TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/18 95/16/0181

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Veröffentlicht am 18.12.1997
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

ABGB §1053;
BAO §167 Abs2;
UStG 1972 §5 Abs1;
UStG 1972 §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der J Ges.m.b.H & Co KG in W, vertreten durch Dr. Bernd Berger, Dr. Franz G. Hitzenbichler, Rechtsanwälte in Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 9. Juni 1995, Zl. 3-1/B 63/1/1/1995/H, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin kaufte von der A. Ges.m.b.H in München ein gebrauchtes Kraftfahrzeug Mercedes 200 D. Der Verzollung wurde die Rechnung vom 25. März 1987 zugrundegelegt, die auf einen Kaufpreis von DM 10.000,-- lautete. Weiters wurde ein Kraftfahrzeugschätzungsgutachten des Ing. Z., allgemein gerichtlich beeideter Sachverständiger für Kraftfahrzeuge, vom 13. April 1987 vorgelegt. Danach erfolgte die Erstzulassung des Fahrzeuges am 16. Oktober 1985 und betrug der Kilometerstand

41.129 km. In der Beschreibung des Fahrzeugzustandes wurde insbesondere auf den Umstand hingewiesen, daß es sich um ein Unfallfahrzeug handle und das Fahrzeug erhebliche Beschädigungen hinten aufwies. Es habe sich um ein Taxi-Fahrzeug gehandelt. Ein Schätzwert zwecks Einfuhr wird in diesem Gutachten trotz entsprechendem Vordruck nicht angegeben, vielmehr wird auf das Entgelt laut Kaufvertrag in der Höhe von DM 10.000,-- verwiesen.

Unter Zugrundelegung der weiters vorgelegten Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 vom 25. März 1987 setzte das Zollamt mit Bescheid vom 15. April 1987 die Eingangsabgaben - ohne Zollvorschreibung - mit S 22.707,-- (darin S 22.496,-- Einfuhrumsatzsteuer) fest.

Da im Zuge von Erhebungen durch das Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz der Verdacht aufkam, es sei in Wahrheit ein höherer Preis vereinbart worden, holte das Hauptzollamt ein Gutachten des allgemein beeideten Gerichtssachverständigen B. ein; dieser Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 22. September 1989 aufgrund des von ihm angenommenen Listenpreises in Deutschland, eines Abzuges von 41 % für 17 Monate Nutzungsdauer und der von ihm ermittelten Reparaturkosten für die Unfallschäden zu einem Schätzwert von DM 13.000,--.

Mit Bescheid vom 23. Juli 1993 setzte das Hauptzollamt Linz gemäß § 174 Abs. 3 lit. c in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Zollgesetzes 1988 wegen Bewirkens der Ausfolgung einer abgabenpflichtigen Ware unter Festsetzung eines geringeren Abgabenbetrages vom Zollamt durch unrichtige Angaben in der Anmeldung hinsichtlich des unerhoben gebliebenen Abgabenbetrages die Abgabenschuld kraft Gesetzes mit S 6.812,-- (S 6.749,-- Einfuhrumsatzsteuer und S 63,-- Außenhandelsförderungsbetrag) fest. Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin durch unrichtige Angaben in der Anmeldung bewirkt habe, daß eine eingangsabgabenpflichtige Ware unter Festsetzung eines geringeren Abgabenbetrages vom Zollamt ausgefolgt wurde.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Hauptzollamt Linz vom 17. Februar 1994 beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 UStG 1972, wonach dann, wenn das Entgelt nicht nachgewiesen werde, die Einfuhrumsatzsteuer nach dem Zollwert zu bemessen sei, wurde folgendes ausgeführt:

"Auf Grund des im Zuge der Ermittlungen des HZA Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz (E Nr. ...) eingeholten Sachverständigengutachtens vom 22. September 1989 wurde ein erheblicher Wertunterschied zwischen dem zur Verzollung vorgelegten Kaufvertrag (DM 10.000,--) und dem Gutachten (DM 13.000,--) festgestellt. Daraus ist zu schließen, daß mit dem ausländischen Verkäufer ein höherer Preis vereinbart, als in der Warenerklärung angegeben worden ist."

In der Folge setzte sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidungsbegründung ausführlich mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen das o.a. Gutachten vom 22. September 1989 auseinander und gelangte zu nachstehendem Ergebnis:

"In freier Beweiswürdigung ist daher als erwiesen anzunehmen, daß der gemäß § 8 Wertzollgesetz in Verbindung mit § 184 BAO geschätzte Zollwert Bemessungsgrundlage für die Verzollung des gegenständlichen Kraftfahrzeuges ist. Damit wird der Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. c in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Zollgesetz erfüllt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf fehlerfreie Handhabung der Verfahrensvorschriften sowie der Bestimmungen des § 184 Abs. 1 und 174 Abs. 3 lit. c Zollgesetz verletzt, weil die Beschwerdeführerin keine unrichtigen Angaben gemacht habe und somit auch keine Zollschuld kraft Gesetzes entstanden sein konnte.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 UStG 1972 wird der Umsatz bei der Einfuhr nach dem Zollwert der eingeführten Ware bemessen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Bemessungsgrundlage bei der Einfuhr, wenn die Einfuhr umsatzsteuerpflichtiger Waren nicht einem Wertzoll unterliegt, das dem Lieferer für die eingeführte Ware geschuldete Entgelt. Wenn kein Entgelt vorliegt oder dieses nicht nachgewiesen werden kann, ist die Einfuhrumsatzsteuer für die eingeführte Ware nach Abs. 1 zu bemessen.

Für die rechtliche Beurteilung, ob die Einfuhrumsatzsteuer nach dem Entgelt oder nach dem Zollwert zu bestimmen ist, ist einzig und allein entscheidend, ob die Ware einem Wertzoll unterliegt. Das streitgegenständliche Fahrzeug unterlag - was die belangte Behörde grundsätzlich verkennt -, keinem Wertzoll, sondern wurde als Ursprungserzeugnis der Europäischen Gemeinschaft zollfrei eingeführt. Es ist daher die Feststellung unerläßlich, ob ein "dem Lieferer geschuldetes Entgelt" vorliegt und ob dessen Höhe feststellbar ist. Die belangte Behörde traf die Feststellung, daß ein "höheres", also nicht feststellbares Entgelt vereinbart worden sei, weil ein "erheblicher" Wertunterschied zwischen dem zur Verzollung vorgelegten Kaufvertrag und dem Gutachten festgestellt wurde. Als Beweisergebnisse lagen dafür jenes Gutachten vom 22. September 1989 einerseits, die Rechnung, das Gutachten Z., die Vernehmung des geschäftsführenden Gesellschafters der Beschwerdeführerin als Verdächtigen im Strafverfahren, die Vernehmung der Buchhalterin der Beschwerdeführerin im Strafverfahren sowie Buchhaltungsunterlagen andererseits vor. Einziges Argument der Beweiswürdigung der belangten Behörde, warum sie das Entgelt nicht feststellen konnte, ist der als "erheblich" qualifizierte Wertunterschied zwischen dem Rechnungsbetrag und der Schätzung.

Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines angefochtenen Bescheides beeinhaltet u.a. die Aufgabe, zu prüfen, ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen der belangten Behörde schlüssig sind, d.h. ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Der Verwaltungsgerichtshof kann die Beweiswürdigung der Behörde nicht auf die Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit prüfen. Für eine schlüssige Beweiswürdigung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen möglichen Ereignissen eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewißheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen läßt. Es obliegt dem Verwaltungsgerichtshof in den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangte, insbesondere zu prüfen, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustandegekommen sind (hg. Erkenntnis vom 25. April 1996, Zl. 95/16/0244).

Die vorliegende Beweiswürdigung kann der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung nicht standhalten. Ein Beweisergebnis dahingehend, daß nicht der Preis von DM 10.000,-- vereinbart worden sei, liegt nicht unmittelbar vor. Die Schlußfolgerung, daß in Fällen, in denen der angeblich vereinbarte Preis gegenüber dem wahren Wert um rund 30 % zurückbleibt, dieser Preis nicht vereinbart worden sei, ist keinesfalls zwingend. Abgesehen davon, daß die Parteien des Kaufgeschäftes zivilrechtlich völlig freie Hand in der Preisgestaltung haben, liegt hier kein Markt- oder Börsepreis vor, bei dem eine derartige Abweichung tatsächlich zu Zweifel Anlaß bieten könnte. Bei einem unfallgeschädigten Gebrauchtfahrzeug erscheint eine punktgenaue Bewertung überhaupt ausgeschlossen. Ob die vorliegende Abweichung "erheblich" ist, muß auch anhand der absoluten Zahlen gesehen werden: Sollte das Fahrzeug S 91.390,-- wert sein, so ist eine Preisvereinbarung von S 70.300,-- keineswegs so ungewöhnlich, daß allein deswegen diese Differenz - unter Außerachtlassung aller übrigen Beweisergebnisse - zwingend darauf schließen läßt, daß ein anderer, nicht feststellbarer Preis vorläge.

Die belangte Behörde hat sich mit den entgegenstehenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt, aber auch keine weitere Beweisaufnahme - etwa durch Befragung des Verkäufers - vorgenommen. Die allein zugrundegelegte Schlußfolgerung ist aber logisch nicht haltbar, sodaß die Feststellung, es sei ein höherer Preis vereinbart worden, nicht durch eine den oben genannten Kriterien entsprechende Beweiswürdigung gedeckt ist.

Durch diese unschlüssige Beweiswürdigung belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995160181.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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