TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/8 VGW-151/091/5219/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.2019
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Entscheidungsdatum

08.07.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §47 Abs1
NAG §47 Abs3 Z3 lita
NAG §47 Abs3 Z3 litb
NAG-DV §9a

Text

A.

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Gründel über die Beschwerde des Herrn A. B., geb.: 1998, StA.: Serbien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 19.02.2019, Zl. ..., mit welchem der Antrag vom 10.07.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck „Angehöriger“ gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG sowie § 47 Abs. 3 NAG abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.06.2019

zu Recht e r k a n n t :

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

sowie

B.

den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 17 VwGVG, §§ 76 Abs. 1 und 53b AVG wird dem Beschwerdeführer der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 27. Juni 2019, Zl. ..., mit € 137,— bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2019 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien die genannten Barauslagen durch Banküberweisung auf das Bankkonto mit der Kontonummer IBAN AT16 1200 0006 9621 2729, BIC BKAUATWW, lautend auf "MA6 BA40" mit dem Verwendungszweck "..." binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Zu A.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang:

Mit Antrag vom 10. Juli 2018 begehrte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Angehöriger“ seiner in Österreich lebenden Großmutter mit österreichischer Staatsbürgerschaft.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies die belangte Behörde den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 2019 gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG iVm. § 47 Abs. 3 NAG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die – rechtzeitig erhobene – Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Erteilung des Aufenthaltstitels begehrt.

Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt der Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Auf Aufforderung des Verwaltungsgerichtes Wien legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor. Das Verwaltungsgericht Wien führte am 25. Juni 2019 eine mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer als Partei sowie drei weitere Zeugen befragt wurden.

II.      Sachverhalt

Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Der am ...1998 geborene Beschwerdeführer ist serbischer Staatsbürger. Der Beschwerdeführer hatte bislang noch nie einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet und stellte am 10. Juli 2018 per E-Mail einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu dem Zweck „Angehöriger“. Die persönliche Antragsstellung wurde vom Beschwerdeführer nach Aufforderung zur Behebung von Verfahrensmängeln durch die belangte Behörde nachgeholt.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 – eine entsprechende Deutschprüfung hat er im Februar 2018 abgelegt – und spricht im Übrigen seine Muttersprache Serbisch. Er ist zudem strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist der Enkelsohn seiner zusammenführenden Großeltern. Die Mutter des Beschwerdeführers ist die Tochter der Zusammenführenden. Die Großmutter des Beschwerdeführers ist österreichische Staatsangehörige und ist gemeinsam mit dem Großvater seit Jahrzehnten im Bundesgebiet wohnhaft.

Der Beschwerdeführer hat eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert und hat diese Lehre vor drei Jahren abgeschlossen. In den letzten drei Jahren hat er weder eine Schule besucht, noch eine Ausbildung absolviert, noch gearbeitet. Er hat kein eigenes Einkommen.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind in Serbien wohnhaft und betreiben dort eine eigene Landwirtschaft. Der dort erwirtschaftete Verdienst dient als Lebensunterhalt für die Eltern. Dem Beschwerdeführer wird von den Eltern Verpflegung und Unterkunft zur Verfügung gestellt, darüber hinausgehend wird er von seinen Eltern nicht finanziell unterstützt.

Das offizielle Existenzminimum in Serbien beträgt EUR 126,--.

Die Großeltern des Beschwerdeführers beziehen Leistungen aus der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle ..., der Großvater in Höhe von monatlich EUR 1359,61, die Großmutter in Höhe von monatlich EUR 1459,19, jeweils zuzüglich Sonderzahlungen.

Für den Beschwerdeführer wurde seitens der Großmutter eine Haftungserklärung mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer abgegeben, die am 22. Jänner 2018 notariell beglaubigt wurde.

Der Beschwerdeführer wohnt, wenn er innerhalb der sichtvermerksfreien Zeit in Österreich aufhältig ist, unentgeltlich bei den Eltern seiner Lebensgefährtin in Wien. In diesen Zeiträumen besucht der Beschwerdeführer seine Großeltern in C. regelmäßig. Die Großeltern des Beschwerdeführers reisen rund dreimal jährlich nach Serbien.

Der Beschwerdeführer wird von seinen Großeltern seit einem längeren Zeitraum, jedenfalls jedoch seit Jänner 2016 finanziell unterstützt. Die Übermittlung der Geldbeträge an den Beschwerdeführer variiert zwischen Überweisungen per D., Transfer über das ...unternehmen E. und persönlichen Übergaben.

Zahlungen an den Beschwerdeführer über D. erfolgten am:

20. Jänner 2016 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 200,--,

24. Oktober 2016 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

08. Februar 2017 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 200,--,

22. Februar 2017 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

04. März 2017 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

02. Februar 2018 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

06. Februar 2018 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

26. Februar 2018 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

19. März 2018 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

22. März 2018 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

04. April 2019 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 300,--,

09. Mai 2019 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--,

22. Mai 2019 mit einem Auszahlungsbetrag von EUR 100,--.

Es erfolgten zudem in den Jahren 2017 und 2018 Geldübermittlungen der Großeltern an den Beschwerdeführer durch das ...unternehmen E.. Der ...unternehmensinhaber ist ein entfernter Verwandter der Großeltern. Die Intervalle der Übermittlungen sowie die Höhe der Geldbeträge kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer erhielt ferner während seiner Aufenthalte im Bundesgebiet durch persönliche Übergaben Geld von seinen Großeltern. Die Geldbeträge belaufen sich auf rund EUR 200,-- bis EUR 300,--, die genaue Höhe kann nicht abschließend festgestellt werden. Die Geldzuflüsse sind unabhängig von Geburtstagen und sonstigen feierlichen Anlässen.

Die angeführten finanziellen Zuwendungen dienen zur Finanzierung von Ausflügen und Hobbies, sie werden für Freizeitaktivitäten verwendet.

Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Einholung von Strafregister-, Melderegister-, Fremdenregister- und Sozialversicherungsauszügen, Würdigung des Beschwerdevorbringens und der weiteren im Beschwerdeverfahren vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers, der Mutter der Lebensgefährtin sowie den Großeltern in der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2019.

Die Feststellungen zum Lebenslauf des Beschwerdeführers und seiner familiären Situation sind unstrittig und ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie den damit übereinstimmenden diesbezüglich unbedenklichen Angaben der in der mündlichen Verhandlung Einvernommenen.

Die Feststellungen zur finanziellen Situation des Beschwerdeführers, seiner Eltern sowie der Großeltern ergeben sich im Wesentlichen aus deren eigenen Angaben sowie in Bezug auf die Großeltern aus den vorgelegten Unterlagen im verwaltungsbehördlichen Verfahren.

Die Feststellung zum Existenzminimum in Serbien ergibt sich aus der Staatendokumentation „Serbien“ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2018.

Die Feststellungen zur Leistung von Naturalunterhalt der Eltern an den Beschwerdeführer gründen auf diesbezüglichen glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2019.

Die Feststellungen zur finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch die Großeltern gründen auf den übereinstimmenden und glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie den entsprechenden Unterlagen im Verwaltungsakt, im Konkreten den Überweisungsbelegen von D.. Die Höhe der finanziellen Zuflüsse ergibt sich insbesondere aus den vorgelegten Überweisungsbelegen von D., im Hinblick auf die Höhe der Geldbeträge bei den persönlichen Übergaben aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers und der einvernommenen Großeltern. Letztere konnten in der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2019 auch glaubwürdig darlegen, dass zusätzlich neben persönlichen Übergaben und Übermittlungen über D. auch Geldübergaben über das ...unternehmen E. erfolgten. Insbesondere konnte der Grund der Übermittlungen über das angeführte ...unternehmen anstatt Überweisungen durch D. dargelegt und der dahingehende Ablauf skizziert werden. Die vorgelegte Bestätigung des ...unternehmens über die Intervalle und Höhe der übermittelten Geldbeträge konnte den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden, da das erkennende Verwaltungsgericht die gänzliche Richtigkeit der Angaben aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses des ...unternehmensinhabers zum Beschwerdeführer sowie der zeitlichen Entfernung zwischen der Ausstellung der Bestätigung und Durchführung der Übermittlungen in Zweifel zieht. Auch wurden dem Beschwerdeführer vom ...unternehmen nie Bestätigungen über die Übernahme ausgestellt. Die Feststellungen zur Verwendung der finanziellen Zuwendungen gründen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2019.

Die Feststellungen zur Wohn- und Kontaktsituation ergeben sich aus den im Verwaltungsakt vorhandenen Unterlagen, insbesondere aus der Wohnrechtsvereinbarung sowie den diesbezüglichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und der einvernommenen Zeugen.

Die Feststellungen zur persönlichen Antragsstellung, der strafrechtlichen Unbescholtenheit sowie der Deutschkenntnisse ergeben sich aus den im Verwaltungsakt vorhandenen Unterlagen.

Die Feststellungen zum Voraufenthalt der Großeltern in Österreich gründen auf Melderegisterauszügen sowie diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2019.

III.     Rechtliche Beurteilung

Rechtslage:

§ 47 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I. Nr. 68/2013, lautet auszugsweise:

„Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

[…]

(3) Angehörigen von Zusammenführenden kann auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a)   die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

b)   die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c)   bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

[…]“

§ 9a der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV, BGBl. II Nr. 451/2005 idF BGBl. II Nr. 229/2018, lautet auszugsweise:

„Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 bis 6 und 9 bis 11 NAG

§ 9a. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 bis 6 und 9 bis 11 NAG folgende weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen: 

[…]

3. für eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“:

a)   Haftungserklärung des Zusammenführenden;

b)   im Fall des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG: Nachweis über die Art und den Umfang der Unterhaltsleistung;

c)   im Fall des § 47 Abs. 3 Z 2 NAG: Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem Zusammenführenden im Herkunftsstaat und Nachweis über die Art und den Umfang der Unterhaltsleistung;

d)   im Fall des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG: Nachweis über die Art und den Umfang sowie den Zeitraum des bereits geleisteten Unterhalts;

e)   im Fall des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. b NAG: Nachweis über die häusliche Gemeinschaft im Herkunftsstaat;

f)   im Fall des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. c NAG: Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe und Nachweis über die zwingende Erforderlichkeit der persönlichen Pflege durch den Zusammenführenden.

[…]“

Der Beschwerdeführer begehrt einen Aufenthaltstitel zum Zweck „Angehöriger“. Für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels muss er neben den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 47 NAG erfüllen.

§ 47 Abs. 3 Z 3 lit. a und lit. b NAG sehen vor, dass ein Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger“ nur dann erteilt werden kann, wenn sonstige Angehörige des Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat vom Zusammenführenden Unterhalt bezogen haben oder bereits im Herkunftsstaat mit dem Zusammenführenden in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und sie die Voraussetzungen des ersten Teiles erfüllen (vgl. ebenso § 9a Z 3 lit. d und e NAG-DV).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21. September 2017, Ra 2017/22/0009, ausgesprochen, dass ein Familiennachzug im Sinn des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG voraussetzt, dass der Nachziehende während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen ist und ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Zusammenführenden und dem Nachziehenden besteht. Nach der ständigen hg. Judikatur reicht es jedoch nicht aus, wenn irgendwann vor Antragstellung im Herkunftsland Unterhalt bezogen wurde, sondern der Nachziehende muss bis zuletzt auf die Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden angewiesen sein.

Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. November 2015, Ro 2015/22/0005, zu einem vergleichbaren Fall Folgendes ausgesprochen:

„[…]Der Verwaltungsgerichtshof hat festgehalten, dass für den Nachweis zu Art, Umfang und Zeitraum des vom Zusammenführenden bereits geleisteten Unterhalts (im Sinn dieser Tatbestandsvoraussetzung) alle sonst im Verwaltungsverfahren in Betracht kommenden Beweismittel verwertet werden können (siehe das Erkenntnis vom 24. Oktober 2011, 2009/21/0277, mwN). Im Rahmen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG sind die tatsächlichen Gegebenheiten ausschlaggebend (siehe das Erkenntnis vom 21. Juni 2011, 2008/22/0825; das Bestehen einer Rechtspflicht zur Leistung von Unterhaltszahlungen wird nicht vorausgesetzt).

[…]

Dass die Leistungserbringung nicht auf Bargeld beschränkt ist, sondern auch die Zurverfügungstellung von Wohnraum sowie eines Fahrzeuges beinhaltet, verhindert die Einstufung als Unterhaltsleistung nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG hinsichtlich der Leistungsform, in der Unterhalt erbracht werden kann, eine vom allgemeinen zivilrechtlichen Verständnis abweichende Regelung enthalten soll (siehe zur Erbringung von Unterhalt durch Naturalunterhalt etwa die Nachweise bei Tades/Hopf/Kathrein/Stabentheiner, ABGB I § 140 E 84 ff; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 7. September 1989, 88/16/0022).

[…]

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Gesetzgeber bei der Familienzusammenführung nach § 47 Abs. 3 NAG in erster Linie jene Angehörigen im Blick hatte, die während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen sind (siehe das Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, 2009/22/0357). Mit der Bestimmung des § 47 Abs. 3 NAG soll nur jenen Angehörigen die Möglichkeit des Familiennachzuges eingeräumt werden, bei denen ein - in den Fällen des § 47 Abs. 3 NAG näher definiertes, aber nicht zwingend finanzielles - Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zusammenführendem und Nachziehendem gegeben ist (siehe das Erkenntnis vom 26. Juni 2012, 2009/22/0126). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass hinsichtlich der Leistungserbringung Unterhaltsleistungen von freiwilligen Zuwendungen abzugrenzen sind (wobei letztere den Tatbestand des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG nicht erfüllen; siehe dazu das Erkenntnis des VwGH vom 13. November 2012, 2012/22/0168).

Aus der zitierten Rechtsprechung geht somit eindeutig hervor, dass die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG nicht erfüllt sind, wenn es sich bei den finanziellen Zuflüssen um freiwillige Zuwendungen handelt, die keinen maßgeblichen Beitrag zur Bestreitung des Unterhalts darstellen. Für Serbien liegt das aktuelle Existenzminimum bei EUR 126,--. Dem Beschwerdeführer wird Verpflegung und Unterkunft von den Eltern in Serbien zur Verfügung gestellt. Die Leistung der Eltern in Form von Naturalunterhalt ist iSd zitierten Rechtsprechung jedenfalls als Unterhalt zu qualifizieren. Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungsgerichts wird der Unterhalt somit maßgeblich durch die Eltern des Beschwerdeführers abgedeckt, der Beschwerdeführer kann durch die zur Verfügung gestellte Verpflegung und Unterkunft seine Grundbedürfnisse decken. Die finanzielle Unterstützung durch die Großeltern wird vom Beschwerdeführer für Ausflüge und Hobbies, somit für Freizeitaktivitäten verwendet. Ein maßgeblicher Beitrag zur Bestreitung des Unterhalts kann darin nicht erblickt werden. Es handelt sich hierbei um freiwillige Zuwendungen, die nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unter § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG zu subsumieren sind.

Abschließend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer ferner im Herkunftsstaat mit der Zusammenführenden nicht in häuslicher Gemeinschaft iSd § 47 Abs. 3 Z 3 lit. b NAG gelebt hat. Maßgeblich dafür sind die zuletzt vor dem Verlassen des Heimatstaates gegebenen Verhältnisse (vgl. die VwGH Entscheidung vom 24. Oktober 2007, 2006/21/0357). In Anbetracht des langjährigen Aufenthaltes der Zusammenführenden in Österreich erfüllt der Beschwerdeführer die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. b NAG nicht.

Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 47 NAG sind sohin nicht erfüllt.

Bei Fehlen einer für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels notwendigen besonderen Erteilungsvoraussetzung muss weder das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen geprüft, noch eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG vorgenommen werden (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0065, uva).

Weiters ist nach dem Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 15. November 2011 in der Rechtssache C-256/11, Murat Dereci u.a. zu berücksichtigen, ob eine österreichische Ankerperson eines drittstaatsangehörigen Antragstellers bei Nichtgewährung des von diesem begehrten Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. In dieser Entscheidung hob der EuGH auch mehrfach hervor, dass der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein. Art. 20 AEUV stehe nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern (hier der österreichischen Ankerperson) der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird (vgl. Rz 62 der genannten EuGH-Entscheidung).

Mit dieser Entscheidung in der Rechtssache Dereci präzisierte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung (insbesondere in der Rs. Zambrano, C-34/09) und folgerte, „dass sich das Kriterium der Verwehrung des Kernbestandes der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, auf Sachverhalte bezieht, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes.“ (vgl. Rz 66 der genannten EuGH-Entscheidung Dereci). Ein Aufenthaltsrecht darf dieser Entscheidung zu Folge einem drittstaatszugehörigen Familienangehörigen eines Österreichers nicht verwehrt werden, wenn die österreichische Ankerperson im Falle der Verweigerung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 2 oder 3 NAG für den drittstaatszugehörigen Antragsteller de facto gezwungen wäre, sowohl Österreich als auch das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. In einem derartigen Fall würde die Nichtgewährung des Aufenthaltsrechts bedeuten, dass die Unionsbürgerschaft der österreichischen Ankerperson ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde. Als Anhaltspunkte für die maßgebliche Frage, unter welchen tatsächlichen Gegebenheiten ein Antragsteller de facto gezwungen ist, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, erläutert der EuGH, dass die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitgliedstaates aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Europäischen Union wünschenswert erscheinen könnte, für sich genommen nicht die Annahme rechtfertigt, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (vgl. EuGH, Rechtssache Dereci, C-256/11, Rz 68 bzw. VwGH vom 19. Jänner 2012, ZI. 2011/22/0313 sowie VwGH vom 19. Jänner 2012, ZI. 2011/22/0312).

Der Beschwerdeführer ist Enkelkind einer österreichischen Staatsbürgerin. Aus der Aktenlage ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass sich die Großmutter des Beschwerdeführers in einer Ausnahmesituation befindet, die bei Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer bedeuten würde, dass die zusammenführende Ankerperson de facto gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist als bloßer Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich zu werten bzw. liegen diesem Begehren überwiegend wirtschaftliche Überlegungen zu Grunde. Weder der bloße Wunsch nach einem Zusammenleben in Österreich, noch wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen jedoch für sich genommen die Annahme eines de facto Zwanges im oben genannten Sinn. Weitere besondere Umstände, die auf eine Ausnahmesituation schließen lassen könnten, wurden weder vorgebracht, noch ergeben sich diese unmittelbar aus dem Akteninhalt. Insbesondere ist festzuhalten, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers in Serbien aufhältig ist und der Beschwerdeführer von seinen Eltern in Serbien mit Unterkunft und Verpflegung versorgt wird. Dies spricht gegen die Annahme, dass hier ein Eingriff in den Kernbestand der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, erfolgen könnte. Im Hinblick auf diese Ausführungen stehen die aus Art. 20 AEUV erfließenden Rechte der Verweigerung eines Aufenthaltstitels im konkreten Fall sohin nicht entgegen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtmäßig, die dagegen gerichtete Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47 Abs. 3 Z 3 ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Zu B.

Begründung

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine klare und verlässliche Verständigung in einer mündlichen Verhandlung zu gewährleisten (vgl. VwGH 19.3.2014, 2013/09/0109). Insoweit hat die antragstellende Partei für die in Rechnung gestellten Gebühren von zu diesem Zweck beizuziehenden nichtamtlichen Dolmetschern aufzukommen (vgl. zur Tragung allfälliger Kosten für die zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts erforderlichen Amtshandlungen das Erkenntnis des VwGH vom 20.9.2012, 2010/06/0108).

Die Übersetzung in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2019 war auf Grund der nicht ausreichenden Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers für eine gänzlich unbeeinträchtigte Verständigung sowie zur verlässlichen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts erforderlich.

Dem Verwaltungsgericht Wien stand eine amtliche Dolmetscherin oder ein amtlicher Dolmetscher für die serbische Sprache nicht zur Verfügung. Für die mündliche Verhandlung hat es daher eine externe Person zur Übersetzung beigezogen.

Der Dolmetscher legte in der Verhandlung am 25. Juni 2019 seine Gebührennote, diese wurde der Verfahrenspartei vorgelegt; dagegen wurden keine Einwendungen erhoben.

Die in der Gebührennote (nach dem Gebührenanspruchsgesetz – GebAG, BGBl. 136/1975) verzeichneten Gebühren hat das Verwaltungsgericht Wien geprüft und in der im Spruch genannten Höhe für in Ordnung befunden. Die Buchhaltungsabteilung der Stadt Wien wurde zur Bezahlung der Gebühr aus Amtsmitteln angewiesen (vgl. zu alldem § 53b in Verbindung mit § 53a Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 erster Satz AVG).

Gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 erster und zweiter Satz sowie § 53b AVG hat die beschwerdeführende Partei für diese Barauslagen aufzukommen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47 Abs. 3 NAG ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Besondere Erteilungsvoraussetzungen; Familiennachzug; Zusammenführender; Angehöriger; Unterhaltsleistung; freiwillige Zuwendungen; häusliche Gemeinschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.091.5219.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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