TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/15 I406 2143098-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2019
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Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1a
StGB §83 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 2143098-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es in Spruchpunkt VII. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Marokkos, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stelle erstmals am 22.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass in seiner Heimat Krieg herrsche und er niemanden habe, der seinen Lebensunterhalt finanzieren könne.

2. Am 09.11.2016 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen vorbrachte, seinen Herkunftsstaat habe er verlassen, da er aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit zu einer aus der Westsahara stammenden Volksgruppe verfolgt werde.

3. Mit Bescheid vom 25.11.2016, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig sei. Mit Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Zudem erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG (Spruchpunkt V.) ab und sprach aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs 2 Z 3 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 09.11.2016 verloren hat (Spruchpunkt VI.).

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.12.2016, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen Besitzes von Suchtmitteln, versuchten Verkaufes von Suchtmitteln im öffentlichen Bereich sowie wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 27 Abs. 1 Z1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG, §15 StGB § 27 Abs. 2a SMG sowie § 15 StGB § 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

5. Gegen obgenannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 19.12.2016 Beschwerde und begründete dies mit mangelhaften Ermittlungsverfahren, mangelhafter Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

6. Am 13.03.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer als Partei vernommen wurde. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er seinen Herkunftsstaat 2010 verlassen habe. Er habe sich dann sechs Jahre in Griechenland aufgehalten. Er habe bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr eine Schulausbildung absolviert. Danach habe er in Casablanca eine Ausbildung zum Schuhmacher begonnen. Weiters wurde er zu seinen Fluchtgründen befragt.

7. Am 09.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vom marokkanischen Konsul als marokkanischer Staatsbürger namens XXXX, geboren am XXXX identifiziert und wurde ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausgestellt.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2017, I413 2143098-1/14E, wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 12.06.2017 in Rechtskraft.

9. Am 08.06.2017 wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes wegen des Verdachtes des unerlaubten Umganges mit Suchtmitteln festgenommen und über ihn mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 11.06.2017 die Untersuchungshaft verhängt. Die für den 14.06.2017 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers musste storniert werden.

10. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 26.07.2017, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Verkaufes von Suchtmitteln im öffentlichen Bereich nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a, Abs. 2, Abs. 3 sowie Abs. 5 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

11. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.08.2017 wurde dem Beschwerdeführer mit einem "Parteiengehör" in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen und eventuell Schubhaft zu verhängen. Unter Setzung einer zehntägigen Frist zur Stellungnahme trug die belangte Behörde ihm überdies die Beantwortung einer Reihe von Fragen zu seiner persönlichen Situation auf und wies darauf hin, das Verfahren werde ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt, falls er die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht wahrnehme. Eine Stellungnahme langte bei der belangten Behörde nicht ein.

12. Mit Bescheid vom 16.10.2017, Zl. XXXX erließ die belangte Behörde gemäß § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Ziffer 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt II.), erließ gegen ihn gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).

13. Der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017, Zl. I406 2143098-2/4E, stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben, mit der Begründung, dass es die belangte Behörde entgegen der gesetzlichen Anordnung unterlassen habe, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen.

14. Am 13.11.2018 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz und brachte als Grund für seine neuerliche Asylantragstellung im Rahmen der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung vor: "Ich habe bei meinem ersten Antrag angegeben, dass ich Sahraoui bin und dass ich dort, wo ich lebe verfolgt werde. Jetzt habe ich erfahren, dass mein Bruder vor einem Jahr ermordet wurde. Meine Familie hat mir das telefonisch mitgeteilt. Meine ganze Familie wird von einer terroristischen Gruppe bedroht. Wir sind alle geflüchtet. Auch meine Mutter lebt in Marokko unter einem anderen Namen. Der Anführer dieser Gruppe heißt XXXX. Er ist auf einem Auge blind. Nachdem mein Vater 2007 von dieser Gruppe ermordet wurde, sind wir geflüchtet. Ich bin zuerst mit meiner Mutter nach Marokko gegangen. Dann bin ich Algerien gegangen und hab dort einen gefälschten algerischen Reisepass ausstellen lassen und bin damit in die Türkei gereist."

Bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte der Beschwerdeführer, getötet zu werden, oder in Marokko als Terrorist behandelt zu werden, weil er in Marokko oft gegen das marokkanische Regime protestiert habe.

15. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 23.11.2018, Zl. XXXX wurde gemäß § 12a Absatz 4 AsylG 2005 iVm § 57 Absatz 1 AVG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Absatz 4 Ziffer 1 und 2 AsylG nicht vorliegen und dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Absatz 4 AsylG nicht zuerkannt.

16. Eine am 25.11.2018 versuchte Abschiebung des Beschwerdeführers nach Casablanca/Marokko auf dem Luftweg wurde auf Anordnung des Piloten abgebrochen, weil der Beschwerdeführer nach dem Einsteigen in das Flugzeug Widerstand leistete, wobei ein Beamter des Schubteams verletzt wurde.

17. Aufgrund dieses Vorfalles wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.12.2018, Zl. XXXX, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB sowie des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

18. Am 06.02.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde statt. Zu seinem Fluchtgrund erklärte er, aus der Westsahara zu sein und deshalb Probleme mit der marokkanischen Regierung zu haben, weil die Westsahara einen eigenen Staat verlange und gegen Marokko sei. Er könne unmöglich nach Marokko zurück und würde dort sofort sterben. Zu dieser Vermutung komme er, weil andere Personen aus der Westsahara ebenfalls 20 Jahre Haft erhalten hätten oder getötet worden seien. Es gebe Personen, von denen man bis heute nichts wisse. Die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren bestehen immer noch, zusätzlich sei sein Bruder Mohammed vor fünf Monaten umgebracht worden. Der Beschwerdeführer telefoniere sogar mit seiner Mutter unter einem anderen Namen, weil er Angst um sie habe. Dem Beschwerdeführer wurde das aktuelle Länderinformationsblatt zu Marokko vorgelegt und er wurde darauf hingewiesen, dass Marokko als sicherer Herkunftsstaat gelte. Dazu erklärte er, das sei alles eine Lüge. Er habe schon einmal so etwas bekommen. Marokko sei nur für Touristen sicher, aber nicht für den Beschwerdeführer.

19. Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 28.02.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

20. Weiters traf die belangte Behörde die folgenden Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Politische Lage

Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat. Das Land ist eine Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (AA 10.2017a). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 7.2018a; vgl. ÖB 9.2015). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Aktuelle Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozio-ökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (AA 10.2017a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 9.2015).

Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 7.2018a). Hauptakteure der Exekutive sind die Minister, der Regierungschef und der König, der über einen Kreis hochrangiger Fachberater verfügt. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt nach Art. 47 der Verfassung von 2011 den Regierungschef aus der Partei, die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht. Marokko verfügt seit der Unabhängigkeit über ein Mehrparteiensystem. Das Wahlrecht macht es schwierig für eine Partei, eine absolute Mehrheit zu erringen; Mehrparteienkoalitionen sind deshalb die Regel. In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD, "Parti de la Justice et du Développement") hervor. Am 5.4.2017 wurde Saad-Eddine El Othmani von König Mohammed VI zum Premier-Minister ernannt. (AA 10.2017a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 7.2018a). Bei den oben erwähnten Wahlen zum Repräsentantenhaus vom 7.10.2016 erreichte die PJD 125 Sitze (GIZ 7.2018a). Kritische politische Analysen weisen darauf hin, dass die faktische Macht der PJD bzw. des Regierungschefs Benkirane begrenzt ist und dass die Regierungsbeteiligung der Glaubwürdigkeit der PJD schaden könnte (GIZ 7.2018a). An zweiter Stelle rangiert mit 102 Sitzen die liberal-konservative Partei für Authentizität und Moderne (PAM - Parti Authenticité et Modernité) (GIZ 7.2018a), die auch die größte Oppositionspartei ist (AA 10.2017a). Sie konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI - Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 7.2018a).

Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 7.2018a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120, Zugriff 31.7.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2018a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 31.7.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Sicherheitslage

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 8.8.2018; vgl. FD 8.8.2018). Das französische Außenministerium rät zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 8.8.2018), außer in den Grenzregionen zu Algerien, wo zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten wird (AA 8.8.2018; vgl. FD 8.8.2018). Die Westsahara bildet natürlich eine Ausnahme, diese darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 8.8.2018). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 8.8.2018; vgl. FD 8.8.2018). Seitens des BMEIA besteht eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Reisen in das Landesinnere des völkerrechtlich umstrittenen Territoriums der Westsahara und in entlegene Saharazonen Südmarokkos, insbesondere an der Grenze zu Algerien. Erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) gilt in den übrigen Landesteilen (BMEIA 8.8.2018).

Seit dem Anschlag in Marrakesch im April 2011, gab es keine weiteren Attentate (FD 8.8.2018). Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko von terroristischen Akten (EDA 8.8.2018vgl. FD 8.8.2018; BMEIA 8.8.2018). In Teilen der Sahara und des Sahels besteht das Risiko von Entführungen. Bisher waren in Marokko keine Entführungen zu beklagen (EDA 8.8.2018; vgl. BMEIA 8.8.2018). Das Auswärtige Amt rät von Reisen in entlegene Gebiete der Sahara, in die Grenzregionen mit Algerien und Mauretanien und jenseits befestigter Straßen dringend ab (AA 8.8.2018).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich. Vereinzelte gewalttätige Auseinandersetzungen können dabei nicht ausgeschlossen werden (EDA 8.8.2018). Demonstrationen können sich spontan und unerwartet entwickeln. Zuletzt kam es in verschiedenen Städten Marokkos zu nicht genehmigten Demonstrationen und vereinzelt auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (AA 8.8.2018; vgl. BMEIA 8.8.2018). Aufgrund sozialer und politischer Spannungen kommt es seit Oktober 2016 in der Provinz Al Hoceima vermehrt zu Protestaktionen. Dabei kann es zu Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräfte kommen (EDA 8.8.2018).

Besondere Vorsicht ist auch in der Region Rif geboten. Die Ost-West-Achse Al Hoceima- Chefchaouen-Tetouan ist ruhig und weniger problematisch (FD 8.8.2018). Es kann zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in die lokale Drogenproduktion und den Drogenhandel involviert sind (EDA 8.8.2018).

In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu (EDA 8.8.2018).

Wegen des Entführungsrisikos wird von nicht dringenden Reisen ins Grenzgebiet zu Algerien abgeraten, bzw. gewarnt (AA 8.8.2018; vgl. EDA 8.8.2018; BMEIA 8.8.2018). Die Grenze zu Algerien ist geschlossen (AA 8.8.2018; vgl. EDA 8.8.2018).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara, erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Seither wird es sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden (EDA 8.8.2018; vgl. FD 8.8.2018). Das Risiko von Entführungen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 8.8.2018). Von Fahrten in und durch das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara wird dringend abgeraten (AA 8.8.2018; vgl. EDA 8.8.2018).

Quellen:

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- AA - Auswärtiges Amt (8.8.2018): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/ 224080#content_0, Zugriff 8.8.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (8.8.2018): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 8.8.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (8.8.2018): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/ marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 8.8.2018

-

FD - France Diplomatie (8.8.2018): Conseils aux Voyageurs - Maroc

-

Sécurité,

https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/, Zugriff 8.8.2018

Westsahara

Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko im Rahmen des sogenannten Grünen Marsches in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet seit der Annexion 1976 als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, welche die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall, dessen Baubeginn 1981 war, und der von der mauretanisch-marokkanischen Grenze durch die Sahara bis zum marokkanisch-algerisch-sahrauischen Dreiländereck verläuft, spaltet heute die Westsahara (GIZ 6.2017a). Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 80% des Territoriums. Auf der anderen Seite befinden sich die restlichen 20% in der Hand der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario (CIA 12.7.2018). 1991 endeten die Kampfhandlungen zwischen der Frente Polisario und Marokko. Die UNO installierte an mehreren Orten in der Westsahara zur Friedenssicherung die MINURSO (CIA 11.7.2018; vgl. GIZ 7.2018a; AA 10.2017b). Die Frente Polisario hatte im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, gebildet, die bis zu seinem Tod im Mai 2016 von Präsident Mohamed Abdelaziz geführt wurde. Sein Nachfolger Brahim Ghali wurde im Juli 2016 gewählt (CIA 11.7.2018; CIA 12.7.2018; vgl. GIZ 6.2017a). Für Marokko hingegen ist die Sicherung der Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko Staatsräson und zentrales Anliegen der marokkanischen Politik (AA 10.2017b).

Seit dem Ende der Kampfhandlungen im Jahr 1991 gelang es nicht, ein Referendum bzgl. des Status der Westsahara durchzuführen bzw. scheiterten Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario immer wieder. Seit November 2010 gab es mehrere Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario, doch eine Lösung des Konfliktes ist zurzeit nicht in Sicht. Die Zahl der Staaten, die die sahrauische Exilregierung anerkennen, ist von 80 auf gut die Hälfte gesunken (GIZ 7.2018a). Der Status des Territoriums und die Frage der Unabhängigkeit sind daher weiterhin ungeklärt; das Territorium wird von Marokko sowie der Frente Polisario beansprucht (CIA 12.7.2018).

Als 1982 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) als offizielles Mitglied in die Organisation der Afrikanischen Union aufgenommen wurde, verließ Marokko diese als Reaktion darauf im Jahr 1984. Aufgrund des Westsahara-Konfliktes war Marokkos politische Position jedoch über Jahrzehnte schwach. In der Afrikanischen Union war Marokko mehr als 30 Jahre nicht Mitglied. In den vergangenen Jahren hat Marokko seine Beziehungen und Aktivitäten in Afrika jedoch intensiviert. In Westafrika gewinnt Marokko wirtschaftlich an Einfluss. Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 7.2018a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2017b): Marokko - Außenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224118, Zugriff 8.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook

-

Morocco,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mo.html, Zugriff 8.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (11.7.2018): The World Factbook

-

Western Sahara,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/wi.html, Zugriff 8.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (7.2018a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 8.8.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 20.4.2018). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 20.4.2018; vgl. ÖB 9.2015; AA 14.2.2018) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden respektieren Anordnungen der Gerichte fallweise nicht (USDOS 3.3.2017). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entzieht (AA 14.2.2018).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 14.2.2018). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose

Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden. Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam ("garde à vue") zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 14.2.2018). .

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minderschweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 14.2.2018).

Seit Juli 2015 ist die Militärgerichtsbarkeit in Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr zuständig. Im Juli 2016 wurden durch das Revisionsgericht die Urteile eines Militärgerichts gegen 23 sahrauische Aktivisten im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften bei der Räumung des Protestlagers Gdim Izik aufgehoben. Von der ordentlichen Gerichtsbarkeit wurden die Angeklagten 2017 zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und lebenslänglich verurteilt (AA 14.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asylund-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02- 2018.pdf, Zugriff 1.8.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

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USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430366.html, Zugriff 1.8.2018

Sicherheitsbehörden

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN "Direction Générale de la Sûreté Nationale" (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Autobahnen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 14.2.2018). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED ("Direction Générale des Etudes et de Documentation") und den Inlandsdienst DGST ("Direction Générale de la Surveillance du Territoire") (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 9.2015). Im April 2015 wurde zusätzlich das

"Bureau central d'investigations judiciaires" (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 14.2.2018).

Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 20.4.2018), gemäß auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 14.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asylund-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02- 2018.pdf, Zugriff 1.8.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

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USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430366.html, Zugriff 1.8.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen "roten Linien" (Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) quasi als "Baugesetze" des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage, v. a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 9.2015).

In den unter Titel II aufgeführten Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte (AA 14.2.2018)

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt. Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 14.2.2018).

Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des VN- Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 14.2.2018). Im September 2017 unterbreitete der UN-Menschenrechtsrat nach der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung der Menschenrechtslage in Marokko dem Land Empfehlungen (AI 22.2.2018)

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken die Meinungsfreiheit, vor allem im Bereich der Presse und den sozialen Medien, ein (USDOS 20.4.2018). Meinungs- und Pressefreiheit sind verfassungsrechtlich geschützt, aber hinsichtlich der drei Staatsprinzipien eingeschränkt. Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten.

Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der drei Tabuthemen ersetzt. Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich (AA 14.2.2018).

Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 18.1.2018, AA 14.2.2018), sowie Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden (HRW 18.1.2018). Für kritische Äußerungen in anderen Bereichen wurden Haftstrafen im Rahmen einer Änderung des Pressegesetzes im Juli 2016 abgeschafft und durch Geldstrafen ersetzt (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 18.1.2018).

Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung: die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die

"kritische Masse" für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes ("Makhzen") verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (ÖB 9.2015).

Die - auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten - vor allem im Gebiet der Westsahara selbst - besonders exponiert sind (ÖB 9.2015).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die "roten Linien" Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 14.2.2018). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 20.4.2018). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor (AA 14.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018), selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 14.2.2018). In Einzelfällen kam es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018, HRW 18.1.2018).

2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort "Hirak" zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen. Eine der größten (nicht genehmigten) Demonstrationen dieses Jahres fand am 20.7.2017 in Al Hoceima statt. Die NGO AMDH kritisierte in einem Bericht die zwangsweise Abnahme von DNA-Proben von Verdächtigen, den Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken sowie die Gewahrsamnahme von bis zu 300 Demonstranten. Auch HRW berichtete von Misshandlungen von Demonstranten. Der nationale Menschenrechtsrat (Conseil National des Droits de l'Homme - CNDH) übergab einen Bericht zu Misshandlungsvorwürfen von Demonstranten gegen Sicherheitskräfte an die Staatsanwaltschaft. Untersuchungsergebnisse wurden bislang nicht bekannt. Einige Aktivisten der Rif-Proteste wurden wegen Teilnahme an einer nicht-genehmigten Demonstration, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Gefährdung der inneren Sicherheit zu zum Teil hohen Haftstrafen verurteilt. Gleichzeitig profitierten einige inhaftierte Aktivisten von einem Gnadenankt des Königs (AA 14.2.2018).

Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 20.4.2018). Vielen Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 18.1.2018). Auf diese Weise verbietet die Regierung politische Oppositionsgruppen, indem sie ihnen den NGO-Status nicht zuerkennt. Der NGO-Status wird auch Organisationen nicht zuerkannt, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen (USDOS 20.4.2018).

Andere Kundgebungen wie die Unterstützungsdemonstration mit den Aktivisten der Rif-Proteste vom 11.6.2017 in Rabat mit ca. 25.000 Teilnehmern, verliefen hingegen komplett gewaltfrei, die Sicherheitsbehörden setzten auf eine Deeskalationsstrategie. Das Innenministerium hat 2016 ein Schulungsprogramm für Polizisten zur gewaltfreien Auflösung von Protesten begonnen. Nach Angaben des Staatsministers für Menschenrechte fanden zwischen Oktober 2016 und Juni 2017

500 Versammlungen und Demonstrationen ohne Intervention der Sicherheitskräfte statt (AA 14.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asylund-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02- 2018.pdf, Zugriff 1.8.2018

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Morocco/Western Sahara,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425081.html, Zugriff 2.8.2018

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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Morocco and Western Sahara,

http://www.ecoi.net/local_link/334712/476546_de.html, Zugriff 3.8.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Ethnische Minderheiten

Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 14.2.2018).

Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 14.2.2018). Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus (d.h. keine höhere Bildung in berberischer Sprache möglich). Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 9.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asylund-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02- 2018.pdf, Zugriff 7.8.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Bewegungsfreiheit

Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte üblicherweise (USDOS 20.4.2018).

Sahrawis/Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 14.2.2018). Die Regierung stellte Sahrawis weiterhin Reisedokumente zur Verfügung, und es wurden keine Fälle von Behörden gemeldet, die Sahrawis daran hinderten, das Land zu verlassen (USDOS 20.4.2018).

Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 14.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asylund-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02- 2018.pdf, Zugriff 7.8.2018

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USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430366.html, Zugriff 7.8.2018

Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös- karitative Organisationen tätig (AA 14.2.2018). Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 9.2015). Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 14.2.2018).

König Mohammed VI. und die bisherige Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung und Diversifizierung des Landes an, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt in Afrika sucht. Gebergemeinschaft, OECD und IWF unterstützen diesen Modernisierungskurs (AA 10.2017c). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 7.2018c).

Die Arbeitslosigkeit bewegt sich laut offiziellen Zahlen bei 10%, allerdings bei sehr viel höherer Jugendarbeitslosigkeit (25%) (ÖB 9.2015). Der Bevölkerungszuwachs in den aktiven Altersgruppen liegt deutlich höher als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die reale Arbeitslosenquote, insbesondere bei Jugendlichen, liegt deutlich über den offiziell angegebenen ca. 9% (AA 10.2017c).

Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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