TE Lvwg Beschluss 2020/5/8 LVwG-AV-487/001-2020

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Veröffentlicht am 08.05.2020
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Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

BAO §284
BAO §323c Abs1

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich
fasst durch seinen Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Säumnisbeschwerde
der Frau A, ***, ***, vertreten durch B, Steuerberater in ***, vom 30. April 2020,
wegen behaupteter Säumnis des Gemeinderates der Stadtgemeinde ***, den

BESCHLUSS:

1.   Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 284 iVm 323c Abs.1 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Begründung:

1. Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 25. September 2019 brachte A (in der Folge: Beschwerdeführerin) durch ihre ausgewiesene steuerliche Vertretung einen an den Gemeinderat adressierten Schriftsatz bei der Stadtgemeinde *** ein. Das Schreiben enthielt eine Berufung gegen einen Bescheid des Stadtrates, betreffend die Entscheidung über einen Nachsichtsantrag der Beschwerdeführerin.

Das Schreiben langte bei der Behörde am 27. September 2019 ein.

Mit Schreiben vom 30. April 2020, eingelangt am 5. Mai 2020, erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene steuerliche Vertretung das Rechtsmittel der Säumnisbeschwerde gegen die belangte Behörde Gemeinderat der Stadtgemeinde *** wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz.

2. Rechtsgrundlagen:

2.1. Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG):

Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

2.2. Bundesabgabenordnung (BAO):

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anwendungsbereich des Gesetzes

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.

7. ABSCHNITT

Rechtsschutz.

A. Ordentliche Rechtsmittel.

21. Säumnisbeschwerde

§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

9. ABSCHNITT.

Übergangs- und Schlußbestimmungen.

Sonderregelungen aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19

§ 323c. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Abgabenbehörden werden alle im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (7. Abschnitt Unterabschnitt A) vorgesehenen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem 16. März 2020 fällt, sowie Fristen, die bis zum 16. März noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer verfahrensgegenständlichen Beschwerde die Säumnis des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** zur Entscheidung über ihre Berufung vom 25. September 2020 geltend gemacht.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist die Verletzung einer Entscheidungspflicht durch die Behörde, deren Untätigkeit beanstandet wird.

Als „Anbringen von Parteien“, welche nach § 284 Abs. 1 BAO die Entscheidungspflicht zur Folge haben, kommen alle Begehren in Betracht, über die durch Bescheid abzusprechen ist, d.h. die ihrem Inhalt nach abstrakt dazu geeignet sind, durch die angerufene Behörde mittels Bescheides erledigt zu werden.

Formellrechtlich ist die Berechtigung zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht somit an die Voraussetzung geknüpft, dass die Partei an die Behörde einen – noch nicht erledigten (VwGH Ro 2016/03/0027) – Antrag gestellt hatte (VwGH 93/07/0123; 2007/05/0017).

Das als Berufung bezeichnete Schreiben vom 25. September 2019, ausdrücklich adressiert an den Gemeinderat, begründete jedenfalls eine Entscheidungspflicht der in diesem Schreiben zum Tätigwerden aufgeforderten belangten Behörde.

Eine weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist der Ablauf der in § 284 Abs. 1 BAO vorgesehenen Frist.

Den Gemeinderat der Stadtgemeinde *** trifft die in § 284 Abs. 1 BAO festgelegte Verpflichtung, über das Anbringen (die Berufung) spätestens sechs Monate nach Einlangen zu entscheiden. Entsprechend den Beschwerdeausführungen ist dieses Anbringen am 27. September 2019 bei der Behörde eingelangt und hat damit den Beginn der Sechsmonatsfrist des § 284 Abs. 1 BAO ausgelöst.

Gemäß § 108 Abs. 2 BAO enden nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates, der durch seine Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Zahl entspricht. Im gegenständlichen Fall wäre die in § 284 Abs. 1 BAO vorgesehene Frist daher am 27. März 2020 abgelaufen.

Allerdings wurde zwischenzeitig mit dem am 21. März 2020 kundgemachten BGBl. I 16/2020 das 2. COVID-19-Gesetz in Kraft gesetzt. Das 2. COVID-19-Gesetz umfasst in seinem Artikel 13 auch eine Änderung der Bundesabgabenordnung.

Diese Änderung der BAO enthält „Sonderregelungen aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19“ im neu eingefügten § 323c BAO.

Gemäß § 323c Abs.1 BAO werden in anhängigen behördlichen Verfahren der Abgabenbehörden alle im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (7. Abschnitt Unterabschnitt A) vorgesehenen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem 16. März 2020 fällt, sowie Fristen, die bis zum 16. März noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen.

Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung werden sämtliche bis zum 16. März 2020 noch nicht abgelaufene, im 7. Abschnitt, Unterabschnitt A, vorgesehenen Fristen unterbrochen.

Der Unterabschnitt A („Ordentliche Rechtsmittel“) des 7. Abschnittes („Rechtsschutz“) der Bundesabgabenordnung umfasst die Bestimmungen der §§ 243 bis 292.

Dementsprechend erstreckt sich die Anordnung der Fristunterbrechung des § 323c Abs.1 BAO auch auf die in § 284 für das Rechtsmittel der Säumnisbeschwerde geregelten Fristen.

Im gegenständlichen Fall war die aufgrund des am 27. September 2019 bei der Behörde eingelangten Anbringens für die Einbringung einer Säumnisbeschwerde maßgebliche Sechsmonatsfrist des § 284 Abs. 1 BAO am 16. März 2020 noch nicht abgelaufen. Aufgrund der Anordnung des § 323c Abs.1 BAO wurde die Frist bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen und hat mit 1. Mai 2020 neu zu laufen begonnen. Die Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde erweist sich daher als verfrüht.

Fehlt es an einer Prozessvoraussetzung, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (VwGH 2000/13/0178). Eine Säumnisbeschwerde ist zurückzuweisen, wenn sie zu früh gestellt wurde (VwGH 2001/13/0178, 97/13/0058).

Da somit schon aufgrund des Beschwerdevorbringens die Unzulässigkeit der gegenständlichen Säumnisbeschwerde ersichtlich war, war spruchgemäß zu entscheiden.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden, da in der Säumnisbeschwerde keine mündliche Verhandlung beantragt wurde und die Säumnisbeschwerde mangels Vorliegen einer Prozessvoraussetzung zurückzuweisen ist.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (iVm Art. 133 Abs. 9 B-VG) ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen und die insofern eindeutige Rechtslage liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Verfahrensrecht; Säumnisbeschwerde; Unzulässigkeit; COVID-19; Frist; Unterbrechung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.487.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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