RS Vfgh 2020/3/5 E2767/2019

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1
AVG §68
AsylG 2005 §10, §15b, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §53, §55 Abs1a
Statusrichtlinie 2011/95/EU Art11
VfGG §7 Abs1, §86

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hinsichtlich der Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; kein Wegfall des Rechtsschutzinteresses durch freiwillige Ausreise und Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe

Rechtssatz

Die - zulässige - Beschwerde ist nicht gegenstandslos geworden und das Verfahren ist auch nicht gemäß §86 VfGG wegen Klaglosstellung einzustellen. Zu prüfen ist im vorliegenden Fall, ob der Beschwerdeführer durch seine Ausreise sein Rechtsschutzinteresse nach Art144 B-VG verloren hat (iSd Rspr des VwGH, die davon ausgeht, dass ein Revisionswerber bei freiwilliger Rückkehr unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe sein rechtliches Interesse an einer Revision gegen ein einschlägiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes verliert und das Verfahren vor dem VwGH daher in sinngemäßer Anwendung des §33 Abs1 VwGG einzustellen ist):

Der Beschwerdeführer kam mit seiner Ausreise am 09.10.2019 einer Verpflichtung (sofortige Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung gem §52 Abs8 FPG) entsprechend den Anordnungen im angefochtenen Erkenntnis nach. Er verliert aber durch diese Ausreise nicht eo ipso sein rechtliches Interesse an einer Bekämpfung einer für rechtswidrig erachteten Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes vor dem VfGH.

Die gegenteilige Ansicht hätte zur Konsequenz, dass sich der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung seines rechtlichen Interesses jedenfalls rechtswidrig verhalten und im Bundesgebiet illegal aufhältig hätte bleiben müssen. Angesichts dessen ist durch die Ausreise des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt, zu dem sein Antrag auf Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde beim VfGH anhängig, aber noch nicht entschieden war, auch nicht eo ipso eine Klaglosstellung im Sinne des §86 VfGG eingetreten. Hätte die Beschwerde vor dem VfGH Erfolg, käme dem Beschwerdeführer wiederum der Status des Asylwerbers und die damit zusammenhängende Rechtsstellung zu; das Interesse des Beschwerdeführers daran geht nicht allein deshalb verloren, weil er einer rechtlichen Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachkommt. Dass ein Rechtsschutzsuchender seine Interessen auch von außerhalb des Bundesgebietes verfolgt, ist im Allgemeinen wie hier im Besonderen nicht unzulässig.

Es ist daher anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob auch bei Ausreise im Gefolge einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung und wie hier unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe weiterhin ein Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen Erkenntnisses besteht. Sieht man einmal von dem mit dem angefochtenen Erkenntnis ebenfalls bestätigten Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer ab (durch dieses bleibt der Beschwerdeführer auch dann beschwert, wenn er sich freiwillig wieder unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hat), so wäre der Beschwerdeführer durch die übrigen Anordnungen des angefochtenen Erkenntnisses, insbesondere die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz, dann nicht mehr (objektiv) beschwert, wenn er sich im Sinne von Art1 Abschnitt C Z1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge idF BGBl 78/1974 (GFK) und Art11 Abs1 Status-RL freiwillig wieder unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hat.

Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ausgereist ist, nachdem gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung ergangen ist, seine Ausreise zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem er mit dem erst nachfolgend bestellten Rechtsvertreter daher vor Ausreise keinen Kontakt aufnehmen konnte, und der Rechtsvertreter ausdrücklich erklärt hat, die Beschwerde aufrecht zu erhalten, ist unter diesen konkreten Umständen weiterhin von einem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers auszugehen. Dass der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch genommen hat und in diesem Rahmen gegebenenfalls wechselseitige Verpflichtungen eingegangen ist, ändert an seiner Ausreiseverpflichtung nichts.

Im Übrigen: Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Rechtsschutz, Rückkehrentscheidung, res iudicata, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E2767.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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