TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/13 VGW-031/046/847/2019

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Veröffentlicht am 13.09.2019
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Entscheidungsdatum

13.09.2019

Index

L40009 Sonstige Polizeivorschriften Wien;
L40019 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung Polizeistrafen Wien
41/01 Sicherheitsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
24/01 Strafgesetzbuch

Norm

WLSG §1 Abs1 Z1
WLSG §1 Abs1 Z2
SPG §82 Abs1
VStG §19
VStG §22 Abs1
VStG §45 Abs1 Z3
StGB §115 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Schmied über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch RA, vom 27.12.2018 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …, vom 3.12.2018, Zl. …, wegen Übertretung 1.) des § 1 Abs. 1 Z 1 Wiener Landessicherheitsgesetz - WLSG, 2.) des § 1 Abs. 1 Z 2 WLSG und 3.) des § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz- SPG,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde in den Punkten 1) und 2) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesen Punkten behoben und das Verfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.

II. In Punkt 3) wird der in diesem Punkt auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkten Beschwerde insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe von 150,-- Euro auf 100,-- Euro herabgesetzt wird. Der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens reduziert sich dementsprechend auf 10,-- Euro, das sind 10% der verhängten Geldstrafe.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden dem Beschwerdeführer folgende Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt:

„1.     Datum/Zeit: 06.05.2018, 01:09 Uhr

Ort:             Wien, C.-steig, am Gehsteig vor dem dortigen

Eingangsbereich des Lokals "D."

Sie haben durch folgende Begehungsweise den öffentlichen Anstand verletzt:

Sie haben die anwesenden uniformierten Exekutivbediensteten mit den Worten „Ihr seits echte Wixer! Was glaubts ihr wer ihr seits. Das ist alles Scheisse was ihr hier macht. Ihr Wixer werdets noch sehen was ich mit euch mache.“ beschimpft. Die Beschimpfungen waren für einen großen Kreis an Beteiligten wahrnehmbar.

2.        Datum/Zeit: 06.05.2018, 01:07 Uhr

Ort:                      Wien, C.-steig, am Gehsteig vor dem dortigen Eingangsbereich des Lokals "D.".

Sie haben durch folgende Begehungsweise ungebührlicherweise störenden Lärm erregt:

Sie haben lautstark vor den Gesichtern der uniformierten Exekutivbediensteten herumgeschrien. Trotz mehrfacher Ermahnung verharrten Sie in diesem Verhalten.

3.        Datum/Zeit: 06.05.2018, 01:08 Uhr

Ort:                      Wien, C.-steig, am Gehsteig vor dem dortigen Eingangsbereich des Lokals "D.".

Sie haben sich durch das unten beschriebene Verhalten trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahr nahm, aggressiv verhalten.

Sie kamen immer wieder bis auf einige Zentimeter auf die einschreitenden uniformierten Exekutivbediensteten zu und gestikulierten dabei mit den Händen vor deren Gesichtern.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften) verletzt:

1.       § 1 Abs. 1 Z. 1 WLSG

2.       § 1 Abs. 1 Z. 2 WLSG

3.       § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. 566/91 i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Ersatzfreiheitsstrafe von           Gemäß

1.       €100,00 1 Tage(n) 0 Minute(n) 0        Stunde(n) § 1 Abs. 1 WLSG

2.       €100,00 1 Tage(n) 0 Minute(n) 0        Stunde(n) § 1 Abs. 1 WLSG

3.       €150,00 4 Tage(n)                   4        Stunde(n) § 82 Abs. 1  SPG“

Dagegen hat der Beschwerdeführer durch seinen anwaltlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Schriftsatz vom 12.9.2019 wurde die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 3) richtet, auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkt. Zugleich wurde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die belangte Behörde hatte bereits im Zuge der Vorlage der Beschwerde auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Zu Spruchpunkt 1):

Die Einstellung des Strafverfahrens zu Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses gründet sich auf die Rechtssprechung des VwGH (VwGH vom 22.11.2016, Ra 2016/03/0095) und des Verwaltungsgerichts Wien (VGW vom 13.04.2017, 031/051/14049/2016), wonach der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 1 WLSG nicht vorliegt, wenn das tatbildliche Verhalten unter § 115 StGB zu subsummieren ist.

Gemäß § 22 Abs. 1 VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 ist, soweit die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Durch die Novellierung dieser Bestimmung wurde generell der Grundsatz festgelegt, dass eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Strafgerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22.11.2016, Zl. Ra 2016/03/0095, ausführlich dargelegt hat, stellt § 22 Abs. 1 VStG ausschließlich auf die "Tat" ab. Dass – wie im hier zu beurteilenden Fall – der Schutzzweck der übertretenen Verwaltungsvorschrift ein anderer ist, als der der gerichtlichen Strafnorm, ändert an der Subsidiarität nichts. Ein Verfolgungshindernis hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung liegt bereits dann vor, wenn die Tat auch den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, auf die tatsächliche Einleitung eines Strafverfahrens kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob eine strafgerichtliche Verfolgung nur auf Verlangen oder aufgrund einer Ermächtigung zu erfolgen hat.

In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation besteht aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien kein Zweifel daran, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten („Ihr seids echte Wichser ….“), sollten sie - was allerdings vom Beschwerdeführer bestritten wird – tatsächlich gefallen sein, eine beleidigende Beschimpfung in im Sinne des § 115 Abs. 1 StGB darstellen. Daraus ergibt sich aber, dass eine gerichtlich strafbare Handlung im Sinne des § 22 Abs. 1 VStG vorliegt und daher eine Bestrafung dieser „Tat“ als Verwaltungsübertretung nicht in Betracht kommt.

Spruchpunkt 1) des bekämpften Straferkenntnisses war daher spruchgemäß zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Punkt gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.

Zu Spruchpunkt 2):

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren beigeschafften Akten der belangten Behörde steht als erwiesen fest, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der gegenständlichen Amtshandlung bereits mit Straferkenntnis vom 6.5.2018, GZ …, mündlich verkündet um 09.30 Uhr, wegen Übertretung des § 1 Abs. 1 Z 2 WLSG rechtskräftig bestraft wurde, weil er um 1.05 Uhr in Wien, E.-Kai durch lautstarkes Herumschreien ungebührlicherweise störenden Lärm erregt hat.

Das dieser Bestrafung zu Grunde liegende Tatverhalten steht in engem zeitlichen Konnex zum gegenständlich geahndeten Verhalten, wonach der Beschwerdeführer im Zuge derselben Amtshandlung an derselben Örtlichkeit um 01.07 Uhr - also nur zwei Minuten später - lautstark herumgeschrien und dadurch ungebührlicherweise störenden Lärm erregt hat.

Nach der Rechtsprechung des VwGH (siehe insbesondere VwGH vom 29.1.12009, 2006/09/0202) liegt im Hinblick auf Übertretungen des § 1 Abs. 1 Z 2 WLSG ein fortgesetztes Delikt vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und vermöge der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentraten. Die in der Rechtsprechung für die Annahme eines fortgesetzten Delikts geforderte "zeitliche Kontinuität" liegt gegenständlich vor, zumal sich aus der Aktenlage weder die Aufgabe des einheitlichen Vorsatzes des Beschwerdeführers noch Gründe, die gegen die Annahme einer einheitlichen Begehungsform sprechen, ergeben haben. Da der Tatzeitraum der zwei vorgeworfenen Übertretungen des WLSG innerhalb weniger Minuten liegt, ist der in der Rechtsprechung geforderte zeitliche Zusammenhang unter den im Beschwerdefall maßgeblichen Gesichtspunkten jedenfalls gegeben.

Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte laute Herumschreien ist in diesem Sinne als fortgesetztes Delikt zu verstehen. Eine doppelte Bestrafung wegen ungebührlicher Lärmerregung nach § 1 Abs. 1 Z 2 WLSG war daher rechtswidrig, sodass das angefochtene Straferkenntnis in Punkt 2) zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen war.

Zu Spruchpunkt 3):

In diesem Spruchpunkt wurde die Beschwerde mit Schriftsatz vom 12.9.2019 auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkt. Da somit der Schuldspruch bereits in Rechtskraft erwachsen ist, hatte das Verwaltungsgericht Wien in diesem Spruchpunkt nur noch über die Strafhöhe abzusprechen.

Gemäß § 82 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gegenständlich ist die belangte Behörde bei der Bemessung der Geldstrafe von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen. Aus dem im Beschwerdeverfahren beigeschafften Parallelakt zu GZ … ergibt sich allerdings, dass der Beschwerdeführer Schüler ist und weder über eigenes Einkommen noch über Vermögen verfügt. Unter Berücksichtigung dieses Umstands wurde die Geldstrafe entsprechend herabgesetzt. Da die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu bemessen ist, blieb selbige unverändert. Weitere Milderungsgründe sind im Beschwerdeverfahren ebenso wenig hervorgekommen wie erschwerende Umstände. Der Beschwerdeführer war zur Tatzeit weder unbescholten noch liegt eine rechtskräftige einschlägige Vormerkung über ihn vor. Hinweise auf einen besonders niedrigen Unrechtsgehalt der Tat oder auf ein bloß geringfügiges Verschulden sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da sich die gegenständliche Entscheidung auf die in den Entscheidungsgründen zitierte und keineswegs als uneinheitlich zu beurteilende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gründet. Eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt somit nicht vor.

Schlagworte

Lärmerregung; ungebührlicher Lärm; störender Lärm; Beschimpfung; Subsidiarität; Verfolgungshindernis; gerichtlich strafbare Handlung; fortgesetztes Delikt; zeitliche Kontinuität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.046.847.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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