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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §58 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des E E G in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26. März 2019, LVwG- 2018/14/2443-3, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängten Strafen sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 24. September 2018 wurde der Revisionswerber der sechsfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über ihn sechs Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,-- sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 14 Tagen verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab, ergänzte die Strafsanktionsnorm mit § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG, erlegte dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209, mwN).
8 Der Revisionswerber hält dem angefochtenen Erkenntnis in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und einen Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach in einer Entscheidung kein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung bestehen dürfe, entgegen. Außerdem wird vorgebracht, dass zwischen den verhängten Geldstrafen und den festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen kein auffallendes Missverhältnis bestehen dürfe; zumindest aber sei nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine diesbezügliche Begründung der Strafbemessung erforderlich, welche aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu ersehen sei. 9 Die Revision ist, soweit sie sich gegen den Straf- und Kostenausspruch richtet, aus dem in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgezeigten Grund zulässig und berechtigt. 10 Nach dem - vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden - § 16 Abs. 2 VStG darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
11 § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. erneut VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209, mwN).
12 Das LVwG ging gegenständlich nach § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG von einem Strafrahmen von EUR 3.000,-- bis EUR 30.000,-- pro Glücksspielgerät aus und bestätigte pro Gerät jeweils eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 14 Tagen. Die Ersatzfreiheitsstrafen stehen jedoch - da ihr Höchstausmaß jeweils zu 100% ausgeschöpft wurde - in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der verhängten Geldstrafen, die jeweils mit der Mindeststrafe (zehn Prozent der zulässigen Höchststrafe) festgesetzt wurden. Eine Begründung für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafen in dieser Höhe ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Auch das Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht enthielt keine Begründung für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafen. 13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich (vgl. wieder VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209, mwN). Da - wie in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend aufgezeigt wird - eine solche im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgte, belastet jedenfalls dies den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit.
14 Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gänze aufzuheben (vgl. nochmals VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209, mwN).
15 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Ausspruches über die verhängten Strafen sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens (vgl. VwGH 1.4.2019, Ra 2018/17/0200) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
16 Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen:
17 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen
Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das LVwG im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. 18 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff).
19 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
20 Die Revision behauptet in ihrem Zulässigkeitsvorbringen schließlich, aus den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses gehe nicht hervor, worin das für den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG erforderliche
unternehmerische Handeln des Revisionswerbers bestanden haben sollte. Dem ist zu entgegnen, dass bereits dem Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht die Feststellung zu entnehmen ist, dass der Revisionswerber als Inhaber der gegenständlichen Räumlichkeit die Aufstellung bzw. den Betrieb der Glücksspielgeräte gegen Entgelt geduldet hat (vgl. hierzu etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2017/17/0920, mwN). Dieser Feststellung ist der Revisionswerber nicht entgegengetreten. Weiters ist weder die vom Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen der Revision als Begründung für eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (betreffend Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte) für den Revisionsfall einschlägig, noch zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auf, dass der Revisionswerber seine Verteidigungsrechte nicht hätte wahren können oder er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre (vgl. für viele VwGH 14.11.2018, Ra 2017/17/0908, mwN).
21 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019170057.L00Im RIS seit
21.11.2019Zuletzt aktualisiert am
22.11.2019