TE Vwgh Erkenntnis 2019/3/22 Ra 2017/04/0038

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Veröffentlicht am 22.03.2019
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Index

97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §2 Z10
BVergG 2006 §320
BVergG 2006 §325

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Landes Niederösterreich vertreten durch die Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. Februar 2017, Zl. LVwG-VG-2/002-2016, betreffend ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: S GmbH in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Schweinhammer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1b/17), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 1. Die revisionswerbende Partei schloss am 26. Mai 2015 mit vier Unternehmen nach Durchführung eines Vergabeverfahrens im Oberschwellenbereich eine Rahmenvereinbarung für die Dienstleistung "Wäscheversorgung und Bewohnerwäsche für die niederösterreichischen Landespflegeheime". Der Abruf aus der Rahmenvereinbarung erfolgt in fünf Tranchen, wobei jede Tranche aus mehreren Losen besteht.

2 Mit Bekanntmachung vom 21. September 2016 erfolgte - an die vier Parteien der Rahmenvereinbarung gerichtet - ein erneuter Aufruf zum Wettbewerb für die Tranche 3 bestehend aus den Losen H und I. Zuschlagskriterien waren der Preis (60%) und ein qualitatives Zuschlagskriterium (40%). Die Bewertung des qualitativen Kriteriums sollte auf Basis eines durchzuführenden Fachgesprächs mit jeweils von den Bewerbern namhaft zu machenden Personen aus den Bereichen Hygiene, Beschwerdemanagement und Logistik von einer fünfköpfigen Kommission ermittelt werden. Die festgelegten Vergabebedingungen wurden nicht angefochten.

3 Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich an diesem Wettbewerb durch Abgabe eines Angebotes.

4 Am 12. Dezember 2016 gab die revisionswerbende Partei die Zuschlagsentscheidung betreffend die Tranche 3, Los H, zugunsten einer Mitbewerberin der mitbeteiligten Partei bekannt, die die höchste Punktebewertung erreicht habe.

5 2. Die mitbeteiligte Partei (im Folgenden auch:

Antragstellerin (vor dem Verwaltungsgericht)) beantragte die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung. Die Bewertung der Kommission sei unrichtig und entspreche nicht den Anforderungen der Plausibilität und Nachvollziehbarkeit. Die detaillierten Ausführungen ihres Vertreters zur Frage aus dem Fachbereich Hygiene hätten zur Zuerkennung "besonderer Merkmale" im Sinne des Bewertungsschemas der Ausschreibungsbedingungen und damit zur Vergabe der maximalen Punkteanzahl zu ihren Gunsten führen müssen. Im Fachbereich Logistik sei der Antragstellerin zu Unrecht angelastet worden, dass aus der Beantwortung der Frage auf die Unkenntnis betreffend die Notwendigkeit einer monatlichen Inventur zu schließen sei. Der aus diesem Grund vorgenommene Punkteabzug sei nicht gerechtfertigt.

6 Bei jeweils richtiger Bewertung wäre die Antragstellerin der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorzureihen gewesen.

7 3. Die revisionswerbende Partei beantragte die Abweisung des Nachprüfungsantrages und verwies insbesondere darauf, dass es den Vergabegerichten nur zukomme, die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der vorgenommenen Bewertungen zu prüfen. Eine über diesen Prüfmaßstab hinausgehende Nachprüfung der materiellen Richtigkeit der Bewertung der einzelnen Angebote vorzunehmen, sei den Gerichten verwehrt. Die verfahrensgegenständlich relevante Bewertung sei entsprechend den festgelegten Zuschlagskriterien und in nachvollziehbarer Weise erfolgt.

8 4. Mit der angefochtenen Entscheidung erklärte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die bekämpfte Zuschlagsentscheidung für nichtig und sprach der mitbeteiligten Partei den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren zu. Weiter sprach es die Unzulässigkeit der Revision aus.

9 4.1. In seiner Begründung traf das Verwaltungsgericht zusammengefasst folgende Feststellungen:

10 In den Ausschreibungsbedingungen seien je Los eine maximale Punkteanzahl für das wirtschaftliche Zuschlagskriterium (Gesamtpreis pro Los netto) von 60 Punkten, für das qualitative Zuschlagskriterium eine maximale Punkteanzahl von 40 Punkten bekannt gegeben worden. Das qualitative Zuschlagskriterium sei in die Themenbereiche Hygiene (10 Punkte), Beschwerdemanagement (15 Punkte) und Logistik (15 Punkte) untergliedert. Zur Bewertung würden mit den von den Bewerbern namhaft gemachten Schlüsselpersonen von einer dazu bestellten Kommission jeweils Fachgespräche zu denselben Fragen geführt werden. Die Bewertung solle in Form eines Schulnotensystems erfolgen. Dabei sollte der Erfüllungsgrad "über das geforderte Maß hinaus" bedeuten, dass die jeweilige Zielvorgabe erfüllt sei und der Bewerber zudem durch besondere Merkmale überzeuge. Mit der Bewertung "im geforderten Maß" solle die gänzliche Erreichung der jeweiligen Zielvorgabe bezeichnet werden. Den jeweiligen Erfüllungsgraden habe jeweils eine bekannt gegebene Punkteanzahl entsprochen.

11 Die Kommission habe aus fünf stimmberechtigten, den Bietern bekannt gegebenen, fachkundigen Personen bestanden. Diese habe vor Abhaltung der Fachgespräche den Inhalt der idealtypischen Antworten stichwortartig festgehalten. Der Inhalt der abgehaltenen Fachgespräche sei jeweils schriftlich protokolliert worden.

12 In der Mitteilung betreffend die Zuschlagsentscheidung habe die revisionswerbende Partei ausgeführt, dass die mitbeteiligte Partei 83 Punkte erreicht habe, die präsumtive Zuschlagsempfängerin jedoch 83,96 Punkte. Beide Bewerberinnen hätten im Themenbereich Hygiene 8 Punkte erzielt. Im Bereich Logistik habe die mitbeteiligte Partei 6 Punkte, die präsumtive Zuschlagsempfängerin jedoch 9 Punkte erreicht. Zu diesen Bewertungen seien die - im angefochtenen Erkenntnis detaillierter ausgeführten -Bewertungsüberlegungen der Kommission bekannt gegeben worden. Unter anderem sei - mit näherer Begründung - festgehalten worden, dass die Schlüsselperson der (hier) mitbeteiligten Partei die Fragestellung nicht vollständig und nur bedingt nachvollziehbar beantwortet habe, wobei insbesondere unklar geblieben sei, in welcher Frequenz die Inventur durchgeführt werde. Die betreffende Schlüsselperson habe unerwähnt gelassen, dass den Landespflegeheimen über das Ergebnis der Inventur zu berichten sei.

13 4.2. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht begründend aus, mangels Anfechtung der allgemeinen Ausschreibungsbedingungen seien diese bestandfest geworden. Für das qualitative Zuschlagskriterium "Fachgespräch" sei eine maximale Punkteanzahl von 40 Punkten vorgesehen gewesen, wobei die Bedingungen darauf hingewiesen hätten, dass jeweils die fachliche Qualifikation bestimmter Schlüsselpersonen, die bei dem Projekt zum Einsatz kommen würden, für die Wertung des qualitativen Zuschlagskriterium maßgeblich sein sollte.

14 Das Gericht habe trotz Bestandsfestigkeit der Ausschreibungsbedingungen zu prüfen, ob dem festgelegten Kriterium die Eignung zukomme, als qualitatives Zuschlagskriterium herangezogen werden zu können. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebe sich, dass als Zuschlagskriterien jene auszuschließen seien, die "im Wesentlichen" mit der Beurteilung der fachlichen Eignung zusammenhängen würden. Dies sei hier der Fall, weil die Qualifikation der Bewerber nicht projektbezogen untersucht werde.

15 Die Antragstellerin habe die im Rahmen der Auftragsvergabe vorgenommene Bewertung als rechtswidrig bezeichnet. Auch wenn dem erkennenden Gericht im Nachprüfungsverfahren nicht die Kompetenz zukomme, eine inhaltliche Prüfung der Bewertung durch den Auftraggeber vorzunehmen, sei es dennoch Aufgabe des Gerichts, Feststellungen dahingehend zu treffen, ob der Vorgang zur Ermittlung des Bestbieters den Grundsätzen des § 19 BVergG 2006 entsprochen habe oder nicht. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang, ob auf Grundlage der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen eine plausible und transparente Bestbieterermittlung möglich gewesen sei.

16 Es sei keine Festlegung erfolgt, durch welche "besonderen Merkmale" der jeweilige Bewerber im jeweiligen Fachbereich die Höchstpunkteanzahl erreichen könne. Für die in den Ausschreibungsbedingungen festgelegten Themenbereiche sei das einzige Zuschlagskriterium das Fachgespräch gewesen, wobei einziger Prüfmaßstab die fachliche Qualifikation der jeweiligen Schlüsselperson für das konkrete Projekt hätte sein sollen. In diesem Zusammenhang hätten die Zielvorgaben festgehalten, dass die Schlüsselpersonen durch fachliche Kompetenz "im Hinblick auf die ausgeschriebenen Leistungen und Diskursfähigkeiten überzeugen" sollten.

17 Für das Gericht sei aufgrund der in den Ausschreibungsbedingungen definierten Zielvorgaben eindeutig, dass das (bestandfeste) qualitative Zuschlagskriterium im Wesentlichen mit der fachlichen Eignung der Bieter zusammenhänge und nicht mit der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots. Die bloße Überprüfung der fachlichen Eignung der Schlüsselpersonen ohne vorherige Bekanntgabe der konkreten projektbezogenen Teilbereiche entspreche nach Ansicht des Gerichtes nicht der Vorgabe eines qualitativen Zuschlagskriteriums, das geeignet sei, bei der Auswertung eine plausible und nachvollziehbare Zuschlagsentscheidung zu gewährleisten.

18 Nach der Beurteilung des erkennenden Gerichts seien die Antworten der Schlüsselperson der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Frequenz der monatlichen Inventur nicht als widersprüchlich einzustufen gewesen. Unter Berücksichtigung der von der Fachkommission - gegenüber den Bietern nicht transparent gemachten - für den Bereich Logistik festgelegten "idealen" Antworten, sei davon auszugehen, dass die Schlüsselperson der präsumtiven Zuschlagsempfängerin keinen der gefragten Themenbereiche behandelt habe. Hingegen seien von der Schlüsselperson der Antragstellerin zwei der idealerweise anzusprechenden Themen erwähnt worden. Die vorgenommene Wertung stelle sich daher für das erkennende Gericht als nicht plausibel und nicht nachvollziehbar dar.

19 5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis abzuändern in eventu wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

20 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision zurückin eventu abzuweisen.

21 6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

22 6.1. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, das Verwaltungsgericht sei trotz der festgestellten Bestandfestigkeit der Ausschreibungsbedingungen davon ausgegangen, dass das festgelegte Zuschlagskriterium "Fachgespräch" zur Bestbieterermittlung nicht geeignet sei, weil es sich dabei um eine Beurteilung der fachlichen Eignung handle. Indem das Verwaltungsgericht ausgehend von der angenommenen Vergaberechtswidrigkeit des Zuschlagskriteriums die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt habe, sei es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, der sich für eine absolute Geltung der Präklusionsfristen ausspreche. Nach dieser Rechtsprechung sei die Grenze der Bestandskraft von Zuschlagskriterien erst dann erreicht, wenn eine Bestbieterermittlung auf Basis der bestandfesten Zuschlagskriterien überhaupt nicht möglich sei. Da dies hier nicht anzunehmen sei, weiche das Verwaltungsgericht mit seiner rechtlichen Beurteilung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab.

23 Zudem handle es sich entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts bei dem in den Ausschreibungsbedingungen festgelegten Fachgespräch nicht um ein Eignungskriterium, weil in diesem Rahmen nicht das Vorliegen bestimmter Ausbildungsnachweise ermittelt werde, sondern das Fachgespräch dazu dienen solle, die tatsächlich vorhandene Qualifikation der bei der Durchführung des Auftrages tätigen Schlüsselpersonen miteinander zu vergleichen. Mit seiner Entscheidung weiche das Verwaltungsgericht auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Zulässigkeit der Bewertung der Qualifikation von Schlüsselpersonal ab. Zudem sei es nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, eine Angebotsprüfung an Stelle des Auftraggebers vorzunehmen, sondern habe das Gericht die Entscheidung des Auftraggebers auf deren Plausibilität zu prüfen.

24 Die Revision ist aus den von ihr vorgebrachten Gründen zulässig und auch berechtigt.

25 6.2.1. In der vorliegenden Rechtssache ist unstrittig, dass die im Rahmen des Aufrufs zum Wettbewerb von der revisionswerbenden Partei als Auftraggeberin bekannt gegebenen Zuschlagskriterien mangels Anfechtung bestandfest geworden sind.

26 6.2.2. Eine unanfechtbar gewordene (bestandfeste) Entscheidung des Auftraggebers kann nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Nachprüfung von auf dieser Entscheidung aufbauenden Entscheidungen des Auftraggebers nicht mehr überprüft werden. Ist eine Ausschreibungsbestimmung mangels rechtzeitiger Anfechtung der Ausschreibung bestandfest geworden, ist sie - unabhängig davon, ob sie bei rechtzeitiger Anfechtung für nichtig zu erklären gewesen wäre - der gegenständlichen Auftragsvergabe zugrunde zu legen (vgl. VwGH 7.11.2005, 2003/04/0135, und VwGH 7.9.2009, 2007/04/0090, jeweils mwN).

27 6.2.3. Obwohl das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Begründung mehrfach auf die Bestandsfestigkeit der Vergabebedingungen und die sich aus der oben wiedergegebenen Rechtsprechung ergebenden Konsequenzen verwiesen hat, kommt es letztlich zu dem Schluss, dass sich "die Beschreibung des qualitativen Zuschlagkriteriums gewählte Vorgehensweise nicht geeignet gewesen sei, ein für alle Bieter transparentes und der Gleichbehandlung dienendes Qualitätskriterium zu schaffen, "sich vielmehr die Beschreibung des qualitativen ‚Zuschlagkriteriums' und die Wertung der Angaben der Schlüsselperson im Wesentlichen vielmehr auf die Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrages bezog und nicht projektbezogen der Ermittlung des günstigsten Angebots diente" und geht in seiner rechtlichen Begründung zusammenfassend davon aus, dass den (bestandfesten) Vergabebedingungen die Qualifikation als Zuschlagskriterium abzusprechen sei. Wegen der Zugrundelegung vergaberechtswidriger Kriterien bei der Angebotsbewertung sei davon auszugehen, dass die Zuschlagsentscheidung auf einer nicht plausiblen Wertung basiere.

28 6.2.4. Fallbezogen ist aufgrund der oben wiedergegebenen, gesicherten Rechtsprechung davon auszugehen, dass bei der Bestbieterermittlung die bestandfesten Ausschreibungsbedingungen - grundsätzlich ungeachtet allfälliger Rechtswidrigkeiten der festgelegten qualitativen Zuschlagskriterien - maßgeblich zu sein hatten. Dem Verwaltungsgericht kam im Nachprüfungsverfahren betreffend die Zuschlagsentscheidung nicht die Befugnis zu, allfällige Rechtswidrigkeiten der bestandfesten Vergabebedingungen aufzugreifen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

29 Insofern das Verwaltungsgericht die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung auf die seiner Ansicht nach vorliegenden Rechtswidrigkeiten der bestandfesten Ausschreibung stützte, ist es von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen. Diese Begründung ist damit nicht geeignet, das angefochtene Erkenntnis zu tragen.

30 6.2.5. Die Anwendung der Ausschreibungsbedingungen führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dazu, dass fallbezogen eine Bestbieterermittlung nicht möglich gewesen wäre (vgl. zu den Konsequenzen im Falle fehlender Zuschlagskriterien VwGH 1.10.2008, 2004/04/0237). Ausgehend von den Feststellungen zu den bestandfesten Ausschreibungsbedingungen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Meinung des Verwaltungsgerichts, eine plausible und nachvollziehbare Zuschlagsentscheidung sei aufgrund der Vergabebedingungen von Vornherein unmöglich gewesen. Angesichts der Bewertung durch eine fünfköpfige Fachkommission, der detailliert bekannt gegebenen Bewertungsskala samt Festhalten der von der Kommission erwarteten idealtypischen Antworten als Richtwert und der vorgegebenen Themenbereiche, sowie der Möglichkeit für die Bieter, ihre Schlüsselpersonen namhaft zu machen, die sich den Fachgesprächen stellen würden, ist nicht ersichtlich, weshalb die festgelegte Vorgehensweise in den Ausschreibungsbedingungen eine nachvollziehbare Bestbieterermittlung nicht erlauben würde (vgl. zur möglichen Vergabe aufgrund einer kommissionellen Bewertung VwGH 21.01.2014, 2011/04/0133).

31 Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Ausschreibungsbedingungen seien nicht ausreichend transparent, weil die von der Kommission festgelegten idealtypischen Antworten den Bietern nicht bekannt gegeben worden seien, ist überdies zu entgegnen, dass sich die Überprüfung eines Qualitätsmanagements durch Führung eines Fachgesprächs erübrigen würde, wenn den zu beurteilenden Personen der Inhalt der von der Beurteilungskommission als "ideal" anzusehenden Antworten schon vor dem Gespräch bekannt wäre. Dass die "besonderen Merkmale", bei deren Vorliegen der Bewerber eine Bewertung in dem jeweiligen Fachbereich als "über das geforderte Maß hinaus" hätte erzielen können, nicht im Vorhinein definiert waren, erklärt sich schon daraus, dass aus dem Zusammenhang der Bewertungsmöglichkeiten hervorleuchtet, dass es der Kommission mit dieser Bedingung ermöglicht werden sollte, individuelle - und damit im Vorhinein nicht bekannte - Qualitätsmerkmale der Bewerber bei der Bewertung zu deren Gunsten positiv zu veranschlagen. Eine Intransparenz kann darin nicht erblickt werden (vgl. zu dem einer Kommission zur Verfügung stehenden Freiraum bzw. zur Möglichkeit, die Bewertungsmethode an die Umstände des Einzelfalls anzupassen, EuGH 14.7.2016, TNS Dimarso NV, C-6/15, Rz. 29 ff).

32 6.3.1. Das Verwaltungsgericht führt weiter aus, die hinsichtlich des Themenbereichs "Logistik" vorgenommene Wertung stelle sich als nicht plausibel und nicht nachvollziehbar dar. Die Antwort der Schlüsselperson der präsumtiven Zuschlagsempfängerin enthalte weder einen Hinweis auf das Erfordernis der Frequenz der Inventur im Ausmaß von einmal im Monat noch auf den Umstand, dass das operative Geschehen im Landespflegeheim durch die Inventurtätigkeit so wenig wie möglich zu behindern sei. Ein Hinweis auf das Erfordernis eines Berichtes an das jeweilige Landespflegeheim sei nicht erfolgt. Hingegen enthalte die Antwort der Antragstellerin zwei der geforderten idealtypischen Aspekte.

33 6.3.2. Aus den Feststellungen ergibt sich dazu, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Themenbereich Logistik von der Fachkommission mit 9 Punkten, das der mitbeteiligten Partei mit 6 Punkten bewertet wurde. Inhaltlich sei von der Kommission zu der Beantwortung durch die präsumtive Zuschlagsempfängerin festgehalten worden, dass die Frequenz der Inventur nicht vollständig beantwortet worden sei, jedoch richtigerweise darauf hingewiesen worden wäre, dass durch die Ausstattung aller Wäscheartikel mit elektronischen Chips eine laufende, tagesaktuelle Inventur möglich sei. Die erforderliche Berichterstattung an das Landespflegeheim sei durch den Hinweis auf die jederzeitige Abrufbarkeit der Lagerbestände in den Heimen dargelegt. Die Beantwortung durch die Schlüsselperson der Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei von der Kommission als "knapp, nicht vollständig und nur bedingt nachvollziehbar" beschrieben worden, wobei für die Kommission insbesondere der Verweis auf das Nichtvorliegen der Notwendigkeit der vorgeschriebenen monatlichen Inventurfrequenz eine Unklarheit darstelle. Das Erfordernis der Berichterstattung an die Tagesheime sei von der Schlüsselperson nicht erwähnt worden.

34 Im Hinblick darauf, dass die Bewertung mit 9 Punkten dem Erfüllungsgrad "in ausgeglichenem Maß" (befriedigend) und die Bewertung mit 6 Punkten dem Erfüllungsgrad "überwiegend" (genügend) laut Ausschreibungsbedingungen entspricht, was zeigt, dass die Abweichungen von der idealtypischen Antwort sehr wohl berücksichtigt wurden, und darauf, dass die Kommission in ihrer verbalen Erklärung im Detail auf den Inhalt der Antworten der Schlüsselpersonen in den Fachgesprächen Bezug nimmt, steht der Heranziehung der kommissionellen Bewertung als Grundlage für die Zuschlagsentscheidung nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs weder die mangelnde Plausibilität noch die fehlende Nachvollziehbarkeit entgegen.

35 Dass der Hinweis auf die jederzeitige Abrufbarkeit der Lagerbestände in der Beantwortung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom Verwaltungsgericht anders interpretiert wird, bzw. dieses dem Inhalt der Beantwortung durch die Schlüsselperson der mitbeteiligten Partei eine andere Bewertung zukommen lassen möchte, steht dem nicht entgegen. Die bloße Möglichkeit einer von der fallbezogenen kommissionellen Beurteilung abweichenden Bewertung der Fachgespräche schließt die - vom Verwaltungsgericht als Prüfmaßstab heranzuziehende - Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Bewertung durch die Kommission nicht aus.

36 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

37 6.4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Eine Entscheidung über den Aufwandersatz kann wegen der Identität der revisionswerbenden Partei und des aufwandersatzpflichtigen Rechtsträgers unterbleiben (zur Bestimmung des aufwandersatzpflichtigen Rechtsträgers in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vgl. VwGH 27.10.2014, Ra 2014/04/0022).

Wien, am 22. März 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040038.L00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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