TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/25 Ra 2019/09/0026

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Veröffentlicht am 25.05.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz
82/02 Gesundheitsrecht allgemein
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1998 §136 Abs1 Z2
ÄrzteG 1998 §161 Abs1
ÄrzteG 1998 §53 Abs1
ÄsthOpG 2013 §8 Abs1
BDG 1979 §118 Abs1
BDG 1979 §123 Abs2 idF 2011/I/140
BDG 1979 §124 Abs12
BDG 1979 §126 Abs2
Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit 2014 §2 Abs3 Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs4
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer-Eberl, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Brucknerstraße 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. November 2018, Zl. VGW-172/049/10294/2018-2, betreffend Disziplinarverfahren nach dem Ärztegesetz 1998 (weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch die Stanek Raidl Konlechner Rechtsanwälte OG in 1090 Wien, Ferstelgasse 1/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1        Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien-dem nunmehrigen Amtsrevisionswerber - vom 28. November 2017 wurde der Mitbeteiligte - ein Facharzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie - schuldig erkannt, dadurch, dass er auf seiner Webseite mit Fotos von Frauen, die lediglich mit einem Slip bekleidet seien, und in einer näher genannten Zeitung am 8. März 2017 mit einem solchen Bild für ästhetische Behandlungen und Operationen geworben habe, gegen § 2 Abs. 3 Z 3 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit (Arzt und Öffentlichkeit 2014) und § 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) verstoßen und damit das Disziplinarvergehen der Berufspflichtverletzung nach § 136 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) begangen zu haben. Über den Mitbeteiligten wurde die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt. Weiters wurde er zur Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens in der Höhe von € 1.000,-- verpflichtet.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. November 2018 wurde der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde „gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ... Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben“. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, die belangte Behörde bejahe das Vorliegen der Selbstanpreisung durch aufdringliche und/oder marktschreierische Darstellung, weil die Darstellung der weiblichen Körper in besonderem Maße reklamehaft (marktschreierisch) vorgenommen werde. Dazu werde ausgeführt, dass die Fotos nichts mit der Realität zu tun hätten und nur dazu dienten, blickfangartig Träume hervorzurufen. Das Verwaltungsgericht teile diese Rechtsauffassung nicht, weil im konkreten Fall die Grenze der marktschreierischen Darstellung nicht überschritten werde. Entscheidend für marktschreierische Werbung sei, ob der Arzt durch Übertreibung die Aufmerksamkeit auf seine Ordination lenken wolle (Verweis auf OGH 20.6.2006, 4 Ob 88/06d). Die gezeigten Frauen würden „im Zusammenhang mit operativen Maßnahmen in ästhetischer Weise und dezent dargestellt, nicht etwa die Brüste der Frauen“ stünden im Vordergrund, sondern „das körperliche Wohlbefinden, was sich in ihren Gesichtern widerspiegeln“ solle. Wie der Disziplinaranwalt beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer in einem näher genannten Schreiben richtig erkannt habe, verlaufe die Grenze fließend, gegenständlich sei sie jedenfalls nicht überschritten worden. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien.

5        Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

6        Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe mit Erkenntnis entschieden, was den Schluss nahelege, dass es in der Sache entscheiden habe wollen. Dem entspreche auch die Begründung seiner Entscheidung. Hätte es aber in der Sache entscheiden wollen, wäre der Spruch des Disziplinarerkenntnisses dahin abzuändern gewesen, dass der Mitbeteiligte von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen werde. Das Verwaltungsgericht habe im Spruch aber der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge gegeben und das Disziplinarerkenntnis aufgehoben. Zudem fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit ein im Bereich der ästhetisch-operativen Medizin tätiger Arzt in seiner Werbung in Medien durch Verwendung von Bildern, die in keinem Zusammenhang mit einer Behandlung stünden, motivierend für die Durchführung medizinisch nicht indizierter ästhetischer Operationen werben könne.

8        Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:

9        Das ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 26/2017, lautet auszugsweise:

„Werbebeschränkung und Provisionsverbot

§ 53. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.

...

(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs. 1 genannten Informationen erlassen.

...

Disziplinarvergehen

§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland

...

2.   die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

...

§ 161. (1) Mit dem Erkenntnis ist der Beschuldigte freizusprechen oder des ihm zur Last gelegten Disziplinarvergehens schuldig zu erkennen.

...“

10       Das ÄsthOpG, BGBl. I Nr. 80/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2016, lautet auszugsweise:

„Werbebeschränkung und Provisionsverbot

§ 8. (1) Die Ärztin (Der Arzt) hat sich im Zusammenhang mit der Durchführung ästhetischer Behandlungen oder Operationen jeder diskriminierenden, unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Anpreisung, Werbung oder der Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen ihrer (seiner) Person oder ihrer (seiner) Leistungen zu enthalten. Fachliche Informationen über eigene Tätigkeitsgebiete einschließlich Hinweise auf wissenschaftliche Arbeiten stellen keine Werbung im Sinne dieses Bundesgesetzes dar.

(2) Für ästhetische Behandlungen oder Operationen im Sinne dieses Bundesgesetzes darf insbesondere nicht geworben werden:

1.   mit Angaben, dass die ästhetische Behandlung oder Operation ärztlich, zahnärztlich oder anderweitig fachlich empfohlen oder geprüft ist oder angewendet wird,

2.   mit Hinweisen auf die besondere Preisgünstigkeit der ästhetischen Behandlung oder Operation oder dem Anbieten kostenloser Beratungsgespräche,

3.   durch Werbevorträge,

4.   mit Werbemaßnahmen, die sich ausschließlich oder überwiegend an Minderjährige richten und

5.   mit Preisausschreiben, Spielen, Verlosungen oder vergleichbaren Verfahren.

Bei der Verwendung von Fotografien, die mittels Bildbearbeitungsprogrammen verändert wurden, sind diese als verändert und nicht der Realität entsprechend zu kennzeichnen.

...“

11       Die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit (Arzt und Öffentlichkeit 2014), Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr. 03/2014 (veröffentlicht am 30. Juni 2014) in der Fassung der Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr. 05/2015 (veröffentlicht am 21. Dezember 2015), lautet auszugsweise:

„§ 1. Der Ärztin (dem Arzt) ist jede unsachliche, unwahre oder das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information untersagt.

§ 2. (1) Unsachlich ist eine medizinische Information, wenn sie wissenschaftlichen Erkenntnissen oder medizinischen Erfahrungen widerspricht.

(2) Unwahr ist eine Information, wenn sie den Tatsachen nicht entspricht.

(3) Eine das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information liegt vor bei

1.   herabsetzenden Äußerungen über Ärztinnen (Ärzte), ihre Tätigkeit und ihre medizinischen Methoden;

2.   Darstellen einer wahrheitswidrigen medizinischen Exklusivität;

3.   Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche und/oder marktschreierische Darstellung.

...“

12       Bereits das Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte auf Grundlage seiner Annahme, der Mitbeteiligte habe die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen, einen Freispruch fällen müssen, anstatt das bei ihm angefochtene Disziplinarerkenntnis bloß zu beheben, führt die Amtsrevision zum Erfolg:

13       Gemäß § 161 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ist mit dem Disziplinarerkenntnis der Beschuldigte freizusprechen oder des ihm zur Last gelegten Disziplinarvergehens schuldig zu erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu vergleichbaren disziplinarrechtlichen Bestimmungen belastet das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, wenn es - gelangt es zum Ergebnis, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat - das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission bloß (ersatzlos) behebt, anstatt einen Freispruch von diesen Vorwürfen zu fällen. So wurde etwa im - zum BDG 1979 ergangenen - hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/09/0036, auszugsweise Folgendes ausgeführt (siehe weiters etwa VwGH 22.5.2019, Ro 2019/09/0005, ergangen zum Bgld. LDG 1984, sowie VwGH 25.9.2019, Ro 2019/09/0006, ergangen zum K-GBG):

„Nach § 126 Abs. 2 BDG 1979 hat das - nach einer mündlichen Verhandlung zu verkündende (§ 124 Abs. 12 BDG 1979) - Disziplinarerkenntnis auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung ausgeführt, dass daraus unter anderem zu folgern ist, dass der Beamte einen Rechtsanspruch auf Freispruch bezüglich einer ihm im Verhandlungsbeschluss zur Last gelegten Tat hat, wenn hiefür die gesetzlichen Voraussetzungen zutreffen. Wann die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Freispruch vorliegen, ist im BDG 1979 zwar nicht ausdrücklich geregelt, die im § 118 Abs. 1 BDG 1979 normierten Einstellungsgründe haben im Verfahrensstadium nach Erlassung des Verhandlungsbeschlusses aber jedenfalls zum Freispruch zu führen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. September 2004, 2001/09/0137, mwN).

Diese Judikatur wurde auch für die Rechtslage nach der Dienstrechts-Novelle 2011, BGBl. I Nr. 140, wonach der Einleitungsbeschluss nunmehr auch die Funktion des entfallenden Verhandlungsbeschlusses erfüllt (siehe dazu das Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2014/09/0042, u.a.) aufrechterhalten. Stellt sich somit nach Erlassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 idF der Dienstrechts-Novelle 2011 heraus, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 118 Abs. 1 BDG 1979 vorliegen, so darf das Disziplinarverfahren nicht mehr gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 eingestellt werden; in einem solchen Fall ist der Beschuldigte von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizusprechen (siehe das Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007, u.a.).

Wie der Revisionswerber zutreffend weiter ausführt, hat das Verwaltungsgericht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 2015, Ra 2015/03/0022; sowie zum Disziplinarverfahren grundlegend das Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009).

Im vorliegenden Fall ist das Bundesverwaltungsgericht bereits auf Basis des von ihm festgestellten Sachverhalts ... zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen nicht begangen hat. ... Ausgehend von diesem Sachverhalt wäre der Revisionswerber daher von diesen Anschuldigungspunkten freizusprechen gewesen. Da das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid der Disziplinarkommission in den nämlich Spruchpunkten ‚ersatzlos behob‘, anstatt - was wie ausgeführt rechtlich geboten gewesen wäre - einen Freispruch des Revisionswerbers von diesen Vorwürfen zu fällen, belastete es sein Erkenntnis in diesem Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.“

14       Nichts anderes gilt für die hier anzuwendende Bestimmung des § 161 Abs. 1 ÄrzteG 1998. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher schon allein deshalb als inhaltlich rechtswidrig.

15       Zu dem dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Disziplinarvergehen ist zudem auf Folgendes hinzuweisen:

16       Das Verwaltungsgericht verneint nach der oben wiedergegebenen Begründung das Vorliegen eines Disziplinarvergehens allein damit, dass die Ansicht der belangten Behörde, es liege eine Selbstanpreisung durch eine aufdringliche und/oder marktschreierische Darstellung vor, weil die Darstellung der weiblichen Körper in besonderem Maße reklamehaft (marktschreierisch) vorgenommen werde, nicht geteilt werde. Im konkreten Fall sei die Grenze der marktschreierischen Darstellung nicht überschritten, weil die gezeigten Frauen „im Zusammenhang mit operativen Maßnahmen in ästhetischer Weise und dezent dargestellt“ würden und „nicht etwa die Brüste der Frauen im Vordergrund“ stünden, sondern „das körperliche Wohlbefinden, was sich in ihren Gesichtern widerspiegeln“ solle.

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits ausgesprochen, dass als eine „Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche bzw. marktschreierische Darstellung“ im Sinne des Art. 3 lit. c der Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit aus 2003 - nicht anderes gilt für die nahezu wortgleiche Bestimmung des § 2 Abs. 3 Z 3 der Richtlinie aus 2014 - eine Werbung dann anzusehen ist, wenn ein reklamehaftes Herausstellen der Person oder ein reklamehaftes Erregen von Aufmerksamkeit erfolgt, und dabei der sachlichen Information über die Tätigkeit des Arztes keine oder nur eine untergeordnete Rolle zukommt (VwGH 25.11.2015, Ra 2015/09/0045). Mit den wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes wird aber weder dargelegt, warum im vorliegenden Fall ein reklamehaftes Erregen von Aufmerksamkeit durch die in Rede stehende Abbildung von „lediglich mit einem Slip bekleideten Frauen“ nicht vorliegen sollte, noch wird ausgeführt, warum dabei der sachlichen Information über die Tätigkeit des Arztes (zumindest) eine übergeordnete Rolle zukäme.

18       Darüber hinaus ist - worauf die Revision zutreffend hinweist - nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht § 8 ÄsthOpG in seine Beurteilung einbezogen hat. Nach § 8 Abs. 1 ÄsthOpG hat die Ärztin bzw. der Arzt sich im Zusammenhang mit der Durchführung ästhetischer Behandlungen oder Operationen jeder diskriminierenden, unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Anpreisung, Werbung oder der Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen ihrer (seiner) Person oder ihrer (seiner) Leistungen zu enthalten. Fachliche Informationen über eigene Tätigkeitsgebiete einschließlich Hinweise auf wissenschaftliche Arbeiten stellen keine Werbung im Sinne dieses Bundesgesetzes dar.

19       Den Materialien zum ÄsthOpG (ErläutRV 1807 BlgNR 24. GP, S. 11 f) ist u.a. Folgendes zu entnehmen:

„Zu § 8:

§ 8 setzt die bereits im § 53 Ärztegesetz 1998 normierte Werbebeschränkung zum Schutz der Patientinnen (Patienten) sowie ein Provisionsverbot konsequent fort. Dadurch soll in diesem sensiblen Bereich möglichst jede unsachliche, suggestive, verharmlosende und realitätsverzerrende Beeinflussung der medizinischen Laiin (des medizinischen Laien) sowie eine Irreführung der Patientin (des Patienten) verhindert werden. Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass sachliche Hinweise auf die Qualifikation der Ärztin (des Arztes) nicht unter die Werbebeschränkung fallen. Die Worte ‚nicht geworben werden‘ im Einleitungssatz des Abs. 2 schließen daher schon von ihrem Wortsinn ausgehend nicht aus, dass der Wahrheit entsprechende Hinweise z. B. auf erworbene Qualifikationen und wissenschaftliche Verdienste verwendet werden. Dies ergibt sich überdies auch aus der Informationspflicht über die berufsrechtliche Qualifikation und die absolvierten Fortbildungen gemäß § 4 Abs. 8.

...“

20       Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 ÄsthOpG ergibt, verpflichtet der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung die Ärztin bzw. den Arzt damit dazu, sich im Zusammenhang mit der Durchführung ästhetischer Behandlungen oder Operationen u.a. jeder unsachlichen Anpreisung bzw. Werbung oder der Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen ihrer bzw. seiner Person oder ihrer bzw. seiner Leistungen zu enthalten. Nach den wiedergegebenen Materialien verfolgt der Gesetzgeber damit die Absicht, „möglichst jede unsachliche, suggestive, verharmlosende und realitätsverzerrende Beeinflussung der medizinischen Laiin (des medizinischen Laien) sowie eine Irreführung der Patientin (des Patienten)“ zu verhindern. Unter welchen Gesichtspunkten daher die Verwendung des vorliegenden Sujets überhaupt als sachliche Anpreisung bzw. Werbung im Zusammenhang mit der Durchführung ästhetischer Behandlungen oder Operationen angesehen werden kann, wird vom Verwaltungsgericht in keiner Weise dargelegt.

21       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

22       Der Kostenantrag des Revisionswerbers war abzuweisen, da nach § 47 Abs. 4 VwGG der Revisionswerber bzw. der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 bis 4 und Abs. 8 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz haben (vgl. VwGH 20.6.2016, Ra 2015/09/0090).

Wien, am 25. Mai 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090026.L00

Im RIS seit

10.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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