TE Vwgh Erkenntnis 2019/11/13 Ra 2017/11/0114

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark
L94406 Krankenanstalt Spital Steiermark
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §234
ABGB §6
B-VG Art18 Abs1
KAG Stmk 2012 §83 Abs1
KAG Stmk 2012 §84 Abs2
KAG Stmk 2012 §85 Abs3
SHG Stmk 1998 §28
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. März 2017, Zl. LVwG 61.26-3457/2016-4, betreffend Ersatz von Gebühren iSd § 84 StKAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Partei H P in S, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Krottendorfer Gasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im angefochtenen Beschluss wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Mutter der Mitbeteiligten war vom 27. September bis zum 15. Oktober 2013 stationär in einem Mehrbettzimmer der G-Krankenanstalt der Stadt G untergebracht. Für diesen Zeitraum entstanden Kosten von EUR 2.798,70, von denen EUR 1.614,37 "von der Bezirkshauptmannschaft G.-U." übernommen wurden. Somit war ein Rechnungsanteil von EUR 1.184,33 offen.

Mit Gebührenrechnung der G-Krankenanstalt vom 4. Mai 2016 wurde der Mitbeteiligten der Betrag von EUR 1.184,33 vorgeschrieben. Mit E-Mail vom 18. Mai 2016 erhob die Mitbeteiligte Einspruch gegen die Gebührenrechnung und führte aus, dass die Verlassenschaft nach ihrer Mutter "ein Minus ergeben" hätte, sie wäre damit nicht in der Lage, den noch offenen Betrag zu bezahlen. Die G-Krankenanstalt legte die Gebührenrechnung samt Einwendungen der belangten Behörde vor.

2 Mit Bescheid vom 15. November 2016 wies die belangte Behörde (der nunmehrige Revisionswerber) den Einspruch der Mitbeteiligten ab. Begründend wurde ausgeführt, die Kosten für den Aufenthalt der Mutter der Mitbeteiligten in Höhe von EUR 1.184,33 seien weder von der Verstorbenen selbst noch von der überschuldeten Verlassenschaft beglichen worden. Dem Gebührenakt der Krankenanstalt sei ein Beschluss des Bezirksgerichts G angeschlossen, aus welchem ersichtlich sei, dass die überschuldete Verlassenschaft nach ihrer Mutter der Mitbeteiligten überlassen worden sei. Gemäß § 84 Abs. 2 StKAG seien zum Ersatz der Gebühren und Kostenbeiträge auch die für die Patienten unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen, wenn die genannten Gebühren nicht bei den Patienten selbst hereingebracht werden könnten. Wer als unterhaltspflichtig anzusehen sei, sei im StKAG nicht ausdrücklich geregelt. Jedoch seien nach der Bestimmung des § 234 Abs. 1 ABGB Kinder für ihre Eltern unterhaltspflichtig. Gleichzeitig sehe das StKAG keine weiteren Voraussetzungen für den Kostenersatz durch Unterhaltspflichtige vor, insbesondere sei keine Regelung zur Minderung der Ersatzpflicht wie in § 234 Abs. 2 ABGB vorgesehen. Dem Willen des Gesetzgebers sei (unter Verweis auf den bereits damals aufgehobenen § 28 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz - SHG) zu entnehmen, dass dieser entweder einen Kostenersatz dem Grunde und der Höhe nach dem ABGB unterwerfen oder aber dem Grunde nach dem ABGB unterwerfen, die Höhe jedoch selbst regeln wollte. Da in einem Fall wie dem vorliegenden die Behörde eine bereits ausgestellte Gebührenrechnung einer Krankenanstalt überprüfe, würde eine Anwendung des § 234 Abs. 3 ABGB dazu führen, dass die Krankenanstalt ihrer Gebührenrechnung eine Überprüfung der Vermögenssituation zu Grunde legen müsse. Die Krankenanstalt sei mangels hoheitlicher Rechte aber nicht in der Lage, die Erhebungen zu tätigen. Nach der Systematik des StKAG solle aber die Behörde nur denselben Maßstab bei der Beurteilung der Unterhaltspflicht heranziehen, wie dies die Krankenanstalt ohne entsprechende Behördenkompetenz getan habe, da ansonsten durch die nachfolgende Behördenentscheidung jede Gebührenrechnung der Krankenanstalt von der Behörde anders beurteilt werden könnte.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG insoweit statt, als es den Bescheid aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückverwies. Weiters wurde die (ordentliche) Revision für unzulässig erklärt.

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, § 84 Abs. 2 StKAG spreche von dem Ersatz der anfallenden Kosten durch unterhaltspflichtige Personen, führe jedoch keine nähere Umschreibung des Personenkreises an. Eine solche sei § 234 ABGB zu entnehmen. Da das ABGB im vorliegenden Fall subsidiär anwendbar sei, finde dieser Paragraf zur Gänze Anwendung. Der Argumentation der Behörde, dass nur Abs. 1 des § 234 ABGB anzuwenden sei, nicht jedoch Abs. 3, sei daher nicht zu folgen. Kinder seien gemäß § 234 unter einer Reihe von einschränkenden Voraussetzungen ganz subsidiär, nämlich als letzte von den sonst in Frage kommenden Unterhaltsschuldnern, verpflichtet, ihren nicht selbsterhaltungsfähigen vermögenslosen Vorfahren Unterhalt zu leisten. Hierbei seien jedoch mehrere Aspekte zu erheben. Grundlegende Voraussetzung sei die fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit. In weiterer Folge sei zu prüfen, ob ein Sonderbedarf des Unterhaltspflichtigen oder seiner Kinder dazu führe, dass - gemessen an den Einkommensverhältnissen - eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber Dritten ohne Gefährdung dieses Sonderbedarfs nicht in Betracht komme. Außerdem habe ein Kind keinen Unterhalt an seine Eltern zu leisten, wenn sein eigener angemessener Unterhalt bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten gefährdet wäre. Die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die Mitbeteiligte nicht die einzig mögliche unterhaltspflichtige Nachfahrin sei. Auch habe sie nicht ermittelt, ob die Mitbeteiligte noch weitere Unterhaltspflichten habe, ob ihr eigener Unterhalt durch die Zahlung gefährdet sei, ob noch vorranging Unterhaltspflichtige existierten und ob die Mutter der Mitbeteiligten ihre eigenen Unterhaltspflichten der Mitbeteiligten gegenüber gröblich vernachlässigt habe. Auch seien keinerlei Erhebungen betreffend die Vermögensverhältnisse angestellt worden. Daher sei der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen gewesen.

4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision, zu der die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

5 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage der Anwendung der unterhaltsrechtlichen Bestimmungen des ABGB durch eine privatrechtlich organisierte Krankenanstalt. Ebenso fehle Rechtsprechung zu einer Minderung der Unterhaltspflicht nach § 84 Abs. 2 StKAG.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des angefochtenen

Beschlusses maßgeblichen Bestimmungen des Stmk. Krankenanstaltenges etzes 2012 - StKAG, LGBl. Nr. 111/2012, idF. LGBl. Nr. 51/2016, lauten auszugsweise:

"§ 83

Einbringung der LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge,

Sondergebühren und Sonderaufwendungen

(1) Die öffentlichen Krankenanstalten haben für die Einbringung fälliger LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge, Sondergebühren und Sonderaufwendungen von den in Anstaltspflege genommenen Personen und für die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dritten Personen (Unterhaltspflichtige, Sozialversicherungsträger u. a.) und die Berechnung und Einbringung von Pflege(Sonder)gebühren für Begleitpersonen von Patientinnen/Patienten (§ 73 Abs. 6) in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise zu sorgen. Zu diesem Zwecke haben sie schon bei der Aufnahme die notwendigen Erhebungen einzuleiten. Die Landesbehörden und die Gemeinden haben hierbei Unterstützung zu leisten.

(2) ...

...

§ 84

Kostentragungspflichtige Personen

(1) Soweit nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherun gsgesetzes oder auf Grund sonstiger gesetzlicher Vorschriften zum Ersatz der in einer öffentlichen Krankenanstalt aufgelaufenen LKF-Gebühren, Pflegegebühren (Sondergebühren und Sonderaufwendungen) und Kostenbeiträge verpflichtet ist, hat in erster Linie die Patientin/der Patient hierfür aufzukommen.

(2) Wenn die LKF-Gebühren, Pflegegebühren (Sondergebühren und Sonderaufwendungen) und Kostenbeiträge nicht bei der Patientin/beim Patienten selbst oder bei den sonst in Abs. 1 genannten Personen hereingebracht werden können, sind zum Ersatz die für sie/ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen.

§ 85

Gebührenrechnung

(1) Soweit LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge, Sondergebühren und Sonderaufwendungen nicht im Vorhinein entrichtet wurden, sind sie mit dem letzten Tag eines jeden Pflegemonats beziehungsweise mit dem Tag der Entlassung aus der Anstaltspflege abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben. Sie sind mit dem Tage der Vorschreibung fällig und innerhalb von zwei Wochen zu bezahlen. Nach Ablauf von sechs Wochen ab dem Fälligkeitstag sind die gesetzlichen Verzugszinsen zu verrechnen. Aus berücksichtigungswürdigen Gründen kann über Antrag der Verpflichteten/des Verpflichteten die Abstattung vorgeschriebener LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge, Sondergebühren und Sonderaufwendungen in Teilbeträgen gestattet bzw. gestundet werden. ...

(2) Zur Einbringung fälliger LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge, Sondergebühren und Sonderaufwendungen ist der Verpflichteten/dem Verpflichteten eine Gebührenrechnung zuzustellen; diese hat zu enthalten:

1.

die Dauer der Krankenanstaltspflege,

2.

die Höhe der täglichen LKF-Gebühr, Pflegegebühr,

3.

die Höhe der aufgelaufenen LKF-Gebühren, Pflegegebühren,

4.

die Höhe der aufgelaufenen Kostenbeiträge,

5.

die Höhe der aufgelaufenen Sondergebühren und Sonderaufwendungen,

6.

die geleisteten Teilzahlungen,

7.

die Höhe des aushaftenden Rückstandes,

8.

einen Hinweis auf die Fälligkeit der Forderung (Abs. 1) und auf allfällige Verzugszinsen,

                 9.       einen Hinweis auf die Regelung der Abs. 3 und 4.

(3) Gegen die Gebührenrechnung kann die/der Verpflichtete binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bei der Stelle einen begründeten Einspruch erheben, welche die Gebührenrechnung ausgestellt hat. Wird innerhalb dieser Frist kein begründeter Einspruch erhoben, so gilt die in der Gebührenrechnung ausgewiesene Zahlungsverpflichtung als endgültig. Ansuchen um Gewährung eines Zahlungsaufschubes oder von Teilzahlung gelten nicht als Einspruch. Falls dem Einspruch vom Rechtsträger der Krankenanstalt nicht voll Rechnung getragen wird, ist er vom Rechtsträger der nach dem Sitz der öffentlichen Krankenanstalt zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen. Diese hat darüber mit Bescheid zu entscheiden.

(4) Die Gebührenrechnung ist vollstreckbar und gilt als Rückstandsausweis entweder

1.

nach Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist (Abs. 1) oder

2.

nach Ablauf von zwei Wochen, gerechnet vom Tage des Ablaufes der erstreckten Zahlungsfrist (Abs. 1) oder

                 3.       bei Nichtbezahlung von Teilbeträgen bezüglich des gesamten aushaftenden Betrages nach Ablauf von zwei Wochen nach Fälligkeit eines Teilbetrages oder

                 4.       nach Ablauf von zwei Wochen nach rechtskräftiger Entscheidung.

(5) Auf Grund von Rückstandausweisen öffentlicher Krankenanstalten für LKF-Gebühren oder Pflege(Sonder)gebühren und Kostenbeiträge ist gegen Patientinnen/Patienten die Vollstreckung im Verwaltungsweg zulässig, wenn die Vollstreckbarkeit von der Bezirksverwaltungsbehörde bestätigt wurde."

8 § 234 ABGB idF. BGBl. I Nr. 15/2013 lautet:

"§ 234. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet."

9 Die Revision ist aus den in ihr genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

10 In den Revisionsgründen wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht vertrete die Ansicht, das ABGB sei als allgemeines Privatrecht anzuwenden. Die Überprüfung der Unterhaltspflichten erfolge jedoch üblicherweise vor den Zivilgerichten, wobei die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte maßgeblich sei. Auch in diesem Verfahren obliege die Beweispflicht demjenigen, der die maßgeblichen Umstände behaupte. Das Verwaltungsgericht habe jedoch nicht geprüft, inwieweit die Mitbeteiligte ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen sei. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung beziehe sich auf die Frage der verfassungsrechtlichen Haltbarkeit der Pauschalierungsregelung nach der StSHG-DVO iVm. der Stmk. SHG. Die Umstände der Normen des StKAG seien jedoch ganz anders gelagert.

§ 84 Abs. 2 StKAG sei ausdrücklich nicht auf eine bestimmte Quote beschränkt. "In erster Instanz" entscheide keine Behörde, sondern eine (privatrechtlich organisierte) Krankenanstalt. Für letztere seien jedoch weder das AVG noch die Regelungen zum Beweis noch zivilrechtliche Verfahrensregeln maßgeblich. Insofern bestünden auch keine Nachforschungspflichten.

Der Fall des StKAG unterscheide sich insofern von den ehemaligen Regelungen des Stmk. SHG, als die Bezirksverwaltungsbehörde nach dem StKAG nur über den Einspruch gegen eine bereits ausgestellte Gebührenrechnung einer Krankenanstalt entscheide, nach dem Stmk. SHG sei es jedoch die Behörde selbst gewesen, die erstinstanzlich über die Ersatzpflicht entschieden habe. Das StKAG sehe jedoch nur eine Überprüfung einer (keinen Bescheid darstellenden) Gebührenrechnung einer Krankenanstalt vor. Würde § 234 Abs. 3 ABGB zur Anwendung gelangen, hieße dies, dass die Krankenanstalt ihrer Gebührenrechnung eine Überprüfung der unterhaltspflichtigen Personen und deren Vermögenssituation zugrunde legen müsste. Die Krankenanstalt sei aber mangels hoheitlicher Rechte nicht in der Lage, die beschriebenen Erhebungen in dem Umfang zu besorgen wie dies die Behörde bei der Überprüfung der Gebührenrechnung könne. Die Behörde müsse schon aus Gründen der Rechtssicherheit im Rahmen des StKAG denselben Maßstab bei der Beurteilung der Unterhaltspflicht heranziehen wie dies die Krankenanstalt ohne entsprechende Behördenkompetenz getan habe, da sonst durch die nachfolgende Behördenentscheidung jede Gebührenrechnung der Krankenanstalt von der Behörde unterschiedlich beurteilt werden könne. Eine solche Auslegung könne dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung nicht unterstellt werden, sondern vielmehr, dass er bewusst eine Regelung getroffen habe, welche den enormen Verfahrensaufwand vermeide, der mit der Feststellung der jeweiligen Höhe der Unterhaltsverpflichtung in jedem Einzelfall verbunden wäre (Verweis auf VfSlg. 19791/2013).

Wer als unterhaltspflichtig anzusehen sei, werde im StKAG nicht ausdrücklich geregelt, doch seien nach der Bestimmung des § 234 Abs. 1 ABGB Kinder für ihre Eltern unterhaltspflichtig. Gleichzeitig sehe das StKAG keine weiteren Voraussetzungen für den Kostenersatz durch Unterhaltspflichtige vor. Insbesondere fänden sich im StKAG keine dem § 234 Abs. 3 ABGB entsprechenden Regelungen zur Minderung der Ersatzpflicht. Für die Frage, ob diese Bestimmung auch hier anzuwenden sei, würden im Bescheid ähnliche landesgesetzliche Bestimmungen herangezogen. Bei diesem Vergleich mit dem Stmk. SHG idF. LGBl. Nr. 29/1998 komme nach Meinung der belangten Behörde der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, entweder einen Kostenersatz dem Grunde und der Höhe nach der Bestimmung im ABGB zu unterwerfen (§ 28 Stmk. SHG idF. LGBl. 29/1998) oder aber nur dem Grunde nach und die Höhe selbst zu regeln. Eine ausdrückliche Regelung zur Höhe der Ersatzpflicht bzw. zu deren Einschränkung sei in § 84 Abs. 2 StKAG nun gerade nicht enthalten. Eine analoge Anwendung des § 234 Abs. 3 ABGB komme aber nicht in Betracht, hätte der Gesetzgeber doch in diesem Fall, wie in Fällen des SHG, auf das ABGB verwiesen oder die Höhe selbst durch Landesgesetz oder Verordnung geregelt. Wäre die Anwendung des ABGB selbstverständlich gewesen, hätte es keiner ausdrücklichen Regelung im damaligen Stmk. SHG bedurft. Dies erkläre sich aus dem Umstand, dass die Angelegenheit der Heil- und Pflegeanstalten nach Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG in die Grundsatzgesetzgebung des Bundes und in die Ausführungsgesetzgebung des Landes fallen würden. Das Zivilrecht sei reine Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Daraus folge, dass nicht automatisch in Angelegenheiten der Landes(ausführungs)gesetzgebung die entsprechende Regelung des Bundes heranzuziehen sei.

Weiters wird vorgebracht, dass die Mitbeteiligte ihre Mitwirkungspflichten insofern verletzt hätte, als sie im Einspruch gegen die Gebührenrechnung nicht vorgebracht habe, dass es auch etwaige andere Nachkommen ihrer Mutter gebe. Auch habe sie nicht vorgebracht, dass wegen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine verminderte Unterhaltspflicht bestünde. Aus dem Beschluss des Gerichts auf Überlassung an Zahlungs statt gehe nicht hervor, dass die Mutter der Mitbeteiligten noch weitere Nachkommen habe.

11 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses aufgezeigt.

12 Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung des Begriffs der "unterhaltspflichtigen Personen" im Sinne des § 84 Abs. 2 StKAG. Im Gegensatz zur mehrfach zitierten Bestimmung des § 28 Stmk. SHG idF LGBl. Nr. 157/2013 wurde dieser Begriff im StKAG - welches aufgrund des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts gegenständlich alleine maßgeblich ist - nicht definiert und lässt sich auch nicht aus einem Zusammenhang mit dem SHG ableiten. Da somit keine "landeseigene" Definition der Unterhaltspflicht für die Zwecke des StKAG ersichtlich ist, ist ein Rückgriff auf das ABGB geboten.

13 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist auch im öffentlichen Recht bei der Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in seinem Zusammenhang. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Normengebers zukommt. Knüpft der Gesetzgeber an einen Begriff an, der bereits in einer anderen Rechtsvorschrift inhaltlich umschrieben wurde, ohne seinen Inhalt näher festzulegen, und lässt sich auch sonst aus der anzuwendenden Norm kein Hinweis dafür finden, dass er von einer abweichenden Bedeutung ausgegangen wäre (wie z.B. aus der Gesetzessystematik und dem Regelungszweck), ist im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung und der daraus folgenden Einheit der Rechtssprache grundsätzlich vom gleichen Begriffsinhalt, wie er in ausdrücklichen Regelungen festgelegt wurde, auszugehen. Dabei kann auch der Inhalt einer landesrechtlichen Vorschrift aus einer bundesrechtlichen Vorschrift und umgekehrt gewonnen werden (vgl. VwGH 27.4.2016, Ra 2016/05/0031).

14 Da sich die Unterhaltspflicht nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts richtet, ist die Bestimmung des § 234 ABGB heranzuziehen, nach deren Abs. 1 das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse Unterhalt schuldet, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Die Unterhaltspflicht der Kinder steht gemäß Abs. 2 jener eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten. Gemäß Abs. 3 mindert sich der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als dadurch bei

Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet wird. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann dem Gesetzgeber des StKAG mangels ausdrücklicher Anordnung nicht unterstellt werden, dass er lediglich die Begründung des Unterhaltsanspruchs, nicht jedoch dessen Umfang dem ABGB unterwerfen wollte. Die Ersatzpflicht zur Deckung aufgelaufener Pflegegebühren für Spitalsaufenthalte darf den Umfang der Unterhaltspflicht nicht übersteigen (vgl. zum Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetz, LGBl. Nr. 19/1958, VwGH 25.2.1975, 959, 1993/73).

15 Die Behörde hätte somit, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, im Rahmen der Beurteilung der allfälligen Unterhaltspflicht der Mitbeteiligten nach § 234 ABGB Ermittlungen dazu anstellen müssen, ob noch andere (potentiell vorrangige) Unterhaltspflichtige existieren, ob die Unterhaltsberechtigte ihre eigenen Unterhaltspflichten gröblich vernachlässigt hat, ob der Unterhaltsberechtigten die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar gewesen wäre und ob für die Mitbeteiligte sonstige Unterhaltspflichten bestehen, die dazu führen könnten, dass ihr eigener Unterhalt gefährdet wäre. 16 Soweit der Revisionswerber vorbringt, dass bei Durchführung behördlicher Ermittlungen über jede Gebührenrechnung von der Behörde anders entschieden werden könnte als von der Krankenanstalt, die keine Ermittlungsbefugnisse hat, ist ihm zu entgegnen, dass sich dies aus § 85 Abs. 3 StKAG ergibt. Mit der Anordnung, dass die Behörde "darüber mit Bescheid zu entscheiden" hat, ist vom Gesetzgeber offenkundig eine Kontrolle und die Durchführung eines dem AVG entsprechenden Ermittlungsverfahrens durch die Behörde - die im Übrigen entgegen der Revisionsansicht nicht als Rechtsmittelinstanz tätig wird - gewollt. 17 Auch aus dem Vorbringen, dass aus Gründen der Effizienz keine (umfassende) Überprüfung gewollt sein kann, ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. In dem in der Revision dazu zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, VfSlg. 19791/2013, ging es um die (inzwischen in dieser Fassung nicht mehr in Kraft stehende) Bestimmung des § 28 Stmk. SHG, welcher - wie oben bereits dargelegt - mit den vorliegend aufgrund des festgestellten Sachverhalts ausschließlich anzuwendenden Bestimmungen des StKAG nicht vergleichbar ist.

18 Dem Vorbringen, dass die Mitbeteiligte ihre Mitwirkungspflicht verletzt habe, ist ebenfalls nicht zu folgen. Die Gebührenrechnung, deren Ausstellung kein Verwaltungsverfahren vorangeht, enthält keinerlei Ausführungen dazu, auf welcher Grundlage eine Inanspruchnahme der Mitbeteiligten erfolgte. Dass die Mitbeteiligte, die die Verlassenschaft ihrer Mutter an Zahlung statt überlassen bekam, davon ausging, dass sie als Erbin in Anspruch genommen werden sollte, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Da die belangte Behörde jedoch keinerlei Ermittlungsverfahren durchführte und der Mitbeteiligten auch nicht zur Kenntnis brachte, dass sie aufgrund einer angenommenen Unterhaltsverpflichtung in Anspruch genommen werde, wurde der Mitbeteiligten jegliche Möglichkeit genommen, am Ermittlungsverfahren mitzuwirken und ein Vorbringen zu dem für den Umfang der Unterhaltspflicht maßgeblichen Sachverhalt zu erstatten.

19 Die Revision war aufgrund des Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Schon im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses erübrigt sich jegliches Eingehen auf die am 1. Jänner 2018 in Kraft getretenen §§ 330a und 707a Abs. 2 ASVG, BGBl. I Nr. 125/2017. 20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. November 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2Auslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017110114.L00

Im RIS seit

16.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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