TE Vwgh Beschluss 2020/1/23 Ra 2019/15/0102

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

UStG 1994 §1 Abs1 Z1
UStG 1994 §11 Abs14
UStG 1994 §19 Abs1
UStG 1994 §2 Abs1
UStG 1994 §4 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der J GmbH in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. April 2019, Zl. RV/5100854/2013, betreffend Umsatzsteuer 2008 bis 2012, Körperschaftsteuer 2008 bis 2011 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2008 bis 2011, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Rahmen einer bei der Revisionswerberin, einer im Baugewerbe tätigen GmbH, durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass auf ihren Ausgangsrechnungen Bankverbindungen angegeben waren, die nicht der Revisionswerberin, sondern W und dessen Mutter gehört hätten, wobei auf dem Konto der Mutter gleichfalls W Verfügungsberechtigung besessen habe. Bei W handle es sich um den Bruder der Alleingesellschafter-Geschäftsführerin Mag. I. Er habe auf Grund eines anhängigen Konkursverfahrens selbst keine Firma gründen können, aber als deren Dienstnehmer die Revisionswerberin tatsächlich geführt.

2 Weiters seien Ausgangsrechnungen einer "fiktiven" GmbH unter missbräuchlicher Verwendung der UID-Nummer und Adresse der Revisionswerberin vorgefunden worden.

3 Auch die Überprüfung des Fremdleistungskontos habe Unregelmäßigkeiten ergeben. Auf diesem Konto seien (ab 2010) u. a. Aufwendungen für Leistungen einer tschechischen Firma (s.r.o.) gleichen Namens wie die Revisionswerberin aufgeschienen. Verrechnet worden seien pauschale Regiestunden (für Fliesenlege- und Sanierungsarbeiten). Stundenaufzeichnungen hätten nicht vorgelegt werden können. Die tschechische Firma sei laut Angaben des W gegründet worden, um im tschechischen Raum Fuß zu fassen. Dienstnehmer beschäftige die Firma nicht. Die Zahlung der von der s. r.o. verrechneten Dienstleistungen sei in bar erfolgt, wobei W die Geldbeträge erhalten und seinen Angaben nach auf ein Konto der tschechischen Firma eingezahlt habe. Aus den eingesehenen Bankauszügen gehe jedoch hervor, dass die Geldbeträge für die verrechneten Fremdleistungen nie auf das Konto eingezahlt worden seien. Im Rahmen der Schlussbesprechung habe W angegeben, das Bargeld für den Wareneinkauf für die tschechische Firma verwendet zu haben. Nachweise in Form von Belegen seien nicht erbracht worden.

4 Auf Grund dieser Feststellungen beurteilte die Prüferin die auf den Bankkonten des W und dessen Mutter eingegangenen Beträge sowie die namens der s.r.o. verrechneten Leistungen als eigene Umsätze der Revisionswerberin. Ertragsteuerlich wurden im Rahmen der Schätzung 40 % der zugerechneten Nettoumsätze als Betriebsausgaben für Wareneinkäufe und Arbeitsleistungen anerkannt. Die festgestellten "Schwarzumsätze" stellten nach Abzug der geschätzten Betriebsausgaben verdeckte Ausschüttungen dar. 5 Das Finanzamt schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ - teilweise nach Wiederaufnahme der Verfahren - entsprechend geänderte Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2011. Weiters setzte es die Umsatzsteuer für Juli 2012 fest und nahm die Revisionswerberin als Haftende für Kapitalertragsteuer der Jahre 2008 bis 2011 in Anspruch. 6 In ihrer gegen die genannten Bescheide erhobenen Berufung wandte die Revisionswerberin ein, aus dem Ergebnis der Außenprüfung gehe hervor, dass W das Unternehmen allein geführt habe. W habe gleich einem Eigentümer iSd § 24 Abs. 1 lit. d BAO gehandelt. Sämtliche mit dem Betrieb erzielten Umsätze und Betriebsergebnisse seien ausschließlich auf sein Handeln zurückzuführen. Er habe auch über die finanziellen Mittel wie ein Eigentümer verfügt. Seit Bestehen der Revisionswerberin seien ihr niemals Vermögen und vermögenswerte Vorteile zuzurechnen. Sämtliche "Sachverhalte, die den Tatbestand einer Besteuerung erfüllen", seien W zuzurechnen. Solcherart habe auch keine Ausschüttung an Mag. I stattgefunden.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehr als Beschwerde zu behandelnden) Berufung hinsichtlich der Festsetzung von Körperschaftsteuer für die Jahre 2008 bis 2011 sowie der Haftung für Kapitalertragsteuer der genannten Jahre teilweise Folge. Hinsichtlich Umsatzsteuer 2008 bis 2012 (an die Stelle der Umsatzsteuerfestsetzung für Juli 2012 war zwischenzeitlich der Jahressteuerbescheid getreten) wurde die Beschwerde hingegen abgewiesen.

8 Das Bundesfinanzgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass W als Arbeitnehmer und faktischer Geschäftsführer der Revisionswerberin aufgetreten sei und im Namen der Revisionswerberin die Geschäfte angebahnt und die Leistungserbringung bewerkstelligt habe. Der Revisionswerberin seien daher jene Leistungen zuzurechnen, die W für die Revisionswerberin ausgeführt und fakturiert habe. Aus dem Umstand, dass sich W den Großteil der in Rechnung gestellten Beträge durch Überweisungen bzw. Bareinzahlungen auf seine Konten zugeeignet habe, ergebe sich nicht, dass er diese als eigener Unternehmer erbracht habe. Auch bedeute die Ausstellung von Rechnungen durch W im Namen einer nicht existierenden GmbH und der tschechischen s. r.o., welche auf Grund des Rechnungslayouts mit den Rechnungen der Revisionswerberin ident seien, und die u.a. auch die Geschäftsadresse, Fax, Telefonnummer und E-Mail Adresse bzw. teilweise die UID-Nummer der Revisionswerberin aufwiesen, nicht, dass die Umsätze tatsächlich von diesen Gesellschaften erbracht worden seien. Die Revisionswerberin sei diesbezüglich jede Nachweise schuldig geblieben. W habe vorgebracht, außer der Revisionswerberin gebe es keine anderen Geschäftspartner der tschechischen s.r.o. Diese Gesellschaft verfüge über keine Infrastruktur (Arbeitnehmer etc.). Vereinbarungen zwischen der Revisionswerberin und der s.r.o. seien nicht vorgelegt worden. Insgesamt gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die s.r.o. die (ab Mitte 2010 in Rechnung gestellten) Leistungen tatsächlich erbracht habe. Baustellenaufzeichnungen, Stunden- oder Leistungsaufschreibungen seien trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden. Auf Grund der Feststellungen der Außenprüfung, der vorliegenden Aussagen und der spärlich vorhandenen Unterlagen komme das Bundesfinanzgericht zur Ansicht, dass W auch hinsichtlich dieser Rechnungen für die Revisionswerberin gehandelt habe.

9 Was die Höhe der Schätzung anlange, sei die Revisionswerberin der "adaptierten Verprobung des Finanzamtes" nicht mehr entgegengetreten.

10 Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das Bundesfinanzgericht nicht zu, weil keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung vorlägen und das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

11 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vor, der Verwaltungsgerichtshof habe sich noch nicht mit der Frage befasst, wer Steuerschuldner der Umsatzsteuer sei. Schon darin liege eine erhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Zulässigkeit sei auch darin begründet, dass es zum Thema Umsatzsteuerzurechnung keine Judikatur gebe bzw. die Entscheidung von derartiger erheblicher und grundsätzlicher Bedeutung sei, und somit über eine allgemeine Rechtsfrage hinausgehe. Fehle es an der Revisionswerberin zurechenbaren Umsätzen, könne insoweit auch keine verdeckte Ausschüttung vorliegen.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 15 Steuerschuldner ist gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1994 im Falle von Lieferungen und sonstigen Leistungen der Unternehmer. Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Dem Unternehmer sind auch Leistungen zuzurechnen, die er durch Arbeitnehmer, Organwalter oder offene Stellvertreter erbringen lässt (vgl. VwGH 18.12.1996, 95/15/0149; 22.11.2006, 2003/15/0143). Welche Person eine Kapitalgesellschaft tatsächlich beherrscht, ist für deren Unternehmereigenschaft ohne Belang (vgl. VwGH 30.1.2014, 2013/15/0157).

16 Im angefochtenen Erkenntnis wird ausgeführt, die Revisionswerberin sei den Feststellungen des Finanzamtes, wonach W als Arbeitnehmer der Revisionswerberin in deren Namen Aufträge entgegengenommen, die Arbeiten durchgeführt und Rechnungen gelegt habe, in ihrer Berufung nicht entgegengetreten. W habe sich als faktischer Geschäftsführer der Revisionswerberin zur Leistungserbringung der Arbeitnehmer der Revisionswerberin, aber auch Subunternehmer bedient. Dass die Revisionswerberin dies nicht gebilligt hätte, sei weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet worden.

17 Diese für eine Leistungserbringung seitens der Revisionswerberin sprechenden Umstände werden im Zulassungsvorbringen nicht in Abrede gestellt. Soweit in der Revision wiederholt vorgebracht wird, dass die Umsätze bzw. Erträge nicht der Revisionswerberin, sondern W und der von ihm gegründeten tschechischen Gesellschaft zugeflossen seien, ist daraus für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Zum einen hat der Arbeitgeber auch allenfalls vom Arbeitnehmer veruntreute Entgelte der Umsatzsteuer zu unterziehen (vgl.  Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Tz 71, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Zum anderen ist das Bundesfinanzgericht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht aber ohnedies davon ausgegangen, dass die Entgelte W im Einverständnis mit der Alleingesellschafter-Geschäftsführerin der Revisionswerberin zugeflossen sind (Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung). Einkommensverwendungen mindern die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage nicht.

Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer ist das Entgelt, d.h. die Gegenleistung des Leistungsempfängers (vgl. § 4 Abs. 1 UStG 1994). 18 Bei der Frage, wer die im Namen der tschechischen s.r.o. in Rechnung gestellten Bauleistungen tatsächlich erbracht hat, handelt es sich um eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage, die der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof lediglich insofern zugänglich ist, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2008/15/0274).

19 Im angefochtenen Erkenntnis wird dazu ausgeführt, für ein Tätigwerden der tschechischen Gesellschaft in Österreich fänden sich keine Anhaltspunkte. Die Gesellschaft habe über keine Infrastruktur verfügt, um Umsätze zu erzielen. Auch seien keine von der tschechischen Gesellschaft geschlossenen Verträge vorgelegt worden. Im gesamten Verfahren seien keine Beweise hervorgekommen, die eine Zurechnung der Leistungsentgelte an eine andere Person als an die Revisionswerberin hätten rechtfertigen können.

20 Diesen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts tritt die Revisionswerberin in ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht entgegen.

21 Die (ab 2010 erfolgte) Rechnungslegung im Namen der s.r.o. kann eine Steuerschuld dieser Gesellschaft kraft Rechnungslegung zur Folge haben, hindert das Finanzamt aber nicht daran, die Umsatzsteuer (auch) jener Person vorzuschreiben, welche die Leistungen tatsächlich erbracht hat (vgl. VwGH 9.12.2004, 2000/14/0095; 26.2.2004, 2003/15/0122).

22 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150102.L00

Im RIS seit

11.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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