschwerdeführers vor den österreichischen Behörden behaupteten Personsdaten nicht verifiziert werden konnten.

Die gegen den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.09.2013, Zl. B3 434.445-1/2013/11E erlassene Ausweisung erwuchs mit 17.09.2013 in Rechtskraft. Seit dem 17.09.2013 trifft den Beschwerdeführer eine Ausreiseverpflichtung, welcher er bis dato nicht nachkam und unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieb.

Auch kam der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung aufgrund einer Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 13.10.2015, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen, nicht nach.

Dem Beschwerdeführer wurde erstmalig am 21.07.2015 eine Karte für Geduldete ausgestellt, welche zuletzt bis zum 14.10.2019 verlängert wurde. Am 12.09.2019 brachte er letztmalig einen Antrag auf Verlängerung seiner Duldungskarte bei der belangten Behörde ein. Das betreffende Verfahren ist nach wie vor anhängig und wurde dem Beschwerdeführer mit Schriftsatz der belangten Behörde ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") vom 13.01.2020 zu Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte abzuweisen, da er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und sich auch nicht selbständig um die Ausstellung eines Reisedokumentes gekümmert habe, sodass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Duldungskarte nicht mehr vorliegen würden.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.06.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen des versuchten, gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, § 15 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten, davon 6 Monate bedingt, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 15.01.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG sowie wegen des versuchten, gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, § 15 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.07.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie wegen versuchter Nötigung nach §§ 15, 105 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten, davon 6 Monate bedingt, verurteilt.

A) 2. Beweiswürdigung

Da der Beschwerdeführer entweder nicht imstande oder nicht willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.

Der Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und zur vorangegangenen Duldung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers auf A2-Niveau ergeben sich aus einer im Akt enthaltenen Kopie eines ÖSD-Zertifikates vom 18.07.2017.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt und keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, ergeben sich aus einer im Akt enthaltenen schriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers an die belangte Behörde vom 21.01.2020 (im Rahmen seines Verfahrens hinsichtlich seines letzten Antrages auf Verlängerung seiner Duldungskarte), wonach er keine Familienangehörigen in Österreich habe und keiner Arbeit nachgehe.

Die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich.

A) 3. Rechtliche Beurteilung

A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

1. § 46a Abs. 1 und Abs. 3, § 57 Abs. 1, 2 und 6 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 27/2020, lauten:

"Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) ...

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) ...

Wohnsitzauflage

§ 57 (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) ...

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

2. § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 13 (1) ...

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides ... wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) ...".

A) 3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

A) 3.2.1. Zur Wohnsitzauflage (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides):

Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht iSd § 46a FPG geduldet ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 leg. cit. gewährt wurde, oder nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 leg. cit. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers ist dessen Aufenthalt im Bundesgebiet im Lichte der nunmehr gültigen Rechtslage - wie dazulegen sein wird - nicht mehr ex lege gemäß § 46a FPG zu dulden, da keine der in Z 1 bis 4 leg. cit. normierten Voraussetzungen vorliegt.

Der Beschwerdeführer führt im Beschwerdeschriftsatz argumentativ ins Treffen, dass ihm letztmalig am 15.10.2018 eine bis zum 14.10.2019 gültige Karte für Geduldete ausgestellt wurde. Da die Voraussetzungen für seine Duldung weiterhin vorliegen würden, sei davon auszugehen, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet faktisch - auch ohne Verlängerung seiner Duldungskarte - nach wie vor geduldet sei.

Gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint. Von einem Fremden zu vertretende Gründe liegen gemäß Abs. 3 leg. cit. jedenfalls vor, wenn dieser seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

Dazu ist festzuhalten, dass ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, gemäß § 46 Abs. 2 FPG - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen hat, es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen.

Aus den Erläuterungen zum Initiativantrag 2285/A vom 20.09.2017 (XXV.GP) zum FrÄG 2017 (BGBl I Nr. 145/2017) ergibt sich bezüglich § 46 Abs. 2 FPG Folgendes:

"Unabhängig davon, ob mit Erlassung der Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde oder nicht, haben ausreisepflichtige Fremde überdies an der Erlangung der für die Ausreise erforderlichen Dokumente mitzuwirken. Dabei soll sowohl die bereits nach geltender Rechtslage vorgesehene Mitwirkung an Maßnahmen des Bundesamts umfasst sein, die zwecks Erlangung von für die Abschiebung erforderlichen Bewilligungen gesetzt werden, als auch - gemäß der neuen Bestimmung des § 46 Abs. 2 FPG - Handlungen des Fremden selbst, die zur Vorbereitung für eine eigenständige Ausreise zu treffen sind, wie insbesondere die eigenständige Beantragung eines allenfalls erforderlichen Reisedokumentes und die insoweit notwendige Erstattung von Angaben gegenüber der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat)... Unbeschadet der Befugnis des Bundesamtes soll nämlich künftig auch der Fremde selbst explizit der Verpflichtung unterliegen, sich ein für die Ausreise erforderliches Reisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem zu beschaffen und bei dieser Behörde sämtliche für diesen Zweck erforderlichen Handlungen zu setzen, wobei hier insbesondere die Beantragung des Reisedokuments, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten umfasst sein sollen..."

Während im Zuge der vorangegangenen Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes mit dem FrÄG 2015 (BGBl I Nr. 70/2015) - die einschlägige Rechtslage, als dem Beschwerdeführer erstmalig am 21.07.2015 eine Karte für Geduldete ausgestellt wurde - in § 46 FPG lediglich festgelegt wurde, dass ein Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat, so ist dieser nach der aktuellen Rechtslage nunmehr verpflichtet, sich aus eigenem, proaktiv um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu bemühen.

Das Gesetz setzt es nunmehr als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. - in dessen Auftrag - der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.

Die Pflicht des Fremden nach § 46 Abs. 2 FPG umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß § 46 Abs. 2 FPG erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 FPG nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a FPG zu verweisen).

Gegenständlich wird im Beschwerdeschriftsatz unsubstantiiert die Behauptung aufgestellt, die Voraussetzungen für eine Duldung des Beschwerdeführers würden weiterhin vorliegen, ohne jedoch einen wie auch immer gearteten Nachweis darüber vorzulegen, dass er tatsächlich - ungeachtet eines seitens der belangten Behörde angestrengten Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates - je aus eigener Initiative Kontakt mit der algerischen Botschaft zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes aufgenommen hat. Überdies teilte die algerische Botschaft in Wien der belangten Behörde im Rahmen eines durch diese eingeleiteten Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer in einem Schreiben vom 18.10.2018 - und somit nach der letztmaligen Verlängerung der Duldungskarte des Beschwerdeführers - mit, dass die seitens des Beschwerdeführers vor den österreichischen Behörden behaupteten Personsdaten nicht verifiziert werden konnten und somit kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden kann. Dies legt unweigerlich den Schluss nahe, dass der Beschwerdeführer zudem seine Identität verschleiert und somit im konkreten Fall auch ein von ihm zu vertretendes Abschiebungshindernis iSd § 46a Abs. 3 Z 1 FPG vorliegt.

Da der Beschwerdeführer sohin einerseits nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem ein Reisedokument zu beantragen und die Erfüllung dieser Pflicht dem Bundesamt gegenüber auch nachzuweisen und darüber hinaus vor den österreichischen Behörden auch offenkundig seine Identität verschleiert, liegt die Tatbestandsvoraussetzung des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG - dass seine Abschiebung aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint - nicht vor und ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht zu dulden.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anders kann bezüglich der Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Im vorliegenden Fall konnten auch keine engen Bindungen des Beschwerdeführers an seinen Wohnort festgestellt werden. Er hat in Österreich keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte und auch hinsichtlich sonstiger sozialer Bindungen ist keine besondere Beziehungsintensität hervorgekommen. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass er gesellschaftlich, beruflich oder in einer sonstigen Weise an seinen Wohnort gebunden ist. Demgegenüber wiegt seine beharrliche Weigerung, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten.

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund seines Verhaltens auch dringend geboten.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.09.2013, Zl. B3 434.445-1/2013/11E wurde gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen, welche mit 17.09.2013 in Rechtskraft erwuchs. Seit dem 17.09.2013 trifft ihn eine Ausreiseverpflichtung, welcher er bis dato beharrlich nicht nachkam und unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieb. Überdies hat er entgegen einer Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 13.10.2015 ein verpflichtendes Rückkehrberatungsgespräch nicht in Anspruch genommen, was gemäß § 57 Abs. 2 Z 1 FPG bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass ein Drittstaatsangehöriger seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird, insbesondere zu berücksichtigen ist.

Angesichts des Umstandes, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht gemäß § 46a FPG geduldet ist und darüber hinaus die gerechtfertigte Annahme besteht, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird, ist im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 57 Abs. 1 Z 2 FPG erfüllt, sodass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

A) 3.2.2. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides):

Mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid "aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des Bescheides" ausgeschlossen.

Dass die Voraussetzung des § 13 Abs. 2 VwGVG im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt ist, wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Da der Beschwerdeführer offensichtlich nicht ausreisewillig ist und damit nach der Erlassung einer rechtskräftigen Ausweisung sowie in weiterer Folge einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gegen ihn den Ausreisebefehl nicht befolgte und unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieb, kann der Annahme der belangten Behörde, dass die Vorbereitung seiner Außerlandesbringung zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist, nicht entgegengetreten werden. Schließlich ist bereits aus den vorangegangenen Verfahren die Neigung des Beschwerdeführers, behördliche Anordnungen zu negieren, aktenkundig.

Es lag für die belangte Behörde somit - vor dem Hintergrund der unter A) 1. getroffenen Feststellungen - auch kein Grund vor, im Rahmen der Ermessensübung vom Ausschluss der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen, sodass die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

A) 4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung daher unterbleiben konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Ausweisung aufschiebende Wirkung - Entfall Ausreiseverpflichtung Duldung illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Körperverletzung Nötigung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtmitteldelikt Unterkunft Wohnsitzauflage Zuweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I417.1434445.3.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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