TE Vwgh Beschluss 2020/5/26 Ra 2020/21/0144

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19 Abs3
AVG §42 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A A Z in V, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das am 3. Dezember 2019 mündlich verkündete und am 17. Dezember 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I408 2223077-1/12E, betreffend Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Marokko, hält sich seit Oktober 2014 in Österreich auf und verfügte zunächst auf Grund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin über einen bis zum 20. Mai 2019 verlängerten Aufenthaltstitel als Familienangehöriger. Am 2. Mai 2019 stellte er neuerlich einen Verlängerungsantrag. Im Zuge von dessen Bearbeitung stellte sich heraus, dass der Revisionswerber seit 16. Mai 2017 keinen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ehefrau hatte. Am 7. Juni 2019 befasste die Niederlassungsbehörde gemäß § 25 NAG das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zwecks Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung.

2        Das BFA erließ daraufhin mit Bescheid vom 19. Juli 2019 gemäß § 52 Abs. 4 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber; unter einem stellte es gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig sei, und es setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise.

3        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber eine Beschwerde, in der er u.a. vorbrachte, dass er sich mittlerweile mit seiner Ehefrau versöhnt habe und keine Scheidung mehr beabsichtigt sei. Es könne keinesfalls von einer Aufenthaltsehe ausgegangen werden, zumal er mit seiner Ehefrau wieder ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führe.

4        Die Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung, zu welcher der Revisionswerber aber nicht erschienen war - als unbegründet abgewiesen.

5        Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber kein aufrechtes Familienleben mit seiner Ehefrau führe; es bestünden kein gemeinsamer Wohnsitz und kein Kontakt. Das ergebe sich aus seinen erstmaligen Ausführungen vor der Niederlassungsbehörde, wonach er in Marokko erneut geheiratet habe und eine Scheidung von seiner österreichischen Ehefrau geplant sei, aus dem Melderegister und aus der (auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts durchgeführten) polizeilichen Wohnsitzüberprüfung vom 21. November 2019. Die Versuche des Revisionswerbers, eine Versöhnung mit seiner Ehefrau darzulegen, würden auch durch die Angaben seiner Ehefrau vor der Niederlassungsbehörde widerlegt.

6        In rechtlicher Hinsicht erklärte das Bundesverwaltungsgericht, dass das BFA zu Recht die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 Z 4 FPG als gegeben angesehen habe. Der Revisionswerber führe kein tatsächliches Familienleben mehr und dürfe sich daher nicht auf die bestehende Ehe berufen. Die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK gehe - insbesondere angesichts des nicht mehr aufrechten Familienlebens mit seiner österreichischen Ehefrau - zu Lasten des Revisionswerbers aus.

7        Weiters führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber der Verhandlung vom 3. Dezember 2019 trotz ordnungsgemäßer Ladung ferngeblieben sei. Am Tag vor der anberaumten Verhandlung sei über den rechtsfreundlichen Vertreter eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung ohne Verordnung von Bettruhe eingelangt. Diese Meldung sei der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend nicht geeignet, die Triftigkeit des Grundes für das Nichterscheinen bei der Verhandlung zu belegen. Die Verhandlung habe daher in Abwesenheit des Revisionswerbers stattfinden können, die Vertagungsbitte sei telefonisch abgelehnt worden.

8        Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11       Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber in der nach Abtretung seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ausgeführten Revision geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt habe. Er habe auf Grund einer Erkrankung nicht an der Verhandlung teilnehmen können. Dass das Bundesverwaltungsgericht dennoch seiner Vertagungsbitte nicht nachgekommen sei, komme einem Absehen von der Verhandlung gleich, was mangels Vorliegens eines geklärten Sachverhalts nicht gerechtfertigt gewesen sei.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung aber wiederholt festgehalten, dass das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der Verhandlung nicht hindert (vgl. § 17 VwGVG 2014 iVm § 42 Abs. 4 AVG). Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist demnach eine ordnungsgemäße Ladung. Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der in § 19 Abs. 3 AVG genannten - das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden - Gründe vorliegt. Eine rechtswirksam geladene Partei hat die zwingenden Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund. Die Triftigkeit des Nichterscheinens muss überprüfbar sein (vgl. etwa VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040, Rn. 18; VwGH 11.11.2019, Ra 2019/18/0448, Rn. 16; sowie - zu Strafverfahren - VwGH 17.2.2016, Ra 2015/08/0006, Pkt. 6.1., mwN).

13       Im vorliegenden Fall legte der - im Wege seiner Rechtsvertretung rechtswirksam geladene - Revisionswerber eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung eines Arztes für Allgemeinmedizin vor, der sich nur der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit (2. bis 6. Dezember 2019), der Grund „Krankheit“ und der Umstand, dass keine Bettruhe angeordnet war, entnehmen ließen. Auch das Begleitschreiben der Rechtsvertretung enthielt keinerlei zusätzliche Angaben zu den Gründen, aus denen der Revisionswerber an der Teilnahme an der Verhandlung gehindert gewesen sein sollte. Angesichts dessen musste das Bundesverwaltungsgericht aber nicht vom Vorliegen eines (im Übrigen auch in der Revision nicht konkretisierten) Rechtfertigungsgrundes für das Nichterscheinen des Revisionswerbers bei der mündlichen Verhandlung ausgehen.

14       Das behauptete Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt daher nicht vor, sodass in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210144.L00

Im RIS seit

15.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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