TE Vfgh Beschluss 1996/11/26 G263/96

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Veröffentlicht am 26.11.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
StGB §84 Abs2 Z4

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung des §84 Abs2 Z4 StGB wegen Anhängigkeit eines gerichtlichen Strafverfahrens; Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Der Individualantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit einem am 30. September 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz begehrt der Einschreiter die Aufhebung des §84 Abs2 Z4 StGB. Der Einschreiter erachtet sich durch die bekämpfte Bestimmung in den durch Art3 und 5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten "dadurch verletzt, daß mir kein wirksames Mittel zur Verfügung steht, mich wirksam gegen Polizeibrutalität zur Wehr zu setzen, ohne einen strafgesetzlichen Tatbestand zu verwirklichen, selbst dann, wenn die Staatsgewalt eine Vorgangsweise wählt, die einer Straßenbande in den USA ('street gang') alle Ehre gemacht hätte." Darüber hinaus verstoße die bekämpfte Bestimmung auch gegen die durch Art6 und 7 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte sowie gegen das Grundrecht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

2.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 11726/1988).

2.2. Nach dem eigenen Vorbringen des Einschreiters wurde gegen ihn Anzeige wegen schwerer Körperverletzung erhoben. Es ist also bereits ein gerichtliches Strafverfahren gegen den Einschreiter anhängig.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 11481/1987 und 11684/1988) besteht ein die Antragslegitimation ausschließender zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffes in die Rechtssphäre grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 11684/1988 mit weiteren Judikaturnachweisen). Im vorliegenden Fall ist nach dem Antragsvorbringen ein gerichtliches Strafverfahren bereits anhängig. Der Verfassungsgerichtshof vermag außergewöhnliche Umstände, die die Einbringung eines Individualantrages dennoch zulassen, nicht zu erkennen. Da es dem Einschreiter freisteht, im Zuge des anhängigen Verfahrens bei einem Gericht zweiter Instanz seine Bedenken gegen die bekämpfte Bestimmung darzulegen und dort einen Antrag auf Aufhebung des §84 Abs2 Z4 StGB anzuregen, und ihm somit ein zumutbarer Weg zur Verfügung steht, seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der von ihm für verfassungswidrig erachteten Bestimmung vorzubringen, war der Antrag schon aus diesem Grunde zurückzuweisen.

Da sich die vom Einschreiter angestrebte Rechtsverfolgung sohin als offenbar aussichtslos erweist, war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen.

2.3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG bzw. §63 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G263.1996

Dokumentnummer

JFT_10038874_96G00263_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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