Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des P in A, vertreten durch Dr. Christof Joham & Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in 5301 Eugendorf, Gewerbestraße 13, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 18. Februar 2019, Zl. LVwG-602735/9/JS/KGr, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet und Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), den Beschluss
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Februar 2019 hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der BH Gmunden vom 25. September 2018 als verspätet zurückgewiesen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist abgewiesen.
5 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerbervertreter habe die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der BH Gmunden vom 25. September 2018 am Donnerstag, dem 25. Oktober 2018, direkt an das Landesverwaltungsgericht übermittelt. Am 26. Oktober 2018 sei Nationalfeiertag gewesen. Am Montag, dem 29. Oktober 2018, habe das Verwaltungsgericht die Beschwerde mit Schreiben vom selben Tag der belangten Behörde weitergeleitet. Die Beschwerde und das Schreiben vom 29. Oktober 2018 seien am Dienstag, dem 6. November 2018, von der amtsinternen Poststelle des Landesdienstleistungszentrums des Landes Oberösterreich der BH Gmunden zugestellt worden. Am 1. November 2018 sei ein Feiertag gewesen. Die Beschwerdefrist sei am 5. November 2018 abgelaufen gewesen.
6 Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 27. November 2019, E 1283/2019-5, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision führt der Revisionswerber unter Bezug auf VwGH 23.10.2014, 2012/07/0209, aus, der Verwaltungsgerichtshof habe bisher nur bei wenigen Tagen Verzögerung kein Fehlverhalten der Behörde angenommen. Vorliegend sei die Beschwerde elf Tage nicht zugestellt worden, somit nicht unverzüglich. Kausal für die Fristversäumung sei die deutliche Verzögerung durch die Poststelle des Landesdienstleistungszentrums des Landes Oberösterreich gewesen, was für den Revisionswerber ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dargestellt habe, an dem ihn kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden treffe.
8 Das Risiko einer durch eine an eine unzuständige Behörde erfolgte Eingabe zustande kommenden Fristversäumung trifft die Partei. Die in § 6 AVG normierte Pflicht der unzuständigen Stelle zur Weiterleitung von Schriftstücken an die zuständige Stelle darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beliebig lange hinausgezögert werden. Wurde die Partei durch eine grundlose extreme Verzögerung der Weiterleitung ihres irrtümlich bei der unzuständigen Stelle eingebrachten Anbringens gehindert, die Frist einzuhalten, stellt das für die Fristversäumung letztlich kausale Fehlverhalten der betreffenden Stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Diesfalls trifft den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nur dann vor, wenn die Partei durch ein im Nachhinein bekannt gewordenes "krasses Fehlverhalten" der zur Weiterleitung verpflichteten Stelle an der Einhaltung der Frist gehindert wurde (VwGH 23.10.2014, 2012/07/0209, mwN). 9 Steht der Behörde ein Zeitraum von maximal acht Werktagen zur Verfügung, um ein Schriftstück innerhalb der offenen Frist an die zuständige Behörde weiterzuleiten, kann schon angesichts des der Behörde zuzugestehenden Zeitraumes für eine geschäftsordnungsgemäße Behandlung der Eingabe jedenfalls nicht von einer "extremen Verzögerung" oder von einem "krassen Fehlverhalten" im Sinn der dargestellten Judikatur gesprochen werden. Die aufgetretene Verzögerung bei der Weiterleitung geht daher zu Lasten der Partei, die den Schriftsatz bei der falschen Einbringungsstelle eingebracht hat (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0331, mwN).
10 Im vorliegenden Fall wären dem Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der angeführten Feiertage und der Wochenenden sechs Werktage zur Weiterleitung der Beschwerde zur Verfügung gestanden. Tatsächlich wurde die Beschwerde vom Verwaltungsgericht im Wege der amtsinternen Poststelle des Landesdienstleistungszentru ms innerhalb von sieben Werktagen an die zuständige Behörde weitergeleitet.
11 Im Sinne der dargestellten Rechtsprechung kann daher weder von einer "extremen Verzögerung" noch von einem "krassen Fehlverhalten" gesprochen werden. Die aufgetretene Verzögerung bei der Weiterleitung geht daher zu Lasten der Partei, die den Schriftsatz bei der falschen Einbringungsstelle eingebracht hat. 12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020044.L00Im RIS seit
27.04.2020Zuletzt aktualisiert am
27.04.2020