TE Vwgh Erkenntnis 1951/6/19 1153/50

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Veröffentlicht am 19.06.1951
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken

Norm

BAO §23 Abs4
BAO §236 Abs1
GebG 1946 §15 Abs3
GebG 1957 §15 Abs3

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):1711/501712/50

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer-Schaller als und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Chamrath und Dr. Schirmer als Richter, im Beisein des Finanzkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde des AM in A, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 14. April 1950, Zl. GA VIII - 661/3 - 1949, betreffend Gebühr von einem Gesellschaftsvertrag und Erlassung einer Rechtsgeschäftsgebühr, nach durchgeführter öffentlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Richard Tekusch, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am 3. Dezember 1947 hat der Beschwerdeführer mit HK, dem Alleineigentümer der Liegenschaft EZ. 2899 Grundbuch X, ein Uebereinkommen geschlossen. Auf dieser Liegenschaft war seinerzeit von den Eltern des HK eine Gastwirtschaft betrieben worden. Das Gebäude, in dem sie betrieben wurde, ist durch Bombenangriff vollständig vernichtet worden und die Eltern des K haben hiebei den Tod gefunden. In dem genannten Uebereinkommen bewerten beide Vertragsteile den Grund und Boden und die dem HK zustehende Konzession zum Betriebe des Gast- und Schankgewerbes auf diesem Grundstück derzeit mit 60.000,-- S. Der Beschwerdeführer verpflichtete sich in diesem Uebereinkommen zunächst, zu den Kosten des Wiederaufbaues dieser Liegenschaft 60.000,-- S beizutragen; der Rest der Baukosten in der voraussichtlichen Höhe von 120.000,-- S mehr oder weniger soll von beiden Vertragsteilen zur Hälfte getragen werden. HK verpflichtet sich im Uebereinkommen, sobald das Haus wieder aufgebaut sein wird, den Beschwerdeführer als Eigentümer zur Hälfte auf der Grundbuchseinlage der Liegenschaft einverleiben zu lassen und die erforderlichen Urkunden auszustellen. Nach Wiederaufnahme des Gasthausbetriebes werde K auf Grund seiner Konzession den Betrieb leiten, der Beschwerdeführer seine Kräfte und Fähigkeiten gleichfalls diesem Betriebe widmen. Der Reingewinn aus dem Gasthausbetriebe falle den beiden Vertragsteilen je zur Hälfte zu und sei am Ende eines jeden Kalendermonates zu verrechnen. Der Vertrag wurde zur Gebührenbemessung angezeigt.

Bevor noch die Gebühr von diesem Uebereinkommen bemessen war, stellte der Beschwerdeführer am 22. September 1948 beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien einen Erlassantrag. Er führte im Antrag aus, dass das Uebereinkommen vom 3. Dezember 1947 am 9. August 1948 vollkommen aufgehoben worden sei. Der Beschwerdeführer habe nunmehr von K die gegenständliche Liegenschaft gekauft. Da er seine Barmittel für diesen Grundkauf verwendet habe, könne er nicht mehr bauen. Wohl habe er einem Baumeister die Ausführung sämtlicher Bauarbeiten übertragen, doch seien diese nur bis zur Fertigstellung des Kellers gediehen und könnten muht fortgesetzt werden, weil er vom Wohnhaus-Wiederaufbaufonds den erholten Kredit nicht erhalten habe. Das seinerzeitige Uebereinkommen sei somit wertlos und sei bereits einverständlich widerrufen worden. K habe ebenfalls sein Vermögen gänzlich verbraucht und könne seinen Anteil an den Gebühren nicht zahlen.

Das Finanzamt erliess in der Folge an HK einen Gebührenbescheid, worin es dem vorgenannten gemäss § 33 Tarifpost 16 des Gebührengesetzes 1946, BGBl. Nr. 184 (GG 1946), aus der Bemessungsgrundlage von 180.000,-- S eine 2%ige Gebühr in der Höhe von 3.600,-- S vorschrieb. Gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer Anfechtung ein und führte in der Anfechtung aus, das seinerzeitige Uebereinkommen sei ungültig. Gemäss § 3 der Gewerbeordnung (GewO) könne ein Gewerbebetrieb von einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht nicht betrieben werden. Ein solcher Betrieb sei auch nach § 133 b GewO strafbar. Die Gesellschaft verfolgte demnach einen unerlaubten Zweck und der Vertrag sei ungültig. Eine offene Handelsgesellschaft sei nach dem Wortlaut das Uebereinkommens nicht beabsichtigt worden und könne auch nicht errichtet werden, weil es sich um ein Kleinhandelsgewerbe handle. Die Gebührenbemessung sei daher zu Unrecht vorgenommen worden. Ausserdem sei die Gebührenvorschreibung zu. hoch. Als bedungene Vermögenseinlage komme nur der Wert der Grundstücke von 3.000,-- S (Einheitswert) und seine eigene von vorneherein mit 60.000,-- S bestimmte Einlage in Betracht. Ueberdies falle die Einbringung eines Grundstückes unter die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes. Schliesslich werden auch die Ausführungen des Erlassantrages wiederholt.

Das Finanzamt wies zunächst mit einem Einspruchsbescheid vom 3. Mai 1949 die Anfechtung als unbegründet zurück. In diesem Bescheid führte es auch aus, es könne dem Erlassantrage nicht willfahrt werden, weil die im Gesetz für die Anwendung von Billigkeitsmassnahmen erforderlichen Bedingungen (Zahlungsunfähigkeit) im gegenständlichen Falle nicht zutreffen. Der Beschwerdeführer stellte hierauf den Antrag auf Entscheidung durch die Finanzlandesdirektion, in dem er weiters ausführte, dass in dem Uebereinkommen an sich der Kauf einer Liegenschaft zu erblicken sei, der unter die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes falle. Im übrigen habe sich nach Abschluss des seinerzeitigen Ubereinkommens herausgestellt, dass HK überhaupt keine Gasthauskonzession besitze. Ausserdem sei der Gesamtbetrag der Baukosten nur unverbindlich geschätzt worden; eine Verbindlichkeit zur Bezahlung eines derartigen Betrages habe für keinen der beiden Vertragsteile bestanden. Für den Fall der Abweisung der Anfechtung wird abermals der Antrag auf Erlass gemäss § 131 der Abgabenordnung (AO) gestellt.

Die Finanzlandesdirektion stellte durch Anfrage beim Magistrat St. Pölten fest, dass das Gast- und Schankgewerbe auf der gegenständlichen Liegenschaft bis zum Jahre 1945 von JK auf Grund einer Konzession betrieben worden ist, dass der Konzessionär am 15. März 1945 bei einem Luftangriff umgekommen ist, dass später am 8. Juni 1949 HK um Bewilligung des Deszendentenfortbetriebes angesucht hat und dass dieses Gesuch rechtskräftig abgewiesen worden ist. Am 18. Februar 1950 wurde der Beschwerdeführer vor dem Finanzamt St. Pölten einvernommen. Er gab dabei an, dass schon vor Abschluss des gegenständliche Uebereinkommens, nämlich im Herbst 1947, mit Aufräumenarbeiten begonnen worden sei; im Frühjahr 1948 seien dann die Betonierungsarbeiten verrichtet worden, K habe einen Baumeister bereits vor Abschluss des Uebereinkommens mit dem Wiederaufbau beauftragt und sei auch beim städtischen Bauamt als Bauherr aufgetreten. Der Beschwerdeführer habe dem K zu verschiedenen Malen Geld geliehen. Als K immer mehr in Schulden kam, habe er zunächst zwei andere Grundstücke und dann auch das gegenständliche Grundstück (das letzte um den Preis von 5.000,-- S) dem K abgekauft. Nachher habe der Beschwerdeführer beim Bauamt neue Baupläne eingereicht, sei aber mit den Bauarbeiten nicht weitergekommen, weil er den erhofften Kredit nicht erhalten habe. Schliesslich habe er im Herbst 1949 das gegenständliche Grundstück und noch ein anderes Grundstück um 40.000,-- S weiterverkauft. Nach der Aktenlage wurde tatsächlich am 9. August 1948 zwischen dem Beschwerdeführer and HK ein Kaufvertrag abgeschlossen, durch den der Beschwerdeführer von K die Liegenschaft EZ. 2899 Grundbuch X um den Preis von 5.000,- S erworben hat. Von diesem Kaufvertrag wurde dem Beschwerdeführer mit Steuerbescheid vom 13. September 1948 die Grunderwerbsteuer samt Zuschlügen in der Höhe von 650,-- S vorgeschrieben.

Mit Bescheid vom 14. April 1950 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, N.Oe. und das Burgenland die Anfechtung als unbegründet zurück. In der Begründung führte sie aus, die Gebührenpflicht eines Rechtsgeschäftes sei gemäss § 17 Abs. 1 GG 1946 nach dem Inhalt der Urkunde zu beurteilen. Zweck des Uebereinkommens sei aber nach dem Urkundeninhalt die Vereinigung der vertragschliessenden Teile zu einem gemeinsamen Erwerb. Alle Teile des Uebereinkommens dienten nur diesem Zweck und wären weder rechtlich noch tatsächlich selbständig. Insbesondere sei aus dem Vertragsinhalt nicht zu ersehen, dass der Beschwerdeführer die Absicht gehabt habe die Hausruine unabhängig von dem beabsichtigten gemeinsamen Gasthausbetriebe zu kaufen, auch nicht, dass er etwa ein Miethaus erbauen wollte. Da die begründete Arbeitsgemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit darstelle, könne sie nicht als Rechtsträgerin auftreten. Die Widmung des Grundstückes zum gemeinsamen Erwerbe sei daher grundbücherlich gar nicht anders durchzuführen gewesen, als durch die Uebertragung einer Eigentumshälfte an den Beschwerdeführer. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass die vom Beschwerdeführer eingebrachten 60.000,-- S keine Einlage, sondern eine Kaufsumme teils für die Liegenschaft, teils für die Konzession sein sollten. Die Widmung der Liegenschaft durch HK sei aber einer Gebühr nicht unterzogen worden. Die Verpflichtung, zum Wiederaufbau des zerstörten für den Gesellschaftszweck gewidmeten Hauses beizutragen, sei in dem schriftlichen Uebereinkommen beurkundet worden. In der beurkundeten Höhe unterliege sie der Gebühr. Es sei gleichgültig, ob in der Urkunde ein Betrag schätzungsweise angegeben wurde oder ob sie die tatsächlichen Kosten später als weitaus niedriger erwiesen. Auch ob die Mittel aus eigenem Kapital oder durch Kredit beschafft werden sollten, spiele keine Rolle. Gemäss § 16 GG 1946 entstehe die Gebührenschuld mit der Unterfertigung der Urkunde. Die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung hebe gemäss § 17 Abs. 5 GG 1946 die einmal entstandene Gebührenschuld nicht wieder auf. Der Grund des Unterbleibens der Ausführung des Geschäftes sei belanglos. Auch von einem unerlaubten Zweck der Gesellschaft könne keine Rede sein. Wohl könne nach § 3 Abs. 1 GewO Personengemeinschaften, die nicht juristische Personen sind, eine Gewerbeberechtigung nicht erteilt werden. Durch diese Bestimmung sei aber nicht ausgeschlossen, dass eine Person sich an dem von einer anderen Person betriebenen Gewerbe finanziell oder auch durch Mitarbeit beteiligt und am Ertrage teilnimmt.

Am gleichen Tage wies die Finanzlandesdirektion das Finanzamt an, dem Beschwerdeführer in ihrem Namen zu eröffnen, dass seinem Erlassansuchen mangels einer gesetzlichen Handhabe nicht Folge gegeben werden könne. Zur Begründung fügte diese Verwaltungsbehörde bei, Gebühren seien als Abgaben vom Rechtsverkehr unabhängig von den besonderen Umständen des Falles und den persönlichen Verhältnissen der Gebührenschuldner zu entrichten. Für Billigkeitserwägungen sei daher im Gebührenrecht grundsätzlich ebensowenig Raum wie bei der Umsatz- und Grunderwerbsteuer. Das Finanzamt hat diesem Auftrag der Finanzlandesdirektion mit Bescheid vom 20. Juni 1950 entsprochen. Dieser Bescheid sei somit als Eröffnung einer Entscheidung der Finanzlandesdirektion anzusehen.

Gegen die Anfechtungsentscheidung der Finanzlandesdirektion brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ein, deren Begründung im wesentlichen die Ausführungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren wiederholt. Ferner überreichte der Beschwerdeführer auch gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 20. Juni 1950 eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, deren Begründung sich im wesentlichen mit jener der Erlassanträge im Verwaltungsverfahren deckt. Der Beschwerdeführer gab dabei ausdrücklich an, dass er sowohl das Finanzamt, als auch die Finanzlandesdirektion, als auch das Bundesministerium für Finanzen als belangte Behörden bezeichnen müsse, weil er nicht eindeutig wisse, welche der drei Behörden den angefochtenen Bescheid erlassen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und aber sie erwogen:

I. Zur Anfechtungsentscheidung:

Dem Beschwerdeführer ist darin recht zu geben, dass nach der Rechtsübung die Verleihung einer Gewerbeberechtigung an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes für unzulässig erachtet wird und dass eine Person, die sich mit einem befugten Gewerbeinhaber zu einer solchen Gesellschaft bürgerlichen Rechte vereinigt, gemäss § 132 lit. b GewO der Strafe unterliegt. Diese Rechtsansicht ist auch vom Verwaltungsgerichtshof und ebenso vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertreten worden - vgl. die Erkenntnisse Amtl. Slg. Nr. 16563(A)/1931, 17160(A)/1932, 17664(A)/1933, 196(A)/1935, 842(A)/1936 und 1146(A)/1937. Allein mit dieser Erkenntnis ist noch nicht ausgesprochen, dass eine Vereinbarung, die gegen die gewerbepolizeiliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 GewO verstösst, nichtig ist. Die Bestimmung des § 879 ABGB kann nicht dahin ausgelegt werden und wird auch in der Rechtsübung nicht dahin ausgelegt, dass ein Vertrag, der bloss gegen ein Verbot gewerbepolizeilicher Natur verstösst, ungültig sei. Selbst wenn aber der Vertrag aus diesem Grunde nichtig sein sollte, wäre damit für den Beschwerdeführer noch nichts gewonnen. Gemäss § 17 der 1. Verordnung zur Einführung steuerrechtlicher Vorschriften im Lande Oesterreich vom 14. April 1938, D.RGBl. I S. 389, sind in Oesterreich seit 1. Juli 1938 die §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934, D.RGBl. I S. 925, ganz allgemein anzuwenden. § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes befasst sich nun mit der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften wegen Formmangels und wegen Mangels der Geschäftsfähigkeit oder der Rechtsfähigkeit und regelt anschliessend im vierten Absatz die "anfechtbaren" Rechtsgeschäfte. Als solche anfechtbare Rechtsgeschäfte müssen auch Rechtsgeschäfte angesehen werden, die das österreichische Recht als "nichtig" bezeichnet, bei denen aber die Nichtigkeit nicht auf einem Formmangel oder einem Mangel der Geschäftsfähigkeit oder der Rechtsfähigkeit beruht, also insbesondere die nach § 879 ABGB. "nichtigen" Rechtsgeschäfte. Im § 5 Abs. 4 des Steueranpassungsgesetzes wird für die "anfechtbaren" Rechtsgeschäfte bestimmt, dass die Anfechtbarkeit für die Besteuerung insoweit und solange ohne Bedeutung ist, als nicht die Anfechtung mit Erfolg durchgeführt wurde. Die belangte Behörde konnte mithin an der grundsätzlichen Gebührenpflicht des vorliegenden Vertrages solange festhalten, als der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen hatte, dass er das Geschäft aus dem Grunde seiner Ungültigkeit mit Erfolg angefochten hat. Diese Anfechtung konnte auch aussergerichtlich vorgenommen werden, es war dann aber zu beweisen, dass sich der andere Vertragsteil dem Anfechtungsbegehren gefügt habe. Einen solchen Beweis hat der Beschwerdeführer nicht einmal versucht. Dass das gegenständliche Uebereinkommen vom 3. Dezember 1947 einverständlich wieder rückgängig gemacht wurde, stellt noch keinen Beweis der geglückten Anfechtung dar. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers geht nämlich hervor, dass der Vertrag deshalb rückgängig gemacht wurde, weil der andere Vertragsteil keine Mittel besass und immer mehr in Schulden geriet. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, dass er von K die Aufhebung des Vertrages aus dem Grunde verlangt habe, weil er von diesem in Irrtum geführt worden sei. Die amtswegige Ermittlungspflicht der Finanzbehörden nach §§ 204 Abs. 1 und 243 Abs. 1 AO geht nicht so weit, dass sie, wenn der Abgabenpflichtige die Ungültigkeit eines Vertrages behauptet, verhalten wären, nicht bloss Tatbestände von Amts wegen zu untersuchen, aus denen der Abgabenpflichtige die behauptete Ungültigkeit ableitet, sondern darüber hinaus noch Nachforschungen anzustellen, ob das Rechtsgeschäft noch aus anderen vom Abgabenpflichtigen nicht herangezogenen Gründen ungültig sein könnte und ob in diesem Falle die Anfechtung wegen dieses "Nichtigkeitsgrundes" mit Erfolg durchgeführt worden ist. Erblickt man aber mit der herrschenden Lehre in dem Verstoss des vorliegenden Vertrages gegen die gewerbepolizeiliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 GewO, keinen "Nichtigkeitsgrund" im Sinne des § 879 ABGB, dann lässt sich die grundsätzliche Gebührenpflicht des Rechtsgeschäftes schon mit Rücksicht auf § 5 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes nicht bestreiten, wonach die Besteuerung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass ein Verhalten, das den steuerpflichtigen Tatbestand erfüllt oder einen Teil desselben bildet, gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstösst.

Nach dem Vorgesagten kann somit auch der Umstand, dass K die Konzession, die er im Vertrag zu besitzen vorgegeben hatte, gar nicht besass, an der grundsätzlichen Gebührenpflicht des Uebereinkommens vom 3. Dezember 1947 nichts ändern. Dieser Umstand hätte den Beschwerdeführer allenfalls zur Anfechtung des Vertrages wegen Irreführung berechtigt. Eine derartige Anfechtung ist aber nicht einmal behauptet worden.

Ist somit die Gebührenpflicht des vorliegenden Uebereinkommens grundsätzlich zu bejahen, so haben doch die Verwaltungsinstanzen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage geirrt. Gemäss § 15 Abs. 3 GG 1946 sind Rechtsgeschäfte, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen. Obwohl das Gesetz über Rechtsgeschäfte, die ihrem Gegenstand nach teils unter das Grunderwerbsteuergesetz, teils unter das Gebührengesetz fallen, keine besondere Regelung enthält, kann nach dem Sinn und Geist dieser Gesetze bei einem derartigen Rechtsgeschäft nur der Teil, der nicht Gegenstand der Grunderwerbsteuer ist, der gebühr unterzogen werden. Die Grunderwerbsteuerpflicht geht somit der Gebührenpflicht vor. Nichts anderes will füglich auch die Anmerkung 3 zur Tarifpost 16 des § 33 GG 1946 besagen. Eine Betrachtung der einschlägigen Bestimmungen des Uebereinkommens vom 3. Dezember 1947 ergibt nun das folgende Bild: Der eine Gesellschafter (K) ist Eigentümer einer durch Bombenabwurf vollständig zerstörten Liegenschaft und behauptet ausserdem, Eigentümer einer Gastgewerbekonzession zu sein. Beides zusammen bewertet er mit 60.000,-- S. Grundstück und "Konzession", d.h. der durch den Standort des konzessionierten Gewerbes, den Ruf des Unternehmens und seinen Kundenkreis bedingte Wert der Gewerbeberechtigung werden "in die Gesellschaft eingebracht", sind also bedungene Vermögenseinlagen. Die Einbringung der Liegenschaft ist, weil die einzugehende Gesellschaft keine juristische Person darstellt, nur durch anteilige grundbücherliche Uebertragung des Eigentumsrechtes an den anderen Gesellschafter (den Beschwerdeführer) möglich und unterliegt insoweit der Grunderwerbsteuer. Die Liegenschaft scheidet also aus der Bemessungsgrundlage der Rechtsgeschäftsgebühr aus. Eine Rechtsgeschäftsgebühr ist somit von dem um den Wert der Liegenschaft - dies ist in diesem Falle nicht der Einheitswert, sondern der gemeine Wert - verminderten Betrage von 60.000,-- S vorzuschreiben und in dieser Höhe auch gerechtfertigt.

Die Verschreibung einer darüber hinausreichenden Rechtsgeschäftsgebühr kommt aber nach dem Inhalt der Vertragsurkunde nicht in Betracht. Denn nach Punkt II des Vertrages hat zunächst der Beschwerdeführer 60.000,-- S zu den Baukosten des zerstörten Betriebsgebäudes beizutragen (damit hätte dann seine Leistung den Wert der Einlage des anderen Teiles, die aus dem Wert des Grund und Bodens und der Konzession besteht, erreicht). Die darüber hinausreichenden Baukosten von 120.000,-- S mehr oder weniger sollen von beiden Vertragsteilen je zur Hälfte getragen werden. Bei allen diesen Aufwendungen handelt es sich aber um Aufwendungen zum Wiederaufbau der Liegenschaft, die zunächst gemäss Pkt. III des Vertrages im Alleineigentum des HK verbleiben und erst nach Durchführung des Wiederaufbaues (vorher ist ja eine Aufnahme des Betriebes des Gastgewerbes nicht möglich) zur Hälfte auf den Beschwerdeführer übertragen werden soll. Es handelt sich somit um ein den Anspruch auf Uebereignung der halben Liegenschaft begründendes, durch die Vollendung des Aufbaues aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft, das gemäss § 1 Abs. 1 Pkt. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29. März 1940, D.RGBl. I S. 585, der Grunderwerbsteuer unterliegt, wobei jedoch die Steuerschuld gemäss § 3 Abs. 5 Pkt. 5 des Steueranpassungsgesetzes (in der Fassung des § 19 des Grunderwerbsteuergesetzes) erst mit dem Eintritt der Bedingung, d. i. mit der Beendigung des Wiederaufbaues entsteht. Der spätere Eintritt der Steuerschuld und die Möglichkeit, dass diese infolge Ausfalles der Bedingung vielleicht überhaupt nicht eintritt, ändert jedoch nichts daran, dass das Geschäft, soweit es den Wiederaufbau der zerstörten Liegenschaft und die Widmung der dazu erforderlichen Mittel zum Gegenstand hat, nur einen Bestandteil eines einheitlichen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäftes bildet, bei dem auch steuerlich sein Teil von dem anderen getrennt werden kann. Daraus folgt aber, dass gemäss § 15 Abs. 3 GG 1946 die Einhebung einer Rechtsgeschäftsgebühr von demselben Rechtsgescheit unzulässig ist.

Die angefochtene Anfechtungsentscheidung erweist sich somit in ihrem überwiegenden Teil als inhaltlich gesetzwidrig. Da dieser Bescheid ein unteilbares Ganzes bildet, musste er gemäss § 42 Abs. 2 lit. a des VwGG, StGBl. Nr. 208/1945, im vollen Umfange aufgehoben werden.

II. Zur Entscheidung über den Erlassantrag:

Gemäss § 14 Abs. 2 des Abgabeneinhebungsgesetzes vom 30. März 1949, BGBl. Nr. 103, das zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in Geltung stand, können Abgaben ganz oder zum Teil erlassen, erstattet oder angerechnet werden, wenn ihre Einziehung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Diese Gesetzesbestimmung enthält keine Ausnahme zu Ungunsten bestimmter Gattungen von Abgaben. Gemäss § 1 dieses Gesetzes sind dessen Bestimmungen auf alle öffentlichen Abgaben des Bundes, also auch auf die Gebühren nach dem Gebührengesetz 1946 anzuwenden. Auch das Gebührengesetz 1946 selber enthält keine Vorschrift, die einen Erlass der Gebühren aus Billigkeitsgründen verbietet. Der angefochtene Bescheid hat den begehrten Erlass mit der Begründung abgelehnt, dass Gebühren als Abgaben vom Rechtsverkehr unabhängig von den besonderen Umständen des Falles und den persönlichen Verhältnissen der Gebührenschuldner zu entrichten sind und dass daher für Billigkeitserwägungen im Gebührenrecht grundsätzlich ebensowenig Raum sei, wie bei der Umsatz- und Grunderwerbsteuer. Damit hat die belangte Behörde zu erkennen gegeben, dass sie von dem ihr durch § 14 Abs. 2 des Abgaben-Einhebungsgesetzes eingeräumten Ermessen nicht Gebrauch machen könne, weil das Gesetz eine solche Massnahme nicht gestatte, sie hat aber nicht zu erkennen gegeben, dass sie vom Ermessen nicht Gebrauch machen wolle. Diese Begründung ist, wie bereits dargelegt wurde, irrig. Der Hinweis auf die angeblich inhaltlich gleiche Regelung bei der Grunderwerbsteuer ist überdies schon deshalb unrichtig, weil § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes in gewissen Fällen, namentlich wenn ein der Grunderwerbsteuer unterliegendes Rechtsgeschäft innerhalb zweier Jahre einverständlich rückgängig gemacht wird, ausdrücklich einen Erlass dieser Steuer vorsieht. Da somit die belangte Behörde den begehrten Erlass aus rechtlichen Erwägungen, die sich nicht als stichhältig erwiesen haben, abgelehnt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 19. Juni 1951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1951:1950001153.X00

Im RIS seit

14.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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