TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/26 LVwG-2019/15/1302-5

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Veröffentlicht am 26.09.2019
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Entscheidungsdatum

26.09.2019

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §360 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Frau AA, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 20.05.2019, Zl *****, betreffend Maßnahmenbescheid nach § 360 Abs 4 GewO 1994, Stilllegung der Musikanlage, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde spruchgemäß die Stilllegung der Musikanlage durch Trennung von der Stromversorgung und Verplombung der Anschlüsse im Anwesen Adresse 2, Lokalität „CC“, Z, verfügt.

Begründend hat die belangte Behörde dazu ausgeführt, dass es sich bei der Betriebsanlage am gegenständlichen Standort um einen Übergangsbetrieb gemäß § 376 Z 14b GewO 1994 handle. Eine Änderung der Betriebsanlage sei zuletzt mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 24.03.1998 gewerberechtlich genehmigt worden.

Bei Durchführung einer Hörprobe durch den Amtsarzt DD sowie den gewerbetechnischen Sachverständigen EE am 23.04.2019 sei ein zu Gesundheitsschädigungen der angrenzenden Nachbarn führender Lärmpegel festgestellt worden. Nach Wiedergabe des Protokolls über die Durchführung der Hörprobe durch den Amtsarzt und der maßgeblichen Rechtsgrundlagen hat die belangte Behörde sodann festgestellt, dass der eindeutig von der Musikanlage der Betriebsanlage ausgehende Lärmpegel die Gesundheit eines gesunden, normal empfindlichen Kindes sowie die eines gesunden, normal empfindlichen Erwachsenen zu gefährden geeignet sei bzw ist festgestellt worden, dass dieser bei chronischer Einwirkung zu Gesundheitsschädigungen führen würde. Die amtsärztliche Stellungnahme sei für die Behörde schlüssig, plausibel und nachvollziehbar.

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel in dem zusammenfassend vorgebracht wird, dass es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage um eine solche handelt, die in den siebziger Jahren errichtet worden sei. Diese werde seit je her als Tanzlokal mit Musikanlage betrieben.

Aufgrund einer früheren Anzeige im Juni 2018 habe im November 2018 eine Hörprobe mit Anwesenheit des damaligen Betreibers sowie dessen Rechtsvertretung stattgefunden. Bei dieser Hörprobe sei keine Beeinträchtigung der Nachbarn festgestellt worden. In der amtsärztlichen Stellungnahme werde ausgeführt, dass keine Beeinträchtigung der Anwohner gegeben sei. Dabei sei die Musikanlage mit über 108 dB betrieben worden. Daraufhin sei das weitere Verfahren eingestellt worden.

Im Zuge der Akteneinsicht vom 21.05.2019 sei nunmehr festgestellt worden, dass eine Anwohnerin des Hauses Adresse 2 ein Privatgutachten in Auftrag gegeben habe, welches im Februar 2019 der Behörde übermittelt worden sei. Dieses sei der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht worden. Auch sei der Beschwerdeführerin nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, zu diesem Gutachten Stellung zu nehmen bzw allenfalls auch für die Anwohner positive Maßnahmen zu setzen.

Im April 2019 habe der ausgewiesene Rechtsvertreter durch seine Mandantschaft erfahren, dass angeblich eine weitere Hörprobe durch die belangte Behörde stattgefunden habe. Auch von dieser Hörprobe sei der ausgewiesene Rechtsvertreter nicht in Kenntnis gesetzt worden.

Die Beschwerdeführerin habe von Anfang an mitgeteilt, dass sie an einem Konsens interessiert sei und keine Probleme haben möchte, weder mit der Behörde noch mit den Hausbewohnern. Es liege in der Natur der Sache, dass eine Disco nicht mit leiser Musik, sondern mit lauter Musik betrieben werde. Dass am besagten Standort bereits seit den siebziger Jahren ein Tanzlokal betrieben werde, sei unbestritten und nachweisbar.

Die letzte Hörprobe, auf die sich die genannte Stellungnahme des Amtsarztes beziehe, habe am 23.04.2019 stattgefunden. Hätte der Amtsarzt hier bereits eine entsprechende Gesundheitsgefährdung festgestellt, so die Beschwerdeführerin, wäre wohl Gefahr im Vollzug vorgelegen und hätte dies einen Maßnahmenbescheid nach § 360 Abs 4 GewO allenfalls unverzüglich rechtfertigen können. Erst nach über einem Monat einen solchen Maßnahmenbescheid zu erlassen sei jedenfalls nicht mehr gerechtfertigt. Zumal sich die Behörde nunmehr über mehr als sechs Wochen Zeit gelassen habe, um einen solchen Bescheid dann zu erlassen, sei dies jedenfalls nicht gerechtfertigt und nicht im Sinne des Gesetzgebers. Üblicherweise hätte dem Betreiber der Betriebsanlage die entsprechende amtsärztliche Stellungnahme sowie das Protokoll der Hörprobe übermittelt werden müssen, so die Beschwerdeführerin, damit diese dazu konkret Stellung beziehen können. Sollte hier tatsächlich etwas nicht in Ordnung gewesen sein, so wäre nicht ein Maßnahmenbescheid nach § 360 Abs 4 GewO erforderlich gewesen, sondern wäre hier vielmehr erforderlich gewesen, dass die Behörde dem Betreiber der Betriebsanlage den Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes erteilt. Dies sei jedoch nicht geschehen. Aus diesem Grund wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat daraufhin antragsgemäß am 21.08.2019 die öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. An der Beschwerdeverhandlung teilgenommen haben neben die Beschwerdeführerin, ein Teilnehmer der belangten Behörde, der bereits von der belangten Behörde herangezogene Amtsarzt sowie der gewerbetechnische Amtssachverständige der belangten Behörde.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin betreibt in Z das Tanzlokal „CC“.

In dieser Betriebsanlage wurde von der belangten Behörde aufgrund von Beschwerden von Nachbarn am 23.04.2019 eine Hörprobe durchgeführt. Bei der Hörprobe, welche in der Zeit zwischen 02.00 Uhr und 04.00 Uhr während aufrechtem Betrieb der Anlage in der Nacht durchgeführt wurde, wurden vom Amtsarzt Lärmimmissionen bei der Nachbarin zur Betriebsanlage festgestellt, bei welchen es zu Schlafstörungen, zu erschwertem Einschlafen, verminderter Schlafdauer, erhöhte Aufwachhäufigkeit, erhöhtem Müdigkeitsempfinden, dadurch schlechtere Stimmungslage bis zu einem erhöhten Risiko für Herz- Kreislaufkrankheiten kommt.

Weiters hat der medizinische Amtssachverständige festgestellt, dass bei Schlafstörungen, die länger als drei Wochen andauern, diese als chronisch zu klassifizieren sind. Bei längerem Fortbestehen der Schlafstörung kommt es neben den schon beschriebenen Leistungsstörungen auch zu funktionellen Störungen, im weiteren Verlauf morphologisch definierten Erkrankungen, die unter Umständen irreversibel und progressiv werden können und dadurch eine Gesundheitsgefährdung darstellen.

Die beschriebenen Schallimmissionen konnten eindeutig der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin zugerechnet werden.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Gutachten des Amtsarztes Herrn DD, welches der Erlassung des angefochtenen Bescheides zugrunde gelegen ist, sowie der Einvernahme des DD sowie des Herrn EE als lärmtechnischen Sachverständigen bei der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol.

Der gewerbetechnische/lärmtechnische Amtssachverständige hat dabei ausgeführt, dass die Hörprobe vom 23.04.2019 mit einer Nachbarin, die sich bei der belangten Behörde wiederholt über den Betrieb der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin beschwert hat, koordiniert wurde. Mit der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren wurde dieser Lokalaugenschein bzw die Hörprobe allerdings nicht koordiniert.

Die Nachbarin, bei welcher die Hörprobe durchgeführt wurde, ist im zweiten Stock des Gebäudes situiert, in welchem sich die Betriebsanlage im Kellergeschoss befindet. Zumal es sich beim Ort, bei welchem die Hörprobe im zweiten Stock des Gebäudes durchgeführt wurde, um jene Wohnung gehandelt hat, von deren Bewohnerin die Beschwerden bei der belangten Behörde eingebracht wurden, hat es sich nach den Ausführungen des lärmtechnischen Sachverständigen grundsätzlich um einen repräsentativen Ort zur Durchführung einer derartigen Hörprobe gehandelt.

In weiterer Folge ist der Amtsarzt sodann in der Wohnung geblieben, der lärmtechnische Sachverständige ist in das Lokal gegangen. In telefonischer Verbindung mit dem Amtsarzt hat der lärmtechnische Sachverständige dann versucht abzuklären, welche Musiktitel gespielt wurden. Es wurden dabei zunächst keine Anweisungen an den DJ erteilt, dass die Musikanlage auf eine bestimmte Art und Weise einzustellen wäre. Via Telefon wurde vom lärmtechnischen Sachverständigen dem medizinischen Sachverständigen mitgeteilt, wie viel Leute eben im Lokal anwesend waren sowie welche Musiktitel gespielt wurden.

In weiterer Folge wurden dem DJ sodann Anweisungen zur Änderung des Lärmpegels der Musikanlage erteilt, wobei eine konkrete Emissions- bzw Immissionsmessung im Lokal betreffend den tatsächlichen Lärmpegel nicht durchgeführt wurde. Der lärmtechnische Sachverständige hat allerdings angegeben, dass es vom Höreindruck ein Lärmpegel unter 92 dB gewesen ist.

Bei der Hörprobe vom 23.04.2019 wurden in der Wohnung, in welcher die Hörprobe durchgeführt wurde, keinerlei Immissionsmessungen durchgeführt. Betreffend die Umgebungsgeräusche wird festgehalten, dass zum damaligen Nachtzeitpunkt nur sehr wenig Straßenverkehr geherrscht hat. Außerdem war im vorliegenden Fall durch eine Baustellführung ein weiters vermindertes Verkehrsaufkommen.

Der die Hörprobe durchführende Amtsarzt hat bei seiner Einvernahme vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol zu Protokoll gegeben, dass am Anfang nur sehr leise Musik vernehmbar war, gegen 02.20 Uhr waren dann erste Spitzen mit leichten Bässen feststellbar. Es hat sich dabei nach der Einschätzung des medizinischen Amtssachverständigen um Musik der achtziger oder neunziger Jahre gehandelt. Diese Feststellungen konnten getroffen werden, noch bevor der lärmtechnische Sachverständige dem DJ Anweisungen zur Veränderung des Schallpegels an der Musikanlage erteilt hat.

Spätestens nach dem lauter drehen der Musikanlage waren dann die Musiktitel eindeutig zuordenbar. Außerdem waren die Bässe dann schon so, dass man in der Nacht davon aufwacht. Allerdings war die Musik bereits vor dem weiteren Aufdrehen der Anlage so laut, dass diese in der Wohnung gut vernehmbar war. Dabei hat der Amtssachverständige auch darauf verwiesen, dass wenn Geräusche über mehrere Wochen oder Monate wahrnehmbar sind, die Erwartungshaltung der Person schon dermaßen groß ist, dass kleinste Schwankungen im Lärmpegel vernommen werden. Dies hat jedenfalls gesundheitliche Auswirkungen. Ausdrücklich hat der medizinische Amtssachverständige angegeben, dass die Immissionsbelastungen bereits vor dem Hochdrehen der Anlage als gesundheitsgefährdend einzustufen waren. Auch der medizinische Sachverständige hat angegeben, dass es betreffend den Straßenlärm so war, dass teilweise ein paar Leute auf der Straße waren, außerdem konnte gelegentlich ein Taxi wahrgenommen werden, das vorbei fuhr; insgesamt war es allerdings relativ ruhig.

Ausdrücklich hat der Amtssachverständige weiters angegeben, dass die Pegeländerung, bedingt durch die Immissionen der Betriebsanlage, für jeden normal empfindlichen Menschen gleich empfunden werden und zu den selben bereits geschilderten Gesundheitsgefährdungen führen würden.

Betreffend den Umgebungslärm bzw den Umstand, dass baustellenbedingt weniger Verkehr im gegenständlichen Bereich geflossen ist wurde bei der mündlichen Verhandlung ebenso festgestellt, dass die durch die Baustelle bedingte Umleitung zwar zu einem reduzierten Verkehrsaufkommen geführt hat, dies allerdings nach den Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen im vorliegenden Fall keine Rolle gespielt hat; so wären die von ihm festgestellten Beeinträchtigungen in der Nacht auch dann wahrzunehmen gewesen, wenn die Baustelle und die Umleitung des Verkehrs nicht vorhanden gewesen wäre. Allerdings hat der medizinische Sachverständige auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich auf Feststellungen in den Nachtstunden bezieht. In den Tagstunden ist es durchaus möglich, so der medizinische Amtssachverständige, dass bedingt durch die Umgebungsgeräusche von der Straße der Lärm von der Betriebsanlage in der Wohnung nicht mehr feststellbar ist.

Insgesamt wird festgehalten, dass die Feststellung, dass es durch den Betrieb der Betriebsanlage bei den Nachbarn zu gesundheitsgefährdenden Immissionsbelastungen kommt, auf der schlüssigen, nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussage des medizinischen Amtssachverständigen beruht, welche er bei der vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben hat. Diesen Feststellungen wurde von der Beschwerdeführerin nicht qualifiziert entgegen getreten.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine andere Hörprobe bezieht, bei welcher die Musikanlage bis zu einem Schallpegel von 109 dB aufgedreht wurde, so wird festgehalten, dass sich das Landesverwaltungsgericht wie bereits ausgeführt auf die schlüssigen, nachvollziehbaren und nicht qualifiziert entkräfteten Feststellungen des einvernommen Amtsarztes DD stützt. In wie fern daher bei einer anderen Hörprobe unter anderen Rahmenbedingungen ein anderes Ergebnis festgestellt wurde ist nicht entscheidend; so wäre es etwa bei Durchführung einer Hörprobe zur Tageszeit auch nach den Ausführungen von DD durchaus vorstellbar, dass auf Grund der Umgebungsgeräusche die Emissionen aus der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin bei dem gewählten Immissionspunkt nicht mehr feststellbar sind. Schon aus diesem Grund ist der pauschale Hinweis auf eine andere Hörprobe nicht dazu geeignet, das Gutachten von DD in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang sei daher lediglich noch darauf hingewiesen, dass sich auch aus einem von den Nachbarn der Beschwerdeführerin vorgelegtem lärmtechnischen Privatgutachten eindeutig erhöhte Lärmimmissionen bei den über der Betriebsanlage gelegenen Wohnungen ergeben.

IV.      Rechtslage:

„Betriebsanlagen

§ 74.

[…]

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.   das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.   die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.   die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.   die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.   eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

[…]

Einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen

§ 360.

[…]

(4) Um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, hat die Behörde, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stillegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstungen oder deren Nichtverwendung oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, daß zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.

[…]“

V.       Erwägungen:

Zunächst wird festgehalten, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ein Maßnahmenbescheid nach § 360 Abs 4 GewO 1994 ist. Soweit im Rechtsmittel dazu vorgebracht wurde, dass ein derartiger Bescheid aufgrund des Verstreichens der Zeit zwischen der Hörprobe und der Erlassung des Bescheides nicht mehr gerechtfertigt wäre so wird festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen vom Gesetzwortlaut entfernt. So kann der Umstand, dass der Bescheid betreffend die Schließung der Musikanlage erst ca einen Monat nach Durchführung der Hörprobe erlassen wurde, noch nicht dazu führen, dass die Maßnahme als solche nicht mehr rechtmäßig wäre. Dies gilt umso mehr, als dass von der Beschwerdeführerin gar nicht behauptet wurde, dass sich die Sach- oder allenfalls Rechtslage zwischen dem Zeitpunkt der Durchführung der relevanten Hörprobe und der Erlassung des angefochtenen Bescheides geändert hätte.

Auch ist im vorliegenden Fall die Erlassung eines Maßnahmenbescheides unabhängig davon zu sehen, inwiefern tatsächlich die Vorlage eines Sanierungskonzeptes aufgetragen wurde oder nicht; dazu wird allerdings genauso festgehalten, dass im Akt der belangten Behörde der Bescheid vom 23.05.2019, Zl *****, einliegt, mit welchem der Beschwerdeführerin die Vorlage eines solchen Sanierungskonzeptes auf Grundlage des § 79 Abs 3 GewO 1994 aufgetragen wurde.

Betreffend die Rechtmäßigkeit der Erlassung eines Bescheides nach § 360 Abs 4 GewO 1994 wird auf den festgestellten Sachverhalt verwiesen. So hat die schlüssige, nachvollziehbare und im Verfahren auch fachlich unwidersprochene Feststellung des medizinischen Amtssachverständigen ergeben, dass im vorliegenden Fall durch den Betrieb der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin Gesundheitsbeeinträchtigungen bei den Nachbarn der Beschwerdeführerin eintreten. Unbeachtlich ist dabei, inwiefern im vorliegenden Fall ein Konsens eingehalten wurde oder nicht, richtet sich doch ein Vorgehen nach § 360 Abs 4 GewO 1994 ausschließlich danach, inwiefern der Gesundheitsschutz eingehalten wird oder nicht; dies bedeutet, dass selbst bei Einhaltung des betriebsanlagenrechtlichen Konsenses die Vorschreibung eines Maßnahmenbescheides wie im vorliegenden Fall gemäß § 360 Abs 4 GewO gerechtfertigt sein kann. Ausschlaggebend ist daher lediglich, inwiefern durch den Betrieb der Betriebsanlage Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorgerufen werden oder nicht; eine Überschreitung des der Betriebsanlage eingeräumten Konsenses ist diesbezüglich nicht erforderlich.

Zu dem bei der mündlichen Verhandlung ebenfalls vorgebrachten Beweisantrag auf Einvernahme der Amtsärztin, die bei der Hörprobe vom 20.11.2018 anwesend gewesen ist, wird festgehalten, dass sich das vorliegende Verfahren auf die Ausführungen des vom Landesverwaltungsgericht Tirol einvernommenen Amtssachverständigen DD beziehen. Wie sich auch aus der Beweiswürdigung ergibt, besteht beim Landesverwaltungsgericht kein Anlass daran, diesen Ausführungen nicht zu folgen. Insofern wird nochmals festgehalten, dass die Feststellungen einer anderen Amtsärztin zu einem anderen Zeitpunkt bzw einer jetzt nicht mehr relevierbaren Tageszeit nicht zu einer Unglaubwürdigkeit der Ausführungen des vom Landesverwaltungsgericht Tirol beigezogenen Amtssachverständigen führen können.

Weiters wird festgehalten, dass im vorliegenden Fall eine Objektivierbarkeit durch die Verwendung von Messgeräten nicht erforderlich ist. So ist die Frage der medizinisch nachgewiesenen Beeinträchtigung durch die von einer Betriebsanlage verursachten Immissionen eine Frage, die von einem medizinischen Amtssachverständigen aufgrund seines Fachwissens zu beantworten ist. Konkrete Schallpegel, die dazu überschritten sein müssen, werden weder vom Gesetz vorgegeben, noch wäre eine derartige Vorgabe nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol sachlich nachvollziehbar, kann doch die Frage, inwiefern eine Gesundheitsbeeinträchtigung zu befürchten steht oder nicht, immer nur im Einzelfall aufgrund der Ausführungen eines dazu befugten Amtssachverständigen in der Regel nach der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks beurteilt werden.

Auch war die Frage, inwiefern die Feststellungen durch Straßenlärm beeinträchtigt werden bzw ob durch die alternative Baustellenführung aufgrund eines verminderten Umgebungsgeräusches eine bessere Wahrnehmbarkeit besteht nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht dazu geeignet, seine Feststellungen infrage zu stellen. Vielmehr hat der medizinische Amtssachverständige bei der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass diese Umgebungsgeräusche in der Nacht nicht dazu geeignet sein können, die Feststellungen einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch die Immissionen, verursacht durch die Betriebsanlage, anders zu bewerten.

Dazu wird allerdings genauso festgehalten, dass in dem Fall, dass die Baustellenführung eine andere ist und die Beschwerdeführerin der Meinung ist, dass aufgrund nunmehr erhöhtem Verkehrsaufkommen auch in der Nacht ein derartiger Umgebungslärm vorherrscht, dass die Immissionen der Betriebsanlage nicht mehr wahrnehmbar sind, ein insofern geänderter Sachverhalt vorliegt, der allenfalls eine Änderung in der Beurteilung nach sich zu ziehen vermag. Dabei handelt es sich allerdings um einen allenfalls zukünftig eintretenden Sachverhalt, der bei eingetretener Änderung der Sachlage zu beurteilen ist und insofern von vorn herein nicht um eine Sachlage, die vom Landesverwaltungsgericht Tirol zu berücksichtigen ist, genießt doch der Schutz der Gesundheit der Nachbarn auch in Zeiten, in welchen aufgrund einer Baustellenführung verminderter Verkehr vorherrscht, eine rechtliche Grundlage in § 360 Abs 4 GewO 1994.

Festgehalten wird, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nach der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses ausdrücklich die schriftliche Ausfertigen beantragt hat. Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wurde antragsgemäß die Niederschrift zur Stellungnahme binnen 14 Tagen übermittelt. Ein Einwand gegen die Niederschrift wurde innerhalb der gesetzlich dafür vorgesehenen Zeit bzw bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht eingebracht.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So handelt es sich im vorliegenden Fall vielmehr um eine sachverhaltsbezogene Einzelfallbeurteilung.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

Schlagworte

Maßnahmenbescheid;
Musikanlage;
Gutachten;
Schließung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.15.1302.5

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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