TE Vwgh Erkenntnis 2019/10/15 Ra 2019/02/0109

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Veröffentlicht am 15.10.2019
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E07204020
E3R E05205000
E3R E07204010
E3R E07204020
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

AVG §66 Abs4
B-VG Art130 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EURallg
KFG 1967 §134 Abs1b idF 2016/I/040
VStG §19
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VStG §45 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §9
VwRallg
31985R3821 Kontrollgerät im Strassenverkehr
32006L0022 HarmonisierungDV-RL Strassenverkehr AnhIII idF 32009L0005
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr
32014R0165 KontrollgeräteV Art34
32014R0165 KontrollgeräteV Art34 Abs2 lite

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des H in S, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. April 2019, 405- 4/2151/1/4-2019, betreffend Übertretungen des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Hallein),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich jeweils gegen den Schuldspruch zu den Spruchpunkten 2. und 3. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 3. Juli 2018 richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

1. Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängten Strafen zu den Spruchpunkten 2. und 3. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Straferkenntnisses sowie den damit zusammenhängenden Kosten des Beschwerdeverfahrens und den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2. Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg aufgehoben.

3. Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 3. Juli 2018 wurde dem Revisionswerber als Lenker eines näher bezeichneten LKW vorgeworfen, er habe am 10. November 2016 zu einer näher genannten Uhrzeit am Tatort

1. als Lenker den Zulassungsschein sowie die bei der Genehmigung oder Zulassung vorgeschriebenen Beiblätter zum Zulassungsschein nicht mitgeführt;

2. als Lenker des LKW an näher bestimmten Tagen den Endort in den Schaublättern nicht eingetragen.

3. als Lenker des LKW in den näher bestimmten Schaublättern den Endkilometerstand nicht eingetragen;

4. bei der Kontrolle trotz Verlangen des Kontrollbeamten näher bezeichnete Schaublätter nicht vorgelegt.

Der Revisionswerber habe dadurch näher bezeichnete Verwaltungsübertretungen begangen, weshalb gemäß § 134 Abs. 1 KFG bzw. zu 2. bis 3. gemäß § 134 Abs. 1b KFG iVm. Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG idF Richtlinie 2009/5/EG ABl. Nr. L 29 vom 31. Jänner 2009 vier Geld- sowie vier Ersatzfreiheitsstrafen (ad 1. EUR 50,-- bzw. 12 Stunden, ad 2. bis 4. jeweils EUR 600,-- bzw. 120 Stunden) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG vorgeschrieben wurden.

2 Ausdrücklich erhob der Revisionswerber "gegen die Punkte 2. und 3. des behördlichen Straferkenntnisses" mit näherer Begründung Beschwerde. Nach Erhalt der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung verzichtete der anwaltlich vertretene Revisionswerber ausdrücklich auf deren Durchführung.

3 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (LVwG) wurde mit Spruchpunkt I. die Beschwerde abgewiesen und mit Spruchpunkt II. ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von EUR 370,-- vorgeschrieben. Mit Spruchpunkt III. erklärte das LVwG die Revision für nicht zulässig.

4 Begründend führte das LVwG aus, der Revisionswerber habe den LKW am Tatort zur Tatzeit gelenkt. Der Revisionswerber habe die erforderlichen Beiblätter zum Zulassungsschein nicht mitgeführt, habe auf den Schaublättern den End-Ort sowie den End-Kilometerstand nicht eingetragen und habe auf Verlangen des Kontrollbeamten näher genannte Schaublätter nicht vorgelegt. Die Beweiswürdigung stütze sich auf näher bezeichnete Aktenteile und das Vorbringen des Revisionswerbers.

5 Rechtlich erläuterte das LVwG, der Schutzzweck der Norm stelle auf das öffentliche Interesse der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten ab. Dem damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden Schutz der Verkehrssicherheit komme eine hohe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes zu. Voraussetzung für die Überprüfung der Einhaltung der jeweiligen Lenk- und Ruhezeiten sei daher die gesetzlich determinierte Führung der Schaublätter auch bei analogen Aufzeichnungsgeräten. Bei den vorgeworfenen Übertretungen handle es sich nicht um solche, die gemäß § 134 Abs. 1b KFG von der Verordnung nach der Schwere des Verstoßes kategorisiert würden. Aus diesem Grund habe die belangte Behörde keine Nennung der Schwere des Verstoßes vorgenommen. Mit der Bestimmung des § 134 Abs. 1b KFG würden in Verbindung mit der Richtlinie 2006/22/EG (iVm. Art. 34 Abs. 5 der VO (EU) Nr. 165/2014) auch die geringfügigen Verstöße genannt, weshalb die Nennung der Richtlinie im Straferkenntnis nicht falsch sei. Aus den Feststellungen ergebe sich zweifelsfrei, dass die Übertretungen durch den Revisionswerber begangen worden seien. Die Spruchpunkte 1. und 4. des Straferkenntnisses seien unbestritten geblieben; hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 3. sei ein rechtliches Vorbringen erstattet worden. Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Verwaltungsübertretungen nach § 134 Abs. 1b KFG iVm. Art. 34 Abs. 6 VO (EU) Nr. 165/2014 ABl. L060 sei daher erwiesen; auch die subjektive Tatseite sei aus näheren Gründen jeweils erfüllt. Es liege hinsichtlich der mangelhaften Ausfüllung der Schaublätter keine Doppelbestrafung vor. Die Voraussetzungen für eine Abstandnahme von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens lägen nicht vor. Weiters wurde die Strafbemessung erläutert.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, dieses aufzuheben. 7 Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gr??nde (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Das vom Revisionswerber angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, vier verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin vier voneinander unabhängige Spruchpunkte (vgl. zu geteilten Spruchpunkten z.B. VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0011). Mit der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen alle vier Spruchpunkte des Straferkenntnisses übernahm das LVwG den Spruch des mit der Beschwerde bekämpften Straferkenntnisses der belangten Behörde. Durch die Übernahme dieser Spruchpunkte hat auch das LVwG getrennte Absprüche getroffen.

13 Liegen somit - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. z.B. VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0048). 14 Ein trennbarer Abspruch liegt auch in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe vor; auch insoweit ist die Zulässigkeit einer erhobenen Revision getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209, mwN).

I. Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision hinsichtlich des Schuldspruches durch Abweisung der Beschwerde zu den Spruchpunkten 2. und 3. des Straferkenntnisses:

15 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es liege ein Widerspruch zu § 44a Z 1 VStG vor: Art. 34 VO (EU) Nr. 165/2014 normiere unterschiedliche Pflichten des Fahrers, je nachdem, ob ein analoger oder digitaler Fahrtenschreiber verwendet werde. Der von der belangten Behörde angelastete Tatvorwurf sei unvollständig, weil er die Verwendung eines analogen Fahrtenschreibers nicht enthalte. Da das LVwG auch keine diesbezüglichen Feststellungen enthalte, liege auch ein sekundärer Verfahrensmangel vor. Es bestehe die Gefahr einer Doppelbestrafung und seien seine Verteidigungsrechte eingeschränkt: Bei Vorwurf der mangelnden Eintragung in Schaublätter bei digitalem Gerät hätte er nämlich vorbringen können, dass dieser Vorwurf von vornherein unberechtigt sei. Er könne noch wegen nicht entsprechender Verwendung eines digitalen Fahrtenschreibers belangt werden. 16 Überdies sei bislang keine Verfolgungshandlung gesetzt worden, welche das Tatbestandsmerkmal des "analogen Fahrtenschreibers" iSd. Art. 34 Abs. 6 der VO (EU) Nr. 165/2014 enthalte; diesbezüglich sei Verfolgungsverjährung eingetreten. 17 Trotz Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft (VwGH 29.4.2019, Ra 2019/16/0085).

18 Art. 34 der VO (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, ABl. L 60 vom 28. Februar 2014, trifft unterschiedliche Regelungen für Fahrer eines LKW, je nachdem, ob ein Schaublatt oder ein digitaler Fahrtenschreiber verwendet wird. Unter "Schaublatt" ist nach Art. 2 lit. e leg. cit. "ein für die dauerhafte Aufzeichnung von Daten bestimmtes Blatt, das in den analogen Fahrtenschreiber eingelegt wird und auf die die Schreibeinrichtung des analogen Fahrtenschreibers die zu registrierenden Angaben fortlaufend aufzeichnet" zu verstehen. Mit dem Vorwurf, Schaublätter nicht ordnungsgemäß verwendet zu haben, ist daher in einer Tatanlastung angesichts dieser eindeutigen Regelungen bereits hinreichend klar gestellt, dass ein analoger Fahrtenschreiber verwendet wurde. Dass der Revisionswerber hinsichtlich dieses konkreten Tatvorwurfes in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt wurde oder einer Doppelbestrafung ausgesetzt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher weder in Ansehung der Tatanlastung noch im Zusammenhang mit der behaupteten Verfolgungsverjährung.

19 Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG sei nicht überprüfbar: Das LVwG habe das Ausmaß der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes nicht bewertet ebensowenig wie die Intensität der Beeinträchtigung, sodass der Verwaltungsgerichtshof nicht in die Lage versetzt sei, die Rechtmäßigkeit der Erwägungen des LVwG mit der Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG zu überprüfen; das LVwG weiche damit von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach es entsprechender Feststellungen des Verwaltungsgerichtes bedürfe.

20 Nach ständiger Rechtsprechung zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG müssen die dort genannten Umstände - geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, kommt auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage (vgl. etwa VwGH 11.5.2018, Ra 2017/02/0247).

21 Im vorliegenden Fall hat das LVwG festgehalten, dass der Schutzzweck der Norm auf das öffentliche Interesse der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten abstelle; dem damit unmittelbar im Zusammenhang stehende Schutz der Verkehrssicherheit komme eine hohe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes zu; bei einem solchen Hinweis auf die Bedeutung des geschützten Rechtsgutes liegen jedoch die - kumulativen - Voraussetzungen für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht vor (vgl. VwGH 17.4.2015, Ra 2015/02/0044).

22 Da das LVwG in diesem Zusammenhang daher nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, stellt sich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

II.1. Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision hinsichtlich des Strafausspruches durch Abweisung der Beschwerde zu den Spruchpunkten 2. und 3. des Straferkenntnisses:

23 Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision vor, es liege ein Verstoß gegen § 44a Z 2 und Z 3 VStG vor, weil das LVwG bezüglich der von ihm bekämpften Übertretungen als Strafnorm nicht § 134 Abs. 1 KFG sondern § 134 Abs. 1b KFG heranziehe; letztere Norm kategorisiere Übertretungen nach ihrer Schwere, stelle jedoch keine Strafnorm dar. Das LVwG hätte als Strafsanktionsnorm § 134 Abs. 1 KFG zusätzlich nennen müssen. Zu seinem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen habe das LVwG nur festgehalten, dass die Übertretungen zu den Spruchpunkten 2. und 3. als geringfügige Übertretungen zu werten seien und deshalb keine Mindeststrafe gemäß § 134 Abs. 1b KFG zu berücksichtigen sei. Die Gewichtung des Verstoßes nach seiner Schwere sei im KFG unterblieben, weshalb die Höhe der Geldstrafe nicht danach bemessen werden könne. Es fehle daher die Rechtsgrundlage für die Einordnung der Übertretungen.

24 Die Revision erweist sich aus diesem Grund hinsichtlich des Strafausspruches sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens als zulässig und berechtigt:

§ 134 Abs. 1b KFG lautete in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 40/2016:

"(1b) Die Verstöße gegen die Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EG) Nr. 3821/85 werden anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABl. Nr. L 29 vom 31. Jänner 2009, S 45, nach ihrer Schwere in drei Kategorien (sehr schwere Verstöße - schwere Verstöße - geringfügige Verstöße) aufgeteilt. Die Höhe der Geldstrafe ist nach der Schwere des Verstoßes zu bemessen und hat im Falle eines schweren Verstoßes nicht weniger als 200 Euro und im Falle eines sehr schweren Verstoßes nicht weniger als 300 Euro zu betragen. Dies gilt auch für Verstöße gegen die Artikel 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), die ebenso nach Maßgabe des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG einzuteilen sind."

25 Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. dazu VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021-0023, mwN).

26 § 134 Abs. 1b KFG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung traf eine Einteilung der Strafen bei Verstößen gegen die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und (EG) Nr. 3821/85 anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG idF der Richtlinie 2009/5/EG nach ihrer Schwere in drei Kategorien; bei schweren und sehr schweren Verstößen war vorgesehen, dass die Höhe der Geldstrafe nicht weniger als EUR 200,-- bzw. EUR 300,-- zu betragen hatte. Das genaue Strafausmaß anhand dessen die Bemessung der konkreten Geldstrafe - auch unter Berücksichtigung des § 134 Abs. 1b KFG zu erfolgen hat -, ergibt sich aus dieser Bestimmung nicht; sofern lediglich § 134 Abs. 1b KFG als Strafsanktionsnorm angegeben wird, ist der Spruch hinsichtlich der Strafsanktionsnorm nicht vollständig, weil mit § 134 Abs. 1b KFG keine konkrete Strafbemessung erfolgen kann.

27 Das LVwG hat sich mit der Frage, welche Norm als Strafsanktionsnorm in Betracht kommt, nicht auseinander gesetzt. 28 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Ausspruches über die verhängten Strafen zu den Spruchpunkten 2. und 3. des Straferkenntnisses sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens (vgl. VwGH 1.4.2019, Ra 2018/17/0200) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

29 Bei diesem Ergebnis war auf das übrige Vorbringen des Revisionswerbers zur Strafbemessung nicht weiter einzugehen.

II.2. Zum Zulässigkeitsvorbringen bezüglich Abweisung der Beschwerde zu Spruchpunkt 1. und 4. des Straferkenntnisses sowie II. des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG:

30 Zu Spruchpunkt I. des LVwG bringt der Revisionswerber hinsichtlich der Abweisung seiner Beschwerde zu den Spruchpunkten 1. und 4. des Straferkenntnisses der belangten Behörde (Nichtmitführen der Beiblätter zum Zulassungsschein sowie Nichtmitführen bestimmter Schaublätter) zur Zulässigkeit der Revision vor, das LVwG habe hinsichtlich der Entscheidung über die Spruchpunkte 1. und 4. des Straferkenntnisses eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zugekommen sei, weil es mangels Beschwerde gegen diese Spruchpunkte nicht hätte entscheiden dürfen. Das LVwG habe mit dieser Vorgangsweise gegen näher genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen; zur Zulässigkeit der Revision zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG bringt der Revisionswerber vor, das LVwG hätte ihm nicht EUR 240,-- für das Beschwerdeverfahren vorschreiben dürfen, weil er die Spruchpunkte 1. und 4. des Straferkenntnisses nicht bekämpft habe, was gegen näher genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verstoße.

31 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision hinsichtlich des Spruchpunktes I. des Erkenntnisses des LVwG betreffend die Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte 1. und 4. des Straferkenntnisses sowie Spruchpunkt II. des Erkenntnisses des LVwG aufgezeigt. Die Revision ist insoweit auch berechtigt:

32 Bekämpft ein Rechtsmittelwerber etwa nur den Ausspruch über die Strafe, ist Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens nur die Frage der Strafbemessung. Hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit ist diesfalls Teilrechtskraft eingetreten (vgl. z.B. VwGH 20.9.2013 , 2013/17/0305, mwH).

33 Diese Judikatur hat auch im Anwendungsbereich des § 27 VwGVG weiterhin Gültigkeit. Hinsichtlich des Prüfungsumfanges bestimmt § 27 VwGVG, dass das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet -

den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen hat (VwGH 27.10.2014, Ra 2014/02/0053).

34 Für die Beurteilung der Frage, was in einem Rechtsmittel begehrt wird, kommt es auf den Inhalt des Rechtsmittels in seiner Gesamtheit an (vgl. z.B. VwGH 22.4.1999, 99/07/0010). 35 Das Beschwerdevorbringen des anwaltlich vertretenen Revisionswerbers war im vorliegenden Fall ausdrücklich auf die Bekämpfung der Übertretungen zu den Spruchpunkten 2. und 3. des Straferkenntnisses beschränkt ("(g)egen die Punkte 2. und 3. des

Straferkenntnisses ... erhebe ich fristgerecht ... Beschwerde").

Eine Überprüfung der Verwaltungsübertretungen zu den Spruchpunkten 1. und 4. sowie die Vorschreibung von Kosten hiefür (vgl. VwGH 29.1.2013, 2012/02/0236; 26.1.2001, 98/02/0277) waren dem LVwG daher verwehrt.

36 Die angefochtene Entscheidung war sohin im Umfang der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 4. des Straferkenntnisses mit Spruchpunkt I. des Erkenntnisses des LVwG sowie hinsichtlich der Vorschreibung von diesbezüglichen Kosten mit Spruchpunkt II. des Erkenntnisses des LVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des LVwG gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

II.3. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. Oktober 2019

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen EntscheidungBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtBesondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Mängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten VerwaltungsvorschriftStrafnorm Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020109.L00

Im RIS seit

05.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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