TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/19 W208 2220304-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2019
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Entscheidungsdatum

19.09.2019

Norm

AVG §17
B-VG Art. 133 Abs4
GEG §1 Z3
GEG §6a Abs1
GEG §6b Abs4
StGB §20 Abs1
StGB §20 Abs3
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §8a

Spruch

W208 2220304-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über den I) Antrag auf Verfahrenshilfe von XXXX , geb. XXXX , dzt. Justizanstalt SIMMERING, 1110 WIEN, Kaiser-Ebersdorfer-Straße 297, zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des PRÄSIDENTEN DES LANDESGERICHTES FÜR STRAFSACHEN WIEN vom 07.05.2019, GZ Jv 2997/19x-33 betreffend Einbringung eines Verfallsbetrages nach dem Gerichtliches Einbringungsgesetz und

II) der Beschwerde vom 04.06.2019 gegen den Bescheid des PRÄSIDENTEN DES LANDESGERICHTES FÜR STRAFSACHEN WIEN vom 07.05.2019, GZ Jv 2997/19x-33, zu Recht erkannt:

A) I. Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG

abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

III. Der Antrag auf "vollständige Aktenübermittlung" wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Im Grundverfahren wurde die antragstellende und beschwerdeführende Partei (im Folgenden: bP) mit rechtskräftigem Urteil des LANDESGERICHTES FÜR STRAFSACHEN WIEN (im Folgenden: LG) vom 11.03.2019, XXXX , wegen mehrerer Straftaten verurteilt und wurden die gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB durch seine Straftaten erlangten Vermögenswerte bzw. Ersatzwerte iHv € 11.620,98 für verfallen erklärt.

2. Mit Bescheid vom 07.05.2019 wurde - nachdem ein Mandatsbescheid vom 10.04.2019, wegen Erhebung eines Rechtsmittel am 24.04.2019 (Vorstellung) ex lege außer Kraft getreten war - ein neuer Zahlungsauftrag erlassen und der bP der für verfallen erklärte Betrag iHv € 11.620,98 zuzüglich einer Einhebungsgebühr von € 8,-- gemäß § 6a Abs 1 GEG, in Summe € 11.628,98 zur Zahlung vorgeschrieben.

Ein "in eventu" zur Erhebung eines Rechtsmittels eingebrachter Verfahrenshilfeantrag wurde abgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 10.05.2019) brachte die bP mit Schreiben vom 04.06.2019 eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Verfahrenshilfe.

4. Mit Schreiben vom 13.06.2019 legte die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag und die Beschwerde inklusive des Bescheides, des Strafurteiles, der Endverfügung über die Rechtskraft des Strafurteils, den Mandatsbescheid/Zahlungsauftrag, die Vorstellung gegen diesen Mandatsbescheid und das Vorlageschreiben der Kostenbeamtin an den Präsidenten des LG, dem BVwG zu Entscheidung vor.

5. Mit Schreiben vom 05.08.2019 an das BVwG ersuchte die bP um eine "vollständige Aktenübermittlung" (unter anderem) in diesem Verfahren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I.1. angeführte Sachverhalt wird festgestellt.

Im beschwerdegegenständlichen rechtskräftigen Strafurteil des Grundverfahrens findet sich der Spruch:

"Gemäß § 20 Abs 1, Abs 3 StGB werden die durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlungen vom Angeklagten erlangten Vermögenswerte bzw. Ersatzwerte von insgesamt EUR 11.620,98 für verfallen erklärt."

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage erfolgen.

Insbesondere wird von der bP nicht angeführt, dass ihr das Strafurteil nicht zugestellt worden und nicht rechtskräftig geworden wäre. Die bP weist lediglich in der Vorstellung darauf hin, dass im Urteil auf Seite 9 (womit feststeht, dass sie das schriftliche Urteil hat) angeführt wird, dass "von einer Abschöpfung der Bereicherung abgesehen" werde.

Tatsächlich enthält das Urteil folgenden Spruchteil:

"Gemäß § 20a Abs 2 Z 3 StGB idF vor Inkrafttreten des 108. Bundesgesetzes 2010 über das strafrechtliche Kompetenzpaket (BGBl I 2010/108) wird von der Abschöpfung der eingetretenen unrechtmäßigen Bereicherung abgesehen."

Gleichzeitig findet sich im Urteil aber im nächsten Absatz der Spruch:

"Gemäß § 20 Abs 1, Abs 3 StGB werden die durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlungen vom Angeklagten erlangten Vermögenswerte bzw. Ersatzwerte von insgesamt EUR 11.620,98 für verfallen erklärt."

Die Rechtskraft dieses Urteils (und damit aller Spruchteile) ergibt sich für das BVwG aus der im Akt einliegenden Endverfügung der zuständigen Richterin vom 10.04.2019 - wonach die Rechtskraft des Strafurteils am 15.03.2019 eingetreten ist.

Soweit die bP nun in der Beschwerde inhaltlich sinngemäß anführt, dass von ihr angenommene Strafurteil würde von jenem das schriftlich ausgefertigt wurde, abweichen und sei dessen Inhalt wesentlich geändert worden, betrifft dies das Grundverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A I.)

§ 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF regelt seit 01.01.2017 die Gewährung von Verfahrenshilfe vor dem BVwG außerhalb von Verwaltungsstrafverfahren.

Voraussetzung dafür ist, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe auf Grund des Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist.

Die Beschwerde stellt sich, wie unten im Punkt A II. gezeigt wird als aussichtslos dar, da sich die von der bP angeführten Beschwerdegründe gegen - behauptete - Fehler im Grundverfahren (Strafverfahren) richten und diese im Justizverwaltungsweg bei der Eintreibung nicht mehr aufgegriffen werden würfen.

Da somit eine Voraussetzung des § 8a VwGVG nicht erfüllt sind, und alle darin genannten Voraussetzungen gemeinsam (kumulativ) vorliegen müssen, erübrigt sich eine diesbezüglich weitere Prüfung.

Im Übrigen sehen das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) und das Gerichtliche Einbringungsgesetz (GEG) keine Rechtsgrundlage für die Gewährung von Verfahrenshilfe vor.

Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe ist daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu A II.)

Die bP führt in ihrer Beschwerde zusammengefasst an, dass das von ihr angenommene Strafurteil von jenem das schriftlich ausgefertigt wurde abweichen würde und sei dessen Inhalt wesentlich geändert worden. Dies widerspreche der EMRK und sei verfassungswidrig.

Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen aufgrund des festgestellten Inhalts des Urteils nicht nachvollziehbar ist, betrifft dieses Vorbringen das Grundverfahren.

Die relevante Bestimmungen des Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) lauten (Auszug ):

"§ 1. Von Amts wegen sind folgende Beträge einzubringen:

[...]

3. von ordentlichen Gerichten in Strafsachen verhängte Geldstrafen aller Art, konfiszierte Ersatzwerte sowie für verfallen erklärte Geldbeträge;

[...]

§ 6b (4) Im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg können weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden."

Wie die belangte Justizverwaltungsbehörde richtig erkannt hat, können gemäß § 6b Abs 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) im Verfahren zur Einbringung, weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren (hier das Strafverfahren) dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden (vgl. dazu auch VwGH 10.08.2015, Ra 2015/03/0047). Die das GEG vollziehenden Justizverwaltungsorgane sind bei der Gerichtsgebührenfestsetzung an die Entscheidungen des Gerichtes gebunden, und zwar selbst dann, wenn gerichtliche Entscheidungen offenbar unrichtig sein sollten (vgl etwa VwGH 16.12.2014, 2013/16/0172). Die Rechtmäßigkeit einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung kann auch in einem Berichtigungsverfahren bzw. aufgrund einer Vorstellung nach § 7 GEG nicht mehr aufgerollt werden (vgl etwa VwGH 18.12.2007, 2007/06/0285, VwGH 18.12.2008, 2008/06/0197, VwGH vom 29.01.2015, 2013/16/0100). Die von der bP angeführten Argumente, betreffend einer von ihr erkannten EGMR- bzw. Verfassungswidrigkeit gehen daher in diesem Justizverwaltungsverfahren ins Leere und wären in einem Rechtsmittel von dem Strafgericht aufzuwerfen gewesen, welches jedoch - wie sich aus der Rechtskrafterklärung ergibt - nicht eingebracht wurde.

Da dem angefochtenen Bescheid vor diesem Hintergrund keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG anzulasten ist, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Zu A III.)

Soweit die bP eine "vollständigen Aktenübermittlung" beantragt hat, ist sie darüber aufzuklären, dass der Rechtsanspruch auf Akteneinsicht gemäß § 17 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), ihr keinen Anspruch auf Übersendung des Aktes oder von Kopien durch das BVwG einräumt (vgl. dazu den VwGH 28.04.2009, 2009/06/0015: "Der Anspruch auf Übermittlung einer Aktenkopie ist aus § 17 AVG nicht ableitbar (siehe dazu die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, bei E 3b-d und E 20 wiedergegebene hg. Judikatur").

Dabei verkennt das BVwG nicht, dass sich die bP derzeit in Haft befindet und die Akteneinsicht nicht selbst wahrnehmen kann. Sie kann einem Vertreter/Vertreterin eine Vollmacht ausstellen und diese/n betrauen, vor Ort Akteneinsicht zu nehmen und Kopien (auf eigene Kosten) anzufertigen. Im Gegenstand sind der bP ohnehin die für das Justizverwaltungsverfahren relevanten Aktenteile bekannt, wie sich aus dem vorliegenden Akt schlüssig ergibt (das Strafurteil, das Verstreichen der Rechtsmittelfrist und der beschwerdegegenständliche Bescheid).

Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellten Grundsatzentscheidungen des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

Aktenabschrift, Akteneinsicht, Aussichtslosigkeit, Bindungswirkung
gerichtliche Einbringung, Einhebungsgebühr, Gerichtsbarkeit,
Gewaltentrennung, Häftling, Justizverwaltung, Verfahrenshilfeantrag,
Verfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2220304.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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