TE Lvwg Erkenntnis 2019/11/18 LVwG 26.16-1382/2019, LVwG 40.16-1383/2019

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Veröffentlicht am 18.11.2019
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Entscheidungsdatum

18.11.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG 2005 §11 Abs2 Z4
NAG §2 Abs1 Z9

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schnabl über die Beschwerde des A B, geb. xx, vertreten durch C D, Rechtsanwalt, Jplatz, G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18.04.2019, GZ: ABT03 2-9.H/4997-2016,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet

a b g e w i e s e n .

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurden zu Spruchpunkt I. die Verfahren betreffend den Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ von A B, geb. am xx, Staatsangehörigkeit Kosovo, vom 07.07.2015 bei der Behörde Landeshauptmann für Steiermark, die Verlängerung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ (Antrag vom 10.07.2017) und die Erteilung von „Rot-Weiß-Rot-Karten plus“ (Anträge vom 22.02.2018 und 21.01.2019) wiederaufgenommen.

Zu Spruchpunkt II. wurde der Erstantrag von Herrn A B, geb. am xx, Staatsangehörigkeit Kosovo, vom 07.07.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“, der Verlängerungsantrag des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ vom 10.07.2017, der Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ vom 22.02.2018 und der Verlängerungsantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ vom 21.01.2019 abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich nach neuerlicher Prüfung herausgestellt habe, dass der Beschwerdeführer bewusst eine ganz bedeutende Tatsache vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark im Verfahren zum Erstantrag „Familienangehöriger“ verheimlicht habe. Die bereits am 28.04.2014 geborene und mit seiner späteren Ehegattin E B gezeugte Tochter, F B, sei weder im Antragsformular noch auf schriftliche Nachfrage der erkennenden Behörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens am 29.01.2016 angegeben worden. Auch in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht sei diese vom Beschwerdeführer nicht erwähnt worden. Zudem müsse Frau E B zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht bereits erneut schwanger gewesen sein, da der gemeinsame Sohn G B am 06.02.2017 geboren worden sei. Ein weiterer Verdachtsmoment sei, dass Frau H I am 27.09.2013 und am 15.12.2015 Kinder geboren habe und zum Zeitpunkt der Zeugung des zweiten Kindes bereits mehrere Monate mit dem Beschwerdeführer verheiratet gewesen sei. Der oder die leiblichen Väter der beiden Kinder seien während der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht nicht weiter behandelt worden. Weiters werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit unterzeichneter Erklärung des Erstantrags zur Kenntnis genommen habe, dass der Verlust der Familienangehörigeneigenschaft binnen einem Monat zu melden sei. Dieser Meldeverpflichtung sei er nicht nachgekommen, sondern habe die erkennende Behörde erst vier Monate später mit der Stellung des Zweckänderungsantrages „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ darüber informiert. Nach der Scheidung von Frau H I habe der Beschwerdeführer schließlich am 04.04.2018 Frau E B geehelicht, welche nunmehr einen Antrag bei der österreichischen Botschaft in S auf Familienzusammenführung gestellt habe. Die Antragstellung auf Familienzusammenführung und vor allem das während des gesamten Erstantragsverfahrens vor der erkennenden Behörde und selbst vor Gericht verheimlichte erste Kind bzw. auch zweite Kind des Beschwerdeführers, hätten die erkennende Behörde massiv an der geschiedenen Ehe mit Frau H I zweifeln lassen und sei man zur Auffassung gekommen, dass diese Ehe ausschließlich den Zweck hatte, einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde gab der Beschwerdeführer an, dass der Behörde antizipierende Beweiswürdigung vorzuwerfen sei. Der Rechtsvertreter habe bereits im Verfahren vor der Behörde die zeugenschaftliche Einvernahme der vormaligen österreichischen Ehegattin H I beantragt. Von einer solchen grundsätzlich notwendigen Beweisaufnahme habe die belangte Behörde sowohl im zwischenzeitig ausgesetzten Parallelverfahren hinsichtlich der Ehegattin des Beschwerdeführers als auch im gegenständlich erstinstanzlichen Verfahren Abstand genommen. Die Behörde habe willkürliches Verhalten zu verantworten, als sie es in einem wesentlichen Punkt unterlassen habe, notwendige Ermittlungen durchzuführen und hierauf beruhend entsprechend eine mangelfreie Beweiswürdigung abzuführen. Es wurden die Anträge gestellt, eine öffentlich mündliche Beschwerdeverhandlung unter Ladung sowie zeugenschaftliche Einvernahme von Frau H I anzuberaumen, in der Folge der Beschwerde stattzugeben bzw. zur Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:

Zur Folge des Beschwerdevorbringens wurden am 26.09.2019 und am 15.10.2019 öffentlich mündliche Verhandlungen durchgeführt, im Zuge der der Beschwerdeführer als Partei gehört sowie die Zeugen H I und J K einvernommen wurden.

Aufgrund des vorliegenden Verfahrensaktes in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen und insbesondere den Ergebnissen der öffentlich mündlichen Verhandlung wird nachstehender Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer Herr A B, geb. am xx, ist Staatsangehöriger des Kosovo.

Mit Antrag vom 07.07.2015, abgegeben bei der österreichischen Botschaft in S, beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ aufgrund der Eheschließung mit Frau H I am 17.10.2014.

Frau H I, geb. am xx, ist österreichische Staatsbürgerin. Sie wurde in St, Su, Kosovo, geboren.

Die Eheschließung war am 17.10.2014 in I (Kosovo) erfolgt.

Seit 01.12.2015 war die Zusammenführende mit Hauptwohnsitz in G gemeldet und wurde daher der Akt von der Wer Landesregierung abgetreten und langte am 27.01.2016 bei der Abteilung 3 ein.

Mit Bescheid vom 25.03.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen.

Gegen den Bescheid der Abteilung 3 des Landeshauptmannes von Steiermark, vom 25.03.2016, GZ: ABT03-2-9.H/4997-2016, legte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.

Der Beschwerdeführer gab bei der Antragstellung und im Rahmen des Verfahrens nicht an, dass er Vater der am 28.04.2014 geborenen minderjährigen F B ist. Dies hätte bei der Berechnung der für den Aufenthalt benötigten Mittel ebenfalls zugrunde gelegt werden müssen.

In den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts zur GZ: LVwG 26.3-1815/2016 wurde dementsprechend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer kein Kind hat.

Im Verfahren zur GZ: LVwG 26.3-1815/2016, in welchem über den Erstantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ entschieden wurde, wurden zwei Verhandlungen durchgeführt.

Zur ersten Verhandlung am 11.08.2016 erschien die damalige Ehegattin des Beschwerdeführers, Frau H I, unentschuldigt nicht. Zur Fortsetzungsverhandlung am 31.08.2016 erschien die Zeugin und sagte nach Hinweis auf ihre Wahrheitspflicht aus, dass die Tochter von acht Monaten den Beschwerdeführer als Vater habe.

Im Erkenntnis des LVwG zur GZ: 26.3-1815/2016-17 wurde – wie von der Zeugin H I in der Verhandlung am 31.08.2016 angegeben - festgehalten, dass die Eltern der Ehefrau, als auch zwei Geschwister ebenfalls in G wohnen würden und guter Kontakt bestehe.

Das Landesverwaltungsgericht gab mit Erkenntnis vom 16.09.2016 der Beschwerde statt und wurde der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt.

In der Folge wurde am 10.07.2017 ein Verlängerungsantrag „Familienangehöriger“, gültig von 19.09.2017 bis 18.09.2018, gestellt und diesem stattgegeben.

Am 06.02.2017 wurde der Sohn des Beschwerdeführers, der minderjährige G B, den er mit seiner nunmehrigen Ehegattin E B während aufrechter Ehe mit Frau H I zeugte, geboren.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz – West zu 118 FAM 40/17g-5 wurde die Ehe einvernehmlich geschieden. In der Vergleichsausfertigung vom 31.10.2017 wird festgehalten, dass der Ehe keine Kinder entstammen und die eheliche Gemeinschaft seit mehr als sechs Monaten aufgehoben ist. Es gab keine gemeinsamen Verbindlichkeiten, keine gemeinsamen Ersparnisse. Es wurde wechselseitig auf den Unterhalt verzichtet. Es wurde festgehalten, dass die Ehe für den nunmehrigen Beschwerdeführer die zweite Ehe war. Die Kosten für die Scheidung wurden vom Beschwerdeführer getragen.

Mit Antrag vom 22.02.2018 auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er einen neuen Hauptwohnsitz in der Tstraße, G bezog. „Die Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ wurde antragsgemäß ausgestellt und war gültig von 22.02.2018 bis 21.02.2019.

Am 04.04.2018 heiratete der Beschwerdeführer Frau E B, geborene K. Diese stellte am 19.07.2018 einen Erstantrag auf „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, ebenso für die gemeinsamen Kinder F B, geb. am 28.04.2014, und G B, geb. am 06.02.2017.

Frau E B, geborene K, ist die Schwester von Herrn J K, geb. am 06.05.1986. Herr J K war mit Frau H I liiert und lebte mit dieser bereits 2013 in W am selben Wohnsitz. Von 01.12.2015 bis 15.02.2018 wohnte er in G in der Tstraße bei Frau H I. Die beiden haben ein gemeinsames Kind L, sie wurde am 27.09.2013 geboren.

Frau H I lebt sei etwa 20 Jahren in Österreich, ihre Eltern sowie ihre Geschwister leben ebenfalls in G. Nach eigenen Angaben haben sie kaum Kontakt.

Der Beschwerdeführer Herr A B wohnte von 03.11.2016 bis 17.01.2018 in der Tstraße, Unterkunftgeberin H I.

Seit 17.01.2018 wohnt er in der Tstraße, G.

Frau H I wohnte von 11.02.2013 bis 01.12.2015 in der Wgasse, W, Unterkunftgeber war M N.

Seit 01.12.2015 wohnt sie in der Tstraße, G. Herr J K, mit dem Frau H I ein gemeinsames Kind hat, wohnte ebenfalls von 11.02.2013 bis 01.12.2015 bei M N in der Wgasse. Von 01.12.2015 – 15.02.2018 wohnte K gemeinsam mit dem Beschwerdeführer bei Frau H I in der Tstraße.

Von 15.02.2018 bis 05.03.2019 wohnte Herr K in der Tstraße, Unterkunftgeber A B. Seit 11.03.2019 wohnt Herr K wieder in der Tstraße, Unterkunftgeber erneut A B.

Herr K ist in W beschäftigt, ist derzeit aber dennoch in G gemeldet; der Beschwerdeführer ist nunmehr sein Schwager.

Der Beschwerdeführer und Frau H I haben – entgegen deren Aussage in der öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 31.08.2016 - kein gemeinsames Kind. Der Vater der zweitgeborenen Tochter von Frau H I ist unbekannt.

Beweiswürdigung:

Obige Feststellungen konnten aufgrund des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, des Beschwerdevorbringens, der im Akt aufliegenden Urkunden und insbesondere der Ergebnisse der öffentlich mündlichen Verhandlung getroffen werden. Einschau gehalten wurde weiters in das Verhandlungsprotokoll zum Verfahren sowie das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts zu GZ: LVwG 26.3-1815/2016-17.

Auch wenn der Beschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahme vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark angab, aus Liebe geheiratet zu haben, so sprechen eine Vielzahl von Beweisergebnissen gegen diese Verantwortung.

Die vormaligen Ehegatten haben sich in Bezug auf ihr Kennenlernen sowie die Hochzeit in zahlreichen Punkten widersprochen. Auf die Frage, wo man sich kennengelernt habe, antwortete der Beschwerdeführer nur zögernd. Auf Nachfrage gab er bekannt, das Lokal sei ihm nicht mehr bekannt. In der Verhandlung gab er an, er sei alleine am Ort des Kennenlernens gewesen, Frau H I sei mit Herrn J K dort gewesen.

Demgegenüber gab die einvernommene Frau H I an, dass sie Herrn A B Ende 2013 kennengelernt habe, man sei gemeinsam mit der nunmehrigen Ehegattin des Beschwerdeführers E B fortgegangen.

Die Frage, ob es einen Heiratsantrag gegeben habe, verneinte der Beschwerdeführer. Demgegenüber gab die Zeugin Frau H I an, dass sie einen Verlobungsring bekommen habe.

Frau H I konnte die Trauzeugen der Hochzeit, ebenso wie das Datum nicht mehr genau angeben. Auch der Beschwerdeführer war sich nicht sicher, ob er bei beiden Hochzeiten Trauzeugen hatte.

Es ist nahezu als lebensfremd anzusehen, dass Personen, die aus Liebe heiraten bzw. geheiratet haben, wichtige Details über ihre Hochzeit vergessen. Zwar ist es verständlich, wenn Kleinigkeiten vergessen werden, jedoch kann das erkennende Gericht keinesfalls ernstlich annehmen, dass wichtige Details zu Trauzeugen, Kennenlernen, Datum von (ehemals) Liebenden vergessen werden können. Dies wo die Eheschließung gerade knapp fünf Jahre her ist.

Wie der VwGH mehrfach aussprach, kann bei lebensnaher Betrachtung auch mehrere Jahre nach einer Hochzeit noch erwartet werden, dass die Ehepartner übereinstimmende Angaben bezüglich wichtiger Details wie einer Trauungszeremonie, ein Hochzeitsessen oder die Eheringe machen (VwGH 24.04.2012, 2011/23/0292; VwGH 15.12.2009, 2007/18/0530).

So sprach der VwGH aus: „Bei Angaben zu den Kindern des Ehepartners, zum Ankauf der Hochzeitsringe und zu dem Lokal, in welchem die Hochzeitsfeier stattgefunden hat, handelt es sich um Umstände, bei denen nach allgemeiner Lebenserfahrung im Fall des Eingehens und Bestehens einer echten Ehe durchaus verlässliche Angaben zu erwarten sind“ (vwGH 27.07.2011, 2007/18/0778).

Auch darüber, dass einer der Ehegattern sich nicht mehr an die Trauzeugen erinnern konnte, stellte der VwGH bereits Überlegungen an. So sprach der VwGH aus „(…) dies lässt sich wohl nur damit erklären, dass die Umstände der Eheschließung – anders als es bei einer echten Ehe zu unterstellen wäre - derart waren, dass sich der Ehemann nicht einmal mehr an die Person, die als Trauzeuge (…) fungiert hatte, erinnern konnte“ (VwGH 20.12.2012, 2012/23/0003).

Der Beschwerdeführer gab im gegenständlichen Verfahren an, dass sie selten Kontakt zur Familie von Frau H I hatten; dies wurde auch von der Zeugin bestätigt. Demgegenüber hatte die Zeugin noch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht zur GZ: LVwG 26.3-1815/2016-17 angegeben, dass ein guter Kontakt bestünde, wohl um das Landesverwaltungsgericht vom Bestehen eines Familienlebens zu überzeugen.

Aufgrund der vorliegenden Meldeadressen ergibt sich eindeutig, dass der Kontakt mit Herrn J K, der der Vater des ersten Kindes von Frau H I ist, auch nach dem Kennenlernen des Beschwerdeführers noch sehr eng war, zumal dieser bis 05.02.2018, also auch noch nach der Scheidung vom Beschwerdeführer bei Frau H I mit Hauptwohnsitz gemeldet war.

Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung und auch im Verfahren zum Erstantrag sein bereits am 28.04.2014 geborenes Kind F B verschwiegen. Auch die Schwangerschaft zum zweitgeborenen Kind G B, geb. am 06.02.2017, wurde in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark nicht angegeben.

Besonders auffallend ist, dass die Zeugin in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht zum Erstantrag des Beschwerdeführers – trotz Belehrung über die Wahrheitspflicht – angab, dass ihr zweites Kind vom Beschwerdeführer wäre. Tatsächlich ist der Vater des Kindes unbekannt und wurde auch im Scheidungsurteil festgestellt, dass der Ehe kein Kind entstammt.

Die Zeugin hat somit vor Gericht bewusst die Unwahrheit gesagt. Dies sollte wohl den Eindruck eines funktionierenden Ehelebens vortäuschen, welches nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts nie vorlag.

Die Zeugin H I hinterließ in der öffentlich mündlichen Verhandlung einen negativen persönlichen Eindruck und wirkte genervt von ihrer Einvernahme vor dem Landesverwaltungsgericht. Sie sei in die Verhandlung nur gekommen, weil sie der Anwalt darum gebeten habe. Sie gab auch an, dass sie nicht mehr wisse, wo die Hochzeit gefeiert wurde. Dass die Zeugin einen fragwürdigen Umgang mit der Wahrheit hat, zeigt sich auch darin, dass sie angab, sie hätte zwei Reisepässe gehabt, einer sei ihr gestohlen worden oder habe sie ihn verloren, sie wisse es nicht genau. Die Zeugin wirkte nervös und fahrig, sie wollte augenscheinlich mit der Ehe nicht mehr in Verbindung gebracht werden. Die Familie des Beschwerdeführers konnte sie nicht benennen.

Auch der Beschwerdeführer hinterließ in der Verhandlung einen negativen persönlichen Eindruck, er antwortete zögernd, ausweichend und stellte sich nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes mehrfach unwissend. Das Gericht ist überzeugt davon, dass sowohl die Zeugin H I als auch der Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht bewusst die Unwahrheit angaben, insbesondere im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht zur GZ: LVwG 26.3-1815/2016-17. Gewisse Tatsachen, von denen der Beschwerdeführer wusste, dass sie ihm zum Nachteil gereichen würden, verschwieg er bewusst.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark erachtet die Aussagen in der öffentlich mündlichen Verhandlung sowohl vom Beschwerdeführer als auch von der Zeugin H I als Schutzbehauptung und ist überzeugt davon, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel für den Beschwerdeführer zu erlangen, ohne dass die Absicht bestand ein gemeinsames Familienleben zu führen.

Die Tatsache, dass beide Ehegatten jeweils mit anderen Partnern während der Ehe Kinder zeugten und auch der Lebenspartner der Zeugin H I, Herr J K, mit dem sie zum Zeitpunkt des Kennenlernens mit dem Beschwerdeführer liiert war und auch das erste Kind hat, in der gemeinsamen Ehewohnung wohnte, spricht ein deutliches Bild.

Die Tatsache, dass die einvernehmliche Scheidung am 31.10.2017 erfolgte, der Verlängerungsantrag „Familienangehöriger“ jedoch noch am 10.07.2017 gestellt wurde, und dieser gültig vom 19.09.2017 bis 18.09.2018 war, und vom Beschwerdeführer eine Mitteilung über die Scheidung unterlassen wurde, spricht ein deutliches Bild über die Einstellung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung, zumal das Bezirksgericht Graz-West in seinem Vergleich zur GZ: 118 FAM 40/17g-7 vom 31.10.2017 feststellte, dass die eheliche Gemeinschaft der Antragsteller bereits seit mehr als sechs Monaten aufgehoben war, somit noch vor der Antragstellung am 10.07.2017.

Im Scheidungsbeschluss wurde auch festgehalten, dass weder eheliche Ersparnisse bestehen und die Ehepartner auch nicht Vertragspartner eines Lebensversicherungsvertrages sind. Es bestanden keine gemeinsamen oder sonstigen der Aufteilung unterliegenden Verbindlichkeiten. Dies zeigt deutlich, dass kein enges Familienleben gegeben war.

Es erscheint dem Landesverwaltungsgericht Steiermark völlig unglaubwürdig, dass bei einer aufrechten funktionierenden Ehe beide Ehegatten Kinder von jeweils anderen Partnern bekommen, die jeweiligen Familien nicht bekannt sind und im Zuge der Ehe weder gemeinsame Ersparnisse noch gemeinsame Verbindlichkeiten entstanden sind.

Obwohl die Scheidung im Einvernehmen erfolgte, konnte von der erkennenden Richterin bei der Zeugenaussage der ehemaligen Ehegattin im Verhandlungssaal keinerlei persönlicher Kontakt zwischen den ehemaligen Eheleuten wahrgenommen werden.

Angesichts des offensichtlich gegebenen Zwecks der Ehe zur Erlangung des Aufenthaltstitels, war nicht von einem gemeinsamen privaten Familienleben auszugehen. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark geht im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung ohne Zweifel von einer Aufenthaltsehe aus.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer an der Adresse seiner damaligen Ehegattin gemeldet war, ist nicht ausreichend um ein gemeinsames Familien- und Eheleben anzunehmen.

Der Beschwerdeführer hat die Tatsache, dass er zum Zeitpunkt des Erstantrages Vater eines Kindes von einer anderen Frau war, die zudem erneut von ihm schwanger war, sowohl im Verfahren vor der Behörde als auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht verschwiegen. Weiters wurde im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht das Kind der Zeugin H I als gemeinsames Kind ausgegeben sowie ein funktionierendes Familienleben vorgetäuscht.

Im Verfahren zum Erstantrag wurden ganz offensichtlich mehrfach unwahre Angaben gemacht bzw. entscheidungswesentliche Tatsachen verschwiegen, dies augenscheinlich zum Zweck den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erlangen.

Rechtliche Beurteilung:

§ 3 NAG

„(1) Behörde nach diesem Bundesgesetz ist der örtlich zuständige Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle zu entscheiden.

(2) Über Beschwerden gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz entscheidet das örtlich zuständige Verwaltungsgericht des Landes. Eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses oder des Beschlusses ist auch dem Bundesminister für Inneres zuzustellen.

(3) Wird ein Antrag im Ausland gestellt (§ 22), ist die örtlich zuständige Berufsvertretungsbehörde zur Entgegennahme des Antrags zuständig. Gegen die Einstellung eines Verfahrens aus formalen Gründen gemäß § 22 Abs. 2 ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

(4) Strafbehörde in den Fällen des § 77 ist die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde.

(5) Der Bundesminister für Inneres kann die Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 8) und die Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthalts- und Niederlassungsrechts (§ 9) in Ausübung seines Aufsichtsrechtes nach § 68 Abs. 4 Z 4 AVG mit Bescheid als nichtig erklären, wenn die Erteilung oder Ausstellung

1. trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 oder

2. trotz Fehlens einer besonderen Voraussetzung des 2. Teiles erfolgte oder

3. durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.

In den Fällen der Z 1 und 2 ist die Nichtigerklärung nur binnen drei Jahren nach Erteilung oder Ausstellung zulässig.“

§ 11 NAG

„(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.“

§ 30 Abs 1 NAG

„(1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.“

§ 47 NAG

„(1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

(3) Angehörigen von Zusammenführenden kann auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

(4) Angehörigen von Zusammenführenden, die eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ besitzen (Abs. 3), kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

2. ein Quotenplatz vorhanden ist und

3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(5) In den Fällen des Abs. 4 ist von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels oder Fehlens einer Voraussetzung gemäß §§ 19 bis 24 zurück- oder abzuweisen ist,

2. wegen des Mangels an einem Quotenplatz zurückzuweisen ist, oder

3. wegen zwingender Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 abzuweisen ist.

Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung im Fall des § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne Weiteres einzustellen.“

§ 69 Abs 1 Z 1 AVG

„(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist“

§ 69 Abs 3 AVG

„(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.“

§ 2 Abs 1 Z 9 NAG

„(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

9. Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;“

§ 41 NAG

„(1) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(2) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG,

2. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 3 AuslBG,

3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 4 AuslBG,

4. ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 3 AuslBG, oder

5. ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 24 Abs. 2 iVm Abs. 3 AuslBG

vorliegt.

(3) Entscheidungen über die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte“ sind von der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde und der zuständigen Behörde gemäß §§ 20d oder 24 AuslBG unverzüglich, längstens jedoch binnen acht Wochen ab Einbringung des Antrages, zu treffen. Von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels oder Fehlens einer Voraussetzung gemäß §§ 19 bis 24 zurück- oder abzuweisen ist oder

2. wegen zwingender Erteilungshindernisse (§ 11 Abs. 1) abzuweisen ist.

(4) Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung in den Fällen des § 20d AuslBG in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen. Ist das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung im Fall des § 24 AuslBG negativ, ist der Antrag ohne weiteres abzuweisen.

(5) Der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ ist für die Dauer von zwei Jahren auszustellen. Weist der Arbeitsvertrag im Falle des Abs. 1 oder Abs. 2 Z 1 bis 3 eine kürzere Dauer auf, ist der Aufenthaltstitel für einen um drei Monate über die Dauer des Arbeitsvertrags hinausgehenden Zeitraum, längstens jedoch für zwei Jahre auszustellen.“

1. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens (Spruch I des Bescheides):

Gemäß § 69 Abs 1 Z 1 iVm Abs 3 AVG ist die amtswegige Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ohne zeitliche Einschränkung zulässig, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.

Das Gesetz verlangt, dass der Bescheid durch die strafbare Handlung herbeigeführt wurde und nicht, dass die Straftat von der betroffenen Partei gesetzt wurde.

Der Tatbestand des Erschleichens im Sinne des § 69 Abs 1 Z 1 iVm Abs 3 AVG wird in der höchstgerichtlichen Judikatur dann als gegeben angesehen, wenn objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung getätigt wurden, ein Kausalzusammenhang zwischen diesen unrichtigen Angaben der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde besteht sowie eine Irreführungsabsicht der Partei, nämlich eine Behauptung wider besseren Wissens in der Absicht daraus einen Vorteil zu erlangen, besteht (Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 12 ff sowie die wiedergegebene Rechtsprechung des VwGH).

Unter einem Erschleichen im Sinne des § 69 Abs 1 Z 1 AVG ist ein vorsätzliches – nicht bloß kausales oder bloß fahrlässiges – Verhalten der Partei im Zuge des Verfahrens zu verstehen, dass darauf abzielt, einen für sie günstigen Bescheid zu erlangen, wobei es sich um die Aufstellung unrichtiger Behauptungen oder um das Verschweigen relevanter Umstände handeln kann. Das Verschweigen wesentlicher Umstände ist dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen (VwGH 26.02.2013, 2009/22/0081).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 NAG vor, wenn sich ein Fremder für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf eine von ihm geschlossene Ehe beruft, er in diesem Zeitpunkt jedoch kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8 des EMRK führt (VwGH 29.06.2010, 2006/18/0484); dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ehepartner tatsächlich zusammenleben (VwGH 24.11.2000, 2000/19/0126).

Beziehungen, die sich aus einer rechtmäßigen Eheschließung ergeben, sind auch dann von Artikel 8 EMRK erfasst, wenn bestimmte Elemente eines typischen Familienlebens, wie zum Beispiel eine gemeinsame Wohnung (noch) nicht vorhanden sind (VwGH 18.03.2010, 2008/22/0635). Ein formales Band der Ehe reicht jedoch nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des Drittstaatsangehörigen abzuleiten (VwGH 27.04.2017, Ro 2016/22/0014).

Die zunächst erfolgte Erteilung von Aufenthaltstitel hindert die Behörde nicht, das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wiederaufzunehmen (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0226).

Der Beschwerdeführer stützte sich bei seinem Erstantrag auf die Ehe mit Frau H I.

Sowohl der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“, Erstantrag am 07.07.2015, der Verlängerungsantrag „Familienangehöriger“, Antrag vom 10.07.2017 als auch letztlich der Antrag auf „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, Antrag gestellt am 21.02.2016, wurden jedoch erschlichen, da es sich nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts – wie in der Beweiswürdigung ausführlich ausgeführt – zweifellos um eine Aufenthaltsehe handelte. Beim Eingehen einer Aufenthaltsehe handelt es sich darüber hinaus um eine gerichtlich strafbare Handlung (§ 117 FPG).

Aufgrund der Aufenthaltsehe wurden dem Beschwerdeführer mehrfach Aufenthaltstitel erteilt und zwar Aufenthaltstitel als Familienangehöriger sowie zuletzt eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, die aber die zuvor bestehenden Aufenthaltstitel zur Voraussetzung hatte. Der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ wurde letztlich erschlichen, weil der Beschwerdeführer – wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt - entscheidungswesentliche Tatsachen verschwieg bzw. falsche Angaben machte.

So gab er weder an, dass er bereits zum Zeitpunkt des Erstantrages ein Kind mit seiner nunmehrigen Ehefrau hatte, noch, dass seine nunmehrige Ehefrau Frau E B damals bereits zum zweiten Kind schwanger war. Das zweite Kind der Ehegattin H I wurde hingegen als Kind des Beschwerdeführers ausgegeben. Darüber hinaus wurde im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht ein Familienleben dergestalt vorgetäuscht, als mit der Familie der damaligen Ehegattin ein guter Kontakt angegeben wurde. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Zeugin gaben jedoch im nunmehrigen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht an, dass kein Kontakt besteht. Weiters verschwieg der Beschwerdeführer beim Verlängerungsantrag, gestellt am 10.07.2017, dass, wie im Scheidungsbeschluss vom Bezirksgericht Graz-West am 31.10.2017 festgehalten, die eheliche Gemeinschaft seit mehr als sechs Monaten aufgehoben war, somit bereits zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrages.

Durch das Stützen auf die Aufenthaltsehe wurde die positive Erledigung des Erstantrages erwirkt und war dies Voraussetzung für die Beurteilung der weiteren Anträge des Beschwerdeführers.

Daraus folgt, dass die Verfahren des Erst- und des Verlängerungsantrages des Beschwerdeführers wiederaufgenommen werden können (VwGH 19.01.2012, 2010/22/0031 hinsichtlich der Auswirkung eines erschlichenen Aufenthaltstitels auf Verlängerungsanträge).

Im Fall der Wiederaufnahme eines Verfahrens ist – aufgrund der zeitlichen Rückwirkung der Wiederaufnahme auf den Zeitpunkt vor der Titelerteilung – rechtlich gesehen nie ein Titel erteilt worden.

Da die Voraussetzungen des § 69 Abs 1 Z 1 AVG vorliegen, können die Verfahren hinsichtlich der Anträge vom 07.07.2015, 10.07.2017, 22.02.2018 und 21.01.2019 nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts wiederaufgenommen werden.

2. Zu den Anträgen auf Erteilung der Aufenthaltstitel (Spruch II des Bescheides):

Maßgeblich für die neue Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung (Erlassung des Bescheides bzw. Erkenntnisses) im wiederaufgenommenen Verfahren (Hengstschläger/Leeb, AVG § 70).

Gemäß § 11 Abs 1 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe (§ 30 Abs 1 NAG) vorliegt. Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstitel nicht auf die Ehe berufen (§ 30 Abs 1 NAG).

Liegt jedoch in dem, für das wiederaufgenommene Aufenthaltsverfahren, maßgeblichen Zeitpunkt keine Aufenhaltsehe mehr vor, kann § 11 Abs 1 Z 4 NAG für die Versagung des Aufenthaltstitels nicht herangezogen werden (VwGH 26.02.2013, 2009/22/0081).

Da jedoch die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und Frau H I bereits geschieden wurde und dies mit 31.10.2017 in Rechtskraft erwachsen ist, kann sich der Beschwerdeführer nicht auf seine Eigenschaft als Familienangehöriger im Sinne des § 2 Abs 1 Z 9 NAG berufen und ist folglich keine Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ zum Zwecke der Familienzusammenführung möglich.

Auch kommt die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels nicht in Betracht.

Da die weiteren Aufenthaltstitel in Kausalität zum ursprünglich beantragten und erteilten Aufenthaltstitel der Familienzusammenführung stehen, sind auch diese zwei Anträge mangels Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Verlängerungsantrages bzw. Zweckänderungsantrages abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat durch das Verheimlichen entscheidungsrelevanter Tatsachen sowie das Vorgeben eines Familienlebens, objektiv unwahre Angaben getätigt und bewirkt, dass ihm ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt wurde.

Es liegt zwischen seinem Verhalten und der erfolgten Titelerteilung ein Kausalzusammenhang vor.

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass auch eine Interessenerwägung nach Artikel 8 EMRK ergibt, dass sich der Beschwerdeführer seit 2016 in Österreich befindet, dies stellt jedoch keine allzu lange Zeit dar. Seine Familie, seine nunmehrige Ehefrau sowie seine zwei leiblichen Kinder leben allerdings in Kosovo.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an der Erlangung der Aufenthaltstitel steht die mit dem von ihm gesetzten rechtsmissbräuchlichen Verhalten einhergehende Beeinträchtigung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des geordneten Fremdenwesens gegenüber.

Auch eine Abwägung nach Artikel 8 EMRK fällt somit zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus und kann nicht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsehe, Familienangehöriger, Aufenthaltstitel, Familienzusammenführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2019:LVwG.26.16.1382.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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