TE Lvwg Beschluss 2019/11/28 VGW-101/042/13222/2018-26

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
L50609 Hort Kindergarten Wien

Norm

B-VG Art. 18 Abs1
B-VG Art. 18 Abs2
B-VG Art. 83 Abs2
B-VG Art. 139 Abs1 Z1
B-VG Art. 140 Abs1 Z1
TagesbetreuungsG Wr 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 25/2019 §5 Z3
TagesbetreuungsV Wr 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 25/2019 §2
TagesbetreuungsV Wr 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 25/2019 §4
TagesbetreuungsV Wr 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 25/2019 §5

Text

A)

Das Verwaltungsgericht Wien stellt gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Angelegenheit der Beschwerde der C. e.U. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, vom 13.8.2018, Zl. ..., mit welchem der Antrag der Firma C. e.U. vom 30.1.2018 auf Genehmigung des Lehrplanes für den Ausbildungslehrgang "Kindergruppenbetreuungsperson und Tagesmütter oder Tagesväter" gemäß § 2 Abs. 2 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 (WTBVO 2016) abgewiesen wurde, den

A n t r a g,

(einfach)

die Bestimmung des § 5 Z 3 des Wiener Tagesbetreuungsgesetz 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 25/2019 als verfassungswidrig aufzuheben.

B)

Das Verwaltungsgericht Wien stellt gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Angelegenheit der Beschwerde der C. e.U. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, vom 13.8.2018, Zl. ..., mit welchem der Antrag der Firma C. e.U. vom 30.1.2018 auf Genehmigung des Lehrplanes für den Ausbildungslehrgang "Kindergruppenbetreuungsperson und Tagesmütter oder Tagesväter" gemäß § 2 Abs. 2 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 (WTBVO 2016) abgewiesen wurde, den

A n t r a g,

(einfach)

die Bestimmungen der §§ 2, 4 und 5 der Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 26/2019 als gesetz- bzw. verfassungswidrig aufzuheben.

B e g r ü n d u n g

I. maßgeblicher Sachverhalt und Verfahrensgang:

Herr Mag. A. B. ist der Inhaber des im Firmenbuch unter dem Namen C. e.U. eingetragenen Einzelunternehmens.

Am 30.1.2018 stellte die Firma C. e.U einen auf § 2 Abs. 2 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 gestützten Antrag auf Genehmigung des Lehrplanes für den Ausbildungslehrgang „Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter oder Tagesväter“. Die übermittelten Unterlagen enthielten eine Stundenübersicht, umfassende Angaben zum Lehrinhalt, eingehende Ausführungen zu den Rahmenbedingungen zur Organisation des Lehrganges und die Lebensläufe der in Aussicht genommenen Referentlnnen. Das Konzept unterschied sich nur in wenigen Punkten gegenüber den Unterlagen des ersten Verfahrens.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, vom 13.8.2018, Zl. ..., wurde dieser Antrag abgewiesen. Die Abweisung wurde damit begründet, dass von der belangten Behörde die Vorlage von „Lernskripten/Lernunterlagen der jeweiligen Ausbildungsbereiche, die den Auszubildenden ausgehändigt werden“ vom Beschwerdeführer nicht erfolgt sei. Daraus wurde die Nichtgenehmigbarkeit der beantragten Schulungseinrichtung gefolgert.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer form- und fristgerecht eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien ein.

Während der Anhängigkeit des gegenständlichen Verfahrens, wurden Novellen zum Wiener Tagesbetreuungsgesetz und zur Wiener Tagesbetreuungsverordnung erlassen. Ersteres wurde im Landesgesetzblatt für Wien am 9.5.2019, LGBl. Nr. 25/2019, zweiteres am 9.5.2019, LGBl. Nr. 26/2019, kundgemacht

II. Zu den Prozessvoraussetzungen:

Im gegenständlichen Fall wurde vom Antragsteller ein Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 eingebracht. Durch den gegenständlich beim Verwaltungsgericht Wien durch Beschwerde bekämpften, im Rahmen der Landesvollziehung ergangenen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien wurde dieser Antrag abgewiesen.

§ 130 Abs. 1 bis 3 B-VG lautet wie folgt:

„(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1.

gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2.

gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3.

wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4.

gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

(1a) Das Verwaltungsgericht des Bundes erkennt über die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Auskunftspersonen eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates nach Maßgabe des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

(2) Durch Bundes- oder Landesgesetz können sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über

1.

Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze oder

2.

Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens oder

3.

Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten

vorgesehen werden. In den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 dürfen Bundesgesetze gemäß Z 1 nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

(3) Außer in Verwaltungsstrafsachen und in den zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen gehörenden Rechtssachen liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat.“

Da der gegenständlich bekämpfte Bescheid in Vollziehung einer Durchführungsverordnung eines Wr. Landesgesetzes ergangen ist, ist mangels Erlassung eines Gesetzes, welches in der gegenständlichen Angelegenheit den Rechtszug zu einem anderen Gericht als das Verwaltungsgericht Wien normiert, das Verwaltungsgericht Wien zur Behandlung dieser Beschwerde örtlich und funktional zuständig.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 und 2 B-VG i.V.m. § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist daher das Verwaltungsgericht Wien zur Behandlung dieser Beschwerde zuständig.

Infolge der erfolgten Novellen LGBl. Nr. 25/2019 und LGBl. Nr. 26/2019 sind bei Zugrundelegung der impliziten Feststellung des Verfassungsgerichtshofs im Beschluss vom 3.10.2019, Zl. V 74/2018, zur meritorischen Behandlung der gegenständlichen Beschwerde die nunmehr in Geltung stehenden Bestimmungen des § 5 Z 3 Wiener Tagesbetreuungsgesetz 2016 i.V.m. den §§ 2, 4 und 5 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 anzuwenden.

Sohin sind die gegenständlich angefochtenen Bestimmungen für das vorliegende Beschwerdeverfahren präjudiziell.

Das antragstellende Verwaltungsgericht Wien ist als Gericht i.S.d. Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG einzustufen.

Im Hinblick auf die gegenständlichen Gesetzes- und Verordnungsprüfungsanträge liegen daher die Prozessvoraussetzungen vor.

In Entsprechung des § 62 Abs. 2 letzter Satz VfGG legt das Verwaltungsgericht Wien dar, welche Auswirkungen die allenfalls aufhebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs auf die beim Gericht anhängige Rechtssache haben würde:

Das gegenständliche Verfahren wurde aufgrund eines auf § 2 Abs. 2 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 40/2016 gestützten Antrags eingeleitet, und wurde durch den gegenständlich bekämpften Bescheid das Vorliegen der im § 2 Abs. 2 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 40/2016 normierten Genehmigungsvoraussetzungen verneint.

Im Falle der Aufhebung der gegenständlich angefochtenen Bestimmungen würde dem gegenständlichen Bewilligungsverfahren jegliche Rechtsgrundlage fehlen, sodass der Spruch des bekämpften Bescheids dahingehend abzuändern wäre, dass der gegenständliche, diesfalls auf keine Rechtsgrundlage stützbare Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird.

Die Voraussetzungen für die gegenständlichen Gesetzes- und Verordnungsprüfungsanträge liegen sohin vor.

III) Rechtliche Begründung des Gesetzesprüfungsantrages:

III.1) Rechtsquellen:

§ 5 Wiener Tagesbetreuungsgesetz in der geltenden Fassung LGBl. Nr. 25/2019 samt Überschrift lautet wie folgt:

„Regelungen für die Durchführung der Tagesbetreuung

§ 5. Die Landesregierung hat durch Verordnung Regelungen für die Durchführung der Tagesbetreuung zu erlassen. Diese haben Bestimmungen zu enthalten, die sicherstellen, dass die Tagesbetreuung nach anerkannten Erkenntnissen der Pädagogik erfolgt und Gewähr für eine bestmögliche Betreuung und Bildung der Tageskinder bietet.

(2) Die Verordnung hat insbesondere zu enthalten:

1.

für Tagesmütter/-väter: Bestimmungen über

a)

die persönliche Eignung,

b)

die erforderliche Aus- und Fortbildung,

c)

die Anforderungen an die Räumlichkeiten sowie

d)

die zulässige Höchstzahl der betreuten Tageskinder.

2.

für Kindergruppen: Bestimmungen über

a)

die persönliche Eignung der Rechtsträgerin oder des Rechtsträgers, deren Organe sowie Betreuungspersonen,

b)

die erforderliche Aus- und Fortbildung des Betreuungspersonals,

c)

die Anforderungen an die Räumlichkeiten,

d)

die zulässige Höchstzahl der Kinder in den Gruppen,

e)

das Verhältnis von Tageskinder- und Betreuerzahl sowie

f)

die pädagogischen Grundsätze.

3.

Voraussetzungen für die Genehmigung von Lehrplänen der Ausbildungslehrgänge für Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter/-väter.“

Die Präambel der Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 26/2019 lautet wie folgt:

„Auf Grund des § 5 des Gesetzes betreffend die Regelung der Betreuung von Tageskindern (Wiener Tagesbetreuungsgesetz – WTBG), LGBl. für Wien Nr. 73/2001, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. für Wien Nr. 12/2016, wird verordnet:“

§ 2 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 26/2019 samt Überschriften lautet wie folgt:

„Abschnitt 2

Ausbildungslehrgänge für Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter oder Tagesväter

Allgemeines und Voraussetzungen

§ 2. (1) Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter oder Tagesväter müssen vor Aufnahme ihrer Tätigkeit die Absolvierung einer Ausbildung gemäß § 4 nachweisen.

(2) Der Magistrat hat die von den Organisatorinnen oder Organisatoren der Lehrgänge vorgeschlagenen Lehrpläne bescheidmäßig zu genehmigen, wenn diese den vorgesehenen Ausbildungsbereichen und Unterrichtseinheiten gemäß § 4 entsprechen. Im Genehmigungsverfahren ist ein fachlich fundiertes Konzept (Curriculum) vorzulegen. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die vorgeschriebenen Mindestanforderungen nicht erfüllt werden bzw. wenn darüber hinausgehende Angebote dem angestrebten Zweck der Umsetzung der in § 1a Abs. 1 Wiener Tagesbetreuungsgesetz genannten Grundlagendokumente nicht entsprechen.

(3) Den Organen des Magistrats ist jederzeit Einsicht in alle Unterlagen, die die Ausbildungslehrgänge betreffen, zu gestatten.“

§ 4 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 26/2019 samt Überschriften lautet wie folgt:

„Ausbildungsbereiche und Stundenausmaß

§ 4. (1) Die theoretische Ausbildung hat folgende Ausbildungsbereiche, jeweils nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft, im angegebenen Stundenausmaß zu enthalten, wobei sämtliche Ausbildungsbereiche unter besonderer Beachtung der inklusiven sowie der geschlechtssensiblen Pädagogik zu unterrichten sind:

1.

Pädagogik im Ausmaß von mindestens 120 Stunden

2.

Pädagogische Prinzipien unter Berücksichtigung der Grundlagendokumente nach § 1a Abs. 1 Wiener Tagesbetreuungsgesetz und deren praktische Umsetzung im Ausmaß von mindestens 10 Stunden

3.

Methodischer didaktischer Aufbau im Ausmaß von mindestens 30 Stunden

4.

Entwicklungspsychologie im Ausmaß von mindestens 20 Stunden

5.

Diversität im Ausmaß von mindestens 10 Stunden

6.

Persönlichkeitsbildung und Kommunikation im Ausmaß von mindestens 30 Stunden

7.

Rechtliche und organisatorische Belange der Tätigkeit als Kindergruppenbetreuerin oder Kindergruppenbetreuer und Tagesmutter oder Tagesvater im Ausmaß von mindestens 10 Stunden

8.

Gesundheit und Ernährung im Ausmaß von mindestens 10 Stunden

(2) Zusätzlich zur theoretischen Ausbildung ist ein Praktikum im Ausmaß von insgesamt 160 Stunden während der Dauer des Ausbildungslehrganges, jeweils in Blöcken in einem Kindergarten, in einer Kindergruppe und bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater, zu absolvieren. Die Organisatorinnen und Organisatoren der Lehrgänge haben die Durchführung des Praktikums zu organisieren.

(2a) Der Ablauf des Praktikums ist von den Praktikumsstellen und von der Praktikantin oder dem Praktikanten zu dokumentieren. Der positive Abschluss des Praktikums ist durch positive Beurteilungen aller Praktikumsstellen nachzuweisen.

(3) In Ergänzung der Ausbildung müssen Kindergruppenbetreuungspersonen sowie Tagesmütter oder Tagesväter die Absolvierung einer regelmäßigen, einschlägigen Fortbildung von jährlich mindestens 20 Unterrichtseinheiten nachweisen.

(4) In Ergänzung der Ausbildung müssen Kindergruppenbetreuungspersonen sowie Tagesmütter oder Tagesväter einen Erste-Hilfe-Kurs für Kindernotfälle verpflichtend alle fünf Jahre im Ausmaß von mindestens acht Stunden absolvieren und diesen nachweisen.

(5) Wurden im Rahmen einer Ausbildung (z. B. Kindergartenpädagogin oder Kindergartenpädagoge, Sozialpädagogin oder Sozialpädagoge) einzelne der im Abs. 1 genannten Ausbildungsinhalte bereits vermittelt, so sind diese auf die Ausbildung anzurechnen. Der Magistrat hat über die Anrechnung des Stundenausmaßes zu entscheiden.“

§ 5 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016 i.d.F. LGBl. Nr. 26/2019 samt Überschriften lautet wie folgt:

„Anforderungen an die Qualifikation der Ausbildungspersonen

§ 5. (1) Ausbildungspersonen müssen die beruflichen sowie die berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, die für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte erforderlich sind.

(2) Ausbildungspersonen müssen für die Vermittlung der einzelnen in § 4 Abs. 1 genannten Ausbildungsbereiche über methodisch-didaktische und folgende fachliche Qualifikationen verfügen:

1.

Pädagogik: Kindergartenpädagogin oder Kindergartenpädagoge

2.

Pädagogische Prinzipien unter Berücksichtigung der Grundlagendokumente nach § 1a Abs. 1 Wiener Tagesbetreuungsgesetz und deren praktische Umsetzung: Kindergartenpädagogin oder Kindergartenpädagoge

3.

Methodischer didaktischer Aufbau: Kindergartenpädagogin oder Kindergartenpädagoge oder Didaktiklehrerin oder Didaktiklehrer

4.

Entwicklungspsychologie: Psychologin oder Psychologe

5.

Diversität: einschlägige berufliche Kenntnisse

6.

Persönlichkeitsbildung und Kommunikation: Psychosoziale Berufe

7.

Rechtliche und organisatorische Belange der Tätigkeit als Kindergruppenbetreuerin oder Kindergruppenbetreuer und Tagesmutter oder Tagesvater: Juristin oder Jurist

8.

Gesundheit und Ernährung: Ärztin oder Arzt, Ernährungswissenschaftlerin oder Ernährungswissenschaftler oder vergleichbare Qualifikation“

III.2) höchstgerichtliche Judikatur zu den durch Art. 18 Abs. 2 B-VG normierten Vorgaben:

Gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG sind Verordnungen nur „auf Grund der Gesetze“ zu erlassen.

Art. 18 Abs. 2 B-VG unterstreicht diese Gesetzesabhängigkeit von Durchführungsverordnungen, indem er betont, dass diese nur 'aufgrund der Gesetze' erlassen werden können, was mit anderen Worten heißt, dass eine Verordnung nur präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen schon im Gesetz vorgezeichnet ist (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH: VfSlg. 14314/1995, 14630/1996, 7945/1976, 9226/1981, 9227/1981, 10296/1984; 11.859/1988 ua.; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, S 82).

Nach der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur wird daher aus der Bestimmung des Art. 18 Abs. 2 B-VG, wonach jede Verwaltungsbehörde aufgrund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen kann, gefolgert, dass (insbesondere alle nicht verfassungsunmittelbaren) Verordnungen einer ausreichenden gesetzlichen Inhaltsdeterminierung bedürfen.

Eine gesetzliche Ermächtigung zur Erlassung einer Durchführungsverordnung genügt nur dann bzw. nur insoweit dem aus Art. 18 B-VG abzuleitenden, an den Gesetzgeber gerichteten Determinierungsgebot, wenn durch diese Ermächtigung das Verwaltungshandeln des verordnungserlassenden Organs inhaltlich hinreichend vorherbestimmt wird (vgl. VfSlg. 11.859/1988; 12.939/1991).

Soll ein Gesetz mit einer Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen aus dieser also alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhalts durch das Gesetz: VfSlg. 4139/1962, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976); eine bloße formalgesetzliche Delegation, die der Verwaltungsbehörde eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, steht mit Art. 18 Abs. 1 (und 2) B-VG in Widerspruch (vgl. VfSlg. 4072/1961, 4300/1962, 10296/1984; 11.859/1988).

 

Die Grenze zwischen einer noch ausreichenden materiellen Bestimmtheit des Gesetzes und einer formalen Delegation wird in einzelnen Fällen nicht immer leicht zu bestimmen sein. Entscheidungskriterium ist hier stets die Frage, ob die im Verordnungsweg getroffene (Durchführungs-)Regelung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann (s. VfSlg. 1932/1950, 2294/1952, 4072/1961, 10296/1984; 11.859/1988).

 

Dabei sind in Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden (Auslegungs-)Möglichkeiten auszuschöpfen. Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lässt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art. 18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. ua. VfSlg. 8395/1978, 10296/1984; 11.859/1988).

Eine Verordnungsbestimmung, welche nicht bloß nicht ausreichend determiniert ist, sondern überhaupt keine gesetzliche Grundlage hat, ist daher ebenfalls als verfassungswidrig einzustufen (vgl. etwa VfSlg. 17.743/2005; 17.783/2006; 18.074/2007; 18.556/2008; 18.637/2008; 18.886/2009; 19.270/2010; 19.527/2011; 19756/2013; 19.786/2013; 19.923/2014; 20.000/2015; 20.123/2016; VfGH 27.6.2017/V 27/2016; 12.10.2017, V1/2017 ua).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgt nämlich aus Art. 18 Abs. 1 B-VG, wonach die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf, sowie aus Art. 83 Abs. 2 B-VG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, für den Gesetzgeber das Gebot, die Behördenzuständigkeit entweder im Gesetz selbst zu regeln oder so festzulegen, dass sie in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf ein Gesetz zurückgeführt werden kann (so etwa VfSlg. 3994/1961; s. etwa auch VfSlg. 5698/1968, 5924/1969, 6675/1972, 8349/1978; 13.021/1992). Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung hervorgehoben hat, verpflichten die genannten Verfassungsnormen den Gesetzgeber zu einer - strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden - präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (s. etwa VfSlg. 9937/1984, 10311/1984, 11259/1987; 13.021/1992).

Aus diesen Vorgaben des Art. 18 Abs. 2 B-VG leitet der Verfassungsgerichtshof insbesondere in Hinblick auf die Vorgaben des Art. 83 Abs. 2 B-VG ab, dass jedes Gesetz, welches eine Behördenzuständigkeit normiert, dies präzise zu regeln hat (vgl.. z.B. VfSlg 10.311/1984, 13.029/1992, 13.816/1994; 20.183/2017).

Zudem bindet nach der verfassungsgerichtlichen Judikatur Art. 83 Abs. 2 B-VG nicht nur die Vollziehung, sondern auch die Gesetzgebung: Das bedeutet, dass die sachliche Zuständigkeit einer Behörde im Gesetz selbst festgelegt sein muss. In diesem Sinne hält der Verfassungsgerichtshof fest, dass Art. 18 i.V.m. Art. 83 Abs. 2 B-VG den Gesetzgeber zu einer - strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden - präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit verpflichtet (vgl. VfSlg. 2909/1955, 3156/1957, 3994/1961, 5698/1968; 6675/1972, 9937/1984; 10.311/1984).

Zudem hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine durch eine Durchführungsverordnung normierte Behördenvollzugskompetenz (wie etwa die Kompetenz zur Erlassung eines bestimmten Bescheids) gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG einer diese Behördenvollzugskompetenz ausreichend konkret normierenden ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. etwa VfSlg. 17.144/2004; 19.622/2012).

Auch verstößt eine Durchführungsverordnungserlassungsermächtigung gegen Art. 18 Abs. 2 B-VG, welche nicht im Sinne der Vorgaben des Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 B-VG ausreichend bestimmt ist (vgl. etwa VfSlg. 17.476/2005; 17.735/2005; 18.013/2016).

III.3) Bedenken in Hinblick auf die Nichterfüllung der Vorgaben des Art. 18 Abs. 1 B-VG im Hinblick auf die Bestimmung des § 5 Z 3 Wr. Kindertagesheimverordnung:

Entgegen der Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs zur Bestimmung des Art. 18 Abs. 1 B-VG fehlt es bei der gegenständlichen Verordnungsermächtigung an jeglicher näherer Determinierung des Verordnungsinhalts.

Das Gesetz erschöpft sich in einer völlig unbestimmten Generalermächtigung.

So unterlässt das Gesetz jegliche nähere Determinierung der Regelungen, nach denen diese Ausbildungslehrgänge zu genehmigen sind. So fehlt insbesondere jegliche nähere Determinierung 1) der inhaltlichen Vorgaben an die in diesen Ausbildungslehrgängen vermittelten Lehrinhalte zu stellen sind, 2) der Vorgaben an die Ausbildungsstätte, 3) der Vorgaben an den Betreiber der Ausbildungseinrichtung und 4) die Vorgaben an das Lehrpersonal.

Ebenso wird im Gesetz nicht geregelt, welche Behörde zur Erteilung dieser Ausbildungslehrgangslehrplangenehmigung zuständig ist.

III.4) Bedenken in Hinblick auf die Nichterfüllung der Vorgaben des Art. 18 Abs. 2 B-VG im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 2, 4 und 5 Wr. Tagesbetreuungsverordnung:

Die gesamte Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016, und sohin auch die gegenständlich angefochtenen Bestimmungen der §§ 2 und 4 Wiener Tagesbetreuungsverordnung 2016, wurden gemäß der Präambel dieser Verordnung aufgrund der Bestimmung des § 5 Wiener Tagesbetreuungsgesetz erlassen.

§ 5 Z 3 Wiener Tagesbetreuungsgesetz ermächtigt die Wr. Landesregierung zur Erlassung einer Durchführungsverordnung, durch welche die „Voraussetzungen für die Genehmigung von Lehrplänen der Ausbildungslehrgänge für Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter/-väter“ geregelt werden

Das Gesetz erschöpft sich in dieser völlig unbestimmten Generalermächtigung. Dagegen unterlässt das Gesetz jegliche nähere Determinierung der Regelungen, nach denen dieser Ausbildungslehrgänge zu genehmigen sind. So fehlt insbesondere jegliche nähere Determinierung 1) der inhaltlichen Vorgaben an die in diesen Ausbildungslehrgängen vermittelten Lehrinhalte zu stellen sind, 2) der Vorgaben an die Ausbildungsstätte, 3) der Vorgaben an den Betreiber der Ausbildungseinrichtung und 4) die Vorgaben an das Lehrpersonal.

Ebenso wird im Gesetz nicht geregelt, welche Behörde zur Erteilung dieser Ausbildungslehrgangslehrplangenehmigung zuständig ist.

All diese näheren Determinierungen werden erst in den angefochtenen Bestimmungen der §§ 2 und 4 Wr. Tagesbetreuungsverordnung vorgenommen.

So wird erst im § 2 Abs. 2 Wr. Tagesbetreuungsverordnung bestimmt, dass der Wiener Magistrat zur Erteilung einer Genehmigung i.S.d. § 5 Z 3 Wr. Kinderbetreuungsgesetz zuständig ist.

Ebenso werden erst im § 4 Wr. Tagesbetreuungsverordnung die inhaltlichen Vorgaben für die an die in diesen Ausbildungslehrgängen vermittelten Lehrinhalte näher bestimmt.

Auch finden sich erstmals im § 4 Wr. Tagesbetreuungsverordnung Regelungen zur erforderlichen Qualifikation des Lehrpersonals.

Sohin wird aber durch diese Bestimmungen der Wr. Tagesbetreuungsverordnung auch im Hinblick auf den Umstand, dass auch die übrigen Bestimmungen des Wr. Tagesbetreuungsgesetzes keine inhaltlichen Determinierungen für einen Lehrplan eines Ausbildungslehrgangs für Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter/-väter enthalten1, kein i.S.d. Vorgaben des Art. 18 Abs. 1 und 2 B-VG ausreichend bestimmtes Gesetz konkretisiert. Die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 B-VG für die Erlassung der gegenständlichen Durchführungsverordnungsbestimmungen liegen sohin nicht vor.

Zudem ist davon auszugehen, dass die angefochtenen Durchführungsverordnungsbestimmungen im Falle der Aufhebung des § 5 Z 3 Wr. Tagesbetreuungsgesetz jegliche gesetzliche Grundlage verlieren würden, insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass auch die übrigen Bestimmungen des Wr. Tagesbetreuungsgesetzes keine inhaltlichen Determinierungen für einen Lehrplan eines Ausbildungslehrgangs für Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter/-väter enthalten.

Spätestens im Falle der Aufhebung des § 5 Z 3 Wr. Tagesbetreuungsgesetz gäbe es keinerlei gesetzliche Grundlage für die Erlassung der gegenständlichen Verordnungsbestimmungen mehr, und würden diese daher gegen die Vorgaben des Art. 18 Abs. 2 B-VG verstoßen.

Es werden daher die obangeführten Aufhebungsanträge gestellt.

1  Zu diesem Ergebnis hat man schon deshalb zu gelangen, da im § 1 Wiener Tagesbetreuungsgesetz der Anwendungsbereich dieses Gesetzes wie folgt umschrieben, und damit aber auch eingegrenzt wird:„(1) Tagesbetreuung ist die entgeltliche und regelmäßige Betreuung von Minderjährigen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr (Tageskinder) für einen Teil des Tages, soweit1. sie von anderen als bis zum dritten Grad Verwandten oder Verschwägerten oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden Person, von Wahleltern oder anderen mit der Pflege und Erziehung betrauten Personen durchgeführt wird,2. sie nicht unter das Wiener Kindergartengesetz – WKGG, LGBl. für Wien Nr. 17/2003, in der jeweils geltenden Fassung, fällt,3. es sich nicht um Angelegenheiten der öffentlichen Übungskindergärten und Übungshorte, die einer öffentlichen Schule zum Zwecke lehrplanmäßig vorgesehener Übungen eingegliedert sind oder4. es sich nicht um Angelegenheiten der öffentlichen Pflichtschulen oder Schülerheime handelt, oder die Betreuung im Auftrag der Stadt Wien an öffentlichen Pflichtschulen erfolgt.(2) Die Tagesbetreuung kann erfolgen:1. als individuelle Betreuung im eigenen Haushalt einer geeigneten Person (Tagesmutter/-vater) oder2. in geeigneten Räumlichkeiten in Form einer Kindergruppe.(3) Natürliche und juristische Personen können Rechtsträgerinnen und Rechtsträger von Kindergruppen sein.“

Schlagworte

Normprüfungsantrag; Gesetzesprüfung; Ausbildungslehrgang; Kindergruppenbetreuungsperson; Tagesmutter; Tagesvater; Durchführungsverordnung; Determinierung des Verordnungsinhalts; Behördenvollzugskompetenz; Legalitätsprinzip; Zuständigkeit; Recht auf den gesetzlichen Richter

Anmerkung

VfGH v. 23.6.2020, G 297/2019, V 104/2019; Abweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.101.042.13222.2018.26

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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