TE Vwgh Beschluss 2019/9/18 Ra 2019/02/0165

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Veröffentlicht am 18.09.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des W in W, vertreten durch Mag. Markus Steinbacher, Rechtsanwalt in 6300 Wörgl, Salzburger Straße 18a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 15. Juli 2019, Zl. LVwG- 2019/33/0894-2, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iA Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 14. Februar 2018 legte die Bezirkshauptmannschaft Kufstein dem Revisionswerber eine Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO zur Last, weshalb sie über ihn eine Geldstrafe verhängte. Dieses Straferkenntnis wurde am 20. Februar 2018 durch Ersatzzustellung an den Bruder des Revisionswerbers zugestellt.

2 Am 29. November 2018 erhob der Revisionswerber dagegen Beschwerde und führte aus, er habe das Straferkenntnis vom 14. Februar 2018 krankheitsbedingt nicht bekämpfen können. Er bitte daher "um die Wiederaufnahme wegen Verfahrensfehlern". 3 Am 8. Jänner 2019 legte der Revisionswerber eine Aufenthaltsbestätigung über eine stationäre Behandlung vom 11. Dezember 2017 bis 6. April 2018 vor.

4 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 20. Februar 2019 wurde dem Antrag "insoweit es sich um einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens handelt gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie, insoweit es sich um einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand handelt gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes keine Folge gegeben". 5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Folge gegeben wird, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit aufheben sowie dem Revisionswerber Kostenersatz zusprechen.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision zunächst aus, es hätte im gegenständlichen Fall keine Zustellung an den Bruder des Revisionswerbers erfolgen dürfen, weil sich die Ortsabwesenheit des Revisionswerbers aus der vorgelegten Aufenthaltsbestätigung ergebe. Mit diesem Vorbringen führt der Revisionswerber erkennbar einen Zustellmangel ins Treffen, der jedoch nach der hg. Rechtsprechung keinen Wiedereinsetzungsgrund bildet (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/20/0330; 17.3.2015, Ra 2014/01/0134, jeweils mwN). Dieses Vorbringen kann somit im gegenständlichen Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag nicht zur Zulässigkeit der Revision führen.

11 In der Zulässigkeitsbegründung wird weiter vorgebracht, der Revisionswerber sei aufgrund einer psychischen Erkrankung und Alkoholmissbrauchs in stationärer Behandlung gewesen, was als unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis anzusehen sei. Die belangte Behörde hätte das "angebotene" (gemeint: das - erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - beantragte) Sachverständigengutachten aufnehmen müssen, weil durch die Vorlage der Aufenthaltsbestätigung die Dispositionsunfähigkeit des Revisionswerbers bescheinigt sei.

12 Nach der hg. Rechtsprechung erfüllt eine krankheitsbedingte Säumnis die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann, wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterlassen der fristwahrenden Handlung als auf einem Versehen bloß minderen Grades beruhend zu beurteilen ist. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch daran gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen entgegenzuwirken (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0057, mwN). Der Wiedereinsetzungsgrund ist im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. sind bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0367, mwN).

13 Die Beurteilung, ob ein im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ein grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, unterliegt - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 25.7.2019, Ra 2017/22/0161; 24.1.2019, Ra 2019/21/0008, jeweils mwN).

14 Eine derart grobe Fehlbeurteilung ist im gegenständlichen Fall nicht zu sehen. Das Verwaltungsgericht ist in vertretbarer Weise zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber nicht glaubhaft gemacht habe, warum er nicht in der Lage gewesen sei, gegen das Straferkenntnis fristwahrend Beschwerde zu erheben. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung selbst vorgebracht, dass er im Zeitraum Februar 2018 die stationäre Einrichtung habe verlassen können, dies auch gemacht habe und am Wochenende nach Hause gefahren sei. Der Revisionswerber habe bestätigt, das Straferkenntnis vom 14. Februar 2018 erhalten und geöffnet zu haben. Auch habe der als Zeuge einvernommene Bruder ausgesagt, dass der Revisionswerber in der Lage gewesen sei, die täglichen Dinge des Lebens zu erledigen, wie einkaufen oder Briefe lesen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach der Revisionswerber nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen war, die Frist einzuhalten, unvertretbar wäre. Ebenso wenig legt die Revision konkret und substantiiert dar, inwiefern die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Auch der Wiedereinsetzungsantrag enthält kein substantiiertes Vorbringen, aufgrund dessen die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht gehalten gewesen wären, einen Sachverständigen beizuziehen.

15 Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist überdies gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Das Verwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass der Revisionswerber spätestens am 29. Oktober 2018 durch den anstehenden Vollzug von der Rechtskraft des Straferkenntnisses Kenntnis erlangt habe, der Wiedereinsetzungsantrag jedoch erst am 29. November 2018 - und damit nicht fristgerecht - gestellt worden sei.

16 Das Verwaltungsgericht ist somit nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen, wenn es dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge gegeben hat. 17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020165.L00

Im RIS seit

14.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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