TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/7 I414 2216790-1

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Veröffentlicht am 07.01.2020
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Entscheidungsdatum

07.01.2020

Norm

BBG §40
B-VG Art. 133 Abs4
B-VG Art. 83 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I414 2216790-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXXgegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 19.03.2019, Zl. XXXX, in nichtöffentlicher Sitzung

A)

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

und

II. beschlossen:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer beantragte am 20.08.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde. Der Punkt 3. des Antragformulars lautet: "Sollte die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertigen, beantrage ich die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragung in den Behindertenpass.

Insbesondere: ". Der Punkt blieb unausgefüllt, es wurde keine Zusatzeintragung beantragt.

Nach Einholung von Sachverständigengutachten vom 15.10.2018 und 14.03.2019 und Miteinbeziehung eines bereits zuvor erstatteten medizinischen Gutachtens vom 06.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80% am 19.03.2019 ausgestellt und übermittelt.

Am 19.03.2019 wurde außerdem ein abweisender Bescheid betreffend den Antrag vom 20.08.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfasst.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 20.08.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Rubrik "Sollte die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertigen, beantrage ich die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragungen in den Behindertenpass.

Insbesondere: " ließ der Beschwerdeführer leer.

Ein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wurde nicht gestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt und die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde.

Dass kein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gestellt wurde, ergibt sich aus dem Antragsformular. Es wurde explizit "die Ausstellung eines Behindertenpasses" angekreuzt. Ein solcher wurde dem Beschwerdeführer auch ausgestellt. Auch die übrigen Rubriken und Felder wurden befüllt, von der Möglichkeit, unter Pkt. 3. Des Formulars eine Zusatzeintragung zu beantragen, wurde nicht Gebrauch gemacht. Es findet sich auch kein weiterer, gesonderter Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Akt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

§ 45 BBG lautet auszugsweise:

"(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."

Gemäß § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist.

Zu A)

Bei Vornahmen von Zusatzeintragungen in den Behindertenpass handelt es sich gemäß den oben zitierten Bestimmungen des BBG und der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen um antragbedürftige Verwaltungsakte. Fehlt ein Antrag, ist die Entscheidung insoweit rechtswidrig.

3.2. Zu I.) Behebung des Bescheides:

Unzuständigkeit hat der VwGH in neuerer Rsp auch judiziert und Bescheide aufgehoben, wenn ein nicht gestellter Antrag abgewiesen (VwGH 25. 10. 1996, 94/17/0300; 24. 1. 1997, 95/19/0871; 15. 7. 2003, 2002/05/1197; 26. 11. 2003, 99/20/0449) oder zurückgewiesen wurde. Sowohl die Zurückweisung als auch die Abweisung eines Antrags sind jedenfalls insofern antragsbedürftig, als sie das Vorliegen eines Antrags voraussetzen (VwGH 25. 2. 2004, 2003/12/0105). Auf verfassungsgesetzlicher Ebene verstößt die Behörde bei amtswegiger Erlassung eines antragsbedürftigen Bescheides gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art 83 Abs 2 B-VG, weil sie (auch) nach Ansicht des VfGH damit eine Zuständigkeit in Anspruch nimmt, die ihr nicht zukommt (VfSlg 2167/1951; 5363/1966; 11.502/1987) (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13, Rz 3).

Der Beschwerdeführer hat einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt, nicht aber die Vornahme der Zusatzeintragung beantragt, über die im oben angeführten Bescheid abgesprochen wurde. Da somit der erforderliche Antrag nicht vorlag, verletzt die belangte Behörde einerseits Art 83 Abs 2 B-VG und nimmt eine Zuständigkeit wahr, die ihr nicht zukommt. Der Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit belastet und war aus dem Rechtsbestand zu beheben.

3.3. Zu II.) Zurückweisung der Beschwerde mangels Beschwer:

Durch die Abweisung eines gar nicht gestellten Begehrens kann eine Partei in keinem Recht verletzt sein (VwGH 27.06.1980, VwSlg 10179 A/1980). Der Beschwerdeführer ist nicht beschwert und ist eine Beschwerde daher nicht zulässig.

4. Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit und zur Beschwer; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

antragsbedürftiger Verwaltungsakt, Behebung der Entscheidung,
Behindertenpass, mangelnde Beschwer, Rechtswidrigkeit,
Unzuständigkeit, Zurückweisung, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2216790.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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