TE Lvwg Beschluss 2020/3/25 LVwG-AV-657/004-2019

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Veröffentlicht am 25.03.2020
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Entscheidungsdatum

25.03.2020

Norm

VwGG §46 Abs1
VwGG §46 Abs3

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Köchle als Einzelrichterin über Wiedereinsetzungsantrag der A GmbH, vertreten durch die B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, vom 28. Februar 2020 betreffend Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 27. Dezember 2019,
Zl. LVwG-AV-657/001-2019, den

BESCHLUSS:

1.   Der Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß § 46 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idgF, (VwGG) abgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 idgF, (B-VG) nicht zulässig.

Begründung:

1.   Maßgeblicher Sachverhalt und Verfahrensgang:

1.1. Mit Bauansuchen vom 04. April 2019 beantragte die A GmbH (im Folgenden: die Antragstellerin) die Erteilung einer Baubewilligung für das Bauansuchen „Neubau eines ***-Verkaufsmarktes“ am Standort *** auf den Grundstücken Nr. *** (alt), *** (alt) und *** (alt), jeweils KG ***, wobei die genannten Grundstücke zu Grundstück Nr. *** (neu) zusammengelegt werden sollten.

1.2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 17. Mai 2019, Zl. ***, wurde das Bauansuchen – auf das Wesentliche zusammengefasst mit der Begründung, dass das Bauvorhaben aufgrund des Ausmaßes der geplanten Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren nicht mit dem Niederösterreichischen Raumordnungsgesetz (NÖ ROG 2014) in Einklang zu bringen sei, womit der Erteilung einer Baubewilligung ein Hindernis iSd § 20 Abs. 1 Z 7 NÖ BO 2014 entgegenstehe – abgewiesen.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die nunmehrige Antragstellerin durch ihre anwaltliche Vertretung fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

1.4. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Verwaltungsgerichts vom 27. Dezember 2019, LVwG-AV-657/001-2019, wurde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

1.5. Dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, in dem auch auf die sechswöchige Revisionsfrist hingewiesen wurde, wurde der anwaltlichen Vertretung des Antragstellers am 15. Jänner 2020 zugestellt.

1.6. Bis zum 04. März 2020 langte keine Revision gegen das Erkenntnis 27. Dezember 2019, LVwG-AV-657/001-2019 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein. Am 04. März 2020 langte beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine an diesem Tag durch die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin versandte, an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich adressierte E-Mail ein, mit der unter Anfügung eines Begleitschreibens der verfahrensgegenständliche, mit 28. Februar 2020 datierte Wiedereinsetzungsantrag und die mit 26. Februar 2020 datierte außerordentliche Revision übermittelt wurde.

Diese vorab per E-Mail an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übermittelte Eingabe wurde am 04. März 2020 auch zur Post gegeben und langte diese am 09. März 2020 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein.

1.7. Begründend wird in diesem Wiedereinsetzungsantrag vom 26. Februar 2020 wörtlich Folgendes ausgeführt:

„Mit Schriftsatz vom 26.2.2020 haben wir gegen das am 15.1.2020 zugestellte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 27.12.2019, GZ: LVwG-AV-657/001-2019 außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Die bei unserem Rechtsvertreter seit längerer Zeit tätige und äußerst zuverlässige und insgesamt mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung in dieser Tätigkeit arbeitende Sekretärin C, welche stets korrekt die vom zuständigen Juristen freigegebenen Schriftsätze und Eingaben an Gerichten und Verwaltungsbehörden eingebracht hat, wurde am Nachmittag des letzten Tages der Rechtsmittelfrist, dem 26.2.2029, nach entsprechender Freigabe mit der Einbringung der gegenständlichen ao Revision durch den zuständigen Juristen D beauftragt.

Versehentlich und aus bisher noch nie vorgefallen der Unachtsamkeit wählte Frau C dabei im Kanzleiprogramm Advokat in der Eingabemaske die Funktion „Verfassungs-, Verwaltungsgerichtshof, BVwG, VwGH Folgeeingabe“, weshalb die ao Revision direkt an den Verwaltungsgerichtshof und nicht an das für die Einbringung der Revision eigentlich zuständige Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zugestellt wurde.

Bei der routinemäßigen Kontrolle am nächsten Morgen und aufgrund eines Anrufs einer Beamtin des Verwaltungsgerichtshofs stellte D fest, dass die gegenständliche ao Revision entgegen seiner diesbezüglichen Anordnung nicht beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingebracht wurde, sondern beim VwGH.

Frau C kann sich dieses Missgeschick nur so erklären, dass aufgrund eines einmaligen Versehens die ao Revision bei der unzuständigen Stelle eingebracht wurde.

Trotz längerer Zusammenarbeit zwischen Herrn D und Frau C ist ein solcher Vorfall noch nie untergekommen. Nach der Kanzleiorganisation, die laufend kontrolliert und überwacht wird, müsste ein solcher Fehler eigentlich ausgeschlossen sein. Frau C ist bereits seit über einem Jahr in der Kanzlei unserer Rechtsvertreter tätig (und war seit dem Jahr 2008 durchgehend in anderen Rechtsanwaltskanzleien beschäftigt), ohne dass es auch nur das Geringste an ihrer Arbeit zu beanstanden gegeben hätte.

Zum Zeichen der Richtigkeit des vorgebrachten unterzeichnen Frau C, Herr D und Herr E diesen Antrag eigenhändig.“

Im Hinblick auf § 40 VwGVG werde daher der Antrag gestellt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist zu gewähren. Als Beilage zu diesem Wiedereinsetzungsantrag wurde der – nach Angaben im Wiedereinsetzungsantrag – unverändert gespeichert gebliebene Text der (zunächst fälschlich beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten) ao Revision übermittelt.

1.8. Am 12. März 2020 langte beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die durch den Verwaltungsgerichtshof mit Verfahrensanordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 2020 zuständigkeitshalber weitergeleitete, ausweislich des darauf ersichtlichen Eingangsstempels die am 16. Februar 2020 im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte außerordentliche Revision vom 26. Februar 2020 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein.

2.   Feststellungen:

2.1. Neben dem oben dargestellten maßgeblichen Sachverhalt legt das Verwaltungsgericht dieser Entscheidung folgende maßgeblichen Feststellungen zugrunde:

2.2. Das in Revision gezogene Erkenntnis wurde der anwaltlichen Vertretung der Antragstellerin am 15. Jänner 2020 nachweislich zugestellt.

2.3. Am Nachmittag des 26. Jänner 2020 als dem letzten Tag der Frist zur Erhebung einer Revision gab der in der Kanzlei der rechtsanwaltlichen Vertretung der Antragstellerin zuständige Jurist, D, den Schriftsatz zur Erhebung einer außerordentlichen Revision frei und beauftragte dieser die in der Kanzlei tätige Sekretärin, Frau C, die außerordentliche Revision beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich einzubringen.

2.4. Die Einbringung der außerordentlichen Revision erfolgte am 26. Jänner 2020 ausschließlich im Wege der Übermittlung im WebERV. Die mit der Einbringung der außerordentlichen Revision beauftragte Sekretärin wählte im Zuge der Einbringung im Kanzleiprogramm Advokat in der Eingabemaske die Funktion „Verfassungs-, Verwaltungsgerichtshof, BVwG, VwGH Folgeeingabe“.

2.5. Am 26. Februar 2020 um 15:08 Uhr langte die im Wege des WebERV eingebrachte außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein.

2.6. Eine Einbringung schriftlicher Eingaben im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs ist und war (zu keinem Zeitpunkt und somit auch nicht am 26. Februar 2020) beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht möglich.

2.7. Aufgrund einer in der Kanzlei der anwaltlichen Vertretung der Antragstellerin am Morgen des 27. Februars 2020 durchgeführten routinemäßigen Kontrolle und aufgrund eines Anrufs des Verwaltungsgerichtshofes stellte der in der Kanzlei der anwaltlichen Vertretung der Antragstellerin zuständige Jurist, D, fest, dass die außerordentliche Revision am Tag zu vor, also am 26. Februar 2020 als dem letzten Tag der Rechtsmittelfrist, nicht beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, sondern direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden war.

2.8. Die mit der Einbringung der Revision beauftrage Kanzleikraft, Frau C, ist seit über einem Jahr in der Kanzlei der anwaltlichen Vertretung der Antragstellerin als Sekretärin beschäftigt und war diese zuvor auch seit dem Jahr 2008 in anderen Rechtsanwaltskanzleien beschäftigt. Frau C erwies sich in ihrer bisherigen Tätigkeit als äußerst zuverlässig und gab es bisher nicht das Geringste an ihrer Arbeit zu beanstanden. Im Zuge der bisherigen Tätigkeit von Frau C ist es noch nie vorgekommen, dass diese einen Fehler begangen hätte, aufgrund dessen ein Rechtsmittel bei einer unzuständigen Stelle eingebracht wurde.

2.9. Mit am 04. März 2020 korrekt an das an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich adressierter und an diesem Tag sowohl zur Post gegebener, als auch an diesem Tag vorab per E-Mail übermittelter Eingabe wurde der verfahrensgegenständliche Wiedereinsetzungsantrag unter gleichzeitiger Übermittlung des Textes der am 26.02.2020 via Web-ERV direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revision gestellt.

3.   Beweiswürdigung:

3.1. Der unter Pkt. 1. dargelegte maßgebliche Verfahrensgang und Sachverhalt gründet sich auf die unbedenklichen und unstrittigen Inhalte der vorliegenden Gerichtsakten des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu den Zahlen LVwG-AV-657/001-2019 (Beschwerdeverfahren das zur Erlassung des in Revision gezogenen Erkenntnisses führte), LVwG-AV-657/003-2019 (außerordentliche Revision) und LVwG-AV-657/004-2019 (Wiedereinsetzungsantrag).

3.2. Die unter Pkt. 2 getroffenen Feststellungen ergeben sich größtenteils ebenfalls aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und sind diese Feststellungen als solche unstrittig bzw. wurden diese ausgehend von der Annahme, dass das Vorbringen der Antragstellerin im Wiedereinsetzungsantrag zutreffend sei, getroffen.

3.3. So ergibt sich das Datum der Zustellung des in Revision gezogenen Erkenntnisses aus dem im Akt befindlichen Rückschein und wird auch im Wiedereinsetzungsantrag und der außerordentlichen Revision durch die Antragstellerin selbst festgehalten, dass dieses am 27. Dezember 2019 zugestellt worden sei.

3.4. Dass die in Frage stehende Revision am 26. Februar 2020 ausschließlich im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wurde, ergibt sich aus dem Eingangsstempel des Verwaltungsgerichtshofes, in dem das Einlangen der Revision bei diesem mit 26. Februar 2020 um 15:08 Uhr vermerkt ist und in dem sich auch der Vermerk „ERV“ findet, wobei es in der Adressatenzeile des dem durch den Verwaltungsgerichtshof übermittelten Exemplars der außerordentlichen Revision beim Adressaten auch ausdrücklich „PER WEB-ERV An das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich“ heißt. Weiters basiert diese Feststellung auf dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, in dem – was, falls eine neben der Einbringung via WebERV eine andere Form der Einbringung auch erfolgt wäre, zu erwarten wäre – in keiner Weise von einer etwa auch postalisch, per Fax oder per E-Mail erfolgten Einbringung die Rede ist, sondern lediglich ausgeführt wird, dass und inwiefern der mit der Einbringung der Revision beauftragten Sekretärin bei der Verwendung des Kanzleiprogramms Advokat ein Fehler unterlaufen sei.

3.5. Dass eine Einbringung mittels WebERV beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht möglich ist und nicht möglich war, ist gerichtsbekannt und ergibt sich aus der entsprechenden Kundmachung auf der Homepage des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich.

3.6. Hinsichtlich des Zeitpunktes, der Art und des Ablaufes der Einbringung sowie zur Arbeitserfahrung und Zuverlässigkeit der mit der Einbringung der durch den zuständigen Juristen freigegebenen Revision beauftragten Sekretärin wird vom Zutreffen der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ausgegangen.

4.   Erwägungen:

4.1. Über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einbringung einer Revision hat gemäß § 46 Abs. 3 VwGG bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, nach Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden. Da in einer direkten Einbringung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof keine durch das Verwaltungsgericht zu erfolgende „Vorlage“ einer Revision iSd § 46 Abs. 3 VwGG zu sehen ist und die zunächst beim Verwaltungsgerichtshof direkt eingebrachte und von diesem in Folge zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht weitergeleitete Revision dem Verwaltungsgerichtshof weder vor der Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages, vor dem hg. Entscheidungszeitpunkt durch das Verwaltungsgericht vorgelegt wurde, ist über den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag durch das Verwaltungsgericht zu entscheiden.

4.2. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist gegen die Versäumung einer Frist einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie die Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis versäumt hat. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis für den Antragsteller unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann. Unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der „Unvorhergesehenheit“ gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft. Ein solcher minderer Grad des Versehens liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf aber nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. etwa VwGH 31.03.2005, Zl. 2005/07/0020, mwH).

Dabei ist bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, unerfahrene Personen (vgl. VwGH 24.11.2005, 2005/11/0176, mwH). Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. z.B. VwGH 22.3.2018, Ra 2018/01/0107, mwN). Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. VwGH 21.03.2014, Zl. 2013/06/0254)

Bereits im Wiedereinsetzungsantrag ist anzugeben, aus welchem Grund der Antragsteller diese Voraussetzungen als erfüllt ansieht. Dabei trifft den Antragsteller die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen (vgl. etwa VwGH 24.11.2005, 2005/11/0176 und VwGH 23.04.2015, Zl. 2012/07/0222, mwH mwH).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist dementsprechend auch nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wird.

4.3. Vorliegend begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der unbestritten versäumten Frist zur Erhebung der in Frage stehenden Revision zusammengefasst mit der Begründung, dass die Revision aufgrund eines einmaligen Versehens einer bis dahin zuverlässigen Kanzleikraft (Sekretärin) am letzten Tag der Rechtsmittelfrist direkt beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingebracht worden sei.

Im Wiedereinsetzungsantrag wird zu diesem Versehen der Kanzleikraft, das dazu führte, dass die Revision am letzten Tag der Rechtsmittelfrist fälschlich beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingebracht wurde, lediglich ausgeführt, die mit der Einbringung der Revision beauftragte Sekretärin habe im Kanzleiprogramm Advokat in der Eingabemaske die Funktion „Verfassungs-, Verwaltungsgerichtshof, BVwG, VwGH Folgeeingabe“ gewählt, weshalb die Revision direkt an den Verwaltungsgerichtshof und nicht an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zugestellt worden sei und dass die mit der Abfertigung beauftragte Sekretärin sich das „Missgeschick nur so erklären [könne], dass aufgrund eines einmaligen Versehens die ao Revision bei der unzuständigen Stelle eingebracht“ worden sei, wobei „ein solcher Fehler“ nach der Kanzleiorganisation, die laufend kontrolliert und überwacht werden, eigentlich ausgeschlossen sein müsse:

Wie die Kanzleiorganisation, nach der solche Fehler ausgeschlossen sein sollten, in der Kanzlei der anwaltlichen Vertretung der Antragstellerin ausgestaltet ist, oder wie die Kontrolle und Überwachung dieser Kanzleiorganisation erfolgt, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht näher dargelegt.

Zwar ergibt sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag, dass der zuständige Jurist gegenüber der Kanzleikraft offenbar angeordnet hat, dass die Revision beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich einzubringen ist (Arg.: „Bei der routinemäßigen Kontrolle am nächsten Morgen und aufgrund eines Anrufs einer Beamtin des Verwaltungsgerichtshofs stellte D fest, dass die gegenständliche ao Revision entgegen seiner diesbezüglichen Anordnung nicht beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingebracht wurde, sondern beim VwGH.“) Im Wiedereinsetzungsantrag wird aber weder dargetan, in welcher, Missverständnisse erwartbarer Weise ausschließender Form eine solche Anordnung an die Kanzleikraft, wo ein Rechtsmittel einzubringen allgemein erfolgt bzw. wie im konkreten Einzelfall diese Anordnung, die ao Revision beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erfolgt ist, noch wird dargelegt, dass bzw. wie in der Kanzlei im Allgemeinen und im speziellen Fall wirksam kontrolliert würde, ob die Einbringung auch tatsächlich entsprechend einer solchen Anordnung durch die jeweils beauftragte Kanzleikraft erfolgt.

Eine routinemäßige Kontrolle erst am auf die Einbringung folgenden Tag – wie sie nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vorliegend erfolgt ist und die neben dem Anruf des Verwaltungsgerichtshofes dazu führte, dass die fälschliche Einbringung unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof bemerkt wurde – kann jedenfalls in Fällen, in denen eine Kanzleikraft durch den anwaltlichen Vertreter wie vorliegend am letzten Tag der Rechtsmittelfrist mit der Einbringung des Rechtsmittels beauftragt wird, keine wirksame Kontrolle darstellen, bei deren Versagen von einem Verschulden bloß milderen Grades auszugehen wäre, zumal bei einer Kontrolle erst am nächsten Tag in Fällen, in denen das Rechtsmittel der Kanzleikraft erst am letzten Tag der Frist zur Abfertigung übergeben wird, allfällige Irrtümer oder Versehen der Kanzleikraft geradezu typischerweise erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist festgestellt werden können.

Auch wird im Wiedereinsetzungsantrag weder dargelegt, weshalb die mit der Abfertigung beauftragte Sekretärin die Einbringung überhaupt mittels Web-ERV vornahm, obwohl eine Einbringung mittels WebERV beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich generell nicht möglich ist und warum dies dem anwaltlichen Vertreter nicht rechtzeitig, also noch innerhalb der Revisionsfrist aufgefallen ist, obwohl auf dem durch den Verwaltungsgerichtshof übermittelten Exemplar der Revision beim Adressaten zwar korrekt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich angeführt, gleichzeitig aber auch ausdrücklich „PER WEB-ERV“ vermerkt ist.

Da die Frage der Einbringungsart ebenso wie die der Frist eine Frage ist, die der Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt bedarf (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061), kann weder für den Fall, dass der anwaltliche Vertreter seiner Kanzleikraft die Entscheidung über die Art der Einbringung überlassen haben sollte, noch für den Fall, dass der anwaltliche Vertreter selbst fälschlich die Einbringung per Elektronischem Rechtsverkehr angeordnet haben sollte (was aus dem Wiedereinsetzungsantrag nicht hervorgeht), davon ausgegangen werden, dass die aus der fälschlichen Einbringung unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof resultierende Fristversäumnis auf einem Verschulden milderen Grades beruhen würde, zumal sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg zu vergewissern hat, dass die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde und das Unterbleiben dieser Kontrolle ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden darstellt (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/03/0037) und sich überdies die Kontrolle des anwaltlichen Vertreters bei Übermittlung eines Schriftsatzes im Wege des ERV nicht auf die allgemeine Auskunft der Kanzleikraft, das Rechtsmittel sei „ordnungsgemäß“ eingebracht worden beschränken darf, sondern der anwaltliche Vertreter etwa die Sendebestätigung über die Einbringung im elektronischen Rechtsverkehr zu prüfen hat und erst nach einer Bestätigung der tatsächlich ordnungsgemäß erfolgten Einbringung eine Abstreichung der Frist erfolgen darf (VwGH 29.05.2015, Ra 2015/08/0013).

Durch eine diesen Vorgaben entsprechende Kontrolle durch den anwaltlichen Vertreter hätte das vorgebrachte Versehen der Kanzleikraft auffallen müssen, wobei eine solche Kontrolle in einem Fall, in dem eine Kanzleikraft wie vorliegend am letzten Tag der Rechtsmittelfrist mit der Einbringung beauftragt wird, nur dann eine wirksame, Fristversäumnisse in aller Regel ausschließende Kontrolle darstellen kann, wenn sie am Tag der Übermittlung als dem letzten Tag der Rechtsmittelfrist erfolgt. Unvorhergesehene oder unabwendbare Umstände, aufgrund derer die Kontrolle erst am Tag nach der Übermittlung und somit auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgen konnten, wurden nicht dargetan.

4.4. Da vorliegend weder eine ein Fristversäumnis durch Einbringung bei der falschen Einbringungsstelle ausschließende Kanzleiorganisation, noch eine im oben ausgeführten Sinn wirksame Kontrolle der im Wege des WebERV erfolgten Einbringung dargetan wurde, kann fallbezogen unter Zugrundelegung des Vorbringens nicht von einem nur minderer Grad des Versehens ausgegangen werden, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG abzuweisen ist.

5.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da der als erwiesen angenommene Sachverhalt und die in diesem Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig sind und im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis weder von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch eine solche Rechtsprechung fehlt und die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch einheitlich beantwortet wird und die Frage des Vorliegens eines minderen Grades des Versehens grundsätzlich keine Rechtsfrage ist, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt (vgl. VwGH 22.03.2018, Ra 2018/01/0107, mwN. (vgl. etwa VwGH 27.02.2019 Ra 2019/05/0044 unter Verweis auf VwGH 22.09.2015, Ra 2015/04/0070, mwH).

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Verfahrensrecht; Wiedereinsetzung; elektronische Einbringung; WebERV; Versehen; minderer Grad;

Anmerkung

VwGH 17.06.2020, Ra 2020/05/0029-5, Ra 2020/05/0072-3, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.657.004.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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