TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/5 VGW-001/032/5212/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2019
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Entscheidungsdatum

05.07.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
23/04 Exekutionsordnung

Norm

VStG §31 Abs3
VStG §54b Abs2
VStG §54b Abs3
VVG §1
EO §291
EO §291a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde der A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, vom 2. April 2019 gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Zl. ..., vom 4. März 2019 mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. Jänner 2019 auf Zahlungserleichterung gemäß § 54b VStG abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2019

zu Recht erkannt:

I.       Gemäß § 54b Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. 52/1991 idF BGBl. I 57/2018, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I.   Verfahrensgang

1.       Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Zl. ..., vom 4. März 2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. Jänner 2019 auf Zahlungserleichterung gemäß § 54b VStG – mit näherer Begründung – abgewiesen.

2.       Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht eingebrachte Beschwerde vom 2. April 2019, mit welcher die Beschwerdeführerin die Stattgabe ihres Antrags auf Zahlungserleichterung begehrt.

3.       Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien (einlangend am 11. April 2019) vor.

4.       Am 19. Juni 2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführerin und ihr rechtsfreundlicher Vertreter erschienen.

II. Sachverhalt

1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Für die Beschwerdeführerin scheinen zahlreiche rechtskräftige Verwaltungsübertretungen aus ihrer vormaligen selbständigen Tätigkeit im Gastgewerbe auf. Am 4. März 2019 ergab sich diesbezüglich ein Rückstand von insgesamt € 10.773,02 an Strafbeträgen und Strafkosten.

Ein Vollstreckungsverfahren (im Sinne des § 3 VVG) oder ein Insolvenzverfahren wurden nicht durchgeführt.

Die Beschwerdeführerin hat monatliche Einkünfte aus der Pensionsversicherung in der Höhe von € 855,47 14 Mal jährlich.

Die Beschwerdeführerin teilt sich mit ihrem Lebensgefährten die monatlichen Mietkosten für die gemeinsame Wohnung in der Höhe von insgesamt € 428,–. Sie hat kein nennenswertes Vermögen und keine Sorgepflichten.

Die von der Beschwerdeführerin während der letzten drei Jahre geleisteten Teilzahlungen beliefen sich auf € 600,— jährlich; künftig ist die Beschwerdeführerin bereit, Teilzahlungen in der Höhe von € 800,— pro Jahr zu leisten.

2. Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Akt, Würdigung des Parteienvorbringens und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien.

Der festgestellte Rückstand betreffend die rechtskräftigen Verwaltungsübertretungen ergibt sich aus dem dem verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Rückstandsausweis vom 4. März 2019, an dessen Echtheit und Richtigkeit das Verwaltungsgericht Wien nicht zweifelt. Der Rückstandsausweis blieb im Verfahren auch unbestritten.

Anhaltspunkte für die Durchführung eines Vollstreckungs- oder eines Insolvenzverfahrens ergeben sich weder aus dem Akt noch wurde dies von den Parteien behauptet. Ein gegenteiliges Ergebnis hat auch eine Abfrage in der Insolvenzdatei nicht gebracht.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den von jener in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben sowie den sich damit deckenden in der Verhandlung vorgelegten und zum Akt genommenen Kontoauszügen (Beilage ./1 und Beilage ./2).

Die Angaben zu den bereits geleisteten und in Zukunft angebotenen Teilzahlungen ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin. In der mündlichen Verhandlung berichtigte der Beschwerdeführervertreter den Widerspruch in der Beschwerde (€ 800,— pro Jahr bzw. pro Halbjahr) dahingehend, dass die Beschwerdeführerin bereit sei, einen Betrag von € 800,— pro Jahr zu leisten.

III. Rechtliche Beurteilung

1.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

§ 54b Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. 52/1991, lautet in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I 57/2018 auszugsweise wie folgt:

"Vollstreckung von Geldstrafen

§ 54b. (1) Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

(1a) bis (1b) […]

(2) Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

(3) Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen, wodurch die Strafvollstreckung aufgeschoben wird. Die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Bestrafte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Exekutionsordnung – EO, RGBl. 79/1896, lauten in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I 31/2003 auszugsweise wie folgt:

"Sonderzahlungen

§ 290b. Auch vom 14. Monatsbezug (Urlaubszuschuss, Urlaubsbeihilfe, Renten- oder Pensionssonderzahlung, die zu den im April oder Mai bezogenen Renten bzw. Pensionen gebührt, und dergleichen) und vom 13. Monatsbezug (Weihnachtszuwendung, Weihnachtsremuneration, Renten- oder Pensionssonderzahlung, die zu den im September oder Oktober bezogenen Renten bzw. Pensionen gebührt, und dergleichen) hat dem Verpflichteten ein unpfändbarer Freibetrag nach § 291a zu verbleiben. Wird die Sonderzahlung in Teilzahlungen geleistet, so ist der unpfändbare Freibetrag auf die Teilzahlungen entsprechend deren Höhe aufzuteilen.

[…]

Ermittlung der Berechnungsgrundlage

§ 291. (1) Bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag (§ 291a) sind vom Gesamtbezug abzuziehen:

         1. Beträge, die unmittelbar auf Grund steuer- oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Verpflichteten abzuführen sind;

         1a. Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz;

         2. die der Pfändung entzogenen Forderungen und Forderungsteile;

         3. Beiträge, die der Verpflichtete an seine betrieblichen und überbetrieblichen Interessenvertretungen zu entrichten hat und auch entrichtet;

         4. Beiträge, die der Verpflichtete zu einer Versicherung, deren Leistungen nach Art und Umfang jenen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen, für sich oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen leistet, sofern kein Schutz aus der gesetzlichen Pflichtversicherung besteht.

(2) Der sich nach Abs. 1 ergebende Betrag ist abzurunden, und zwar bei Auszahlung für Monate auf einen durch 20, bei Auszahlung für Wochen auf einen durch fünf teilbaren Betrag und bei Auszahlung für Tage auf einen ganzen Betrag.

Unpfändbarer Freibetrag

('Existenzminimum')

§ 291a. (1) Beschränkt pfändbare Forderungen, bei denen der sich nach § 291 ergebende Betrag (Berechnungsgrundlage) bei monatlicher Leistung den Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen (§ 293 Abs. 1 lit. a ASVG) nicht übersteigt, haben dem Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben (allgemeiner Grundbetrag).

(2) Der Betrag nach Abs. 1 erhöht sich

         1. um ein Sechstel, wenn der Verpflichtete keine Leistungen nach § 290b erhält (erhöhter allgemeiner Grundbetrag),

         2. um 20% für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt (Unterhaltsgrundbetrag); höchstens jedoch für fünf Personen.

(3) Übersteigt die Berechnungsgrundlage den sich aus Abs. 1 und 2 ergebenden Betrag, so verbleiben dem Verpflichteten neben diesem Betrag

         1. 30% des Mehrbetrags (allgemeiner Steigerungsbetrag) und

         2. 10% des Mehrbetrags für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt; höchstens jedoch für fünf Personen (Unterhaltssteigerungsbetrag).

Der Teil der Berechnungsgrundlage, der das Vierfache des Ausgleichszulagenrichtsatzes (Höchstberechnungsgrundlage) übersteigt, ist jedenfalls zur Gänze pfändbar.

(4) Bei täglicher Leistung ist für die Ermittlung des unpfändbaren Freibetrags nach den vorhergehenden Absätzen der 30. Teil des Ausgleichszulagenrichtsatzes, bei wöchentlicher Leistung das Siebenfache des täglichen Betrags heranzuziehen.

(5) Die Grundbeträge sind auf volle Euro abzurunden; der Betrag nach Abs. 3 letzter Satz ist nach § 291 Abs. 2 zu runden."

§ 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. 189/1955, lautet in seiner hier anzuwendenden Fassung BGBl. I 29/2017, angepasst durch die Verordnung BGBl. II 329/2018, auszugsweise wie folgt:

"Richtsätze

§ 293. (1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2

a)   für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,

         aa) wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben           1 398,97 €,

         bb) wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen und sublit. cc nicht anzuwenden ist            933,06 €,

         […]

(2) An die Stelle der Richtsätze und der Richtsatzerhöhung gemäß Abs. 1 treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab 1. Jänner 2001, die unter Bedachtnahme auf § 108 Abs. 6 mit dem Anpassungsfaktor (§ 108f) vervielfachten Beträge.

[…]"

2.       Gemäß § 54b Abs. 1 VStG sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde gemäß § 54b Abs. 3 VStG auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen, wodurch die Strafvollstreckung aufgeschoben wird. Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist gemäß § 54b Abs. 2 VStG die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen.

Nach § 54b Abs. 3 VStG hat die (gemäß § 1 VVG für die Vollstreckung zuständige) Behörde einem Bestraften auf Antrag betreffend offener Geldstrafen Zahlungserleichterungen zu bewilligen, wenn (kumulativ) ihm aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist und die verhängte Geldstrafe nicht uneinbringlich ist, sich der Bestrafte also bloß vorübergehend in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Bei erwiesener Uneinbringlichkeit dürfen Zahlungserleichterungen demnach nicht bewilligt werden. Alleine das Interesse des Bestraften daran, dass – wenn auch im Interesse seiner Familie gelegen – eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollzogen wird, genügt demgemäß für die Gewährung von Zahlungserleichterungen nicht (vgl. die bei Raschauer/Wessely, VStG § 54b Rz. 12, umfangreich zitierte Judikatur).

Ehe die Behörde die Ersatzfreiheitsstrafe in Vollzug setzt, hat sie entweder ein Vollstreckungsverfahren durchzuführen oder aber Erhebungen zu pflegen, deren Ergebnis die Annahme rechtfertigen muss, die verhängte Geldstrafe sei mit hoher Wahrscheinlichkeit uneinbringlich. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe anstelle der Geldstrafe steht sohin keinesfalls im Belieben der Vollzugsbehörde (vgl. VfGH, VfSlg. 12.748/1991, mwN).

Für die Beurteilung der Einbringlichkeit der Geldstrafe ist auf die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen. Die belangte Behörde – bzw. nunmehr das Verwaltungsgericht – ist daher gehalten, vorab auch die Frage der Einbringlichkeit der über die Beschwerdeführerin verhängten Geldstrafen zu prüfen, wobei die Beschwerdeführerin bei der Beurteilung des aktuellen Einkommens eine entsprechende Mitwirkungspflicht insbesondere dort trifft, wo der belangten Behörde – bzw. dem Verwaltungsgericht – faktische Grenzen bei der amtswegigen Ermittlung gesetzt sind (vgl. VwGH 22.2.2013, 2011/02/0232).

Uneinbringlich ist eine Geldstrafe jedenfalls dann, wenn eine Zwangsvollstreckung bereits erfolglos versucht wurde. Wurde eine Zwangsvollstreckung noch nicht versucht, darf die Uneinbringlichkeit nur aufgrund der Offenkundigkeit (zB infolge der Insolvenz des Bestraften) oder aufgrund eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens angenommen werden, dessen Ergebnis die Annahme rechtfertigen muss, dass die verhängte Geldstrafe mit hoher Wahrscheinlichkeit uneinbringlich ist (vgl. VfGH 30.11.1979, 8679/1979, mwN). In diesem Ermittlungsverfahren ist daher insbesondere zu prüfen, ob der Bestrafte einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht oder ob er über sonstige Einkünfte oder Vermögen verfügt (vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 54b Rz 7 [Stand 1.5.2017, rdb.at]).

3.       Nach den im Beschwerdeverfahren getroffenen Feststellungen scheint für die Beschwerdeführerin ein Zahlungsrückstand an offenen Geldstrafen und Strafkosten in der Höhe von insgesamt € 10.773,02 auf.

Mit Eingabe vom 2. Jänner 2019 wurde von der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Zahlungserleichterung im Sinne einer Teilzahlungsvereinbarung gestellt. Im Beschwerdeverfahren ist zunächst zu prüfen, ob Uneinbringlichkeit iSd § 54b Abs. 2 VStG vorliegt. Sind die Voraussetzungen des § 54b Abs. 2 VStG gegeben, so ist nämlich für eine Anwendung des Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kein Raum. Im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bzw. für den Fall, dass die Uneinbringlichkeit mit Grund anzunehmen ist, ist einem Antrag auf Zahlungsaufschub nicht stattzugeben. Dies gilt auch hinsichtlich eines Antrags auf Zahlungserleichterungen in Form von Ratenzahlungen (VwGH 19.5.2014, 2013/09/0126).

Uneinbringlichkeit liegt dann vor, wenn der Bestrafte wirtschaftlich außerstande ist, die Geldstrafe zu bezahlen (VfSlg. 12.255/1990), also durch ihre Begleichung der notwendige Unterhalt des Bestraften oder derjenigen Personen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet oder die Erfüllung der Pflicht, einen verursachten Schaden wieder gut zu machen, gefährdet würde. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wobei als Orientierungshilfe jeweils das Existenzminimum herangezogen werden kann. Liegt das Einkommen unter diesem und verfügt der Bestrafte über kein Vermögen, so steht dieser Umstand einer Zwangsvollstreckung der Geldstrafe entgegen – die Geldstrafe ist uneinbringlich (Raschauer/Wessely, VStG § 54b Rz 7; mwN).

4.       Ein Vollstreckungsverfahren im Sinne des § 3 VVG wurde nach den Feststellungen nicht durchgeführt, auch wurde über die Beschwerdeführerin kein Insolvenzverfahren eröffnet oder ist die Uneinbringlichkeit aus sonstigen Gründen offenkundig. Folglich sind die konkreten Einkommens- und Vermögensumstände der Beschwerdeführerin einer näheren Betrachtung zu unterziehen:

4.1.    Die Beschwerdeführerin hat monatliche Einkünfte aus der Pensionsversicherung in der Höhe von € 855,47; dies 14 Mal jährlich. Abgesehen davon hat sie kein weiteres Einkommen oder Vermögen. Für Mietkosten hat die Beschwerdeführerin monatliche Ausgaben in der Höhe von € 214,—. Für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit ist nun das Existenzminimum als Orientierungshilfe heranzuziehen.

Gemäß § 291 EO beläuft sich die Berechnungsgrundlage für das Existenzminimum im Hinblick auf die Einkommenssituation der Beschwerdeführerin auf € 855,47. Gemäß § 291a Abs. 1 EO hat der Beschwerdeführerin von der Berechnungsgrundlage jener Betrag, der den Ausgleichszulagenrichtsatz für allein stehende Personen gemäß § 293 Abs. 1 lit. a ASVG nicht übersteigt, zu verbleiben (allgemeiner Grundbetrag). Für das Jahr 2019 sieht § 293 Abs. 1 lit. a ASVG einen Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen – die Beschwerdeführerin ist nicht verheiratet – in der Höhe von € 933,06 vor. § 291a Abs. 1 EO gilt gemäß § 290b EO auch für Sonderzahlungen, das heißt, auch vom 13. und 14. Monatsbezug ihrer Pension hat der Beschwerdeführerin der unpfändbare Teil von € 933,06 zu verbleiben.

Bei der Beschwerdeführerin liegen somit keine Einkünfte über dem Existenzminimum vor, weshalb von Uneinbringlichkeit iSd § 54b Abs. 2 VStG auszugehen ist.

4.2.    Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, ihre Sonderzahlungen seien bei der Berechnung des Existenzminimums nicht zu berücksichtigen und über das Jahr verteilt dem monatlichen Einkommen hinzuzurechnen.

Unter Zugrundelegung dieser – nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien § 290b EO widersprechenden – Herangehensweise ergäben sich monatliche Einkünfte der Beschwerdeführerin in der Höhe von € 998,05. In diesem Fall würde die Berechnungsgrundlage von € 998,05 den Ausgleichszulagenrichtsatz von € 933,06 um € 64,99 monatlich – und sohin nur geringfügig – übersteigen. Im Hinblick darauf, dass für die Beschwerdeführerin ein Zahlungsrückstand an offenen Geldstrafen und Strafkosten in der Höhe von insgesamt € 10.773,02 aufscheint, ergäbe das einen Rückzahlungszeitraum von mehr als dreizehn Jahren.

Es bliebe zu klären, nach welchem Maßstab die zeitliche Dimension der Einbringlichkeit des Strafbetrags durch Ratenzahlungen zu beurteilen ist. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass eine Ratenzahlung nicht zu bewilligen ist, wenn die Vollstreckungsverjährungsfrist vor Zahlung der gesamten Geldschuld ablaufen würde (vgl. unter vielen VwGH 11.9.2013, 2013/02/0183). Seit der Novelle BGBl. I 57/2018 ist bei Bewilligung eines Antrags auf Teilzahlung – und nicht mehr bloß bei Zahlungsaufschub – die Strafvollstreckung gemäß § 54b Abs. 3 letzter Satz VStG ausdrücklich aufgeschoben; infolgedessen wird diese Zeit gemäß § 31 Abs. 3 Z 2 VStG nicht in die Vollstreckungsverjährungsfrist eingerechnet. Anhand der Vollstreckungsverjährungsfrist kann die erforderliche Höhe von Teilzahlungen daher nicht mehr bemessen werden.

Aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien kann nach der aktuellen Rechtslage bei Einkünften über dem Existenzminimum jedoch nicht automatisch Uneinbringlichkeit iSd § 54b Abs. 2 VStG ausgeschlossen werden. Vielmehr müssen die zu erwartenden Einkünfte und die zu entrichtenden offenen Strafbeträge in einem solchen Verhältnis stehen, dass eine Entrichtung in einer angemessenen Zeitspanne möglich und realistisch erscheint. Was unter einer angemessenen Zeitspanne zu verstehen ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien wird bei der Entrichtung von Strafbeträgen von € 10.000,— in einem Zeitraum von über zehn Jahren die Angemessenheit jedenfalls nicht gewahrt und ist eine Entrichtung über einen derart langen Zeitraum faktisch einer Uneinbringlichkeit gleichzusetzen.

Auch unter Annahme der von der Beschwerdeführerin angeführten Berechnungsmethode ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist folglich von Uneinbringlichkeit iSd § 54b Abs. 2 VStG auszugehen.

4.3.    Insofern die Beschwerdeführerin angibt, zu einer Ratenzahlung von jährlich € 800,— bereit zu sein, ist sie darauf zu verweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht auf die Zahlungsbereitschaft, sondern auf die tatsächliche Einbringlichkeit der Geldstrafe ankommt (vgl. VfGH 30.11.1979, 8679/1979, mwN). Im Übrigen führte die Entrichtung eines Betrags von jährlich € 800,— zu einem ähnlich langen Rückzahlungszeitraum wie eben unter Pkt. III.4.2. geschildert.

5.       Sind die Voraussetzungen des § 54b Abs. 2 VStG gegeben, so ist für eine Anwendung des Abs. 3 par. cit. nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum (vgl. erneut VwGH 22.2.2013, 2011/02/0232). Die Behörde hat folglich dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. Jänner 2019 zu Recht nicht stattgegeben, die dagegen gerichtete Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

6.       Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist zulässig, da – soweit für das Verwaltungsgericht Wien überblickbar – noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54b Abs. 3 iVm § 31 Abs. 3 Z 2 VStG in der Fassung der Novelle BGBl. I 57/2018 vorliegt und sich die zu diesen Bestimmungen in ihrer früheren Fassung ergangene Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf die geltende Rechtslage übertragen lässt. Die Frage der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit im Zusammenhang mit Anträgen auf Teilzahlung nach § 54b Abs. 3 VStG stellt sich zudem in einer Vielzahl ähnlicher Verwaltungsverfahren und hat damit eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, weshalb nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt.

Schlagworte

Vollstreckung; Teilzahlung; Ratenzahlung; Zahlungserleichterung; Zahlungsfähigkeit; Zahlungswilligkeit; Existenzminimum; Zahlungsaufschub; Strafvollstreckung; Uneinbringlichkeit

Anmerkung

VwGH v. 05.06.2020, Ro 2019/04/0228; Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.001.032.5212.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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