TE Lvwg Beschluss 2019/11/6 VGW-141/051/13482/2019

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Veröffentlicht am 06.11.2019
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Entscheidungsdatum

06.11.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
22/02 Zivilprozeßordnung
19/05 Menschenrechte

Norm

VwGVG §8a Abs1
VwGVG §8a Abs2
ZPO §63 Abs1
ZPO §64 Abs1
ZPO §64 Abs2
EMRK Art. 6

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pichler über den Antrag des Herrn A. B., vertreten durch Dr. C. D., auf Verfahrenshilfe, betreffend den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, vom 08.01.2019, Zl. ..., den

BESCHLUSS

gefasst

I. Der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers wird gemäß § 8a VwGVG abgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 08.01.2019 wurde der Antragsteller verpflichtet, dem Sozialhilfeträger Fonds Soziales Wien Kostenersatz für die durch den Fonds erfolgten Pflege- und Betreuungsleistungen im Zeitraum vom 12.10.2015 bis 31.10.2015 sowie vom 01.11.2015 bis 31.12.2015 zu ersetzen. Unter zwei Spruchpunkten wurden für die beiden Zeiträume Kostenersatzbeträge in der Höhe von 498,16 Euro und von 1.544,32 Euro festgesetzt.

Mit Eingabe vom 07.02.2019 beantragte Herr B., vertreten durch seinen Erwachsenenvertreter Rechtsanwalt Dr. C. D., die Beigebung eines Verfahrenshelfers zur Erhebung einer Beschwerde gegen die vorzitierte Entscheidung des Magistrates der Stadt Wien.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

§ 8a Abs. 1 und 2 VwGVG, idF BGBl. I Nr. 24/2017, lautet auszugsweise:

"(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. (...)

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird."

Die §§ 63 Abs. 1 und 64 Abs. 1 und 2 ZPO lauten auszugsweise:

"§ 63. (1) Verfahrenshilfe ist einer Partei so weit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falles, besonders auch der für die Eintreibung ihres Anspruchs bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde."

"§ 64. (1) Die Verfahrenshilfe kann für einen bestimmten Rechtsstreit und ein nach Abschluß des Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren die folgenden Begünstigungen umfassen:

1. die einstweilige Befreiung von der Entrichtung

a) der Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich

geregelten staatlichen Gebühren;

b) der Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes;

(...)

         f)       der notwendigen Barauslagen, die von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind;

diese umfassen jedenfalls auch notwendige Übersetzungs- und Dolmetschkosten; (...)

         2.       (...)

         3.       sofern die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich

geboten ist oder es nach der Lage des Falles erforderlich erscheint, die vorläufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts, die sich auch auf eine vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung erstreckt; dieser bedarf keiner Prozeßvollmacht, jedoch der Zustimmung der Partei zu einem Anerkenntnis, einem Verzicht oder der Schließung eines Vergleiches. § 31 Abs. 2 und 3 sind sinngemäß anzuwenden;

(...)

(2) Bei Bewilligung der Verfahrenshilfe ist auszusprechen, welche der im Abs. 1 aufgezählten Begünstigungen und welche zur Gänze oder zum Teil gewährt werden. Die Begünstigung nach Abs. 1 Z 3 darf nur in vollem Ausmaß gewährt werden."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 11.09.2019, Zl. Ra 2018/08/0008, unter Verweis auf die zitierte Rechtslage sowie deren gemeinschaftsrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen dargelegt, dass der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der Verwaltungsgerichte Ausnahmecharakter zukommt. Nur in Fällen, in denen ein effektiver Zugang der Partei zum Gericht im Sinne des Art. 6 EMRK bzw. des Art. 47 GRC von der Beigebung eines Rechtsanwaltes abhängig und sohin für die Rechtsdurchsetzung unentbehrlich ist, ist ein Rechtsanwalt bei Vorliegen von
„civil rights“ und der fehlenden Möglichkeit der Partei, die Kosten des Rechtsvertreters ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes selbst zu tragen, geboten.

Grundsätzlich ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis mit ausführlicher Begründung darlegt, dabei insbesondere auch auf die Ausgestaltung des Verfahrens nach dem VwGVG, insbesondere dem Amtswegigkeitsprinzip und den Anforderungen an die Verwaltungsgerichte, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebliche Sachverhalt festzustellen und dabei die Aufnahme der nötigen Beweise unabhängig vom Parteienvorbringen vorzunehmen und dabei die Parteien auch entsprechend zu manuduzieren (Verweis auf VwGH vom 30.01.2019, Zl. Ra 2018/03/0131 mwN) Bedacht zu nehmen. Zu berücksichtigen sind dabei auch die persönlichen Umstände der Partei und die Bedeutung der Rechtssache für sie.

In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation liegen nach einer objektiven Beurteilung keine besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache vor, die nach dem Maßstab eines durchschnittlichen Normunterworfenen im Sinne der vorzitierten Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes die Beigebung eines Rechtsanwaltes erforderlich machen.

Es sind relativ einfache Sachverhaltsfragen zu klären, zu den anzuwendenden Rechtsnormen liegt eine eindeutige Judikatur der Höchstgerichte (etwa zur Anwendung der Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes VfGH vom 06.12.2012, Zl. B1094/11) und des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl. etwa zur Frage der Verjährung von Ersatzansprüchen VwGH vom 16.03.2016, Zl. Ra 2015/10/0064).

Soweit der durch den Erwachsenenvertreter eingebrachte Verfahrenshilfeantrag auf die besondere Situation des Beschwerdeführers verweist, der eben nicht in der Lage ist, seine Rechte wie ein durchschnittlicher Normunterworfener wahrzunehmen, so ist ihm zu entgegnen, dass der Erwachsenenvertreter für den Beschwerdeführer gerade für den Umgang mit Behörden bestellt wurde, und diese Bestellung bezweckt, die diesbezüglichen Defizite des Beschwerdeführers auszugleichen.

Auch wenn aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beigebung eines Rechtsanwaltes in einer Verwaltungssache im Sinne der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die besonderen Fähigkeiten des Erwachsenenvertreters – hier eines Rechtsanwaltes –abzustellen und die Beigebung eines Verfahrenshelfers schon wegen dessen spezifischer Qualifikation zu verweigern ist, ist aber bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Verfahrenshilfe in derartigen Fällen jedenfalls von den Fähigkeiten eines durchschnittlichen Normadressaten zur Mitwirkung an der Rechtsdurchsetzung auszugehen.

In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation wäre das Verwaltungsgericht Wien schon alleine durch die in der Begründung des Verfahrenshilfeantrages aufgeworfenen Fragen zu den materiellen und formalen Voraussetzungen der Kostenersatzforderungen gehalten, in einem durchzuführenden Beweisverfahren zu klären, ob inhaltlich die Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Kostenersatzes vorliegen und auch zu überprüfen, ob allenfalls hinsichtlich ursprünglich bestehender Kostenersatzansprüche zwischenzeitlich Verjährung eingetreten ist.

Von einer besonderen Schwierigkeit der Rechtsverfolgung und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Gewährleistung eines effektiven Rechtschutzes kann daher nicht ausgegangen werden, weshalb der Verfahrenshilfeantrag spruchgemäß abzuweisen war.

Die Entscheidung orientiert sich an der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Gewährung der Verfahrenshilfe im Sinne des § 8a VwGVG. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen war.

Schlagworte

Sozialhilfe; Verfahrenshilfe; Erwachsenenvertreter; keine Komplexität der Rechtssache; Manuduktionspflicht; Amtswegigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.141.051.13482.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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