TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/18 VGW-152/071/8148/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.09.2019

Index

41/02 Staatsbürgerschaft
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StbG 1985 §27
AVG §69 Abs1 Z2
AVG §69 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Ivica Kvasina über die Beschwerde der Frau A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35 (belangte Behörde), vom 24.10.2018, Zl. MA35/...1, mit welchem ihr mit 19.03.2019 datierter Antrag auf Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 24.10.2018 zu Zl. MA 35/...2 abgeschlossenen Verfahrens zur Feststellung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an

den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Am 19.03.2019 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 24.10.2018 zu Zl. MA 35/...2 abgeschlossenen Verfahrens zur Feststellung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Mit dem Antrag wurde ein türkischer Personenstandsregisterauszug vorgelegt, welcher am 14.03.2019 seitens des Personenstandregisters in C. ausgestellt wurde. Die Beschwerdeführerin brachte vor, der vorgelegte türkische Personenstandsregisterauszug sei eine neue „Tatsache" bzw. ein neuer „Beweis" iSd. § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, welches im Verfahren zur Feststellung der österreichischen Staatsbürgerschaft ohne Verschulden der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht werden konnte.

Die belangte Behörde wies den Antrag der Beschwerdeführerin ab und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass durch das neue Beweismittel (der türkische Personenstandsregisterauszug vom 14.03.2019) jedoch kein im Hauptinhalt des Spruches anders lautender Bescheid herbeigeführt werde, da die belangte Behörde nach wie vor vom Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit ausgehe.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass der von ihr nunmehr vorgelegter türkischer Personenstandsregisterauszug jedenfalls eine neue Tatsache bzw. ein neues (Streng)Beweismittel iSd. § 69 Abs. 1 Z 2 AVG darstelle und würde jedenfalls einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid im Verfahren herbeiführen.

Die Beschwerde wurde durch die belangte Behörde unter Anschluss des bezughabenden Aktes an das Verwaltungsgericht Wien am 18.06.2019 (einlangend) vorgelegt.

Aus dem die Beschwerdeführerin betreffenden Administrativakt der belangten Behörde zur Zl. MA35/...1, den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumenten und Unterlagen sowie den vom Verwaltungsgericht Wien getätigten Abfragen ergibt sich folgender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin wurde am ...1974 in D., Türkei, geboren und wurde ihr mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 04.10.1995, Zl. MA 61/...3, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 StbG für den Fall zugesichert, dass binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband nachgewiesen wird. Am 20.06.1996 langte bei der Behörde die Bewilligungsurkunde zur Entlassung aus dem türkischen Staatsverband entsprechend dem türkischen Ministerratsbeschluss zur Zahl ... vom 04.04.1996, ausgestellt am 15.05.1996, ein. Mit Wirkung vom 14.10.1996 wurde ihr von der Wiener Landesregierung, zur Zl. MA 61/...4, die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen. Mit Entlassungsurkunde entsprechend dem türkischen Ministerratsbeschluss zur Zahl ... vom 04.04.1996, ausgestellt am 04.09.1997, bei der Behörde eingelangt am 12.09.1997, wurde sie endgültig aus dem türkischen Staatsverband entlassen.

Mit Bescheid vom 24.10.2018, zu Zl. MA 35/...2, stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin durch die Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit spätestens am 18.05.2017 die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat und sie keine österreichische Staatsbürgerin ist. Begründet wurde dies aufgrund des Aufscheinens der persönlichen Daten der Beschwerdeführerin auf einer angeblichen türkischen Wählerevidenzliste, und vor allem auch darauf, dass die Beschwerdeführerin auf der Webseite der höchsten Wählbehörde der Türkei (https://secmen.vsk.gov.tr/ysk/) als Wählerin abgefragt werden konnte. Weiters wurde ihr ihre mangelnde Mitwirkung vorgeworfen, weil sie keinen vollständigen türkischen Personenstandsregisterauszug vorgelegt hat, obwohl dies für ehemalige türkische Staatsangehörige möglich war bzw. ist.

Dieser Feststellungsbescheid vom 24.10.2018 wurde am 31.10.2018 durch Hinterlegung zugestellt und ist am 29.11.2018 in Rechtskraft erwachsen.

Aus dem mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten türkischen Personenstandsregisterauszug vom 14.03.2019 gehen folgende Eintragungen hervor:

Im Auszug scheinen die Beschwerdeführerin selbst, sowie ihr Sohn (E. B., geb. am ...2006) auf. Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem ehelichen Namen „B.“, ihrem Vornamen, der Kimlik Nr. ..., den Namen ihrer Eltern (F. und G.), ihrem Geburtsdatum und Geburtsort, dem Familienstand (verheiratet), der Religion (Islam) sowie dem Registrierungsdatum (21.03.1974) eingetragen. In der Spalte „Vorfälle und Datum“ findet sich bei ihr die Eintragung „Tod: geschlossene Eintragung“; Heirat: ...1999, Scheidung: — „.

Unter den Anmerkungen findet sich nur ein Eintrag zu Beschwerdeführerin selbst, nämlich die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband laut türkischen Ministerratsbeschluss zur Zahl ... vom 04.04.1996.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG Z 1 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 69 AVG 1991 idgF. lautet:

(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1.  der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.  neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3.  der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4.  nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.

Voraussetzung für jegliche Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes gemäß § 69 Abs. 1 AVG. Im vorliegenden Fall kommt ausschließlich der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, also das Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, in Betracht, zumal die Beschwerdeführerin den gemeinsam mit ihrem Antrag auf Wiederaufnahme vorgelegten türkischen Personenstandsregisterauszug als ein solches „neues Beweismittel“ betrachtet.

Ein neues Beweismittel bzw. eine neue Tatsache im Sinne der erwähnten Bestimmung ist aber ausschließlich ein solches bzw. eine solche, das bzw. die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde, nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens entstandenes neues Beweismittel handelt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 20.6.2001, 95/08/0036 und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Aufl., zu § 69 AVG wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere E 123 ff). Der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Personenstandsregisterauszug datiert auf den 14.03.2019. Folglich handelt es sich bei diesem nicht um ein neu hervorgekommenes Beweismittel bzw. um eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG sondern um ein solches, das erst nach (rechtskräftigem) Abschluss des behördlichen Verfahrens entstanden ist und somit kein „nova reperta“ bildet.

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin vom der belangten Behörde bereits im Zuge des Feststellungsverfahrens aufgefordert wurde, einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister vorzulegen und ihr somit Gelegenheit geboten wurde, das nunmehr vorgelegte Beweismittel bereits im (rechtskräftig) abgeschlossenen Verfahren beizubringen. Dieser Aufforderung ist die Beschwerdeführerin aber nicht nachgekommen. Dass dies die Beschwerdeführerin nicht selbst zu vertreten hat, wurde ihrerseits nicht vorgebracht, zumal ihr eine Reise in die Türkei zwecks Einholung des erwähnten Personenstandsregisterauszuges auch während des Feststellungsverfahrens möglich und zumutbar war.

Daher war die Beschwerde abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstanden. Das Verwaltungsgericht Wien ist im vorliegenden Fall – insbesondere im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf und das Vorbringen zu den Wiedereinsetzungs- und Wiederaufnahmegründen – ausschließlich von den Angaben des Einschreiters in seinem Antrag ausgegangen. Im Falle einer Wahrunterstellung besteht aber keine Verhandlungspflicht (VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0065). Im Übrigen fallen Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (VwGH 10.8.2018, Ra 2018/01/0347).

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wiederaufnahmegrund; Personenstandsregisterauszug; neues Beweismittel; nova producta; nova reperta

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.152.071.8148.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten