TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/28 LVwG-2019/36/2422-1

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Veröffentlicht am 28.12.2019
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Entscheidungsdatum

28.12.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Gstir über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, Deutschland, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.09.2019, Zl *****, betreffend eine Übertretung nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.09.2019, Zl *****, behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.05.2019,
Zl *****, wurde AA (in der Folge: Beschwerdeführer) eine Übertretung nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 zur Last gelegt und dafür eine Geldstrafe von Euro 100,- verhängt sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgelegt.

Dagegen hat der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht den Einspruch vom 05.06.2019 erhoben und darin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

„(…)

gegen die am 01.06.2019 zugestellte Strafverfügung lege ich hiermit fristgerecht

Einspruch

ein.

Die Strafverfügung wurde zu Unrecht erlassen.

(…)“

Mit dem gegenständlich angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.09.2019, Zl *****, wurde dem Einspruch gegen die Strafverfügung kein Folge gegeben und Verfahrenskosten in der Höhe von Euro 10,- vorgeschrieben.

Dagegen brachte der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde vom 12.11.2019 ein und beantragte mit näheren Ausführungen die Einstellung des Verfahrens.

II.      Beweiswürdigung:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den übermittelten Strafakt der Bezirkshauptmannschaft Y.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht nach Ansicht des erkennenden Gerichts im gegenständlichen Verfahren aufgrund der Aktenlage fest. Die Akten lassen bereits erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, sodass einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstanden.

Nach § 44 Abs 2 VwGVG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, die im Übrigen auch von keiner der Parteien des Beschwerdeverfahrens beantragt wurde.

III.     Rechtslage:

Gegenständlich ist insbesondere folgende Rechtsvorschrift entscheidungsrelevant:

Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl Nr 52/1991 idF :

§ 49

(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.

IV.      Erwägungen:

1.       Grundsätzlich ist zunächst auszuführen, dass nach ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Unzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens - sohin auch im Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht - von Amts wegen wahrzunehmen ist (vgl VwGH 15.12.2014, Ro 2014/17/0121; VwGH 16.03.2018, Ro 2018/02/0001; uva)

2.       Gemäß § 49 VStG ist das ordentliche Verfahren einzuleiten, wenn der Einspruch gegen eine Strafverfügung rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird.

Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft.

3.       Im gegenständlichen Fall hat der nunmehrige Beschwerdeführer gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.05.2019, Zl *****, fristgerecht Einspruch erhoben und darin ausgeführt, dass die Strafverfügung zu Unrecht erlassen worden sei.

Aus diesem Einspruch ergibt sich damit nicht, dass ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten werden (§ 49 Abs.2 VStG). Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Einspruch auch gegen den Schuldspruch richtet und sohin ein Anfechtung in vollem Umfang erfolgt ist (arg: „Die Strafverfügung wurde zu Unrecht erlassen.“).

Aus dem Akteninhalt ergibt sich weiters, dass dieser Einspruch im Folgenden auch nicht wieder zurückgezogen wurde.

Im gegenständlichen Fall ist daher durch den Einspruch des Beschwerdeführers vom 05.06.2019 die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.05.2019,
Zl *****, gemäß § 49 Abs 2 vorletzter Satz VStG ex lege außer Kraft getreten.

4.       Ist einem Einspruch nicht zu entnehmen, dass damit ausdrücklich nur die Strafhöhe oder Entscheidung über die Kosten bekämpft wird, so ist es der Behörde versagt, von der Rechtskraft des Schuldspruchs auszugehen.

Tut sie es trotzdem, so nimmt sie eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch, die ihr nicht zusteht. Diese Unzuständigkeit ist im Falle einer dagegen erhobenen Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht wahrzunehmen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens6, zu § 49 VStG, S 1600; Raschauer/Wessely Verwaltungsstrafgesetz, zu § 49 VStG und die dort jeweils angeführte Judikatur des VwGH).

5.       Nachdem im gegenständlich angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.09.2019, Zl *****, über den Einspruch gegen die Strafverfügung vom 15.05.2019, Zl *****, abgesprochen wurde („Einspruch wir keine Folge gegeben“), hat die belangte Behörde damit ihre Entscheidung im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung mit Unzuständigkeit belastet.

Es war daher der gegenständlichen Beschwerde aus diesem Grund Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Gstir

(Richterin)

 

Schlagworte

Entscheidung über Strafverfügung
Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.36.2422.1

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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