TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/27 Ra 2018/12/0029

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Veröffentlicht am 27.05.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz

Norm

AVG §56
BDG 1979 §74
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des H L in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2018, GZ. W221 2164316-1/7E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung i.A. Sonderurlaub (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Personalamt Wien der Österreichischen Post Aktiengesellschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen, wo er im Bereich der Vorsortierung tätig ist.

2 Mit Formblatt vom 5. September 2016 beantragte der Revisionswerber aus Anlass seiner Übersiedlung, für die ihm auch am 29. August 2016 Sonderurlaub gewährt worden war, die Gewährung eines zweiten Sonderurlaubstages für den 9. September 2016. Dieses an die "Personalabteilung des Briefzentrums Wien" gerichtete Formblatt wurde durch den Vorgesetzten des Revisionswerbers unterschrieben und nach dem 9. September 2016 "durchgestrichen" mit dem durch das "BWZ-Briefzentrum Wien, Personalleitung" angebrachten Vermerk: "da Übersiedlung/Meldezettel am 30.06.2016 stattfand Ablehnung: Nicht im unmittelbaren Zusammenhang" an den Revisionswerber retourniert.

3 Der Revisionswerber blieb dem Dienst am 9. September 2016 fern und unterfertigte sodann ein zweites Formblatt, mit dem er für den 9. September 2016 die Gewährung von Erholungsurlaub beantragte.

4 Mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 stellte der Revisionswerber den Antrag, die Behörde möge bescheidmäßig darüber absprechen, ob der 9. September 2016 als Sonderurlaubstag oder als Erholungsurlaubstag zu qualifizieren sei, wobei er den Standpunkt vertrete, dass dieser Tag als Sonderurlaubstag anzusehen sei. Es sei ihm erst nachträglich, d.h. nach bereits erfolgter Konsumierung des gewährten Sonderurlaubs, mitgeteilt worden, dass die Bewilligung zurückgenommen werde. Die nachträgliche Zurücknahme der Gewährung eines gutgläubig verbrauchten Sonderurlaubs sei unzulässig. Die durch den Vorgesetzten vorgenommene Genehmigung des Sonderurlaubs stelle einen verbindlichen Rechtsakt dar, für dessen Änderung keine Rechtsgrundlage bestehe, weil alle maßgeblichen Gegebenheiten schon zum Bewilligungszeitpunkt bekannt gewesen seien. 5 Die Dienstbehörde teilte dem Revisionswerber mit, dass sie aus näher dargestellten Gründen beabsichtige, seinem Antrag nicht Folge zu geben, und räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein, von der der Revisionswerber auch Gebrauch machte.

6 Mit Bescheid vom 6. Juni 2017 stellte die Dienstbehörde aus Anlass des Antrages des Revisionswerbers vom 15. Dezember 2016 fest, dass der 9. September 2016 nicht als Sonderurlaubstag gewertet werde.

7 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde und beantragte das Verwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid dahin abändern, dass der von ihm am 9. September 2016 konsumierte Urlaubstag als Sonderurlaubstag im Sinn des § 74 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, zu qualifizieren sei.

8 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid vom 6. Juni 2017 mit der Maßgabe, dass der Antrag des Revisionswerbers vom 15. Dezember 2016 auf Feststellung, ob der 9. September 2016 als Sonderurlaubstag oder als Erholungsurlaubstag zu qualifizieren sei, als unzulässig zurückgewiesen werde. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für unzulässig.

9 Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, der Revisionswerber habe am 9. September 2016 mit Hilfe eines Kollegen und eines Transporters eine große Phonowand, einen Lattenrost und eine Matratze von G zu einer näher genannten Adresse in W transportiert. Von 12. September 2016 bis inklusive 14. Oktober 2016 habe er sich im Krankenstand befunden. Am 17. Oktober 2016 sei dem Revisionswerber mitgeteilt worden, dass sein Antrag auf Gewährung von Sonderurlaub nicht genehmigt worden sei, weshalb er rückwirkend einen Erholungsurlaubstag beantragt habe.

10 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung legte das Bundesverwaltungsgericht dar, aus welchen Gründen es davon ausgehe, dass es sich bei der Kenntnisnahme des Sonderurlaubsantrages durch den Vorgesetzten nicht um die endgültige Genehmigung dieses Antrags gehandelt habe. Aus diesem Umstand folgerte das Bundesverwaltungsgericht, dass über den Antrag des Revisionswerbers vom 5. September 2016 auf Gewährung von Sonderurlaub für den 9. September 2016 noch nicht förmlich mit Bescheid abgesprochen worden sei. Dem Antrag sei auch nicht tatsächlich entsprochen worden, weil der Vorgesetzte dem Revisionswerber am 17. Oktober 2016 klar zu verstehen gegeben habe, dass der Sonderurlaubstag nicht genehmigt werde. Ein bescheidförmiger Abspruch darüber sei nicht erfolgt. Dass der Revisionswerber rückwirkend am 17. Oktober 2016 für den 9. September 2016 Erholungsurlaub beantragt habe, ändere nichts daran, dass er weiterhin ein rechtliches Interesse am Abspruch über seinen Antrag vom 5. September 2016 habe. Es stehe ihm folglich ein anderes gesetzlich vorgezeichnetes Verwaltungsverfahren, nämlich die Entscheidung über seinen bereits gestellten Antrag vom 5. September 2016, zur Verfügung. Der verfahrensgegenständliche Feststellungsantrag, der lediglich ein subsidiärer Rechtsbehelf sei, sei daher unzulässig. 11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, das angefochtene Erkenntnis aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

12 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Dienstbehörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der die Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung beantragt wird. 13 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision u. a. geltend, es fehle Rechtsprechung zu der vorliegenden Konstellation, in der ein Sonderurlaubstag vom unmittelbaren Vorgesetzten schriftlich bewilligt worden sei, danach jedoch unter Androhung sonstiger disziplinärer Verfolgung verlangt worden sei, dass der Revisionswerber im Nachhinein der Umwidmung in einen Erholungsurlaubstag zustimmen solle, weshalb dieser eine entsprechende Unterschrift geleistet habe. Es sei in diesem Zusammenhang auch zu klären, ob eine Erklärung des unmittelbaren Vorgesetzten zum beantragten Sonderurlaubstag als "valid" zu betrachten sei und welche Bedeutung dem Umstand zukomme, dass in der Diensteinteilung (schriftlichen Dienstplanung) im Voraus für einen bestimmten Tag ein Sonderurlaub des betreffenden Beamten aufscheine. Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der vorliegende Feststellungsantrag unzulässig sei, beruhe ferner auf der unzutreffenden Annahme, dass eine Gewährung von Sonderurlaub bislang nicht erfolgt sei. Der Revisionswerber stehe auf dem Standpunkt, dass ihm Sonderurlaub bereits gewährt worden sei, weshalb nur die Erlassung eines Feststellungsbescheides in Betracht komme. In der vorliegenden Konstellation sei ein rechtliches Interesse an der Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zu verneinen, wenn die Behörde uno actu einen positiven rechtsgestaltenden Bescheid betreffend den beantragten Sonderurlaub erlasse. Letzteres sei vorliegend jedoch nicht erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision erweist sich als zulässig und berechtigt.

15 Die Dienstbehörde vertrat die Ansicht, es sei dem Revisionswerber für den am 9. September 2016 konsumierten Urlaubstag nicht - wie von ihm mit Eingabe vom 5. September 2016 beantragt - Sonderurlaub, sondern Erholungsurlaub zu gewähren. Zur Klärung der Frage, ob der 9. September 2016 als Sonderurlaubstag oder als Erholungsurlaubstag zu qualifizieren sei, beantragte der Revisionswerber die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Dazu vertrat er die Auffassung, ihm sei bereits rechtsgestaltend durch den Dienstvorgesetzten Sonderurlaub bewilligt worden. 16 Grundsätzlich ist die Bewilligung eines Erholungsbzw. Sonderurlaubs formfrei (also ohne Notwendigkeit der Erlassung eines Bescheides) möglich und wirksam (vgl. VwGH 27.5.2015, Ro 2015/12/0006; einen Erholungsurlaub betreffend VwGH 21.6.2000, 97/09/0298).

17 Die Frage, auf die sich der in Rede stehende Feststellungsantrag bezog, und zwar ob fallbezogen eine rechtsgestaltende formlose Bewilligung des vom Revisionswerber beantragten Sonderurlaubs erfolgt war, ist von der Frage, ob ihm rückwirkend - entsprechend seinem Antrag vom 5. September 2016 - rechtsgestaltend Sonderurlaub für den 9. September 2016 zu gewähren ist, zu unterscheiden. Dem Bundesverwaltungsgericht ist zwar insofern beizupflichten, als in der zuletzt genannten Angelegenheit (betreffend die rechtsgestaltende Gewährung von Sonderurlaub) für den Fall, dass hinsichtlich des Antrags auf rechtsgestaltende Gewährung von Sonderurlaub vom 5. September 2016 weder eine bescheidförmige Erledigung noch eine formlose Bewilligung vorliegen sollte, die Antragslegitimation des Revisionswerbers zu bejahen wäre (VwGH 28.1.2013, 2012/12/0045; 4.2.2009, 2007/12/0087; 31.1.2007, 2006/12/0118, mwN; vgl. zur Unzulässigkeit einer neuerlichen, aber erstmals bescheidförmigen Entscheidung über einen bereits formlos bewilligten Antrag auf Gewährung einer Dienstbefreiung VwGH 27.5.2015, Ro 2015/12/0006). 18 Dies ändert allerdings nichts daran, dass ein Feststellungsinteresse des Revisionswerbers hinsichtlich der hier entsprechend dem Feststellungsantrag vom 15. Dezember 2016 zu behandelnden Frage, ob ihm bereits rechtsgestaltend formlos Sonderurlaub für den 9. September 2016 bewilligt wurde, nicht aufgrund des Umstands zu verneinen ist, dass die davon getrennt zu sehende Frage, ob dem Revisionswerber erst auf Grund einer noch zu treffenden Entscheidung rückwirkend rechtsgestaltend Sonderurlaub für diesen Tag zu bewilligen ist, Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens sein könnte.

19 Da das Bundesverwaltungsgericht somit, indem es das Vorliegen eines Feststellungsinteresses verneinte und den Feststellungsantrag des Revisionswerbers zurückwies, die Rechtslage verkannte, belastet es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 27. Mai 2019

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideBesondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018120029.L00

Im RIS seit

22.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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