TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/30 VGW-041/002/6990/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2020
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Entscheidungsdatum

30.07.2020

Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

LSD-BG 2016 §14 Abs2
LSD-BG 2016 §27 Abs1
VStG §9 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Fegerl über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 10.04.2019, Zl. …, betreffend Übertretungen des LSD-BG, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 29.05.2020 (Datum der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses),

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird das Straferkenntnis in der Tat- und Schuldfrage bestätigt und der Beschwerde lediglich insofern Folge gegeben, als anstelle von 4 Geldstrafen und 4 Ersatzfreiheitsstrafen nur eine einzige Geldstrafe von € 1.200,00 verhängt wird.

Dementsprechend verringert sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens der belangten Behörde gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf € 120,00.

Die Haftung der C. KG bezieht sich auf die verminderten Beträge.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem Straferkenntnis der belangten Behörde vom 10.4.2019 wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: BF) schuldig erkannt, er habe als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der C. KG mit Sitz in D. zu verantworten , dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin der Aufforderung der WGKK zur Vorlage der erforderlichen (im einzelnen aufgezählten) Lohnunterlagen für den genannten Zeitraum sowie Arbeitszeitaufzeichnungen von 1.9.2018 bis 30.11.2018 für 4 namentlich genannte Arbeitnehmer trotz Übergabe einer Einladungskarte an den Arbeitnehmer E. F. am 9.11.2018 und trotz schriftlicher Aufforderung mittels Rückscheinbriefes vom 13.11.2018, an die Geschäftsanschrift der Gesellschaft zugestellt durch Hinterlegung am 15.11.2018, in der Zeit von 20.11.2018 (Tag nach Ablauf des zeitfolgenden Werktages nach Übernahme der Aufforderungsschreiben) bis 29.1.2019 (Tag der Anzeige) keine Folge geleistet habe. Wegen 4 Übertretungen des § 14 Abs. 2 LSD-BG verhängte die Behörde jeweils gemäß § 27 Abs. 1 LSD-BG über den BF 4 Geldstrafen von je € 750,-- (4 Ersatzfreiheitsstrafen von je 20 Stunden) und schrieb gemäß § 64 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von (insgesamt) € 300,-- vor. Die C. KG hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die angeführten Beträge zur ungeteilten Hand.

Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der vorgebracht wurde, der BF habe die Stellung als unbeschränkt haftender Gesellschafter nur „treuhändig“ inne, die faktische Geschäftsführung sei allerdings bei dem zwischenzeitig verstorbenen Herrn G. H. (im Straferkenntnis als 2. Arbeitnehmer angeführt) gelegen gewesen. Die Buchhaltung und Lohnverrechnung sei durch die am gleichen Sitz wie die Gesellschaft ansässige K. in D. durchgeführt worden und seien von dieser auch die Schriftstücke für die Gesellschaft zumeist entgegengenommen worden. Dem BF seien aus diesen Gründen weder die Einladungskarte noch die Aufforderung zur Vorlage dieser Lohnunterlagen zugegangen. Die Aufforderung zur Rechtfertigung sei durch den BF deshalb unbeachtet gelassen worden, weil ihm durch den faktischen Geschäftsführer bzw. durch dessen Beauftragte versichert worden sei, dass man sich um dieses Angelegenheit bereits gekümmert habe und die Sache erledigt sei.

1.2. Das Verwaltungsgericht Wien führte nach Einholung einer Stellungnahme der Amtspartei (WGKK, nunmehr ÖGK) am 29.5.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der seitens des rechtsfreundlich vertretenen BF niemand erschienen ist (am 28.5.2020 langte ein Schriftsatz des Vertreters des BF „Verzicht auf die mündliche Verhandlung“ ein).

Das Erkenntnis wurde am 29.5.2020 mündlich verkündet und das Verhandlungsprotokoll an die nichtanwesenden Parteien versendet. Mit Schreiben vom 22.6.2020 stellte der Vertreter des BF ein Verlangen auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

2.0. Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

2.1. Der BF war laut Firmenbuchauszug und im Übrigen unbestritten seit 1.6.2012 der alleinige unbeschränkt haftende (selbständig vertretungsbefugte) Gesellschafter der C. KG und damit gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die KG verantwortlich.

Am 8.11.2018 fand am Betriebsstandort der KG in Wien (neben der U-Bahnstation L.) eine Überprüfung durch die WGKK statt. Die Kontrolle und die Aufforderungen an die KG zur Übermittlung der erforderlichen Lohnunterlagen (gemäß § 14 Abs. 2 LSD-BG) sind eingehend und aktenkundig dokumentiert. Das Aufforderungsschreiben an die KG (an deren Geschäftsanschrift in D.) wurde mit 15.11.2018 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt. Eine Übermittlung der verlangten Lohnunterlagen ist seitens der vom BF vertretenen KG nicht erfolgt.

Das Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer (BF) nicht die faktische Geschäftsführung innegehabt habe, sondern als unbeschränkt haftender Gesellschafter nur pro forma („treuhändig“) fungiert habe, vermag den Beschuldigten nicht zu entlasten, weil dies gerade eine erhebliche Einlassungsfahrlässigkeit zeigt. Wenn jemand als verantwortliches Organ von vornherein keinen Einfluss auf die Geschäftsführung haben kann oder will und die faktische Geschäftsführung einem anderen überlässt, so befreit ihn dies nicht von der Verantwortung.

Diesbezüglich kann auf die ständige Rechtsprechung des VwGH verwiesen werden, wonach das Vorbringen, lediglich formaliter Geschäftsführer zu sein, den Beschuldigten nicht zu entlasten vermag (vgl. etwa VwGH 20.7.2004, Zl. 2004/03/0072 mit Hinweis auf VwGH 22.11.1990, Zl. 90/09/0132). Die bloße Nichtausübung einer Funktion nimmt dem ordnungsgemäß Bestellten nicht die Eigenschaft als Geschäftsführer. Es stellt vielmehr einen typischen Fall von Einlassungsfahrlässigkeit dar, wenn sich jemand als „Strohmann“ vorschieben lässt und von vornherein nicht die Absicht hat, die mit seiner Funktion verbundenen Pflichten wahrzunehmen.

Die wirksame Zustellung der Aufforderung zur Vorlage der Lohnunterlagen an die haftpflichtige KG wurde nicht substantiiert bestritten. Die Lohnunterlagen wurden nicht vorgelegt oder übermittelt. Dem Beschuldigten liegt ein keineswegs mehr leichtes Verschulden (in Form nicht gerade leichter Fahrlässigkeit) an der Nichtübermittlung der Lohnunterlagen zur Last. Es wäre an ihm gelegen gewesen, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die KG sicherzustellen bzw. dazu ein entsprechendes Kontrollsystem im Unternehmen einzurichten.

Die Verwirklichung der objektiven und der subjektiven Tatseite im Hinblick auf § 27 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 2 LSD-BG blieb somit unzweifelhaft. Der Beschwerde war folglich in der Tat- und Schuldfrage keine Folge zu geben.

2.2. Lediglich in der Straffrage war im Hinblick auf die Strafbestimmungen des LSD-BG (früher AVRAG) zur Bereithaltung und Übermittlung von Lohnunterlagen etc. die aktuelle Judikatur des EuGH und der österreichischen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu beachten:

In Anbetracht der jüngeren Judikatur des EuGH und des VwGH (nämlich das Urteil des EuGH vom 12.09.2019, C-64/18 Maksimovic u.a., sowie das Erkenntnis des VwGH vom 15.10.2019, Zl. Ra 2019/11/0033 bis 0034) war aufgrund partieller Verdrängung der innerstaatlichen Strafsanktionsnorm zwecks Herstellung der Unionsrechtskonformität lediglich eine einzige Geldstrafe wegen der Nichtübermittlung der Lohnunterlagen betreffend die 4 angeführten Arbeitnehmer zu verhängen.

Im Rahmen des ersten Strafsatzes des § 27 Abs. 1 LSD-BG (Strafrahmen: € 500,-- bis € 5.000,--) erschien (für die Nichtvorlage der Lohnunterlagen von vier Arbeitnehmern) eine Geldstrafe von € 1.200,-- als angemessen, zumal die Lohnkontrolle durch die Tat nicht nur geringfügig verzögert, sondern über Monate vereitelt wurde und das Verschulden des BF keineswegs als gering einzustufen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Auch ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen, und es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal sich diese Entscheidung auf die beispielsweise angeführte Rechtsprechung des VwGH stützen kann.

Schlagworte

Lohn- und Sozialdumping; Unterlagen; Übermittlung; strafrechtliche Verantwortlichkeit; Maksimovic

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.041.002.6990.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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