Entscheidungsdatum
11.03.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W271 2144103-1/13E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Beisitzerin und den Richter Mag. Eduard Hartwig PAULUS als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der Schienen-Control Kommission vom XXXX , GZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Die Schienen-Control Kommission (im Folgenden: "belangte Behörde") forderte die XXXX (im Folgenden: "Beschwerdeführerin") mit Schreiben vom XXXX auf, für den Zeitraum ab XXXX einen neuen Pünktlichkeitsgrad (iZm Entschädigungen nach dem EisbBFG) mitzuteilen.
2. Die nunmehrige Beschwerdeführerin gab am XXXX neuerlich einen Pünktlichkeitsgrad von XXXX % bekannt. Sie wies darauf hin, dass dies auch dem Pünktlichkeitsgrad der XXXX entspreche und gab die weiteren Modalitäten für die Berechnung der Pünktlichkeit von Zügen bekannt.
3. Mit Schreiben vom XXXX gab die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Einleitung eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens gemäß § 78b EisbG bekannt. Der Pünktlichkeitsgrad in Höhe von weiterhin nur XXXX % entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 4 Abs. 1 EisbBFG. Die belangte Behörde ersuchte die Beschwerdeführerin um Neuvorlage eines höheren Pünktlichkeitsgrades.
4. Am XXXX gab die Beschwerdeführerin eine ausführliche Stellungnahme ab. Sie vertrat die Ansicht, dass keine Notwendigkeit zur Vorlage eines höheren Pünktlichkeitsgrades bestehe, weil der aktuell bekannt gegebene Grad iHv XXXX gesetzeskonform und insbesondere iSd § 4 Abs. 1 Z 2 EisbBFG weder unzumutbar, noch unangemessen sei.
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , GZ. XXXX , erklärte die belangte Behörde im Spruchpunkt 1) die - damals geltenden - im Folgenden durchgestrichenen Bestimmungen der " XXXX " (gültig ab XXXX - letzte Änderung am XXXX - gültig mit XXXX , vgl. Bescheid, Seite 12) für unwirksam:
"1. Allgemeines
[...]
Die XXXX verpflichtet sich einen durchschnittlichen Pünktlichkeitsgrad von XXXX % zu erreichen.
3. Fahrpreisentschädigung für Verspätungen
d. Entschädigung bei Zeitkarten
i. Jahreskarten
[...]
Der Pünktlichkeitsgrad beträgt im gesamten Jahr XXXX %.
[...]"
Darüber hinaus trug die belangte Behörde der Beschwerdeführerin in den Spruchpunkten 2) bis 4) Folgendes auf:
"2) Die XXXX hat die im Punkt 1) für unwirksam erklärten Bestimmungen binnen 5 Arbeitstagen ab Zustellung dieses Bescheides insbesondere aus den auf ihrer Internetseite abrufbaren Informationen und den Entschädigungsbedingungen zu entfernen.
3) Die XXXX hat es ab Zustellung dieses Bescheides zu unterlassen, sich gegenüber den Fahrgästen auf die im Punkt 1) für unwirksam erklärte Bestimmung zu berufen.
4) Die XXXX hat bis XXXX einen neuen höheren Pünktlichkeitsgrad zu veröffentlichen. Der neue Pünktlichkeitsgrad hat § 4 Abs. 1 Ziffer 2 EisbBFG zu entsprechen, die Höhe des festgelegten Pünktlichkeitsgrades darf für die Fahrgäste nicht unangemessen und unzumutbar sein und der Pünktlichkeitsgrad muss für sämtliche von der XXXX angebotenen oder akzeptierten Jahreskarten gelten."
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung zusammengefasst damit, dass die für unwirksam erklärten Bestimmungen der Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX keine angemessene Entschädigung für Besitzer von Jahreskarten bei wiederholten Verspätungen und Zugsausfällen gewähren würden, weil für diese Fahrgäste bei der Auslegung bzw. Interpretation nach Zusammenhang und Ziel der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 bzw. des EisbBFG ein Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX % gemäß Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 bzw. § 4 Abs. 1 Z 2 EisbBFG unangemessen und unzumutbar sei.
In die Beurteilung der belangten Behörde zur Unangemessen- und Unzumutbarkeit floss ein, dass die Beschwerdeführerin nur bei massiven Qualitätseinbußen durch Überschreiten des Pünktlichkeitswertes von XXXX Minuten (tatsächlich XXXX Minuten XXXX Sekunden) bei mehr als XXXX % aller Züge Entschädigungsleistungen gewähre, wobei ausgefallene Züge entgegen der klaren gesetzlichen Vorschriften überhaupt keine Berücksichtigung finden würden; sämtliche Verspätungen bis XXXX Minuten für jeden angebotenen Zug würden hingegen als pünktlich gezählt werden. Die Beschwerdeführerin habe bereits ab XXXX den Minutenschwellenwert von XXXX Minuten und XXXX Sekunden auf größer XXXX Minuten angehoben, wodurch ursprünglich als unpünktlich gewertete Züge nun als pünktliche Züge anerkannt werden würden. Durch Verspätungen oder Zugsausfälle versäumte Anschlussverbindungen der Mitbewerber an den von der Beschwerdeführerin bedienten Halten würden ebenfalls nicht bei der Pünktlichkeitsmessung erfasst werden.
Außerdem habe die Beschwerdeführerin zuletzt einen Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX % vorgegeben, aber tatsächlich im Jahr XXXX gemäß Daten der XXXX einen Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX % erreicht. Dies bedeute eine Differenz von 7 Prozentpunkten zwischen der Vorgabe und dem erreichten Ergebnis. Bei der Beschwerdeführerin seien zudem keine durch ausländische Bahnunternehmen verursachte Verspätungsursachen relevant, weil diese lediglich auf nationalen Trassen fahre. Weiters unterteile die Beschwerdeführerin ihre Strecke nicht in die von der XXXX vorgegebenen Streckenabschnitte, sondern ziehe die für den Fahrgast ungünstigere Gesamtstrecke XXXX für die Messung heran. Dadurch würden einzelne unpünktlichere Streckenabschnitte durch pünktlichere Streckenabschnitte wieder ausgeglichen und das Unterschreiten des vorgegebenen Pünktlichkeitsgrades erschwert werden. Diese Berechnungsmethode sei besonders für die Inhaber der XXXX nachteilig, für die mangels eigener Regelungen - entgegen § 4 Abs. 1 Z 1 EisbBFG - ebenfalls der Pünktlichkeitsgrad für die Gesamtstrecke gelte, obwohl diese Jahreskarten nur für bestimmte Teilstrecken gelten würden.
6. Mit Eingabe vom XXXX gab die Beschwerdeführerin der belangten Behörde Änderungen betreffend ihre Entschädigungsbedingungen bekannt und übermittelte die neuen " XXXX " (gültig ab XXXX - letzte Änderung am XXXX - gültig mit XXXX ).
7. Die Beschwerdeführerin erhob am XXXX gegen die Entscheidung vom XXXX Beschwerde in vollem Umfang. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben; in eventu in der Sache selbst zu entscheiden; in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Zugleich wurde angeregt, einen Antrag auf Aufhebung des § 4 Abs. 1 Z 2 EisbBFG wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Die Beschwerdeführerin stützte ihre Beschwerde zunächst darauf, dass § 4 EisbBFG auf Jahreskarten (damit könnte nur eine konkrete Strecke benützt werden), jedoch nicht auf Jahresnetzkarten (diese würden für das gesamte Streckennetz gelten) zur Anwendung gelange. Demnach sei für Jahresnetzkarten eine Entschädigung nach § 5 EisbBFG, der eine angemessene Entschädigung fordere, zu zahlen. Dies sei eindeutig auch aus den Entschädigungsbedingungen der XXXX ersichtlich, die für ihre Jahresnetzkarte (= " XXXX ") ebenfalls keine den relativ umfassenden Vorgaben des § 4 EisbBFG entsprechende Fahrpreisentschädigung zur Auszahlung bringe und sich nicht an einem Pünktlichkeitsgrad messen lasse. Eine Subsumierung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes unter § 5 EisbBFG führe jedenfalls zu dem Ergebnis, dass die Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin rechtskonform seien. Insgesamt verstoße die belangte Behörde, indem sie § 4 EisbBFG anwende, gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger, das auch für juristische Personen gelte.
Sie vertrat die Ansicht, dass - sollte das Bundesverwaltungsgericht wider Erwarten zur Ansicht gelangen, dass § 4 EisbBFG anwendbar sei - die belangte Behörde den im Vorort- und Regionalverkehr gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 EisbBFG zwingenden Pünktlichkeitsgrad iHv 95% keinesfalls auch als Gradmesser für einen rechtskonformen Pünktlichkeitsgrad im Fernverkehr annehmen hätte dürfen, der für die Beschwerdeführerin gerade nicht rechtsverbindlich sei. Es handle sich bei den Themenkreisen "Vorort- und Regionalverkehr" und "Fernverkehr" um völlig unterschiedliche Sachverhalte, die auch in rechtlicher Hinsicht zu differenzieren seien: Zugleistungen im Vorort- und Regionalverkehr seien von einer außerordentlich hohen Pünktlichkeit geprägt, weil eine nicht vergleichbare Vielzahl an Verbindungen einen dichten Takt ermöglichen würden und sich so eine Verspätung problemlos wieder ausgleichen lassen würde. Im Fernverkehr hingegen müssten relativ wenige Verbindungen eine lange Distanz zurücklegen und einzelne Verspätungen würden logischerweise mehr ins Gewicht fallen. Daher müsste ein niedrigerer Pünktlichkeitsgrad für den Fernverkehr gelten. Aus dem Gesagten ergebe sich, dass die belangte Behörde gegen das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verstoße.
In weiterer Folge monierte die Beschwerdeführerin den unbestimmten Gesetzesbegriff in der Formulierung des § 4 Abs. 1 Z 2 EisbBFG (ein Pünktlichkeitsgrad dürfe "nicht unangemessen und unzumutbar" sein). Es handle sich dabei um eine Wertungsentscheidung, die der belangten Behörde eine erhöhte Begründungspflicht, etwa durch Gegenüberstellung der für und gegen die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, abverlange. Diese habe sich jedoch lediglich mit einseitigen Argumenten auseinandergesetzt. Auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden könne nicht beurteilt werden, was im Einzelfall rechtens sei, weshalb die Regelung die rechtsstaatlichen Erfordernisse verletzte und dazu führe, dass sich die belangte Behörde auf ein verfassungswidriges Gesetz gestützt habe.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätten darüber hinaus Verzögerungen bis zu konkret XXXX Minuten im Eisenbahnverkehr keine Maßgeblichkeit und seien somit keine Verspätungen (mit Hinweis auf die Erläuterungen zum Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnförderung und die Fahrgastrechte erlassen und das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird). In diesem Sinne habe eine Einberechnung solcher Verzögerungen in den Pünktlichkeitswert nicht zu erfolgen; alleine Züge mit mehr als XXXX Minuten Verspätung seien einzubeziehen.
Zwar biete die Beschwerdeführerin keinen grenzüberschreitenden Personenzugverkehr an, Verspätungen würden aber im nationalen wie internationalen Fernverkehr hauptsächlich aus externen Ereignissen oder durch Mängel an der Infrastruktur resultieren. Der Grenzübertritt spiele daher bei den Verspätungssachen nur eine untergeordnete Rolle. Das überdurchschnittliche Pünktlichkeitsniveau der Beschwerdeführerin erlange diese gerade nicht durch den fehlenden grenzüberschreitenden Fernverkehr, sondern vielmehr durch ein ausgeprägtes Qualitätsmanagement. Es sei nicht einzusehen, weshalb eine gute Produktionsleistung bestraft werden sollte.
Ein Pünktlichkeitsgrad 7% unter dem Vorjahreswert könne ebenfalls nicht dazu führen, an der Gesetzesmäßigkeit des bekannt gegebenen Pünktlichkeitsgrades zu zweifeln. Dies würde gleichfalls eine Bestrafung für Unternehmen, die ein überdurchschnittlich hohes Pünktlichkeitsniveau erreichen, bedeuten. Die Pünktlichkeitsstatistik der Beschwerdeführerin aus dem Jahr XXXX sei zudem nicht repräsentativ für alle zukünftigen Perioden. Auch fehlende Entschädigungsfälle und keine ausbezahlten Entschädigungen - bedingt durch eine hohe Produktionsleistung - dürften nicht zu einem Nachteil gereichen.
Die von der belangten Behörde geforderte Unterteilung des Streckennetzes sei jedenfalls weder zielführend, noch geboten, als sich der Bescheid nur auf Jahresnetzkarten beziehe, die zur Fahrt auf dem gesamten Streckennetz berechtigen würden. Im Übrigen gehe nicht aus § 4 Abs. 1 Z 2 EisbBFG hervor, dass für Jahreskarten, die nur auf einer Teilstrecke gelten würden, ein separater Pünktlichkeitsgrad nur für diese Teilstrecke festgelegt werden müsse.
Abschließend verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass der Sachverhalt ergänzungsbedürftig sei: So habe die belangte Behörde nicht die Unterschiede zwischen Fernverkehr sowie Vorort- und Regionalverkehr umfassend ermittelt. Auch seien jedwede Ermittlungstätigkeit in Bezug auf § 5 EisbBFG unterlassen worden. Bei vollständiger Ermittlung der entscheidungswesentlichen Tatsachen hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass der Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX jedenfalls den Bestimmungen des EisbBFG entsprechen würde.
8. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom XXXX , eingelangt am XXXX , vorgelegt.
9. Mit Schriftsatz vom XXXX gab die Beschwerdeführerin bekannt, auf die Einvernahme der in der Beschwerde beantragten Zeugen XXXX und XXXX zu verzichten (vgl. auch Verhandlungsprotokoll, Seiten 2 und 11).
10. Am XXXX fand in der Angelegenheit eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. In der Verhandlung wurden mit den Parteien die aktuelle Sach- und Rechtslage erörtert. Die Beschwerdeführerin gab an, die Entschädigungsbedingungen inzwischen mehrfach novelliert zu haben, wobei jede noch so kleine Änderung und Umformulierung gemeldet werde.
II. Feststellungen
1. Beschwerdeführerin und ihr Jahres(netz)karten-Angebot
Die Beschwerdeführerin ist ein österreichisches Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in XXXX und betreibt einen Eisenbahnpersonenverkehr auf der Strecke XXXX mit mehreren Zwischenhalten. Sie bietet zwei Arten von Jahreskarten an:
- Die XXXX , die für eine Teilstrecke gilt.
o Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung waren das folgende Strecken: XXXX .
o Inzwischen werden die Strecken " XXXX " und " XXXX " nicht mehr angeboten, dafür kam die Strecke " XXXX " hinzu. Damit wird die XXXX aktuell für folgende Strecken angeboten: XXXX .
- Die XXXX bzw. XXXX , die für das gesamte Streckennetz benutzt werden kann.
2. Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin
2.1. Die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am XXXX geltenden Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin, deren Verwendung die belangte mit dem angefochtenen Bescheid teilweise untersagt hat (vgl. Pkt. I.5.), lauteten auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen hinzugefügt):
" XXXX (gültig ab XXXX - letzte Änderung am XXXX - gültig mit XXXX )
[...]
1. Allgemeines
Die XXXX (folgend kurz " XXXX ") verpflichtet sich, bei ihren Zügen ein besonders hohes Maß an Pünktlichkeit zu erreichen. Demnach sind Züge dann verspätet, wenn Sie mehr als 5 Minuten Verspätung gegenüber dem aktuell gültigen Fahrplan aufweisen. Fällt ein Zug aus, wird die Zeit bis zum nächsten planmäßigen Zug als Verspätung gerechnet. Die XXXX verpflichtet sich einen durchschnittlichen Pünktlichkeitsgrad von XXXX % zu erreichen.
[...]
3. Fahrpreisentschädigung für Verspätungen
[...]
d. Entschädigung bei Zeitkarten
i. Jahreskarten
Fahrgäste die über eine Jahresnetzkarte der XXXX bzw. der XXXX oder über eine Jahreskarte des XXXX verfügen, haben einen Anspruch auf Fahrpreisentschädigung bei wiederholten Zugsverspätungen oder Zugsausfällen nach Maßgabe folgender Modalitäten:
Der Pünktlichkeitsgrad beträgt im gesamten Jahr XXXX %. Wird dieser Wert in einem Gültigkeitsmonat der Jahreskarte unterschritten, hat der Fahrgast Anspruch auf eine Entschädigung. Fallen Monate unter die Pünktlichkeitsgrenze, gebührt für diese eine Entschädigung in Höhe von XXXX % des Wertes für einen Monat der Jahreskarte für den Anteil der auf die XXXX fallende Strecke.
Die Gutschrift für Jahresnetzkarten der XXXX bzw. der XXXX wird automatisch nach Ablauf der Gültigkeit in einem Zeitraum von 2 Wochen auf die Jahreskarte gebucht. Diese fungiert dann als Gutschein und kann für Leistungen der XXXX eingelöst werden. Auf Wunsch des Fahrgastes erfolgt die Entschädigung auch in Form eines Geldbetrages.
Die Entschädigung für Jahreskarten des XXXX erfolgt nach den gesetzlichen Bestimmungen.
[...]"
2.2. Die zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am XXXX geltenden Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin lauteten auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen hinzugefügt):
" XXXX (gültig ab XXXX - letzte Änderung am XXXX - gültig mit XXXX )
[...]
1. Allgemeines
Die XXXX (folgend kurz " XXXX ") verpflichtet sich, bei ihren Zügen ein besonders hohes Maß an Pünktlichkeit zu erreichen. Demnach sind Züge dann verspätet, wenn Sie mehr als XXXX Minuten Verspätung gegenüber dem aktuell gültigen Fahrplan aufweisen. Fällt ein Zug aus, wird die Zeit bis zum nächsten planmäßigen Zug als Verspätung gerechnet. Die XXXX verpflichtet sich einen durchschnittlichen Pünktlichkeitsgrad von XXXX % zu erreichen.
[...]
3. Fahrpreisentschädigung für Verspätungen
[...]
d. Entschädigung bei Zeitkarten
i. Jahreskarten
Fahrgäste die über eine Jahresnetzkarte der XXXX bzw. der XXXX oder über eine Jahreskarte des XXXX verfügen, haben einen Anspruch auf Fahrpreisentschädigung bei wiederholten Zugsverspätungen oder Zugsausfällen nach Maßgabe folgender Modalitäten:
Der Pünktlichkeitsgrad beträgt im gesamten Jahr XXXX %. Wird dieser Wert in einem Gültigkeitsmonat der Jahreskarte unterschritten, hat der Fahrgast Anspruch auf eine Entschädigung. Fallen Monate unter die Pünktlichkeitsgrenze, gebührt für diese eine Entschädigung in Höhe von XXXX % des Wertes für einen Monat der Jahreskarte für den Anteil der auf die XXXX fallende Strecke.
Die Gutschrift für Jahresnetzkarten der XXXX bzw. der XXXX wird automatisch nach Ablauf der Gültigkeit in einem Zeitraum von 2 Wochen auf die Jahreskarte gebucht. Diese fungiert dann als Gutschein und kann für Leistungen der XXXX eingelöst werden. Auf Wunsch des Fahrgastes erfolgt die Entschädigung auch in Form eines Geldbetrages.
Die Entschädigung für Jahreskarten des XXXX erfolgt nach den gesetzlichen Bestimmungen.
[...]"
2.3. Die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin lauten auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen hinzugefügt):
" XXXX (gültig ab XXXX - letzte Änderung am XXXX - gültig mit XXXX )
[...]
1. Allgemeines
Die XXXX (folgend kurz " XXXX ") verpflichtet sich, bei ihren Zügen ein besonders hohes Maß an Pünktlichkeit zu erreichen. Demnach sind Züge dann verspätet, wenn Sie mehr als 5 Minuten Verspätung gegenüber dem aktuell gültigen Fahrplan aufweisen. Fällt ein Zug aus, wird die Zeit bis zum nächsten planmäßigen Zug als Verspätung gerechnet. Die XXXX verpflichtet sich einen durchschnittlichen Pünktlichkeitsgrad von XXXX % zu erreichen.
[...]
3. Fahrpreisentschädigung für Verspätungen
[...]
d. Entschädigung bei Zeitkarten
i. Jahreskarten
Fahrgäste die über eine Jahresnetzkarte der XXXX oder über eine Jahreskarte des XXXX verfügen, haben einen Anspruch auf Fahrpreisentschädigung bei wiederholten Zugsverspätungen oder Zugsausfällen nach Maßgabe folgender Modalitäten:
Der Pünktlichkeitsgrad beträgt im gesamten Jahr XXXX %. Wird dieser Wert in einem Gültigkeitsmonat der Jahreskarte unterschritten, hat der Fahrgast Anspruch auf eine Entschädigung. Fallen Monate unter die Pünktlichkeitsgrenze, gebührt für diese eine Entschädigung in Höhe von XXXX % des Wertes für einen Monat der Jahreskarte für den Anteil der auf die XXXX fallende Strecke.
Die Gutschrift für Jahresnetzkarten der XXXX wird automatisch nach Ablauf der Gültigkeit in einem Zeitraum von 4 Wochen auf die Jahreskarte gebucht. Diese fungiert dann als Gutschein und kann für Leistungen der XXXX eingelöst werden. Auf Wunsch des Fahrgastes erfolgt die Entschädigung auch in Form eines Geldbetrages.
Die Entschädigung für Jahreskarten des XXXX erfolgt nach den gesetzlichen Bestimmungen.
[...]"
2.4. Die Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin wurden nach der mündlichen Verhandlung neuerlich verändert (nunmehr: "gültig ab XXXX - letzte Änderung am XXXX - gültig mit XXXX "). Die Beschwerdeführerin unterscheidet darin nunmehr zwischen Jahresnetzkarten und 365-Tage-Karten; der angegebene Pünktlichkeitsgrad beläuft sich weiterhin auf XXXX %.
2.5. Derzeit ist zwischen der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin ein weiteres Verfahren betreffend eine im Vergleich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung spätere Version der Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin anhängig, in dem neben dem Pünktlichkeitsgrad noch weitere Bestimmungen der Entschädigungsbedingungen behandelt werden.
III. Beweiswürdigung
1. Ad Beschwerdeführerin und ihr Jahres(netz)karten-Angebot
Es ist gerichtsbekannt und unbestritten, dass die Beschwerdeführerin ein Eisenbahnverkehrsunternehmen mit einem Schienenpersonenverkehr zwischen XXXX ist. Das ergibt sich zudem aus der von der belangten Behörde veröffentlichten Liste von Bahnen in Österreich (https://www.schienencontrol.gv.at/de/
einsenbahnunternehmen.html).
Die Arten von Jahres(netz)karten, welche die Beschwerdeführerin aktuell zum Verkauf anbietet, sind ihrer Website zu entnehmen ( XXXX ), jene zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung den Website-Screenshots auf Seite 11 des angefochtenen Bescheides. Diese Informationen, insbesondere die Änderungen bei den von den Zügen der Beschwerdeführerin angefahrenen Teilstrecken, können zudem den Parteieneinvernahmen in der Beschwerdeverhandlung entnommen werden (Verhandlungsprotokoll, Seite 10).
2. Ad Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin
Die Auszüge aus den Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX bzw. mit Gültigkeit vom XXXX gründen auf den im Behördenakt befindlichen " XXXX " (AS 20 ff und AS 61 ff). Die Entschädigungsbedienungen mit Gültigkeit vom XXXX und vom XXXX wurden durch Einsicht in die Homepage der Beschwerdeführerin ermittelt, wo jeweils die aktuell geltenden Entschädigungsbedingungen veröffentlicht werden ( XXXX ).
In der mündlichen Verhandlung gaben die Parteien bekannt, dass ein weiteres Verfahren betreffend die Entschädigungsbedingungen der Beschwerdeführerin anhängig ist und klärten auf, dass die belangte Behörde mehr Gesichtspunkte als nur den Pünktlichkeitsgrad überprüft.
IV. Rechtliche Beurteilung
1. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, "[s]ofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist". Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 84 Abs. 8 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG), BGBl. Nr. 60/1957, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die Schienen-Control Kommission belangte Behörde ist (§ 9 Abs. 2 VwGVG), durch Senat. Im gegenständlichen Fall richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid der Schienen-Control Kommission, die auch belangte Behörde im vorgenannten Sinne ist. Es besteht daher Senatszuständigkeit.
Zu A)
2. Gesetzliche Grundlagen
2.1. Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen des Bundesgesetzes über Eisenbahnen, Schienenfahrzeuge auf Eisenbahnen und den Verkehr auf Eisenbahnen (Eisenbahngesetz 1957 - EisbG), StF: BGBl. Nr. 60/1957 idgF, lauten:
"Tarif, Fahrplan
§ 22. (1) Ein Eisenbahnunternehmen, das Eisenbahnverkehrsdienste im Personenverkehr auf öffentlichen Eisenbahnen erbringt, hat diesen bedarfsgerecht und wirtschaftlich zumutbar auf Grund von Tarifen und Fahrplänen anzubieten. Eisenbahnverkehrsunternehmen haben die Fahrpläne auf Basis des von der Zuweisungsstelle erstellten Netzfahrplanes zu erstellen. Im Übrigen sind auf Eisenbahnunternehmen, die Eisenbahnverkehrsdienste auf Haupt- oder Nebenbahnen erbringen, die Bestimmungen des Eisenbahnbeförderungsrechtes anzuwenden.
(2) Eisenbahnunternehmen, die Eisenbahnverkehrsdienste im öffentlichen Personenverkehr auf öffentlichen Eisenbahnen erbringen, haben die Tarife und Fahrpläne unter Einbeziehung der durchgehenden Verbindungen gemäß § 23 rechtzeitig vor ihrem In-Kraft-Treten und auf Kosten des jeweiligen Eisenbahnunternehmens zu veröffentlichen.
[...]"
"Tarife samt Bedingungen
§ 22a. Die Tarife für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten im Personenverkehr auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen haben die Beförderungsbedingungen einschließlich der Entschädigungsbedingungen insbesondere gemäß dem Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz (EisbBFG), BGBl. I Nr. 40/2013, und der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl. Nr. L 315 vom 03.12.2007 S 14, zu enthalten."
"Bekanntgabe der Beförderungsbedingungen an die Schienen-Control GmbH
§ 22b. (1) Die Eisenbahnunternehmen haben die Beförderungsbedingungen, einschließlich der Entschädigungsbedingungen, für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten im Personenverkehr auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen vor deren Veröffentlichung der Schienen-Control GmbH bekannt zu geben. [...]"
"Aufgaben der Schienen-Control GmbH
§ 77. [...]
(2) Im Rahmen der Geschäftsführung für die Schienen-Control Kommission hat die Schienen-Control GmbH dieser alle vorlagepflichtigen Akte zur Kenntnis zu bringen.
[...]"
"Unwirksamkeitserklärung durch die Schienen-Control Kommission
§ 78b. (1) Die Schienen-Control Kommission hat von Amts wegen Beförderungsbedingungen, einschließlich der Entschädigungsbedingungen, für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, wenn sie gegen bundesrechtliche, unmittelbar anzuwendende unionsrechtliche oder völkerrechtliche Rechtsvorschriften verstoßen.
(2) Die Schienen-Control Kommission hat bei der Unwirksamkeitserklärung gleichzeitig auszusprechen, ab welchem Zeitpunkt welche Bestimmungen neu zu regeln sind. Zugleich mit der gänzlichen oder teilweisen Unwirksamkeitserklärung hat die Schienen-Control Kommission dem Eisenbahnunternehmen oder der Verkehrsverbundorganisationsgesellschaft zu untersagen, die für unwirksam erklärten Bestimmungen zu verwenden und sich auf sie zu berufen. Weiters kann die Schienen-Control Kommission die Modalitäten zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes auftragen."
"Verfahrensvorschrift
§ 84. (1) [...]
(5) Beschwerden gegen Bescheide der Schienen-Control Kommission, die gemäß §§ 57, 57c, 72, 73, 74 und, soweit ein Zusammenhang mit diesen Bestimmungen besteht, auch gemäß § 81 Abs. 2 erlassenen wurden, haben abweichend vom § 13 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht kann jedoch die aufschiebende Wirkung der Beschwerde mit Beschluss zuerkennen, wenn nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides oder mit der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung für den Beschwerdeführer ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden verbunden wäre und der Beschwerdeführer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in der Beschwerde beantragt hat. Diesfalls hat die Schienen-Control Kommission dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Schienen-Control Kommission, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
(6) [...]"
2.2. Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen des Bundesgesetzes über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte (Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz - EisbBFG), StF: BGBl. I Nr. 40/2013 idgF, lauten:
"Fahrpreisentschädigungen Jahreskarten
§ 4. (1) Fahrgäste, die über eine Jahreskarte verfügen, und denen während deren Geltungsdauer wiederholt Zugverspätungen oder Zugausfälle widerfahren, haben Anspruch auf eine Entschädigung. Für eine Jahreskarte kann nur einmal eine Entschädigung beansprucht werden, wobei bei übertragbaren Jahreskarten die Angaben der Person maßgeblich sind, welche die Jahreskarte erwarb.
Nachstehende Modalitäten sind dabei einzuhalten:
1. Die Jahreskarte muss zu Beförderungen auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen berechtigen und die Inanspruchnahme der konkret benützten Strecke muss von der Person, welche die Jahreskarte erwarb, bestätigt werden.
2. Die vom Eisenbahnunternehmen vorgegebenen Modalitäten für die Fahrpreisentschädigung und die Höhe des Pünktlichkeitsgrades dürfen für die Fahrgäste nicht unangemessen und unzumutbar sein.
3. Bei Nichterreichen eines vom Eisenbahnunternehmen im Vorhinein bekanntzugebenden Pünktlichkeitsgrades erhalten Fahrgäste mit Jahreskarten einmal im Jahr zum Ende der Geltungsdauer unaufgefordert den sich aus Z 5 ergebenden Gesamtbetrag der Entschädigung. Die Entschädigung kann in Form von Gutscheinen erfolgen, auf Wunsch des Fahrgasts muss sie allerdings in Form eines Geldbetrages erfolgen. Die näheren Bestimmungen sind in den Beförderungsbedingungen festzulegen. Die Höhe des Pünktlichkeitsgrades hat für die Züge im Vorort- und Regionalverkehr mindestens 95% zu entsprechen.
4. Ob der Pünktlichkeitsgrad erreicht wird oder nicht, ist im Vorort- und Regionalverkehr jeweils pro Monat zu ermitteln.
5. Die Höhe der bei Nichterreichen des Pünktlichkeitsgrades zu gewährenden Entschädigung ist vom Eisenbahnunternehmen ebenfalls im Vorhinein bekanntzugeben. Die Entschädigung ist anteilig für jeden Monat, in dem der Pünktlichkeitsgrad nicht erreicht wurde, festzusetzen. Die Beträge haben mindestens 10% des rechnerisch auf diesen Monat entfallenden Fahrpreises des konkret auf diese Strecke entfallenden Bahnanteiles einer Jahreskarte zu betragen und sind jedenfalls auf 50 Cent Beträge auf- oder abzurunden, wobei Beträge von 1 bis 25 Cent sowie von 51 bis 75 Cent abgerundet und alle anderen Beträge aufgerundet werden.2. Die vom Eisenbahnunternehmen vorgegebenen Modalitäten für die Fahrpreisentschädigung und die Höhe des Pünktlichkeitsgrades dürfen für die Fahrgäste nicht unangemessen und unzumutbar sein. [...]
(4) Die Eisenbahnunternehmen haben auf ihrer Internetseite unentgeltlich die durchschnittliche monatliche Verspätung ihrer Züge im Personenverkehr auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen in der Form auszuweisen, dass es allen am Verfahren für die Fahrpreisentschädigung teilnehmenden Fahrgästen mit Jahreskarten grundsätzlich möglich ist, festzustellen, ob ein Anspruch auf Fahrpreisentschädigung besteht."
3. Mangelnde Beschwer der Beschwerdeführerin
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Revisionsverfahren (VwGH 26.04.2016, Ra 2016/03/0043; 27.11.2018, Ra 2018/02/0162) versteht der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Es besteht bei Revisionen nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG im objektiven Interesse des Revisionswerbers an einer Beseitigung der angefochtenen, ihn beschwerenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtes. Dieses Interesse ist daher immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen also nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen. Fehlt es schon im Zeitpunkt der Revisionserhebung am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, führt dies gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zu einer Zurückweisung der Revision.
Diese Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes zum Revisionsverfahren gelten auch für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).
Im Sinne der oben zitierten Judikatur geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde keine Beschwer der Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid vorlag:
Gemäß § 22 Abs. 1 erster Satz EisbG hat ein Eisenbahnunternehmen, das Eisenbahnverkehrsdienste im Personenverkehr auf öffentlichen Eisenbahnen erbringt, diesen bedarfsgerecht und wirtschaftlich zumutbar aufgrund von Tarifen und Fahrplänen anzubieten. Die Tarife für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten im Personenverkehr haben - so § 22a EisbG - die Beförderungsbedingungen und (als deren Bestandteil) auch die Entschädigungsbedingungen zu enthalten; mit der expliziten Nennung der Entschädigungsbedingungen soll aufgezeigt werden, dass es sich dabei um inhaltlich besondere Ansprüche auf Entschädigungen handelt (Cathrin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3, § 22, Anm 3). Rechtlich sind die Beförderungsbedingungen (einschließlich der Entschädigungsbedingungen) als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Eisenbahnunternehmen für ihre Beförderungsverträge mit den Fahrgästen einzustufen (Cathrin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3, § 22, Anm 5).
§ 22 Abs. 2 EisbG bestimmt, dass Tarife und Fahrpläne zu veröffentlichen sind. Vor deren Veröffentlichung haben die Eisenbahnunternehmen die Beförderungsbedingungen (einschließlich der Entschädigungsbedingungen) für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten im Personenverkehr gemäß § 22b Abs. 1 EisbG der Schienen-Control GmbH bekannt zu geben. Die Schienen-Control GmbH hat gemäß § 77 Abs. 2 EisbG im Rahmen der Geschäftsführung für die belangte Behörde dieser alle vorlagepflichtigen Akte - so also auch die Beförderungsbedingungen (einschließlich der Entschädigungsbedingungen) - zur Kenntnis zu bringen.
Gemäß § 78b Abs. 1 EisbG darf die belangte Behörde Beförderungsbedingungen (einschließlich der Entschädigungsbedingungen) für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr von Amts wegen ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, wenn sie gegen bundesrechtliche, unmittelbar anzuwendende unionsrechtliche oder völkerrechtliche Rechtsvorschriften verstoßen. Wenn ein solcher Verstoß vorliegt, sind die Beförderungsbedingungen (einschließlich der Entschädigungsbedingungen) jedoch jeweils nur in dem Maß für unwirksam zu erklären, das notwendig ist, um die Rechtswidrigkeit zu beseitigen (Cathrin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3, § 78b, Anm 4). Mit § 78b EisbG wurde vom Gesetzgeber eine "präventive Kontrolle" der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Eisenbahnunternehmen vor ihrer erstmaligen Verwendung angedacht, um Fahrgäste vor rechtswidrigen Inhalten zu schützen. Die Bestimmung ermöglicht aber auch eine "abstrakte Kontrolle" nach deren Veröffentlichung, d.h. ohne Zusammenhang zu einem konkreten Rechtsstreit, weil ihr Wortlaut die Kontrolle nicht auf eine Genehmigung vor der Veröffentlichung beschränkt (Reiter, Verfassungswidrige AGB-Kontrolle im Eisenbahnrecht, ecolex 2014, 124).
Die Vorgaben für die Ausgestaltung der Beförderungsbedingungen (einschließlich der Entschädigungsbedingungen) ergeben sich aus dem Eisenbahnbeförderungsrecht (EisbBFG und Verordnung [EG] Nr. 1371/2007). Bei den verfahrensgegenständlichen Bestimmungen der Entschädigungsbedingungen, welche die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid teilweise für unwirksam erklärt hat, handelt es sich um Verspätungsentschädigungsregelungen für Jahreskarten gemäß EisbBFG. Als solche unterliegen sie der Aufsicht der belangten Behörde gemäß § 78b EisbG.
Die belangte Behörde subsumiert die Jahreskarten der Beschwerdeführerin unter § 4 Abs. 1 EisbBFG. Die Beschwerdeführerin vertritt hingegen die Ansicht, es handle sich bei ihren - so genannten - Jahresnetzkarten, welche zur Benützung des gesamten Netzes der Beschwerdeführerin berechtigen (im Gegensatz zu Jahreskarten, die nur die Benützung einer konkreten Strecke erlauben würden) um sonstige "Zeitfahrkarten" nach § 5 EisbBFG. Damit ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht: Eine Jahreskarte berechtigt gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 EisbBFG "zu Beförderungen auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen"; zudem muss für die Geltendmachung einer Verspätungsentschädigung "die Inanspruchnahme der konkret benützten Strecke von der Person, welche die Jahreskarte erwarb, bestätigt werden". Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - dass Jahreskarten gerade keiner Einschränkung auf eine konkrete Strecke unterliegen. Wenn die Beschwerdeführerin daher von einer Jahresnetzkarte spricht, meint sie in der Sache eine Jahreskarte. Diese unterliegen dem § 4 EisbBFG.
Dieses Ergebnis findet auch im Wortlaut des § 5 EisbBFG Deckung, der von Fahrgästen spricht, die "eine andere Zeitfahrkarte" besitzen. Das Wort "andere", markiert eine Unterscheidung verschiedener Arten von Zeitfahrkarten. Das EisbBFG kennt nur "Jahreskarten" und "andere Zeitfahrkarten". Das zeigt, dass die Jahreskarte eine Spezialform der Zeitfahrkarte ist. Von den "anderen Zeitfahrkarten" unterscheidet sie sich aber lediglich durch ihre mit einem Jahr festgelegte Dauer (auch andere Zeitfahrkarten berechtigen gemäß Art. 3 Z 13 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 "für eine unbegrenzte Anzahl von Fahrten ... auf einer bestimmten Strecke oder in einem bestimmten Netz während eines festgelegten Zeitraums mit der Eisenbahn zu reisen").
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 EisbBFG müssen die Bahnunternehmen eine Pünktlichkeitsgarantie festlegen, die sie in jedem Monat erreichen müssen. Schaffen sie dies nicht, sind sie zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 EisbBFG von mindestens 10% verpflichtet. Der Pünktlichkeitsgrad ist durch das EisbBFG gesetzlich normiert und beträgt mindestens 95% für Züge im Vorort- und Regionalverkehr. Diese Regelung gilt jedoch nicht für Bahnunternehmen, die nur im Fernverkehr tätig sind. In diesen Fällen darf die Höhe des von den Bahnunternehmen selbst festgelegten Pünktlichkeitsgrades gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 EisbBFG für die Fahrgäste nicht unangemessen und unzumutbar sein. Nach § 4 Abs. 4 EisbBFG haben die Eisenbahnunternehmen auf ihrer Internetseite unentgeltlich die durchschnittliche monatliche Verspätung ihrer Züge im Personenverkehr auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen in der Form auszuweisen, dass es allen am Verfahren für die Fahrpreisentschädigung teilnehmenden Fahrgästen mit Jahreskarten grundsätzlich möglich ist, festzustellen, ob ein Anspruch auf Fahrpreisentschädigung besteht.
In dem von der belangten Behörde am XXXX eingeleiteten aufsichtsbehördlichen Verfahren gemäß § 78b EisbG wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, einen höheren als den am XXXX bekannt gegebenen Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX % vorzulegen, weil dieser Prozentsatz nach Ansicht der belangten Behörde gegen eine bundesrechtliche Norm, konkret gegen § 4 Abs. 1 Z 2 EisbBFG, verstoßen würde. Die Beschwerdeführerin lehnte jedoch die Festsetzung eines höheren Pünktlichkeitsgrades ab und hielt an ihren bisherigen Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX fest, von denen die belangte Behörde schließlich jene Teile, die einen Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX % angeordnet haben, mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX für unwirksam erklärte. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom XXXX .
Diese Beschwerde hatte aufschiebende Wirkung (§ 13 VwGVG). Die davon abweichende Bestimmung des § 84 Abs. 5 EisbG war gegenständlich nicht einschlägig, weil es sich nicht um Angelegenheiten nach den §§ 57, 57c, 72, 73 und 74 EisbG handelt und kein Zusammenhang zu diesen Bestimmungen gegeben ist.
Dennoch änderte die Beschwerdeführerin wenige Tage nach Zustellung des Bescheides ( XXXX ) am XXXX ihre Entschädigungsbedingungen. Dadurch wurden die Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX durch die Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX ersetzt. Im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am XXXX waren damit die Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX verlautbart und in Geltung, die einen Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX % vorgesehen haben.
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Zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung im XXXX kam eine Anwendung jener Bestimmungen der Entschädigungsbedingungen mit Wirksamkeit vom XXXX , die mit dem bekämpften Bescheid für unwirksam erklärt wurden, nicht mehr in Frage, weil an die Stelle der Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX die Entschädigungsbedingungen aus XXXX getreten sind. Eine allfällige Aufhebung der den Pünktlichkeitsgrad iHv XXXX für unwirksam erklärenden Entscheidung wäre für die Beschwerdeführerin ohne objektiven Nutzen gewesen, weil von ihr inzwischen neue Entschädigungsbedingungen veröffentlicht wurden, in denen sie sich nunmehr zur Einhaltung eines Pünktlichkeitsgrades iHv XXXX % verpflichtet hatte. Für eine Untersagung von Bestimmungen der Entschädigungsbedingungen mit Gültigkeit vom XXXX (etwa des Pünktlichkeitsgrades iHv XXXX %), die im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung anzuwenden waren, hätte ein eigenes aufsichtsbehördliches Verfahren für eine Unwirksamerklärung eröffnet werden müssen, was in weiterer Folge auch geschehen ist - das Verfahren ist nach wie vor anhängig.
Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Rechtsfragen besaßen damit im Zeitpunkt der Rechtsmittelerhebung insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung. Das Verwaltungsgericht ist jedoch zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides nicht berufen.
Die Beschwerdeführerin hat weder in ihrer Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dargelegt, warum sie dessen ungeachtet von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse ausgeht. Die Beschwerdeführerin gesteht vielmehr selbst zu, dass es für sie keinen Unterschied macht, ob der Pünktlichkeitsgrad XXXX % oder XXXX % betrage (Verhandlungsprotokoll, Seite 10: "Ob in den AGB XXXX % oder XXXX % steht, ist für uns im Grunde irrelevant."). Die Beschwerdeführerin räumt damit ein, dass keine Beschwer vorliegt. Vielmehr geht es ihr bloß um die (Festlegung der konkreten) Höhe des Pünktlichkeitsgrad (Verhandlungsprotokoll, Seite 10; vgl. auch Verhandlungsprotokoll, Seite 7: "Wir hielten es für wichtig, dass das Gericht einen Wert festlegt, welcher Pünktlichkeit angemessen ist."). Die Beschwerdeführerin wünscht damit die Klärung einer Frage, die nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Sache des gegenständlichen Verfahrens ist schließlich nicht die Festlegung eines konkreten Pünktlichkeitsgrades, sondern alleine die Frage, ob die belangte Behörde den Pünktlichkeitsgrad von XXXX % der damals geltenden AGB zu Recht für unzulässig erklärt hat. Die Klärung dieser Frage hat jedoch angesichts der vor Beschwerdeerhebung adaptierten Entschädigungsbedingungen nur mehr theoretische Bedeutung.
Somit war die Beschwerde wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nähme man an, dass die Beschwerdeführerin bei der Erhebung der Beschwerde noch beschwert war, ist ihr Rechtsschutzinteresse durch die mehrfach (wesentlich) novellierten Entschädigungsbedingungen und ihr verändertes Jahres(netz)karten- und Streckenangebot - was u.a. bei einer Gesamtbeurteilung, ob neben dem Pünktlichkeitsgrad auch die sonstigen Modalitäten der Entschädigung dem EisbBFG entsprechen, zu berücksichtigen wäre - nachträglich weggefallen. Einer späteren Verwendung eines Pünktlichkeitsgrades von XXXX % steht der angefochtene Bescheid, der sich auf nicht mehr verwendete AGB bezieht, nicht entgegen. Somit hätte auch in diesem Fall die Erreichung des Verfahrensziels für die Beschwerdeführerin keinen objektiven Nutzen mehr. Damit wäre die Beschwerde für gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Zu B)
4. Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Die vorliegende Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurückweisung von Beschwerden im Falle mangelnder Beschwer bei der Beschwerdeerhebung (vgl. Pkt. IV.3.).
Schlagworte
Aufsichtsbehörde Aufsichtsrecht Berechnung Entschädigung Gegenstandslosigkeit mangelnde Beschwer mündliche Verhandlung Rechtsschutzinteresse Verspätung Zeitkarte ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W271.2144103.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020