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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASchG 1972 §27 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der B Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Dezember 1997, Zl. 317.727/2-III/A/2a/97, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem als Ersatzbescheid für den mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0028, aufgehobenen Bescheid vom 23. November 1995 ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführerin gemäß "§§ 74, 77 GewO 1973 und § 27 Abs. 2 ANSchG" die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Nahversorgungsmarktes an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Die Auflage Punkt 29. hat folgenden Wortlaut:
"Bei Errichtung der Kassenarbeitsplätze als
Steh- Sitzarbeitsplätze sind folgende Anforderungen zu erfüllen:
a)
Es ist eine Pulthöhe von mindestens 0,9 m, gemessen zwischen Fußboden und Pultoberkante, vorzusehen.
b)
Ein drehbarer Arbeitsstuhl ist zur Verfügung zu stellen, der
-
eine im Bereich von 0,65 m und 0,85 m verstellbare Sitzhöhe aufweist,
-
eine Aufstiegshilfe aufweist,
-
ein 5-strahliges Fußgestell, welches mit Gleitern anstatt Rollen ausgestattet ist, aufweist und
-
eine verstellbare Rückenlehne aufweist.
c)
der Bewegungsraum im Arbeitsbereich des Steh-Sitzarbeitsplatzes ist so zu gestalten, daß ein sicheres Auf- und Absteigen auf den und vom Arbeitsstuhl möglich ist und ausreichend Platz bietet, für die Stehposition neben dem gleichzeitig vorhandenen nach hinten weg geschobenen Arbeitsstuhl bietet. Als Mindestmaß hiefür kann eine freie Fläche von 0,6 m x 1,2 m angesehen werden.
d)
Es ist ein in der Höhe verstellbares Fußpodest zur Verfügung zu stellen.
e)
Der Kassenarbeitsplatz ist an der Rückseite des Arbeitsbereiches gegen Störungen durch vorbeigehende Kunden mittels einer Abschirmung zu schützen, die den unter Punkt c) geforderten Mindestbewegungsraum nicht einengen darf."
Die Auflage Punkt 37. hat folgenden Wortlaut:
"Durch entsprechende Gestaltung des Kassenarbeitsplatzes muß dem Kassenpersonal zu Kontrollzwecken ein vollständiger Einblick in Einkaufswagen und -körbe möglich sein, ohne die Sitzposition ändern zu müssen. Wenn notwendig, sind Spiegel bzw. andere Kontrollvorrichtungen anzubringen. Die Sichtfreiheit des Kassenpersonals in Richtung herannahender Kunden muß gegeben sein."
Zur Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere nach wörtlicher Wiedergabe der im Zuge des Verfahrens mehrfach erstatteten Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates für den
9. Aufsichtsbezirk, aus, wegen der widersprüchlichen Ansichten der Beschwerdeführerin einerseits und des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk andererseits vor allem zur Gestaltung der Kassenarbeitsplätze sei im Sinne des § 12 Abs. 5 Arbeitsinspektionsgesetz das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Zentral-Arbeitsinspektorat, um eine gutächtliche Äußerung ersucht worden. Dieses habe folgende Äußerung abgegeben:
"Die Auflagenpunkte 29. bis 38. betreffen die Ausgestaltung der Kassenarbeitsplätze, der Auflagenpunkt 42. den Schutz der Leuchtstoffbalken gegen mechanische Beschädigung.
1. Kassenarbeitsplätze:
Den Einwendungen der rechtsfreundlichen Vertretung der Konsenswerberin, daß sogenannte Steh-Sitz-Kassen eingerichtet werden sollen, wird, obwohl dieser Umstand erst in der Berufung aufgezeigt wurde und der Projektbeschreibung und den Einreichplänen nicht zu entnehmen ist, Rechnung getragen. Weiters wurde auch das vorgelegte Gutachten von Prof. Dipl. Ing. Dr. P berücksichtigt, wobei jedoch zu bemerken ist, daß zwei Punkte als nicht zutreffend erachtet werden:
Punkt 1 des Gutachtens ist als nicht zutreffend anzusehen, da ein Wechsel vom Sitzen zum Stehen lediglich einen Wechsel von einer statischen Haltung in eine andere darstellt und somit nicht einen aus arbeitsmedizinischer Sicht begrüßenswerten Wechsel von einer statischen Haltung (Sitzen) in eine dynamische (zB. Umhergehen).
Punkt 3,II ist dahingehend nicht zutreffend, als die Aufstiegshilfe als Fußstützte ungeeignet ist, da die Beine beim Sitzen durch die an der Mittelsäule angebrachte Aufstiegshilfe in eine unnatürliche Haltung gezwungen würden.
Den sonstigen Ausführungen im Gutachten wird zugestimmt, wobei jedoch bemerkt wird, daß keinerlei Zahlenangaben über geeignete Pult- und Sitzhöhen gemacht wurden.
Im übrigen wird festgehalten, daß es auch von seiten der Konsenswerberin nicht in Abrede gestellt wird, daß Kassiertätigkeiten im Sitzen durchzuführen sind. In diesem Zusammenhang sei auf die §§ 48 Abs. 4 und 49 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl. Nr. 218/1983, hingewiesen.
Gegen die Errichtung der Kassen-Arbeitsplätze als Steh-Sitz-Arbeitsplätze besteht kein Einwand, wenn die folgenden Anforderungen erfüllt werden:
a)
Es ist eine Pulthöhe von mindestens 0,90 m, gemessen zwischen Fußboden und Pultoberkante, vorzusehen.
b)
Ein drehbarer Arbeitsstuhl ist zur Verfügung zu stellen, der
-
eine im Bereich von 0,65 m und 0,85 m verstellbare Sitzhöhe aufweist,
-
eine Aufstiegshilfe aufweist,
-
ein fünstrahliges Fußgestell, welches mit Gleitern, anstatt von Rollen ausgestattet ist, aufweist und
-
eine verstellbare Rückenlehne aufweist.
c)
Der Bewegungsraum im Arbeitsbereich des Steh-Sitz-Arbeitsplatzes ist so zu gestalten, daß ein sichereres Auf- und Absteigen auf den und vom Arbeitsstuhl ermöglicht ist und ausreichend Platz bietet, für die Stehposition neben dem gleichzeitig vorhandenen nach hinten weggeschobenen Arbeitsstuhl bietet. Als Mindestmaß hiefür kann eine freie Fläche von 0,6 m mal 1,2 m angesehen werden.
d)
Es ist ein in der Höhe verstellbares Fußpodest zur Verfügung zu stellen.
e)
Der Kassen-Arbeitsplatz ist an der Rückseite des Arbeitsbereiches gegen Störungen durch vorbeigehende Kunden mittels einer Abschirmung zu schützen, die den unter Punkt c) geforderten Mindestbewegungsraum nicht einengen darf.
Bemerkung: Ein Schutz vor Zugluft ist nicht erforderlich, da im Eingangsbereich ein Warmluftvorhang projektiert ist (Verhandlungsschrift vom 8.6.1993, auf die im Bescheid erster Instanz verwiesen wird).
Die Auflagenpunkte 29. bis 36. und der Auflagepunkt 38. des Bescheides erster Instanz können zugunsten der in den Punkten a) und e) formulierten Forderungen entfallen.
Zu der Ausführung der Vertretung der Konsenswerberin gegen den Auflagepunkt 37. ist festzuhalten, daß die Ansicht, wonach es gesund sei, jedesmal aufzustehen, sich über das Pult zu beugen, um die Einkaufwagen zu kontrollieren, nicht geteilt werden kann. Der Auflage kann auch damit entsprochen werden, daß in dem Bereich, in dem der Einkaufswagen zum Entgegennehmen der registrierten Waren aufgestellt wird, das Pult mit einer in die Pultoberfläche eingelassenen Glasscheibe ausgestattet wird, durch die ein bequemer Blick in den Einkaufswagen möglich ist."
Nach Wiedergabe des Inhaltes der §§ 74 Abs. 2 und 77 Abs. 1 GewO 1973 und des § 27 Abs. 2 ANSchG führte der Bundesminister sodann aus, er folge mit seiner Entscheidung im wesentlichen der schlüssigen, klaren und eindeutigen Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
- Zentral-Arbeitsinspektorat vom 13. Juli 1995, wobei davon auszugehen sei, daß bei Erfüllung der nunmehr vorgeschriebenen Auflagenpunkte auch gegen die Einrichtung von Steh-Sitz-Arbeitsplätzen aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes kein Einwand bestehe. Die Durchführung einer Augenscheinsverhandlung unter Zuziehung eines Sachverständigen für Ergonomie sei daher entbehrlich gewesen, zumal sich die beigezogenen Arbeitsinspektorate eingehend mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten ergonomischen Privatsachverständigengutachten auseinandergesetzt hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid "insofern in ihren Rechten verletzt, als
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kein gesetzmäßiges Verfahren durchgeführt wurde, insbesondere kein Sachverständigengutachten darüber eingeholt wurde, ob die mit den bekämpften Auflagen vorgeschriebene Gestaltung des Kassenarbeitsplatzes im Interesse des Arbeitnehmerschutzes notwendig oder zumindest zweckmäßig ist, und entgegen dem wiederholten Antrag der Beschwerdeführerin keine Augenscheinsverhandlung durchgeführt wurde;
-
der angefochtene Bescheid keine gesetzmäßige Begründung aufweist und
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der Beschwerdeführerin in gesetzwidriger Weise eine bestimmte Gestaltung der Kassenarbeitsplätze auferlegt wird, wobei die Gesetzwidrigkeit insbesondere darin begründet ist, daß die bekämpften Auflagen zur Wahrung der Interessen des Arbeitnehmerschutzes weder erforderlich noch zweckmäßig sind und zum Teil nicht hinreichend konkret sind."
In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe sich schon in ihrer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid gegen die Ansicht des Arbeitsinspektorates zur Wehr gesetzt, die Kassenarbeitsplätze müßten als sogenannte "Sitzarbeitsplätze" ausgestaltet sein und dargelegt, daß die Gestaltung als "Sitz-Steh-Arbeitsplatz" für die Arbeitnehmer günstiger sei. Erst in der Stellungnahme des Zentral-Arbeitsinspektorates habe dieses erstmals die Einrichtung von Sitz-Steh-Arbeitsplätzen befürwortet. In der folgenden Stellungnahme habe sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Zentral-Arbeitsinspektorat geforderten Auflagen über die Gestaltung der Kassenarbeitsplätze ausgesprochen und konkret dargelegt, warum derartige Gestaltungen für nicht zweckmäßig oder zumindest nicht erforderlich erachtet würden. Sie habe ausdrücklich die Durchführung einer Augenscheinsverhandlung unter Zuziehung eines Sachverständigen für Ergonomie beantragt. Diesen Beweisanträgen sei die belangte Behörde nicht gefolgt, obwohl bei Durchführung dieses Beweises hätte festgestellt werden können, ob die Vorschreibung von Auflagen betreffend Gestaltung der Kassenarbeitsplätze überhaupt erforderlich ist und welche Auflagen allenfalls vorzuschreiben seien. Der angefochtene Bescheid weise keine gesetzmäßige Begründung im Sinne des § 59 AVG auf, weil sich die Ausführungen der belangten Behörde auf die Wiedergabe der Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates und des Gesetzestextes beschränkten. Erwägungen, warum die belangte Behörde trotz der Stellungnahmen der Beschwerdeführerin nicht deren Argumenten gefolgt sei, sondern ausschließlich jenen der Verfahrenspartei Arbeitsinspektorat, seien dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Angesichts der gravierenden Verfahrensmängel sei dies nicht verwunderlich, da die belangte Behörde ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht hätte begründen können, warum sie im Sinne der Anforderung des Zentral-Arbeitsinspektorates eine freie Fläche von 0,6 m x 1,2 m für erforderlich erachte, die freie Fläche in den von der Beschwerdeführerin verwendeten Kassenarbeitsplätzen von 0,55 m x 1,0 m hingegen für unzureichend qualifiziere. Daran vermöge der Hinweis, daß sich die beigezogenen Arbeitsinspektorate mit dem vorgelegten Privatsachverständigengutachten auseinandergesetzt hätten, nichts zu ändern. Zu den strittigen Fragen, insbesondere zu der Abweichung des Freiraumes um wenige Zentimeter, enthalte das Privatsachverständigengutachten keine Aussage. Bei der rechtlichen Würdigung dieser "Zentimeter-Divergenzen" sei in Rechnung zu stellen, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid gezwungen werde, einen (wenngleich nur geringfügig abweichenden) speziellen Kassenarbeitstisch herstellen zu lassen und nicht einen jener beiden Standardkassen-Arbeitstische verwenden könne, die in hunderten Filialen der Beschwerdeführerin in ganz Österreich erfolgreich verwendet würden. Die Beschwerdeführerin erachte den mit dem angefochtenen Bescheid neu gefaßten Auflagenpunkt 29. sowie den bestätigten Auflagenpunkt 37. des erstinstanzlichen Bescheides für rechtswidrig, da keinerlei sachliche Notwendigkeit für millimetergenaue Vorschriften über die Gestaltung von Kassenarbeitsplätzen erkennbar sei. Der Gesetzgeber habe bislang offenbar bewußt davon Abstand genommen, die Beschaffenheit jedes Arbeitsplatzes millimetergenau vorzuschreiben, zumal dadurch Anpassungen an neue technische und ergonomische Erkenntnisse erschwert und nicht gefördert würden. Im einzelnen schreibe die Auflage Nr. 29 lit. c im ersten Satz in allgemeiner Form einen hinreichenden Bewegungsraum vor. Diese Forderung sei selbstverständlich und gesetzeskonform, die Vorschreibung als Auflage sei jedoch insoweit mangels hinreichender Konkretisierung gesetzwidrig. Hinreichend konkret sei nur der zweite Satz, wonach als Mindestmaß für einen ausreichenden Bewegungsraum eine freie Fläche von 0,6 m x 1,2 m angesehen werden könne. Dieser Bewegungsraum sei jedoch als Mindestmaß nicht erforderlich, es genüge vielmehr der freie Bewegungsraum von 0,55 m x 1,0 m, wie ihn die Kassenarbeitstische der Beschwerdeführerin aufwiesen. Ein in der Höhe verstellbares Fußpodest, wie es in der Auflage Nr. 29 lit. d vorgeschrieben werde, sei nicht erforderlich und als Stolpergefahr dem Arbeitnehmerschutz sogar abträglich. Die bei einem Sitz-Steh-Arbeitsplatz am Arbeitsstuhl vorhandene Aufstiegshilfe diene auch zum Abstützen der Füße. Die Auflage Nr. 29 lit. e sei mangels hinreichender Konkretisierung rechtswidrig, da nicht erkennbar sei, wie die "Abschirmung" beschaffen sein solle, die den Kassenarbeitsplatz an der Rückseite "gegen Störungen durch vorbeigehende Kunden" schütze. Der Kassenarbeitsplatz der Beschwerdeführerin weise an der Rückseite eine Höhe von rund 98 cm auf, durch die das Kassenpersonal hinreichend gegen Anstoßen mit Einkaufswägen, Anstoßen mit Einkaufstaschen oder ähnlichem geschützt sei. Das Arbeitsinspektorat habe demgegenüber wiederholt einen höheren Schutz verlangt, der nach Auffassung der Beschwerdeführerin ein in dieser Betriebsanlage nicht erforderlicher Zugluftschutz wäre. Nach der Formulierung der Auflage Nr. 29 lit. e vermöge die Beschwerdeführerin nicht zu erkennen, ob damit ihrer Argumentation gefolgt worden sei oder jener des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk. Die konkret geforderte Gestaltung des Arbeitsplatzes gehe aus der Auflage nicht hervor. Ebenso mangels hinreichender Konkretisierung und mangels sachlicher Zweckmäßigkeit rechtswidrig sei die Auflage Nr. 37. Die Vorschreibung dieser Auflage gehe von der unzutreffenden Annahme aus, daß es sich um einen reinen Sitz-Arbeitsplatz handle, bei einem Sitz-Steh-Arbeitsplatz sei es hingegen ergonomisch gewünscht, daß das Kassenpersonal etwa zum Zweck der Einsicht in Einkaufswägen aufstehe. Überdies habe sich die belangte Behörde stillschweigend über das Argument der Beschwerdeführerin hinweggesetzt, daß ohnehin in jedem Kassenarbeitstisch in die Pultoberfläche eine Glasscheibe eingelassen sei, die im Regelfall den Blick in Einkaufswägen ermögliche. Mit der Auflage Nr. 29 lit. b werde der Beschwerdeführerin u.a. vorgeschrieben, daß der Arbeitsstuhl mit Gleitern anstatt Rollen auszustatten sei. Auch dafür sei keinerlei Notwendigkeit zu erkennen. Die Beschwerdeführerin verwende in sämtlichen Kassenarbeitsplätzen mit Rollen ausgestattete Arbeitsstühle und obwohl tausende Mitarbeiter ihre Arbeit unter Verwendung solcher Arbeitsstühle verrichteten, sei keinerlei Gefährdung von Arbeitnehmerschutzinteressen festgestellt worden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten, die vorliegende Verwaltungssache betreffenden Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0028, ausgesprochen hat, ist auf dieses Verwaltungsverfahren das Arbeitnehmerschutzgesetz 1972, BGBl. Nr. 234, anzuwenden. Nach dessen § 27 Abs. 2 ist bei Betrieben, für die durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift eine Bewilligung vorgeschrieben ist, sowie bei sonstigen Betrieben, die unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung fallen, eine Bewilligung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz nicht erforderlich. In dem betreffenden Bewilligungsverfahren sind jedoch die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen und die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben, soweit dies unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 24 erforderlich ist.
Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung sind daher, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0117, ausgeführt hat, im Rahmen einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes Bedingungen und Auflagen nur vorzuschreiben, wenn dies zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendig ist. Diese Gesetzesstelle bietet daher insbesondere keine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung von Auflagen, die allein einer ergonomisch zweckmäßigen, nicht aber unter dem Gesichtspunkt eines Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlichen Gestaltung des Arbeitsplatzes dienen.
Von dieser Rechtslage ausgehend hätte es zur Begründung der Notwendigkeit der Vorschreibung der in Rede stehenden Auflagen zur Gestaltung der gegenständlichen Kassenarbeitsplätze der unter Beiziehung jedenfalls auch eines medizinischen Sachverständigen zu treffenden Feststellungen bedurft, ob und welche Gefahren dem Leben oder der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Verwendung der Kassenarbeitsplätze drohen, wie sie von der Beschwerdeführerin in dem von ihr der Behörde zur Genehmigung vorgelegten Projekt vorgesehen sind.
Davon abgesehen verstoßen die Auflagen Punkt 29. lit. e und Punkt 37. insofern gegen das Gebot der Bestimmtheit von Auflagen (vgl. die in Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, S. 268 ff, zitierte hg. Judikatur), als der Auflage Punkt 29. lit. e weder die Art der Störungen durch vorbeigehende Kunden, welchen durch diese Auflage begegnet werden soll, noch die nähere Gestaltung der Abschirmung, insbesondere deren Höhe, entnommen werden kann und andererseits die Auflage Punkt 37. nicht erkennen läßt, inwieweit die im Projekt der Beschwerdeführerin enthaltene Gestaltung der Kassenarbeitsplätze dem Erfordernis eines Einblicks in Einkaufswagen und -körbe nicht entspricht, sodaß die Beschwerdeführerin darüber im unklaren gelassen wird, ob bei projektgemäßer Ausführung der Kassenarbeitsplätze die Anbringung von Spiegeln oder anderen Kontrollvorrichtungen notwendig ist.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Da die belangte Behörde dies alles verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998040012.X00Im RIS seit
11.07.2001