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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend einen Staatsangehörigen von Libyen; keine ausreichende Auseinandersetzung mit den Länderberichten und einer innerstaatlichen FluchtalternativeSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libyen, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels sowie gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Libyen unter Setzung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Libyen und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Er stellte am 31. Oktober 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, dass sein Vater Offizier beim Militär gewesen und im April 2016 ermordet worden sei. Milizen hätten den Beschwerdeführer daraufhin immer wieder verfolgt und versucht, ihn umzubringen, indem sie auf sein Auto geschossen hätten. Auch die Familie des Beschwerdeführers habe solche Probleme; sein Bruder sei seit Mai 2016 verschwunden. Aus Angst um sein Leben habe der Beschwerdeführer Libyen verlassen.
2. Mit Bescheid vom 22. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Libyen gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer gemäß §57 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß §52 Abs9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß §46 FPG nach Libyen zulässig ist (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
3. Die gegen alle Spruchpunkte erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Erkenntnis vom 26. März 2019 vollinhaltlich ab.
3.1. Zur Sicherheitslage in Libyen traf das Bundesverwaltungsgericht auszugsweise folgende Feststellungen:
"Die Sicherheitslage in Libyen bezeichnete UN Gesandter ************** im September 2017 als 'fragil, sich aber nicht verschlimmernd', weil es in vielen Regionen, vor allem im Westen, eine 'ausgehandelte Sicherheit' gebe — das heißt, Politiker und Geschäftsleute, die sich mit lokalen bewaffneten Gruppen arrangieren. Zudem gebe es auch im Westen Ansätze zu einer Republikanischen Garde, einer Armee und einer Küstenwache, und im Osten könne man weitgehend von einer einheitlichen bewaffneten Kraft unter General ***************** sprechen, wogegen es im Süden keine Sicherheit gebe (DS 22.9.2017).
Sowohl das französische, als auch das deutsche, österreichische und schweizerische Außenministerium warnen ihre Staatsbürger weiterhin eindringlich vor Reisen nach Libyen. Eventuell aufhältige Staatsbürger der jeweiligen Länder werden zur Ausreise aufgefordert (FD 16.10.2017; vgl AA 16.10.2017, BMEIA 16.10.2017, ED 16.10.2017).
Die Lage im ganzen Land ist extrem unübersichtlich und unsicher. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 16.10.2017; vgl EDA 16.10.2017). Davon können auch die Städte Tripolis und Bengasi betroffen sein (EDA 16.10.2017). Die staatlichen Sicherheitsorgane können keinen ausreichenden Schutz garantieren (AA 16.10.2017; vgl FD 16.10.2017, HRW 12.1.2017). Bewaffnete Gruppen mit zum Teil unklarer Zugehörigkeit treten häufig als Vertreter der öffentlichen Ordnung auf, sind jedoch nicht ausgebildet und wenig berechenbar (AA 16.10.2017) bzw agieren straffrei im de-facto rechtsfreien Raum (HRW 12.1.2017). In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte (EDA 16.10.2017; vgl FD 16.10.2017). Im ganzen Land besteht ein hohes Risiko von Anschlägen und Entführungen. Die Kriminalität ist hoch. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass Waffen aus dem Bürgerkrieg von 2011 in die Hände von Kriminellen geraten sind (EDA 16.10.2017).
Terroristische Elemente [Anm. SB Std.: Kämpfer des IS und anderer islamistischer Gruppen] sind v.a. in Benghazi und Derna im Osten Libyens, sowie in Oubari in Südlibyen, als auch in Sabratha, Zawiyya sowie Sirte in Westlibyen aktiv (FD 16.10.2017).
Knapp acht Monate nach Beginn der Offensive gegen den IS in Sirte hat Libyens Ministerpräsident *************** Ende Dezember 2016 die Rückeroberung der IS-Hochburg Sirte verkündet. Sirte war das letzte größere vom IS kontrollierte Gebiet in Libyen (DS 23.12.2016). Im zweiten Halbjahr 2017 erstarkt der IS wieder in der Gegend um Sirte. Schätzungsweise etwa 1.000 IS Kämpfer sind noch in Libyen aktiv, die Mehrheit in der Gegend um Sirte (TT 18.8.2017). US-amerikanische Militäreinheiten flogen im September 2017 Luftangriffe auf IS-Ziele in Libyen (WT 11.10.2017).
Ende August 2017 überrannten die Dschihadisten des IS Al-Fuqaha, einen abgelegenen Außenposten der Armee in der libyschen Wüste und enthaupteten elf Menschen. Die libysche Regierung schätzt, dass der IS derzeit über rund tausend Kämpfer im Land verfügt. Weil sie damit zahlenmäßig den Milizen der Regierung und der verschiedener Warlords unterlegen sind, versuchen sie gar nicht erst, Gebiete zurückzuerobern und dauerhaft zu kontrollieren. Stattdessen setzt der IS auf eine Guerillataktik. Die weitläufige Wüste, in der sich zahllose Höhlen befinden, bietet dafür einen idealen Rückzugsraum (SO 7.9.2017).
Bewaffnete Gruppen in Libyen operieren mit Langwaffen, aber auch Mörser- und Artilleriegranaten und nehmen dabei zivile Opfer in Kauf. Kampfmittel wie Minen und Sprengfallen werden genutzt. Die VN haben zwischen Januar und Ende Oktober 2018 landesweit 510 unbeteiligte zivile Opfer bewaffneter Kampfhandlungen gezählt, darunter 175 Tote. Bei den bewaffneten Kampfhandlungen zwischen Milizen im August und September 2018 im Raum Tripolis wurden mindestens 34 Zivilisten getötet. Insgesamt soll die Zahl der getöteten Zivilisten seit 2011 laut der VN-Mission UNSMIL bei rund 4.500 Opfern liegen, darunter rund 150 im ersten Halbjahr 2018. Allerdings zielen bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen oft nicht direkt auf Menschen (AA-Bericht 2018)".
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages im Wesentlichen damit, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheine, weil er sich bei der Schilderung in mehrere Widersprüche verstrickt habe. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer etwa bei den Ausführungen zum Tod seines Vaters keinerlei Emotionen gezeigt habe. Der Beschwerdeführer habe auch nicht schlüssig aufzeigen können, weshalb ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative offen gestanden sei. Es wäre ihm möglich gewesen, innerhalb Libyens einen anderen Ort aufzusuchen. Auch seine Mutter und Geschwister seien innerhalb von Libyen an einen anderen Ort geflüchtet.
Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes hält das Bundesverwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zusammengefasst fest, dass dem Beschwerdeführer in Libyen keine reale Gefahr drohe, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art3 EMRK — was in Libyen auf Grund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden könne — sei hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Zwar könnten Menschenrechtsverletzungen, wie auch Repressionen durch nicht-staatliche Akteure nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Jedoch seien im Falle des Beschwerdeführers solche Menschenrechtsverletzungen und Repressionen, die in Libyen infolge der mangelnden staatlichen Ordnung von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen könnten, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat Familie, zu welcher weder der Kontakt noch die Beziehung abgebrochen seien. Er könne in den sozialen und wirtschaftlichen Schutz seiner eigenen Familie und seines eigenen Stammes zurückkehren, wodurch er wirksam vor solchen Repressionen und Menschenrechtsverletzungen geschützt werde. Ebenso sei nach den Länderfeststellungen nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer automatisch Gefahr laufen würde, durch willkürliche Gewalt auf Grund eines internationalen Konflikts oder eines innerstaatlichen Konflikts in seiner körperlichen Integrität oder seinem Leben gefährdet zu werden. Libyen befinde sich nicht in einem internationalen Konflikt, sodass ein solches Bedrohungsbild ausscheide. Die Sicherheitslage sei in Libyen problematisch, zumal in Libyen bewaffnete Gruppen operieren würden und auch Kampfhandlungen zwischen Milizen in der Vergangenheit erfolgt seien, wobei auch Zivilisten betroffen gewesen seien. Dennoch könne von einer gezielten Einbeziehung von Zivilisten in bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen nach den vorliegenden Länderberichten keine Rede sein. Solche bewaffneten Auseinandersetzungen von Milizen würden nicht direkt auf Menschen abzielen. Der Beschwerdeführer gehöre auch keiner vulnerablen Bevölkerungsgruppe an. Er sei weder Politiker, Menschenrechtsverteidiger, Journalist, Jurist, religiöser Führer oder ehemaliger Anhänger Gaddafis. Dass Personen, die — wie der Beschwerdeführer — Angehörige beim Militär gehabt haben, mit Angriffen im Besonderen zu rechnen hätten, sei nach den Länderinformationen nicht erwiesen und auch nicht hinreichend wahrscheinlich.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Sicherheitslage in Libyen Länderberichte der Staatendokumentation des BFA herangezogen habe, welche bereits zwei bis drei Jahre zurückliegen würden. Die Lage habe sich seither drastisch zum Negativen verändert. Aus aktuellen Berichten gehe hervor, dass sich die Lage immer mehr zuspitze. Im Falle der Rückkehr nach Libyen wäre der Beschwerdeführer der realen Gefahr ausgesetzt, getötet, entführt, gefoltert oder sonst unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es auszugweise ausführt, dass es sich eingehend mit der Lage in Libyen auf Basis des zum Zeitpunkt der Entscheidung aktuellen Länderinformationsblattes auseinandergesetzt habe. Maßgeblich für die Entscheidung könne nicht eine zukünftige Entwicklung im Herkunftsstaat sein, sondern stets nur die Lage, wie sie sich zum Zeitpunkt der Entscheidung präsentiere.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise richtet, ist die Beschwerde auch begründet:
2.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2.2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
2.2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es ein Unterlassen der Ermittlungstätigkeit darstellt, wenn Länderberichte zu einer bestimmten Frage keine Sachverhaltsdarstellung enthalten und keine zusätzlichen Ermittlungen angestellt werden (vgl VfGH 13.12.2017, E2497/2016 ua, 24.9.2018, E1034/2018 ua, 12.6.2019, E1371/2019). Zudem kam der Verfassungsgerichtshof zum Schluss, dass eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aufzuheben ist, wenn das Bundesverwaltungsgericht zu einem Ergebnis kommt, welches nicht aus einschlägigen (Passagen in) Länderberichten ableitbar ist und sich auch nicht aus anderen Ermittlungsergebnissen ableiten lässt (vgl VfGH 11.10.2017, E1803/2017 ua).
2.2.3. Das Bundesverwaltungsgericht trifft pauschale Aussagen, wonach dem Beschwerdeführer keine reale Gefahr drohe, im (gesamten) Staatsgebiet Libyens entgegen Art3 EMRK behandelt zu werden. Vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis selbst dargestellten und zum Teil widersprüchlichen Berichte zur Sicherheitslage erweisen sich diese Aussagen als nicht nachvollziehbar: Die zitierten Quellen gehen einerseits davon aus, dass es vor allem im Westen Libyens "eine 'ausgehandelte Sicherheit' gebe […], wogegen es im Süden keine Sicherheit gebe", andererseits führen sie aber aus, dass die "Lage im ganzen Land extrem unübersichtlich und unsicher" sei, es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen komme, wovon auch die Städte Tripolis und Bengasi betroffen sein könnten und die staatlichen Sicherheitsorgane keinen ausreichenden Schutz garantieren würden.
Darüber hinaus lässt das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes konkrete Feststellungen vermissen, in welche Region Libyens eine Rückkehr für den Beschwerdeführer möglich ist bzw ob eine konkrete innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die ihm eine Einreise und einen Aufenthalt in einer Weise ermöglicht, die den Anforderungen des Art2 und 3 EMRK Rechnung trägt (vgl VfGH 26.2.2019, E4766/2018). Zur Sicherheits- und Versorgungslage in Tripolis trifft das Bundesverwaltungsgericht zudem keinerlei Feststellungen, obwohl es implizit – dem BFA folgend – davon ausgeht, dass es sich hiebei um jene Region handelt, aus der der Beschwerdeführer stammt.
2.2.4. Soweit sich das Erkenntnis auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und – daran anknüpfend – auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie die Zulässigerklärung der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat Libyen unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise bezieht, ist es mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben.
3. Im Übrigen (soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Asylstatus richtet) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libyen, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§57 AsylG 2005), gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, abgewiesen wird, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E1215.2019Zuletzt aktualisiert am
06.12.2019