TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/26 LVwG-S-951/001-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2019
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Entscheidungsdatum

26.06.2019

Norm

AVG 1991 §71
ZustG §17
VwGVG 2014 §27
ABGB §1332

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Mag. Janak-Schlager als Einzelrichter über die Beschwerde des A in *** gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 12.03.2019, Zl. ***, mit welchem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass dieser zu lauten hat wie folgt:

„Ihr Antrag vom 20.12.2017 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 09.03.2017, ***, wird gemäß § 71 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) als verspätet zurückgewiesen.“

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.03.2019, ZI. ***, wurde der Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 20.12.2017 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde unter Anführung der wesentlichen Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens aus, dass das Straferkenntnis vom 09.03.2017 ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Der Strafbescheid sei nach einem Zustellversuch am 20.03.2017 durch die Post ab 21.03.2017 in der örtlichen Postfiliale hinterlegt und zur Abholung bereitgehalten worden. Infolge Nichtbehebung innerhalb der 14-tägigen Abholfrist sei dieser am 13.04.2017 mit dem Postvermerk „Nicht behoben“ ordnungsgemäß an die belangte Behörde zurückgesandt worden.

Die von der belangten Behörde durchgeführte Prüfung des Zustellverfahrens samt zweimaliger Einvernahme des Zustellorganes habe ergeben, dass eine ordnungsgemäße Zustellung erfolgt sei.

Zudem sei keiner der in § 71 Abs 1 AVG angeführten Wiedereinsetzungsgründe gegeben gewesen, da das Straferkenntnis ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Es wäre daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und beantragte, den Bescheid zu beheben und auf die Ergänzung des Verfahrens in Form der Stattgebung des Antrages auf Neuzustellung des Straferkenntnisses vom 09.03.2017 zu erkennen, in eventu dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben und die Neuzustellung des Straferkenntnisses zu verfügen.

Begründend führte er dazu im Wesentlichen aus, dass sein immer noch aufrechter Antrag auf Neuzustellung des Straferkenntnisses von der nunmehr angefochtenen Entscheidung unberührt und unerledigt geblieben sei, was ausdrücklich als Verfahrensmangel geltend gemacht werde. Der Bescheid sei in dieser Hinsicht unvollständig und mangelhaft, da über den ursprünglichen Antrag auf Neuzustellung nicht entschieden worden sei.

Zudem habe die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag aus rein formalen Gründen abgewiesen und sich dabei weder mit seinem Sachvorbringen noch mit der Aussage des Zustellorganes auseinandergesetzt. Insbesondere habe die belangte Behörde nicht begründet, worauf sich die getroffenen Feststellungen stützen würden.

Das Straferkenntnis sei ihm jedenfalls aus Gründen oder Umständen, die er nicht zu vertreten habe, nicht zugekommen. Der Beschwerdeführer sei somit durch einen fehlerhaften Zustellvorgang oder ein sonstiges, für ihn nicht vorhersehbares und unabwendbares Ereignis an der Empfangnahme des Strafbescheides gehindert worden.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 09.04.2019 wurde der Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.

Da diese Beschwerde nicht zurückzuweisen bzw. das Beschwerdeverfahren nicht einzustellen war, hatte das Landesverwaltungsgericht NÖ darüber gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

Vom erkennenden Gericht wurde am 19.06.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und der Beschwerdeführer zum Sachverhalt befragt.

Der nachfolgende entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich zunächst aus dem vorliegenden unbedenklichen Verfahrensakt der belangten Behörde zur Geschäftszahl ***.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 09.03.2017, ***, wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 03.08.2015, um 21:05 Uhr, im Ortsgebiet von *** den PKW mit dem behördlichen Kennzeichen *** auf einer öffentlichen Verkehrsfläche nächst der ***, vor dem Anwesen ***, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt.

Dem Beschwerdeführer wurde damit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) angelastet. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe gemäß § 99 Abs 1b StVO von 800 Euro verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 168 Stunden festgesetzt. Gleichzeitig wurde gemäß § 64 Abs 2 VStG ein Kostenbeitrag zum Verfahren der Verwaltungsstrafbehörde in der Höhe von 80 Euro vorgeschrieben.

Dieses Straferkenntnis wurde nach einem am 20.03.2017 an der Abgabestelle des Beschwerdeführers in ***, ***, durchgeführten Zustellversuch am 21.03.2017 in der Postfiliale *** hinterlegt und zur Abholung bereitgehalten. In weiterer Folge wurde das Dokument von der Post am 13.04.2017 an die belangte Behörde als nicht behoben retourniert.

Infolge einer an ihn mit Mahnschreiben der belangten Behörde vom 02.06.2017 gerichteten Aufforderung, die mit rechtskräftigem Strafbescheid vom 09.03.2017, Zl. ***, vorgeschriebene Geldleistung von 880 Euro binnen zwei Wochen zur Einzahlung zu bringen, beantragte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 08.06.2017 die neuerliche Zustellung des genannten Strafbescheides. In seinem Antrag führte er dazu zusammengefasst aus, dass ihm der Strafbescheid völlig unbekannt sei und an ihn seit dem Jahr 2016 keine wie immer geartete Zustellung eines Schriftstückes der belangten Behörde erfolgt sei. In Kenntnis des gegen ihn anhängigen Verfahrens überwache er besonders sorgfältig den Posteingang und hätte die Poststücke genau durchgesehen, um allfällige Säumnisfolgen zu vermeiden sowie fristgerecht Anträge stellen zu können. Er hätte weder persönlich, noch im Wege der Behebung beim Postpartner *** einen Strafbescheid der belangten Behörde übernommen. Ihm sei auch keine wie immer geartete Verständigung von einer allfälligen Hinterlegung zugegangen. Ihm wäre daher jegliche Möglichkeit genommen worden, in den Strafbescheid Einsicht zu nehmen und gegebenenfalls ein Rechtsmittel zu ergreifen. Er wäre auch nie von der mit der Zustellung betrauten Person davon verständigt worden, dass an ihn eine eigenhändige Zustellung erfolgen solle. Die Existenz eines Strafbescheides wäre ihm demnach bis heute nicht bekannt.

Seitens der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.06.2017 die Exekution des offenen Betrages angedroht. Mit Schreiben vom 04.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer eine chronologische Übersicht zur Zustellung des Straferkenntnisses vom 09.03.2017 samt Hinweis über die Rechtswirksamkeit einer Zustellung durch Hinterlegung übermittelt. Mit Schreiben vom 30.08.2017 – in dem von Seiten der belangten Behörde mitgeteilt wurde, dass im Hinblick auf den ordnungsgemäßen Zustellvorgang beabsichtigt sei, den Antrag auf neuerliche Zustellung abzuweisen – wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, geeignete Tatsachen vorzubringen und Beweismittel beizubringen, die „einen Antrag über die mangelhafte Zustellung zur Wiederaufnahme rechtfertigen“ würden.

Der Beschwerdeführer replizierte darauf mit seinen Schreiben vom 03.07.2017, vom 09.07.2017 und vom 20.09.2017, in welchen er seinen Antrag vom 08.06.2017 aufrecht hielt und im Wesentlichen ausführte, dass der gesamte Zustellvorgang mangelhaft und nichtig sei. Er zweifelte an, dass die Verständigung von der Hinterlegung ordnungsgemäß in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei, zumal er den Eingang von Poststücken stets mehr als sorgfältig überwacht habe. Er beantrage daher seine Einvernahme sowie die Einvernahme des Zustellorgans zu den Details der fraglichen Zustellung.

Mit Bescheid vom 05.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Neuzustellung des Straferkenntnisses wegen entschiedener Sache zurück und führte dazu begründend aus, dass das Straferkenntnis rechtskonform zugestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid – und unter ausdrücklicher Berufung auf diesen – stellte der Beschwerdeführer am 20.12.2017 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte begründend aus, dass er durch einen gesetzwidrigen Zustellvorgang bis zu diesem Zeitpunkt an der Inempfangnahme des Strafbescheides und der allfälligen Erhebung eines Rechtsmittels gehindert gewesen wäre. Sämtliche angebotenen Beweise seien übergangen und Anträgen sei lediglich mit der Begründung entgegengetreten worden, dass der Zustellvorgang rechtens gewesen wäre.

Unabhängig vom Wiedereinsetzungsantrag erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.01.2018 zudem Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.12.2017, der vom LVwG Niederösterreich mit Erkenntnis vom 10.07.2018, Zl. LVwG-S-193/001-2018, wegen Anwendung einer falschen Rechtsgrundlage Folge gegeben und der Bescheid aufgehoben wurde.

Im Zuge des im Zusammenhang mit dem Wiedereinsetzungsantrag durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde von der belangten Behörde der Zusteller als Zeuge über den Zustellvorgang einvernommen. Dieser gab im Wesentlichen an, seit 31 Jahren bei der Post als Zusteller tätig zu sein und die Gegebenheiten an der Abgabestelle des Beschwerdeführers sehr gut zu kennen. Es gebe dort zwei Briefkästen, wovon einer, der zusätzlich mit einer Zeitungsrollenvorrichtung versehen sei, dem Beschwerdeführer gehöre. Die Zustellung am 20.03.2017 sei wie immer routinemäßig und korrekt durchgeführt worden. Nachdem auf das Läuten niemand geöffnet habe, habe er den Hinterlegungsschein in den Postkasten des Beschwerdeführers gegeben. Der Zeuge betonte, dass er prinzipiell Hinterlegungsscheine in den Briefkasten und nicht in Zeitungsrollenvorrichtungen lege. Den Behördenbrief habe er nach Rückkehr auf der Zustellbasis bearbeitet. Danach werde der fertig ausgefüllte Rückscheinabschnitt an die Behörde zurückgesandt und das Rückscheinbriefkuvert nach Bearbeitung am Computer am nächsten Tag auf das Postamt weitergeleitet. Ergänzend gab der Zusteller in der Befragung an, dass ihn der Beschwerdeführer schon seinerzeit bezüglich der Zustellung wegen eines Verfahrens angesprochen habe und er ihm schon damals mitgeteilt habe, dass alles korrekt zugestellt worden sei, was für den Beschwerdeführer zum Zustellen gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer gab dazu bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde an, den Zusteller schon lange zu kennen. Ungefähr im Mai oder Juni 2018 sei ein gelber Posthinterlegungsschein bei ihm im Innenhof durchnässt am Boden geklebt, woraufhin er den Zusteller darauf hingewiesen habe, Hinterlegungsbenachrichtigungen nicht in die Zeitungsrolle mit Werbematerial zu geben. Erst in der Folge, also ab Sommer 2018, hätte der Zusteller Hinterlegungsbenachrichtigungen in den Briefkasten gegeben, die Jahre davor jedoch in die Zeitungsrolle. Insofern wolle er die diesbezügliche Aussage des Zustellers richtigstellen. Zum Zeitpunkt der Zustellung und Hinterlegung des Straferkenntnisses sei er immer ortsanwesend gewesen.

Zu den Angaben des Beschwerdeführers wurde der Zusteller von der belangten Behörde nochmals als Zeuge einvernommen. Er gab dazu im Wesentlichen an, von jeher zunächst an der Haustür geläutet zu haben um die persönliche Zustellung vorzunehmen. Wenn niemand geöffnet habe, habe er probiert, ob die Eingangstüre offen war, sei in den Vorraum hineingegangen und habe gerufen. Gegebenenfalls habe er dann auch Postzustellungsschriftstücke auf dem Kühlschrank im Vorraum abgelegt. Falls die Tür abgesperrt war, habe er Hinterlegungsmitteilungen und Benachrichtigungen mit einem Klebeband an der Eingangstüre angeklebt oder in den Briefkasten des Beschwerdeführers, aber nicht in die Zeitungsrolle, eingelegt. Wenn andere Zustelldienste oder vertretende Kollegen dies anders machen würden, sei dies nicht seine Verantwortung. Ergänzend führte der Zusteller an, dass teilweise namentlich adressierte Briefe mit Werbecharakter in der Zeitungsrolle vorhanden gewesen seien. Aber augenscheinlich wichtige Korrespondenz erhalte der Beschwerdeführer immer in den Briefkasten.

Mit Bescheid vom 12.03.2019 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge gegeben, wobei die belangte Behörde begründend ausführte, dass die Prüfung ein ordnungsgemäßes Zustellverfahren ergeben habe und somit kein Anrecht auf Neuzustellung des ordnungsgemäß zugestellten Straferkenntnisses vom 09.03.2017 bestehe. Insofern sei auch keiner der in § 71 Abs 1 AVG angeführten Wiedereinsetzungsgründe gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich das nunmehrige Rechtsmittel des Beschwerdeführers.

Das Straferkenntnis vom 09.03.2017 ist dem Beschwerdeführer bisher nicht zugekommen, unter anderem auch deshalb, da der Beschwerdeführer laut Aktenvermerk vom 17.12.2018 die Entgegennahme einer Kopie des Straferkenntnisses anlässlich seiner Einvernahme am 11.12.2018 ablehnte.

Bei seiner Befragung vor dem erkennenden Gericht am 19.06.2019 gab der Beschwerdeführer dazu an, dass er nicht gewusst habe, ob er das Straferkenntnis annehmen dürfe. Er sei ohne Rechtsberatung gewesen, habe nichts falsch machen wollen und daher die Entgegennahme abgelehnt. Der Beschwerdeführer bekräftigte nochmals, dass er die Verständigung über den Zustellversuch vom 20.03.2017, betreffend das Straferkenntnis vom 09.03.2017, nicht erhalten habe. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe er deshalb erst am 20.12.2017 eingebracht, da er die rechtliche Beratung durch einen Freund in Anspruch genommen und dieser vorerst die Beantragung der Neuzustellung des Straferkenntnisses empfohlen habe. Bei der Behörde selbst habe er diesbezüglich keine Erkundigungen eingeholt.

Folgender Sachverhalt wird vom erkennenden Gericht als erwiesen angenommen:

Das Straferkenntnis wurde nach einem am 20.03.2017 durchgeführten Zustellversuch samt ordnungsgemäßer Hinterlegung eines Zustellscheins in den dafür vorgesehenen Briefkasten mit 21.03.2017 in der Postfiliale *** zur Abholung hinterlegt und wurde am 13.04.2017 von der Post an die belangte Behörde als nicht behoben retourniert. Dies ergibt sich aus dem im Akt vorliegenden ordnungsgemäß ausgefüllten Rückschein sowie den schlüssigen Angaben des Zustellorgans im Zuge seiner zweimaligen Zeugeneinvernahme. Die Ausführungen des Beschwerdeführers vermögen mangels Konkretisierung keine hinreichenden Zweifel an den Zeugenaussagen des Zustellorgans zu begründen.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer ihre Rechtsansicht betreffend die Rechtswirksamkeit der Zustellung wiederholt, insbesondere mit den Schreiben vom 04.07.2017 sowie vom 30.08.2017, unmissverständlich mitgeteilt. Dies ergibt sich aus dem Akteninhalt und wird insbesondere auch vom Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingewandt.

Rechtlich ist dazu Nachfolgendes auszuführen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) lauten:

㤠71. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1.   die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.   die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG) lauten:

㤠17. Hinterlegung

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten:

„§ 27. Prüfungsumfang

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 71 Abs 1 AVG die Versäumung einer Frist, durch die die Partei einen Rechtsnachteil erleidet. Versäumt ist eine Frist, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist (VwGH 2011/05/0076 mwN). Eine Versäumung kann nicht eintreten, wenn die Zustellung des Schriftstückes nicht rechtswirksam, das heißt unter Einhaltung der Bestimmungen des Zustellgesetzes erfolgt ist (VwGH 92/12/0018). Eine rechtswirksame Zustellung ist somit formelle Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Nach § 17 Abs 1 ZustG erfolgt die Zustellung durch Hinterlegung, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Da der Beschwerdeführer keine Ortsabwesenheit geltend machte und zudem anlässlich der Vernehmung am 11.12.2018 angab, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung und Hinterlegung des Straferkenntnisses immer ortsanwesend war, war die Zustellung richtigerweise durch Hinterlegung vorzunehmen.

Gemäß Abs 2 leg cit ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen, wobei die Verständigung in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung einzulegen ist. Aus dem von der belangten Behörde durch Zeugenbefragung festgestellten Sachverhalt ergibt sich kein Anhaltspunkt, der berechtigte Zweifel an einer ordnungsgemäßen Hinterlassung des Hinterlegungsnachweises begründet. Nach der Rechtsprechung des VwGH hängt die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges auch nicht davon ab, dass dieser dem Zustellempfänger zur Kenntnis gelangt (VwGH 2013/05/0175 und 2004/04/0033). Zudem hat gemäß § 17 Abs 4 ZustG weder eine allfällige Beschädigung noch die Entfernung der Hinterlegungsanzeige Einfluss auf die Gültigkeit der Zustellung. Darin kann allenfalls ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß den §§ 71 und 72 AVG liegen; die Unwirksamkeit der Zustellung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden (VwGH Ra 2015/08/0213).

Auf Grundlage des von der belangten Behörde im Ermittlungsverfahren schlüssig festgestellten Sachverhaltes ergibt sich unter Verweis auf die oben zitierte ständige Rechtsprechung, dass der Strafbescheid mit 21.03.2017 ordnungsgemäß und rechtswirksam zugestellt wurde und an diesem Tag die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen hat sowie in der Folge ungenutzt verstrichen ist. Somit ist ein Fristversäumnis iSd § 71 Abs 1 AVG gegeben.

In seinem – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Bescheid vom 05.12.2017 – erhobenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt der Beschwerdeführer als einzigen Grund für das Versäumen der Frist einen gesetzwidrigen Zustellvorgang an und führt ergänzend aus, dass seinen Anträgen von der belangten Behörde lediglich mit der Begründung entgegengetreten worden sei, dass der Zustellvorgang rechtens gewesen wäre.

Im Hinblick auf die festgestellte Rechtswirksamkeit der Zustellung kommt als Wiedereinsetzungsgrund somit lediglich ein Irrtum über das Wirksamwerden der Zustellung in Frage.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kann ein Irrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs 1 Z 1 AVG darstellen (VwGH 2005/07/0020 mwN). Dies gilt auch für Rechtsirrtum bzw. Unkenntnis der Rechtslage (VwGH 2005/12/0237 mwN).

Voraussetzung für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung ist dabei allerdings, dass die Partei kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Unter einem minderen Grad des Versehens ist nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen, die dann vorliegt, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG §71 Rz 40 (2009) mwN). Die Partei ist im Rahmen der ihr im konkreten Fall zumutbaren Sorgfaltspflicht gehalten, allfällige Unklarheiten über die möglichen bzw. zu ergreifenden Maßnahmen gegen einen rechtskräftigen Bescheid durch Einholung von Informationen bei Rechtskundigen oder bei der Behörde zu beseitigen (VwGH 95/19/0637 mwN).

Wie sich schon aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergibt, wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde wiederholt der Standpunkt kommuniziert, dass der Zustellvorgang rechtmäßig gewesen sei. Aus dem Verfahrensakt ergibt sich, dass die belangte Behörde diese Rechtsansicht dem Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 04.07.2017 mitgeteilt hat. Konkret wird in diesem Schreiben nach Ausführungen zum Zustellvorgang ausgeführt: „Mit der Hinterlegung gilt ein Schreiben als zugestellt und ist das Straferkenntnis *** am 04.04.2017 in Rechtskraft erwachsen“. Im Rahmen der ihn treffenden Sorgfaltspflichten wäre der Beschwerdeführer daher ab diesem Zeitpunkt gehalten gewesen, entsprechende Maßnahmen zu setzen oder allfällig weitere Informationen bei der Behörde einzuholen, sodass in Folge nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens iSd genannten Bestimmung ausgegangen werden kann.

Gleichzeitig ist dieser Zeitpunkt auch für die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ausschlaggebend. Gemäß § 71 Abs 2 AVG ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 Abs 1 Z 1 leg. cit. binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Im Falle, dass das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum besteht, ist dabei der Zeitpunkt relevant, in dem die Partei den Irrtum erkennt oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen musste (VwGH 2000/01/0409 mwN). Eine – wenn auch nicht in Bescheidform ergangene – schriftliche behördliche Auskunft über die Rechtwirksamkeit einer Zustellung stellt bei einem objektiven Sorgfaltsmaßstab jedenfalls ein Ereignis dar, bei dem eine Partei bei gehöriger Aufmerksamkeit ihren Irrtum erkennen musste.

Somit ist im Ergebnis festzuhalten, dass mit der Mitteilung vom 04.07.2017, in der die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ihre Rechtsansicht über die Rechtswirksamkeit der Zustellung ausdrücklich zur Kenntnis brachte, der Beschwerdeführer seinen Irrtum erkennen musste und damit das Hindernis betreffend die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weggefallen ist. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 20.12.2017 wurde daher nicht innerhalb der in § 71 Abs 2 AVG vorgesehenen Frist eingebracht.

Weitere Wiedereinsetzungsgründe wurden vom Beschwerdeführer weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Ergänzend wird zudem festgehalten, dass der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag – abgesehen von der Bezugnahme auf den Bescheid der belangten Behörde vom 05.12.2017 – auch keine anderweitig geeigneten Angaben zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages macht und somit auch seiner Obliegenheit, die Rechtzeitigkeit zu behaupten bzw. glaubhaft zu machen nicht im erforderlichen Maße entsprochen hat (VwGH 99/05/0018 mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor den Verwaltungsgerichten – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH Ra 2014/06/0055 mwN; vgl auch Th. Müller, in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 27 Rz 5 mwN). Geht ein Verwaltungsgericht über diese Grenzen hinaus („Überschreitung der Sache“), belastet es seine eigene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit und verletzt auch das Grundrecht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VwGH Ra 2016/11/0044 mwN).

Die belangte Behörde hat im Spruch ihres Bescheides vom 12.03.2019 durch die Formulierung „Ihrem Antrag […] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Neuzustellung des Straferkenntnis […] wird […] keine Folge gegeben“ deutlich erkennbar lediglich über die Frage der Wiedereinsetzung abgesprochen. Gegenstand des Verfahrens vor dem erkennenden Gericht war somit lediglich die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages.

Hinsichtlich des in der Beschwerde im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung gestellten Antrages auf (neuerliche) Zustellung des Straferkenntnisses vom 09.03.2017 bleibt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine Entscheidung verwehrt, wiewohl hierzu in inhaltlicher Sicht auf die Ausführungen zur Rechtswirksamkeit der ursprünglichen Zustellung im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung für den Wiedereinsetzungsantrag hinzuweisen ist.

Im Ergebnis war der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand somit kein Erfolg beschieden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die Entscheidung, wie aus den im Erwägungsteil angeführten Entscheidungsgründen samt Judikaturnachweisen hervorgeht, nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Wiedereinsetzung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.951.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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